Situationsbericht Alpwirtschaft im Kanton Graubünden Fact Sheet Kanton

Ähnliche Dokumente
Alpung in der Schweiz

Verbundprojekt AlpFUTUR in 10 Minuten Scuol,

Alpwirtschaft in der Schweiz Status quo

Ist die Sömmerung von Milchkühen wirtschaftlich interessant?

FISCHFANGSTATISTIK 2014 & ENTWICKLUNGEN SEIT 2002

Was ist multifunktionale Landwirtschaft?

LEBEN IN GRAUBÜNDEN UNTERRICHT IM HOTEL Ein neues Projekt ist am Start Schulunterricht, mal anders

Fachstelle für Alpwirtschaft am Plantahof Alpwirtschaftskommission Bündner Bauernverband

Antragsformular zur Vermittlung von Alpvieh. Betriebsbeschrieb für das Aufzuchtjahr 20

Bundesamt für Statistik BFS Medienmitteilung 1450 Landwirtschaftsbetriebe weniger

Wirkungsanalyse Neue Spitalfinanzierung 2009: Das fünfte Jahr

Verordnung über die Kennzeichnungen «Berg» und «Alp» für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse

Informationsveranstaltung Alpwirtschaft

Logiernächte Winter 2015/16 Nov.-April 2016 Hotels & Gruppenlogis

Professionelle Jungviehaufzucht

Name: Schweizer Nahrungsmittel-Labels

Überblick: Direktzahlungen an Sömmerungs- und Gemeinschaftsweidebetriebe. Bern, Januar 2015

A N T R A G Z U M B Ü R G S C H A F T S G E S U C H

Gemeinde Samnaun. Stand 15. Oktober Seite 1 von 7

Alp- und Weidegesetz Der Gemeinde Furna

Johanna Götter. Diplomarbeit im Studiengang Landschaftsökologie und Naturschutz am Institut für Botanik und Landschaftsökologie Universität Greifswald

Gedanken zur Wirtschaftsförderung. rderung Graubünden. Referat anlässlich des Lunches des Rotary Club Chur. Chur, 18. Mai 2010

Wirtschaftliche Bedeutung der Biolandwirtschaft in Graubünden

Perspektiven für heimische Betriebe

Schweizer Landwirtschaft Schweizerischer Bauernverband Union Suisse des Paysans Unione Svizzera dei Contadini

Anhang A Reglement für das Befahren von Meliorationsstrassen mit Motorfahrzeugen

Regionaler Richtplan Mittelbünden: Erläuterungsbericht Konzept Golfanlagen 3-21

Landwirtschaftliche Nutztierhaltung in Schleswig-Holstein

Wir übernehmen Verantwortung.

Leitbild 2020 Leitbild 2020 Seite 1

Gemeinde Samnaun. Stand 15. Oktober Seite 1 von 8

Landwirtschaftsreglement der Genossame Euthal

Rinderhaltung. Der bedeutendste Zweig der Tiroler Landwirtschaft

Ils purs grischuns die bündner bauern i contadini grigionesi. Bündner Landwirtschaft. Starke Begegnungen

KENNDATEN 2011 RETTUNGSDIENSTE

Alpkäserei Urnerboden AG

Wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven der Milchschafhaltung in der Schweiz

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ländliche Entwicklung und Tourismus Gegensatz oder. Ergänzung? Ergänzung? Tirol Werbung LÄNDLICHE ENTWICKLUNG UND TOURISMUS 1

Niedersächsisches Ministerium für f r Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Budget 2012 des Kantons Graubünden

Region Albula (vor Region Mittelbünden)

Berglandwirtschaft. Heft Nr. 180, Dezember 2005 Preis Fr. 6.

Entwicklung und Lage der Volkswirtschaft Graubünden. Aktualisiert am: 9. November 2015

Ausführungsbestimmungen Ausbildung und Nachwuchsförderung (AUNAKO)

Berechnung der Hofdüngerlagerkapazitäten

Klimaschutz und regionale Wertschöpfung für Kommunen Der ländliche Raum als Energiespeckgürtel Ralf Keller

Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. Einfluss der Aufzuchtintensität auf die Lebensleistung und Nutzungsdauer von Milchkühen

Kursprogramm Ziele/Schwergewichtsthemen. Ausbildung der Feuerwehren. Einsatzführung auf allen Stufen

gepflegter Landwirtschaftsbetrieb

Flächenentwicklung in Nordrhein-Westfalen Berichtsjahr 2013

Waldweidelandschaften

Agrarstrukturerhebung 2013

GKB SPORTKIDS. Macht grösser und stärker jetzt anmelden!

Steuern sparen mit Maschinenkäufen: Lohnt sich das?

Struktur der Milchviehhaltung in Österreich:

Landwirtschaftsstrategie. Ökoland Vorarlberg regional und fair

Biomilch eine wirtschaftliche Alternative für Einzelbetriebe?

Die neue Agrarpolitik und ihre Wechselwirkungen mit dem Wald

Präsentation Landwirtschaft Schweiz Schwerpunkt Viehwirtschaft Europäischer Simmentaler Fleckviehkongress

Weshalb sömmern Sie Ihre Tiere?

Bewirtschaftungs- und Nutzungsreglement der Ortsgemeinde Gams. Reglement über die Bewirtschaftung und Nutzung der Gemeindegüter

Flächenbelegung durch Energiepflanzenanbau in Schleswig-Holstein

Kartenatlas zur Landwirtschaft in Hamburg und Schleswig-Holstein 2010 Endgültige Ergebnisse der Landwirtschaftszählung 2010

9.Paralandwirtschaft. Seite SBV/USP. Schweizerischer Bauernverband Union Suisse des Paysans Unione Svizzera dei Contadini

Wichtigkeit der Aufgabenbereiche der Landwirtschaft

Workshop Almrelevante Massnahmen

Betriebskonzept Starthilfe

Schweizer Braunvieh mega kuhl! mega k Prospekt_1.indd :05

Landwirtschaftlicher Betrieb

Wirkungsanalyse Neue Spitalfinanzierung 2007: Das dritte Jahr

Entwicklung der Alpung in der Schweiz: Ökonomische Bedeutung und ökologische Auswirkungen

Obst und Gemüsebau in Wien

Langsamverkehr und Agrotourismus

Presentation Schweden Sveriges Gårdsmejerister

Alpprodukte und Alpdienstleistungen Nischenprodukte in Gastronomie/Hotellerie und Tourismus

Deutscher Bauernverband. Faktencheck Methanemissionen in der Rinderhaltung. faktencheck-landwirtschaft.de

Von der Schweiz lernen heisst.

DIE WALLONISCHE LANDWIRTSCHAFT IN ZAHLEN. Foto : DGARNE DDV

Die Europäische Förderkulisse: Sonderfall Berggebiete

Bauernhöfe in der Region öffnen sich für Schulen

Zukunft des Schweizer Chalets von Morro do Chapéu

Neues Gesetz über Gäste- und Tourismustaxen

Nischenprodukte, Aufgabe der Milchvieh

dialogkultur 2011 Kultur in der Landschaft Kultur als Landschaft

Problemstellung bestehender Erschliessungsnetze in den Alpen: Lösungsansätze und offene Fragen

SpediTHUN (Marketingkonzept)

Bio und regionale Kompetenz: Vielfalt in der Natur mehr Vielfalt an regionalen Produkten

Kathrin Hasler, Vorstandsmitglied Fricktal Regio Planungsverband. Fricktalkonferenz. 22. Januar 2016

Jenaer Geschäftsklimaindex. Gesamtauswertung der Befragung des Basisjahres 2011

Lebensraum Feldflur Beispiele aus Bayern

452 Mähweiden Weiden Hutungen Anerkannte Almen, Alpen Sommerweiden für Wanderschafe

Weidemast mit Remonten ohne Mais und Kraftfutter auf Grünland. Eric Meili, MSc Agr ETH / SIA

Ausgaben nach Aufgabengebieten 2017

Aus «ökologischen Ausgleichsflächen öaf» werden «Biodiversitätsförderflächen BFF» Alle Qualitätsstufen zu 100% vom Bund finanziert

Wettbewerbsfähige Strukturen und Aufgabenteilung im Bündner Tourismus

Die Umschichtung von Mitteln innerhalb der Direktzahlungen in die Förderprogramme Ländliche Entwicklung. Prof. Dr. Hubert Weiger

I A K A G R A R C O N S U L T I N G G M B H. Entwicklungspotentiale der aserbaidschanischen Landwirtschaft. Das Projekt Agstafasüd

Tierschutz beim Rindvieh auf Sömmerungsbetrieben

Transkript:

Situationsbericht Alpwirtschaft im Kanton Graubünden 2001 2005 Fact Sheet Kanton ausgeführt durch den Landwirtschaftlichen Beratungsdienst des LBBZ Plantahof im Auftrag des Amtes für Landwirtschaft und Geoinformation Juni 2007

1. Die Alpwirtschaft (2005) Flächennutzung, Landwirtschaft, Tourismus Abb. 1: Kulturlandschaft dank Alpwirtschaft Der Kanton Graubünden ist ein klassischer Gebirgskanton. Allein die unproduktiven Gebiete, Gebüsch und Wald bedecken 2/3 der Oberfläche, der Rest ist landwirtschaftlich genutztes und besiedeltes Land. Die Alpweiden machen 70 % davon aus, bezogen auf den Kanton sind es gut 20 % der Oberfläche. Die Siedlungsfläche umfasst 2 % des Kantons und konzentriert sich auf die Talsohlen und flachsten Zonen an den Bergflanken. Besonders dicht ist die Besiedlung im Bündner Rheintal mit der Agglomeration Chur Landquart und in der unteren Moesa mit den Ausläufern des Ballungsraums Bellinzona sowie in den touristischen Agglomerationen von Davos-Klosters und St. Moritz. Tourismus gibt es im ganzen Kanton, besonders konzentriert in den beiden genannten Agglomerationen sowie in Arosa, Lenzerheide, Flims-Laax, Scuol und Samnaun. Die Landwirtschaftliche Nutzfläche im engeren Sinne (LN) umfasst nur 6 % der Oberfläche Graubündens. Sie bildet die Existenzgrundlage für knapp 3'000 Bauernfamilien. Im Bündner Rheintal liegt die einzige Talzone (nach Definition des eidg. Produktionskatasters) mit günstigen Bedingungen für Acker-, Obst- und Weinbau (35 % der LN), aber auch die Viehhaltung ist hier intensiv. Sonst überwiegt das Grünland (95-100 %) mit teils sehr intensiven kleinen Betrieben (Davos, Münstertal), teils eher extensiven grossen Höfen (Mittelbünden, Schanfigg). Auf den Betrieben werden fast ausschliesslich Raufutterverzehrer (99 %) gehalten. Dank Alpweiden kann die Futtergrundlage um 20 25 % ausgedehnt werden. Über 600 der fast 3'000 Landwirtschaftsbetriebe würden sonst rein rechnerisch aus Graubünden verschwinden. Die Anzahl der eigenen gewinterten Tiere reicht nicht aus, um die vorhandenen Alpungsmöglichkeiten abzudecken. Darum ist Graubünden ein klassisches Sömmerungsgebiet für ausserkantonales Vieh: 13 % der gealpten Tiere (in Grossvieheinheiten GVE) sind nicht von Graubünden. Das Exportprodukt Alpung bringt zusätzliches Einkommen in die am dünnsten besiedelten Kantonsgebiete. Die Alpstufe im Einzugsgebiet der Tourismuszentren wird im Winter wie im Sommer auch touristisch sehr intensiv genutzt. Generell ist sie im ganzen Kanton beliebt für Skitouren und Bergwanderungen. Abb. 2: Typisierung der Alpregionen Vorderprättigau Cadi Safiental Heinzenberg- Domleschg Bündner Rheintal Vorderrhein Nord Mundaun- Signina Hinteres Lugnez Julier Hinterrhein Moesa Hinterprättigau Schanfigg Davos Albula Bregaglia Oberengadin Engiadina Bassa Poschiavo Lenzerheide gut erreichbar gut erreichbar, tourist. Zentrum grosse Distanzen, Dorfsennerei grosse Distanzen, Dorfsennerei, Kleinvieh grosse Distanzen, Dorfsennerei, tourist. Zentrum grosse Distanzen, Dorfsennerei, tourist. Zentrum, Kleinvieh grosse Distanzen, ohne Dorfsennerei grosse Distanzen, ohne Dorfsennerei, Kleinvieh Quelle: LBBZ Plantahof 2007, eigene Darstellung Val Müstair 2

Für die Analyse der aktuellen Situation wurde das Kantonsgebiet in 21 Alpregionen unterteilt. Die Grenzen verlaufen wenn immer möglich entlang jener der Planungsregionen 1. Grosse Regionen, z.b. die Surselva, sind noch zusätzlich unterteilt. Abb. 3: Einteilung des Kantons in 21 Alpregionen - Bündner Rheintal - Mundaun-Signina - Vorderrhein Nord - Cadi - Hinteres Lugnez - Safiental - Heinzenberg & Domleschg - Hinterrhein - Moesa - Lemzerheide - Julier - Albulatal - Schanfigg - Vorderprättigau - Hinterprättigau - Davos - Engiadina Bassa - Val Müstair - Oberengadin - Val Poschiavo - Val Bregaglia Wert der Alpprodukte Abb. 4: Gesunde Weidetiere Zur Wertschöpfung der Alpwirtschaft gibt es bisher keine zuverlässigen Schätzungen. Trotzdem lassen sich einige quantitative Überlegungen anstellen: 1) Milchprodukte: 13 Mio. Fr jährlich; hier gibt es ein Steigerungspotential, da diese Premium-Produkte noch kaum entsprechend positioniert und exportiert werden. Die Milchprodukte sind z.b. reich an Omega-3-Fettsäuren und geeignet für den regionalen Export. 2) Wachstum von Aufzucht- und Masttieren: 2 Mio. Tonnen mehr Lebendgewicht jährlich von 35'000 Stück Jungvieh und 5'500 Kälbern von Mutterkühen während 100 Alptagen sowie 0,6 Mio. Tonnen bei den Weidelämmern; geweidete Tiere haben erwiesenermassen zarteres Fleisch als ihre Kollegen in intensiver Stallhaltung. 3) Dienstleistung: 2,5 Mio. Fr jährlich; neben den eigenen werden in Graubünden 15'000 ausserkantonale Tiere gesömmert. 4) Löhne, Entschädigungen: 14 15 Mio. Fr jährlich; das grosse Interesse von Personen ausserhalb Graubündens für die Alp ist erfreulich, führt aber auch zu einem Mittelabfluss aus dem Kanton. Abb. 5: Premium-Produkt Alpkäse 1 Die Umfrage bei den Alpbetrieben fand vor der Reorganisation der Planungsver bände Bündner Rheintal, Schanfigg und Mittelbünden statt. 3

Alpwirtschaft als Teil der regionalen Wirtschaft und Gesellschaft Die Alpwirtschaft hat für Graubünden aber nicht nur eine landwirtschaftliche, sondern eine breite ökonomische, ökologische und kulturelle Bedeutung. Auch hier gibt es keine verlässlichen Zahlen, aber wieder einige vorsichtige Schätzungen: 1) Wertschöpfung für regionales Baugewerbe: ca. Fr. 300 pro gealpte Milchkuh, jährlich total Fr. 6 Mio. Investitionen in Infrastruktur/Unterhalt, wovon ein schöner Teil vor Ort bleibt. 2) Wertschöpfung für gewerbliche und private Sennereien: 3,4 Mio. kg Milch zum Verarbeiten 3) Wertschöpfung für regionales Lebensmittelgewerbe: 1000 zusätzliche Personen für 100 Tage 4) Generell leben/wirtschaften über 600 Familien zusätzlich in dünn besiedelten Gebieten 5) Multiplikatoreffekt für Investitionen von Gemeinden: von den 6 Mio. Fr. Investitionen bezahlen die Gemeinden 1,35 Mio., bekommen aber einen grossen Anteil von Bund und Kannton zurück. Die grössten Kosten verursacht der Unterhalt der Gemeindesennalpen (s. Abb. 7) 6) Gute Unterlagen für Skipisten: geschätzte 7'500 ha Pisten liegen im Sömmerungsgebiet. Auf gepflegten Weiden ist der Aufwand für die Präparierung von Pisten sehr ökonomisch. Da wo die Seilbahnen keine Überfahrtsrechte und Ertragsausfallsentschädigungen entrichten, entspricht dies einer Quersubventionierung des Tourismus durch die Alpwirtschaft. 7) Pflege der Kulturlandschaft: 24 % der Oberfläche des Kantons sind Sömmerungsweiden (Alpen und Allmenden). Abb. 6: Anteil der Milchkühe am Alpviehbestand Abb. 7: Grosse Investitionen auf Milchkuhalpen und gepflegte Alpweiden im Winter Grundlage für den Tourismus (Alp Albeina, Saas i.p.) Abb. 8: Kosten für Investitionen und Unterhalt der Milchkuhalpen mit mehr als 20 Kühen in 15 Jahren (Schätzung) 25'000'000 20'000'000 15'000'000 10'000'000 5'000'000 Die ökologische und sozio-kulturelle Bedeutung Sennalpen - Milchalpen der Alpwirtschaft lassen sich noch schwieriger quantifizieren. Die wichtigste ökologische Leistung der Alpwirtschaft ist die Erhöhung der Diver- LBBZ, Plantahof 2007, eigene Darstellung Quelle der Graphiken: sität. Dank dieser wird der Lebensraum vielfältiger, mehr Arten finden ihren Lebensraum. Wie vorne gesagt, lässt sich diese Diversität touristisch nutzen. Sie stellt besonders auch ein Potential für zukünftige Entwicklungen dar, sei es, dass das System auf Änderungen wie Klimawandel reagieren kann, sei es, dass neue Möglichkeiten und Trends am Markt genutzt werden können, die heute noch nicht bekannt oder bewusst sind. Die Alpwirtschaft bewirtschaftet heute die hochalpinen Ökosysteme nachhaltig und angepasst, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die geahndet werden. Diese Leistung entschädigt der Bund mit Sömmerungsbeiträgen im Wert von Fr. 14 Mio. pro Jahr. 0 Gemeinde Investitionen Korp./ Genoss. priv & gemischt Unterhalt Gemeinde Korp./ Genoss. priv & gemischt 4

Eigentum, Bewirtschaftung und Alpgrösse Eigentum, Bewirtschaftung und Alpgrösse sind eng mit Kultur und Tradition verbunden: 1) Für den romanischen Kulturraum ist typisch, dass die Alpen im Gemeindebesitz sind und zur Nutzung einer öffentlichrechtlichen Alpgenossenschaft beziehungsweise Alpkorporation überlassen werden. Diese Tradition wurde im Rheintal, Schanfigg und Prättigau beibehalten, obwohl diese Gegenden heute zum deutschsprachigen Kulturraum gehören. Die Alpen sind in der Mehrheit mittelgross, zwischen 40 und 100 Normalstössen (NST), aber auch die grossen Alpen liegen fast ausschliesslich hier (> 100 NST). Diese Tradition und Form überwiegt im Kanton (s. Abb. 9). 2) In den Südalpen ist typisch, dass die Alpen zwar auch in Gemeindebesitz sind, aber an Private oder privatrechtliche Körperschaften verpachtet werden, oft im 6-Jahres-Rhythmus. Ein Spezialfall sind private Alprechte auf Gemeindealpen im Val Poschiavo. Die Alpen sind mehrheitlich klein (> 40 NST), teilweise auch mittel gross, aber nur selten über 100 NST. 3) Die Alpen in den Walsergebieten dagegen sind traditionell im Besitz von privatrechtlichen Alpgenossenschaften und Privaten. Oft sind nur die Weiden Gemeinschaftseigentum, die Gebäude aber privat. Die Modernisierung der letzten 50 Jahre, besonders auf Senn- und Milchalpen, wurde aber oft gemeinschaftlich realisiert. Die Alpen sind meist klein (> 40 NST). Da wo die Grenzen der Alpregionen den Kulturgrenzen folgen, gibt es jeweils eine klare regionale Dominanz von einem der drei traditionellen Konzepte, da wo sich die Kulturen überlagern, entsteht eine Mischung. Dies ist bei Massnahmen betreffend der Strukturen und Organisation der Alpen zu berücksichtigen (s. Abb. 9). Die durchschnittliche Alpgrösse beträgt 75 NST, die Grössenunterschiede sind aber riesig und gehen von wenigen bis zu 500 verfügten NST. Regional sind jene im Unterengadin mit 104 NST im Schnitt am grössten, in Davos mit 38 NST am kleinsten. Anzahlmässig am weitesten verbreitet sind mit 45 % die mittelgrossen Alpen von 40 bis 100 NST. Am meisten Normalstösse (48 %) werden jedoch von grossen Alpbetrieben mit über 100 NST bestossen (s. Abb.13). Abb. 9: Private Alpställe im Safiental Abb. 10 Formen von Eigentum und Bewirtschaftung in den Regionen Besitz: Gemeinde, Nutzung: öffentlichrechtl. Genossenschaft Besitz: Gemeinde, Nutzung: privat / privatr. Genossenschaft Besitz und Nutzung: privat / privatrechtl. Genossenschaft Mischung der Alpkulturen und Tradition Abb.11: Anteile der verschiedenen Formen von Eigentum und Bewirtschaftung 100% 50% 0% 7% 13% 20% 60% Eigen- 6% 27% 67% Bewirt- tum schaftung keine Antw ort Eigentum gemischt Priv at Genossenschaft/ Korporation Gemeinden Abb.12: Verteilung der Alpgrössen nach Anzahl und Normalstössen(NST) 100% 50% 0% 24% 45% 31% Anzahl 48% 41% 10% NST Grossalpen mittelgrosse Alpen Kleinalpen Quelle der Graphiken: LBBZ Plantahof 2007, eigene Darstellung 5

Viehbestand 2005 und Veränderung 2001 2005 Die wichtigste Tierart für die Alpung ist im ganzen Kanton das Rindvieh mit 84 % der GVE. Die fast 16'000 Milch- und Galtkühe machen 1/3 der gealpten GVE aus, ein weiteres Drittel ist Jungvieh und 1/6 sind Mutterkühe. Auch Mutterschafe haben ein Gewicht von fast 1/6, konzentrieren sich jedoch auf wenige Regionen. Dagegen haben Milchschafe/-ziegen oder Pferde je nur gut 1-2 % Anteil an den gealpten GVE (s. Abb.13). Abb.13: Bedeutung nach GVE gealpter Tierkategorien im 2005 100% 2% Ziegen 13% 1% 50% 0% 32% 17% 35% Pferde Jungv ieh Mutterkühe und -kälber Milch- und Galtkühe Das gealpte Vieh hat in Graubünden zwischen 2001 und 2005 leicht um -1,4 % abgenommen. Am stärksten war das Jungvieh betroffen, in dieser Periode ging den Alpen jedes achte Tier verloren. Bei den Milchkühen und den n ist der Rückgang deutlich langsamer, nur eines auf 20 Tiere. Fast, aber nicht ganz, wurden diese Abnahmen mit der Zunahme der Mutterkühe auf das Anderthalbfache in fast allen Regionen kompensiert (s. Abb.15). Auslastung und Potential Die Auslastung ist bei den n nur mässig gut (84 %), bei den übrigen Tieren erreicht sie problemlose 94 %. Sie wird nicht von der Alpungsdauer beeinflusst. Die Bedeutung der für die Gesamtauslastung ist mit 14 % recht klein (s. Abb. 16). Das Potential gewinterter Tiere beträgt insgesamt 94 % bei 100 % Alpungsmöglichkeiten. Von ausserhalb Graubündens kommen 13 %. Es bleiben also 7 % Vieh auf den Allmenden oder der Landwirtschaftl. Nutzfläche! Alpmilchproduktion Auf den Bündner Alpen werden gut 11 Mio. kg Milch produziert, 5 % davon sind Ziegenmilch, 0,5 % Schafmilch. Der Grossteil wird vor Ort verarbeitet, ein Viertel an Dorfsennereien geliefert. Der Anteil Industriemilch beträgt 7 % und kommt nur im Norden des Kantons und im Albualtal vor. Dort ist sie zum Teil von regionaler Bedeutung. Die Auslastung der verfügten NST für gemolkene Tiere ist befriedigend (91 %). Der Zustand der Infrastruktur der Milchkuhalpen 1 ist recht gut, am besten bei Gemeindealpen. Nachholbedarf gibt es bei den Sennalpen, in Davos bei fast allen Alpen. Die Kosten für die nächsten 15 Jahre werden auf 20 Mio. Fr Investitionen und 40 Mio. Fr. Unterhalt geschätzt. Abb.14: Zusammensetzung der Veränderung des Alpviehs 2001 2005 (GVE) -4.8% -1.4% -1.4% Mutterk. Pferde -0.7% Ziegen Total Milchk. 4.9% Jungvieh 0.3% 0.3% -10% -5% 0% 5% 10% Abb.15: Regionale Auslastung 2005 Cadi Safiental Heinzenberg- Domleschg Lenzerheide Bündner Rheintal Vorderrhein Nord Mundaun- Signina Hinteres Lugnez Hinterrhei Julier Moesa Vorderprättigau Hinterprättigau Schanfigg Davos Albula Bregaglia Oberengadin Engiadina Bassa Poschiavo Val Müstair 95-100% 90-95% 85-90% 80-85% Abb.16: Auslastung (NST)/ Potential (GVE) für Alpung von n/übrigen 125% 100% 75% 50% 25% 0% 14% 78% 11% 83% Auslastung Potential ausserk ausserk Übrige Manko Manko Übrige Übrige 1 Untersucht wurde eine Stichprobe von Alpen mit mehr als 20 gemolkenen Tieren 6 Quelle der Graphiken: LBBZ Plantahof 2007, eigene Darstellung

2. Vorschläge zur Sicherung der Bestossung in den nächsten 15 Jahren Handlungsachse 1: Grundlagen zur Alpbewirtschaftung Das Ziel der nachhaltigen Nutzung der Alpweiden wurde bisher erreicht, aber über die Effizienz der eingesetzten Mittel ist keine Aussage möglich. Die aktuelle Datenlage erlaubt keine zielorientierte Beobachtung und Steuerung der Entwicklung. Um die Beobachtung der Entwicklung zu ermöglichen und als Grundlage für fundierte Investitionsentscheide kann ein Alpkonzept und Alpentwicklungsplan für Graubünden mit ausformulierten Zielen, Indikatoren für die Erfolgskontrolle und einem elektronischen Alpkataster erarbeitet werden. Die Kantone Wallis, St. Gallen und Nidwalden arbeiten auch in diesem Sinne an der Sicherung der Zukunft ihrer Alpwirtschaft. Diese Massnahmen müssen vorwiegend mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Dabei bietet der Bund neue Möglichkeiten der Unterstützung und Kofinanzierung an. Handlungsachse 2: Wirtschaftlichkeit der Alpproduktion Das Ziel, auf dem Markt zu bestehen, wurde bisher ebenfalls erreicht. Allerdings kommt man in der Lagebeurteilung auch hier nicht über allgemeine Aussagen hinaus. Besonders zur Wirtschaftlichkeit der Alpproduktion gibt es keine Kennzahlen, weil die Alprechnungen nicht ausgewertet werden. Auch die Alp-Organisation ist oft intuitiv, darum sind Veränderungen immer mit viel Stress verbunden. Weiter wechseln Alpverantwortliche und Alppersonal häufig und die Haltung zur Erzeugung von Premium-Produkten und der Profilierung in der Qualitätsschiene ist eher reserviert. Ein Alp-Handbuch zu Organisationsfragen, mit einer modularen Alprechnung und guten Beispielen sowie praxisnahen QM-Manualen für Alpprodukte kann hier einen wertvollen Beitrag leisten. Zusätzlich sind Qualifizierung und Beratung wie anhin konsequent und laufend auf die Handlungsachsen auszurichten. Ausser der Entwicklung der Handbücher und Manuale finanzieren sich diese Massnahmen über den Markt, flankiert von Absatzförderungsmassnahmen mit staatlicher Kofinanzierung im üblichen Rahmen (AP 2011). Handlungsachse 3: Innovation und Entwicklung Auch dem Ziel, die Alpproduktion laufend den Erfordernissen von Markt und Gesellschaft anzupassen, wurde in der Vergangenheit erfolgreich entsprochen. Allerdings beschritten die meisten vorwiegend konventionelle Wege. Auf den Alpen gibt es wenig Direktvermarktung, für die Anwerbung von Alpvieh und nach der Alpabfahrt für die Vermarktung der Produkte ist jeder auf sich selber gestellt, die Gemeinden oder Alpgenossenschaften agieren alleine, Agrotourismus auf der Alp und branchenübergreifende Zusammenarbeit sind selten. Mit einem Impulsprogramm und einer Alpkommission mit Vertretern aus verschiedenen Branchen können innovative Ideen angeregt und deren Umsetzung in die Praxis gefördert werden. Z.B. kann eine Vermarktungsorganisation für Alpprodukte und die Zusammenarbeit mit alpinavera aufgebaut werden. Finanziert werden können diese Massnahmen in der Aufbauphase mit privaten Mitteln und öffentlicher Kofinanzierung (Kanton und Bund), nach diesem Anschub über den Markt. 7 Abb. 17: Verwertung der Alpmilch Quelle: LBBZ, Plantahof 2007, eigene Darstellung

3. Alpbericht Steckbrief der Alpwirtschaft Graubündens Die Alpbetriebe des Kantons Graubünden Grösse in NST Alle Kleinstalpen1 Kleinalpen mittlere Alpen Grossalpen Alpen <10/Ausnahmen 10 40 40 100 > 100 Anzahl Alpen 771 113 206 298 154 verfügte NST 49'814 752 5'158 20'207 23'698 Anteil an NST 100 % 2 % 10 % 41 % 48 % Situationsbericht Zukunft Alpwirtschaft Alpen in Auswertung (> 10 NST) 658 berücksichtigte verfügte NST 49'062 Eigentumsverhältnisse Bewirtschaftung (2005) Gemeindealpen 396 Alpgenossenschaft/-korporation 441 Genossenschafts-/Korporationsalpen 132 Pächter / Selbstbewirtschafter 177 Privatalpen 87 keine Antwort 40 gemischtes Eigentum 43 Durchschnittsgrösse der Alpen 75 NST Gesömmertes Vieh im Kanton Graubünden Anzahl Tiere Anteile (umgerechnet in GVE) Anteil ausserkantonal Veränderung seit 2001 (%GVE) Milchkühe 13'917 30 % 7 % -5 % Galtkühe 1'925 4 % 9 % 5 % Jungvieh 35'483 33 % 9 % -13 % Mutterkühe und Kälber 13'647 17 % 4 % 42 % Pferde 885 1 % 1 % 14 % 25 % (> 1-jährig) 35'310 13 % 2 % -5 % Ziegen (> 1-jährig) 4'653 2 % 3 % 21 % Total 105'820 100 % 13 % -2 % Auslastung der Alpen 84 % 15 % verfügte NST effektive NST Auslastung 8'310 6'935 84 % Übrige Tiere 40'752 38'160 94 % davon gemolkene Tiere 15'162 13'749 91 % Milchproduktion und -verarbeitung im Kanton Graubünden Milchviehalpen (mit > 10 gemolkenen Tieren) Verarbeitung der Alpmilch vor Ort Anzahl ausgewertet 257 Bündner Alpkäse (kg) 600'000 mit Milchverarbeitung (Sennalpen) 142 Alpbutter (kg) 75'000 ohne Milchverarbeitung (Milchalpen) 103 Grauschimmelkäse (kg) 25'000 Senn-/Milchalpen 1 Ziegenalpkäse (kg) 21'000 andere Verwertung der Milch 11 anderer Käse & Spezialitäten (kg) 10'000 Alpmilchproduktion Alpmilch in Sennerei im Dorf Von Kühen (kg) 10'750'000 Kuhmilch (kg) 3'296'000 Von Ziegen (kg) 455 000 Ziegenmilch (kg) 80'000 Von n (kg) 50'000 Schafmilch (kg) 48'700 weiteres weitere Verwendung Alpen mit Direktvermarktung (>5%) 63 Industriemilch (kg) 694'000 Alpen mit Agrotourismus 42 Milch für Selbstversorgung / Mast 55 000 Personal 1'000 Pers. Legende: GVE = Grossvieheinheiten; NST = Normalstoss (1 GVE während 100 Tagen) 92 % 1 Alpen mit weniger als 10 NST und für die Sömmerung gemeldete ehemalige Maiensässe. Weiter werden einige Spezialfälle nicht in die vorliegende Auswertung einbezogen und zu einem späteren Zeitpunkt zusammen mit den Allmenden und Gemeinschaftsweiden beurteilt. 8