Konversatorium Strafrecht IV Vermögensdelikte 11. Stunde: 316a; 239a,b StGB Daniel Müller Lehrstuhl Prof. Dr. Schuster E Mail: daniel.mueller@uni wuerzburg.de Internet: www.jura.uni wurzburg.de/lehrstuehle/schuster/mitarbeiter Büro: Paradeplatz 4 Raum Nr. 410
316a StGB Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer 316a Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (1) Wer zur Begehung eines Raubes ( 249 oder 250), eines räuberischen Diebstahls ( 252) oder einer räuberischen Erpressung ( 255) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. (3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand Tathandlung: Verüben eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit Tatopfer: Führer eines Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer Tatsituation: Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs 2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes Absicht, einen Raub, räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen III. Rechtswidrigkeit und Schuld
316a StGB im Detail Verüben eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit Angriff = jede feindselige Handlung, die sich gegen eines der genannten Rechtsgüter richtet. Eine tatsächliche Verletzung des Rechtsgutes ist nicht erforderlich. a) Leib oder Leben Ein Angriff setzt insoweit eine unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung voraus, bei der die Gefahr einer nicht nur unerheblichen Körperverletzung besteht.
b) Entschlussfreiheit 316a StGB im Detail Hierfür muss sich der Täter nötigender Mittel bedienen und das Opfer deren objektiven Nötigungscharakter wahrnehmen. Die feindliche Willensrichtung des Täters braucht das Opfer dagegen nicht erkannt zu haben. Beispiel: Der Täter stürzt einen Baum über die Straße. Hier nimmt das Opfer den objektiv nötigenden Charakter wahr, nicht jedoch unbedingt die feindliche Willensrichtung des Täters (der Baum könnte auch aufgrund eines Unwetters umgestürzt sein). (P) Täuschung oder List
(P) Täuschung oder List Täuschung oder List nur dann erfasst, sofern sie nötigenden Charakter haben und das Opfer deren objektiven Nötigungscharakter wahrnimmt. Beispiele: Täuschungsmanövern, die dem Autofahrer das Bestehen einer rechtlichen Pflicht (typischerweise aus StVO oder 323 c StGB) vortäuschen, sog. psychische Autofalle. Aufstellen falscher Halteschilder, Vortäuschen eines Unfalls oder einer polizeilichen Kontrolle
316a StGB im Detail Führer eines Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer Führer = wer zum Zeitpunkt der Tat das Kraftfahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist. Daran fehlt es, sobald sich der Fahrer außerhalb des Fahrzeugs befindet, bei einem nicht verkehrsbedingten Halt und der Fahrer den Motor ausschaltet.
316a StGB im Detail Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs = wenn das Tatopfer im Zeitpunkt des Angriffs noch derart mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass es gerade deshalb leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. Tat muss in naher Beziehung zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittels stehen und die typischen Situationen und Gefahrenlagen des Kraftfahrzeugverkehrs in den Dienst seiner Tat stellen. (P) Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei haltendem Fahrzeug
(P) Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei haltendem Fahrzeug Verkehrsbedingter Halt Ausnutzen i.d.r. (+), da Fahrer auf Fortsetzung seiner Fahrt wartet bzw. mit Betriebs- und Verkehrsvorgängen beschäftigt ist Nicht verkehrsbedingter Halt Ausnutzen i.d.r. (-) notwendige Erschwerung der Gegenwehr nicht allein aufgrund laufenden Motors anzunehmen Bsp.: Halt mit angezogener Handbremse und ohne Einlegung eines Ganges (anders Fuß auf der Bremse um bei Automatikgetriebe weiterrollen zu verhindern) bloße Beengtheit des Kfz oder der Vereinzelung des Opfers an einem einsamen Ort genügt nicht
316a StGB im Detail Subjektiver Tatbestand Absicht einen Raub, räuberischen Diebstahl oder räuberische Erpressung zu begehen dolus directus 1. Grades erforderlich Absicht des Täters muss vor Beendigung der Fahrt gefällt werden. Wird sie erst später gefasst, dann fehlt es am Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs. Zur Vollendung des 316a genügt bereits das bloße Handeln in der Absicht, ein vollendeter Raub etc. ist nicht erforderlich!
239a, 239b StGB Abgrenzung 239a und 239b StGB: In 239a StGB erstrebt der Täter einen Vermögensvorteil. Er will beliebige Sorgen um das Wohl des Opfers für eine Erpressung ausnutzen. In 239b StGB erstrebt der Täter hingegen einen anderen Zweck, der sich außerhalb des Vermögensbereiches abspielt. Er will das Opfer oder einen besorgten Dritten durch eine qualifizierte Drohung (Tod, schwere Körperverletzung i.s.d. 226 StGB oder Freiheitsentziehung von über einer Woche) zu einem beliebigen Verhalten nötigen.
239a, 239b StGB 1. Alt 2. Alt Täter schafft durch das Entführen oder sich bemächtigen des Opfers die Situation und hat die Absicht ein qualifiziertes Nötigungsdelikt zu begehen Situation liegt bereits vor Täter nutzt vorsätzlich diese Situation für ein qualifiziertes Nötigungsdelikt aus
239a/b I 2. Hs. 2. Alt. StGB ( bemächtigen ) (P) Sich bemächtigen im Zweipersonen-Verhältnis Beispiel: Überfall auf den Filialleiter einer Bank mit der Drohung, diesen zu erschießen, falls er den Tresor nicht öffnet. Liegt bei jedem 249 StGB; 253, 255 StGB oder 177 StGB ein Sich-Bemächtigen i.s.d. 239 a/b StGB als Begleiterscheinung vor?
(P) Sich bemächtigen im Zweipersonen- Verhältnis Wegen hoher Strafandrohung von 239a StGB restriktive Auslegung erforderlich: 239a/b I 2. Hs. 2. Alt. StGB (+), wenn der Täter durch die Bemächtigungshandlung eine stabile Zwischenlage geschaffen hat und diese für den zweiten Nötigungsakt ausnutzt. 239a/b I 2. Hs. 2. Alt. StGB (-), wenn die Drohung zugleich dazu dient, sich des Opfers zu bemächtigen und es in unmittelbarem Zusammenhang zu weitergehenden Handlungen oder Duldungen zu nötigen.