1. Eine funktionentheoretische Sichtweise der ganzen und der rationalen Zahlen

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1. Eine funktionentheoretische Sichtweise der ganzen und der rationalen Zahlen Vereinbarung. In dieser Vorlesung sei ein Ring stets ein kommutativer Ring mit Einselement. Für einen Ringhomomorphismus φ : A B gelte φ(1) = 1. Ist B ein Ring und A B ein Unterring, so enthalte A das Einselement von B. 1.1. Definition. Sei A ein Ring. Dann versteht man unter dem Spektrum von A die Menge aller Primideale von A. Das Maximalspektrum von A ist die Menge aller maximalen Ideale von A. Bezeichnung. Wir bezeichnen mit Spec(A) das Spektrum und mit Specm(A) das Maximalspektrum des Ringes A. Da jedes maximale Ideal prim ist, gilt Specm(A) Spec(A). Beispiele. a) In einem Hauptidealring A sind bekanntlich die Primideale außer dem Nullideal (0) genau die von Primelementen p A erzeugten Hauptideale (p). Diese Ideale sind sogar maximal. Deshalb gilt für jeden Hauptidealring A Spec(A) = Specm(A) {(0)}. b) Sei speziell A := Z der Ring der ganzen Zahlen und P := {2, 3, 5, 7, 11, 13, 17,...} die Menge aller Primzahlen. Damit hat man eine bijektive Abbildung P Specm(Z), p (p). c) Sei A = k[x] der Ring aller Polynome in einer Unbestimmten X mit Koeffizienten aus einem algebraisch abgeschlossenen Körper k (z.b. k = C). Dann sind die Primelemente von k[x] die linearen Polynome und man bekommt eine bijektive Abbildung k Specm(k[X]), a (X a). Ist der Körper k nicht algebraisch abgeschlossen, so hat man immer noch eine injektive Abbildung k Specm(k[X]), die aber nicht mehr surjektiv ist. Für den Ring R[X] kann man z.b. zeigen, dass man eine natürliche surjektive Abbildung C Specm(R[X]), a m a := {f(x) R[X] : f(a) = 0}, hat, bei der jeweis zwei konjugiert komplexe Zahlen dasselbe Bild haben. Kap. 1 zuletzt geändert am: 2014-03-25 1.1

1. Funktionentheoretische Sichtweise der ganzen Zahlen d) Es gibt auch Ringe, für die das Spektrum viel größer als das Maximalspektrum ist. Sei etwa A := k[x 1,...,X n ] der Polynomring in n 2 Unbestimmten über einem algebraisch abeschlossenen Körper k. Für einen Punkt a = (a 1,...,a n ) k n ist m a := {f k[x 1,...,X n ] : f(a) = 0} ein maximales Ideal. Aus dem sog. Hilbertschen Nullstellensatz folgt, dass die Abbildung k n Specm(k[X 1,...,X n ]), a m a, bijektiv ist. Es gibt aber noch viele andere Primideale. Z.B. ist das von einem beliebigen irreduziblen Polynom f(x 1,...,X n ) erzeugte Hauptideal ein Primideal, das aber nicht maximal ist. 1.2. Definition. Sei A ein Ring und p Specm(A) ein maximales Ideal. Dann heißt der Körper κ(p) := A/p der Restklassenkörper von A an der Stelle p. Man hat die natürliche Quotientenabbildung eval p : A κ(p), f f mod p Nach Definition gilt Ker(eval p ) = p, also ist eval p (f) = 0 genau dann, wenn f p. Man interpretiert eval p (f) als den Funktionswert des Elementes f A an der Stelle p und schreibt manchmal auch suggestiv f(p) für eval p (f). Diese Interpretation wird nahegelegt durch das erste der folgenden Beispiele: a) Sei A := k[x] der Polynomring in einer Unbestimmten X über einem algebraisch abgeschlossenen Körper k. Für a k sei m a das von X a erzeugte Hauptideal. Wie bereits in 1.1, Beispiel c) gesagt, entstehen so alle maximalen Ideale von A und man hat somit eine bijektive Beziehung k Specm(A), a m a. Daher kann man Spec(A) mit k identifizieren. Man hat eine kanonische Isomorphie κ(m a ) = k[x]/(x a) = k, denn das Hauptideal (X a) k[x] besteht aus allen Polynomen, die die Nullstelle a k haben, also ist jedes Polynom f(x) modulo (X a) zum konstanten Polynom mit dem Wert f(a) k äquivalent. Die Abbildung eval a := eval ma : k[x] κ(m a ) = k 1.2

wird hier gegeben durch eval a (f) = f(a), ist also die gewöhnliche Auswertung des Polynoms f an der Stelle a. b) Für den Ring Z der ganzen Zahlen besteht Specm(Z) genau aus allen von den Primzahlen p P erzeugten Hauptidealen (p) Z und man hat die Isomorphie κ(p) = Z/(p) = F p, wobei F p den endlichen Körper mit p Elementen bezeichnet. In diesem Fall ist also eval p : Z F p, x eval p (x) := (x mod p) F p die Abbildung, die einer ganzen Zahl x Z ihre Restklasse modulo p zuordnet. Eine ganze Zahl x Z liefert somit eine Funktion auf dem Maximalspektrum Specm(Z), wobei der Wert x(p) an der Stelle (p) Specm(Z) im Körper F p liegt. 1.3. Jacobson-Radikal. Wir untersuchen jetzt die Frage, ob jedes Element x A eines Ringes durch seine Funktionswerte eval m (x) κ(m), m Specm(A), eindeutig bestimmt ist. Dies ist offenbar äquivalent damit, dass der Ring-Homomorphismus φ : A A/m, x (eval m (x)) m Specm(A) m Specm(A) injektiv ist. Dazu ist folgender Begriff nützlich. Definition. Unter dem Jacobson-Radikal eines Ringes A versteht man den Durchschnitt aller seiner maximalen Ideale, in Zeichen j(a) := m. m Specm(A) Damit gilt Ker(φ) = j(a). Also sind genau dann alle Elemente eines Rings A durch ihre Funktionswerte auf dem Maximalspektrum von A eindeutig bestimmt, wenn das Jacobson-Radikal von A verschwindet. Für den Ring Z der ganzen Zahlen ist dies der Fall: Behauptung. j(z) = (0). Beweis. Angenommen, dies sei nicht der Fall. Dann gibt es eine ganze Zahl x mit 0 x j(z). Wir können annehmen, dass x > 0 (andernfalls ersetze man x durch x). Dann ist z := 1 + x 2, also keine Einheit von Z und daher in mindestens einem maximalen Ideal m enthalten. (Da die maximalen Ideale von Z genau die durch Primzahlen erzeugten Hauptideale 1.3

1. Funktionentheoretische Sichtweise der ganzen Zahlen (p) sind, heißt dies einfach, dass z durch wenigstens eine Primzahl teilbar ist.) Da nach Voraussetzung ebenfalls x m, würde daraus wegen 1 = z x folgen 1 m, Widerspruch! Damit ist die Behauptung bewiesen. Aus j(z) = (0) folgt nun, dass die Abbildung φ : Z p P F p (P Menge aller Primzahlen) injektiv ist. Da alle F p endlich, aber Z unendlich ist, ergibt sich hieraus ein weiterer Beweis dafür, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. 1.4. Definition. Unter einem lokalen Ring versteht man einen Ring A, der ein einziges maximales Ideal m A besitzt. Der Körper κ := A/m heißt der Restklassenkörper des lokalen Rings. In einem lokalen Ring A ist jedes Element im Komplement des maximalen Ideals invertierbar. Denn wäre t A m nicht invertierbar, so wäre das Hauptideal At A in einem maximalen Ideal m 1 enthalten und m 1 m, Widerspruch! Umgekehrt gilt: Ist A ein Ring und m A ein echtes Ideal, so dass alle Elemente von A m invertierbar sind, so ist m das einzige maximale Ideal, also A ein lokaler Ring. Ein typisches Beispiel eines lokalen Rings ist der Ring C{z} aller komplexen Potenzreihen f(z) = c n z n, c n C, mit positivem Konvergenzradius, der aber von f abhängen kann. Jede solche Potenzeihe stellt eine in einer gewissen Umgebung des Nullpunkts 0 C holomorphe Funktion dar. Das maximale Ideal m C{z} besteht aus allen Funktionen mit f(0) = 0. Jede Funktion f C{z} m, d.h. f(0) 0, ist in einer gewissen Umgebung des Nullpunkts ungleich 0, also ist 1/f(z) dort holomorph und kann in eine Potenzreihe entwickelt werden, die zu C{z} gehört. Weitere Beispiele lokaler Ringe erhält man durch den Prozess der Lokalisierung, den wir als nächstes besprechen. 1.5. Lokalisierung. Sei A ein Integritätsbereich, d.h. ein nullteilerfreier kommutativer Ring mit Einselement 1 0. Dann ist der Quotientenkörper K := Quot(A) definiert. Für ein Primideal p Spec(A) ist die Lokalisierung von A an der Stelle p definiert als A p := { x s K : x A, s A p }. Es ist leicht nachzurechnen, dass A p ein Unterring von K mit A A p ist. 1.4

Wir bezeichnen mit pa p das von p erzeugte Ideal im Ring A p. Es gilt { p } pa p := s : p p, s A p. Das Komplement A p pa p = {t/s : t, s A p} besteht aus allen invertierbaren Elementen von A p. Daraus folgt, dass pa p ein maximales Ideal ist, und zwar das einzige maximale Ideal von A p. Also ist A p ein lokaler Ring. Beispiele: a) Ein typisches Beispiel wird geliefert durch den Polynomring A := k[x] über einem Körper k. Der Quotientenkörper von A ist dann der Körper k(x) aller rationalen Funktionen in der Unbestimmten X. Für einen Punkt a k sei m a := (X a) k[x] das maximale Ideal aller durch den Linearfaktor X a teilbaren Polynome, d.h. aller Polynome f(x) k[x] mit f(a) = 0. Die Lokalisierung A ma besteht dann aus allen rationalen Funktionen F(X) = g(x), f(x), g(x) k[x], f(a) 0, f(x) d.h. allen rationalen Funktionen, die in a keinen Pol haben. Der Wert F(a) k ist also wohldefiniert. b) Für den Ring Z der ganzen Zahlen und das durch eine Primzahl p erzeugte maximale Ideal (p) Z besteht die Lokalisierung { n } Z (p) = s Q : n, s Z, p s aus allen rationalen Zahlen, deren Nenner nicht durch p teilbar ist. 1.6. Satz. Sei A ein Integritätsbereich und m Specm(A) ein maximales Ideal. Dann ist die durch die Inklusion A A m induzierte Abbildung φ : A/m A m /ma m ein Isomorphismus. Beweis. Die Injektivität folgt daraus, dass φ ein Homomorphismus zwischen Körpern ist. Zur Surjektivität. Sei z A m /ma m repräsentiert durch x/s A m, (x A, s A m). Das Element s ist invertierbar modulo m, es gibt also ein t A mit st = 1 + ξ, ξ m. Daher ist (st)(x/s) = (tx)/1 modulo ma m zu x/s äquivalent, repräsentiert also ebenfalls z. Es folgt, dass z das Bild unter φ des Elements (tx mod m) A/m ist, q.e.d. Bemerkung. Der Satz bedeutet, dass sich die in 1.2 definierte Abbildung eval m : A κ(m) = A/m 1.5

1. Funktionentheoretische Sichtweise der ganzen Zahlen auf die Lokalisierung A m A fortsetzen lässt. Die Fortsetzung werde wieder mit bezeichnet. eval m : A m κ(m) 1.7. Satz (p-adische Entwicklung). Sei p eine Primzahl. Dann gibt es zu jedem Element x Z (p) eine eindeutig bestimmte Folge von Zahlen a n {0, 1,..., p 1}, n 0, so dass N x a n p n (p) N+1 für alle N 0. (1) Hier ist (p) das von p erzeugte (maximale) Ideal in Z (p). Es ist (p) N+1 = (p N+1 ). Statt (1) schreibt man auch x = a n p n Dies ist zunächst nur als Abkürzung für (1) zu verstehen. Führt man jedoch auf Z (p) eine Topologie ein, bei der die Mengen x + (p) N, N 0, eine Umgebungsbasis des Punktes x Z (p) bilden, so konvergiert die unendliche Reihe (d.h. die Folge der Partialsummen) tatsächlich gegen x. Wir werden auf diese Topologie später noch zurückkommen. Beweis. a) Wir zeigen zunächst die Existenz der Reihen-Entwicklung durch Induktion nach N. Für den Induktionsanfang N = 0 betrachten wir das Bild x F p von x unter der Abbildung Z (p) Z (p) /pz (p) = Fp. Das Körperelement x F p wird durch eine ganze Zahl a 0 {0, 1,..., p 1} repräsentiert, d.h. es gilt x a 0 (p). N 1 Induktionsschritt N 1 N. Nach Induktions-Voraussetzung ist x a n p n (p) N, d.h. x N 1 a n p n = ξ N p N mit ξ N Z (p). Nach dem Induktionsanfang gibt es ein a N {0, 1,..., p 1} mit ξ N a N (p), also ξ N p N a N p N (p) N+1. Daraus folgt (2) N x a n p n (p) N+1, q.e.d. 1.6

b) Zur Eindeutigkeit. Sei x = b np n eine zweite Entwicklung von x und m der kleinste Index mit a m b m. Dann gilt (a m b m ) p m (p) m+1. Daraus folgt a m b m mod p. Da a m, b m {0, 1,..., p 1}, ist dies nur möglich, wenn a m = b m, Widerspruch! Beispiele a) Für eine positive ganze Zahl x Z Z (p) hat man die schon aus der Elementar- Mathematik bekannte abbrechende p-adische Entwicklung x = a 0 + a 1 p +... + a n p n, a ν {0, 1,..., p 1}. Dabei ist n die kleinste natürliche Zahl mit x < p n+1. b) Schon für die Zahl 1 bricht die p-adische Entwicklung nicht ab. Es gilt nämlich 1 = (p 1)p n. Dies beweist man so: Da n ν=0 pν = (1 p n+1 )/(1 p), gilt für die n-te Partialsumme x n := n (p 1)p ν = (1 p n+1 ), also 1 x n (p) n+1, q.e.d. ν=0 c) Als weiteres Beispiel berechnen wir die 5-adische Entwicklung der rationalen Zahl x := 1/3 Z (5). Nach dem Beweis von Satz 1.7 hat man zuerst das Bild x von x unter der Abbildung Z (5) Z (5) /5Z (5) = F5 zu bestimmen. Da das Inverse von 3 F 5 gleich 2 ist, ist x = 2, also ist der 0-te Koeffizient der 5-adischen Entwicklung a 0 = 2. In der Tat ist x a 0 = 1 3 2 = 1 6 3 = 1 3 5 5Z (5). Als nächstes hat man das Bild von ξ 1 := 1/3 in F 5 zu betrachten. Dies ist das Negative des Bildes von 1/3 also ξ 1 = 3. Deswegen ist a 1 = 3. Da 1/3 3 = 10/3 = (2/3) 5, folgt x a 0 a 1 5 = 2 3 52 5 2 Z (5). Das Bild von ξ 2 := 2/3 in F 5 ist ξ 2 = 2ξ 1 6 1 mod 5, also a 2 = 1. Wegen 2/3 1 = 5/3 = 1/3 5, folgt x a 0 a 1 5 a 2 5 2 = 1 3 53 5 3 Z (5). 1.7

1. Funktionentheoretische Sichtweise der ganzen Zahlen Da ξ 3 := 1/3 = ξ 1, sieht man, dass sich von jetzt ab die Entwicklung wiederholt, d.h. a m+2 = a m für alle m 1, also 1 3 = 2 + 3 5 + 1 52 + 3 5 3 + 1 5 4 + 3 5 5 + 1 5 6 +... Man kann beweisen (Übung!), dass die p-adische Entwicklung jeder rationalen Zahl x Z (p) periodisch wird. 1.8. Definition. Ein diskreter Bewertungsring ist ein Hauptidealring A mit genau einem maximalen Ideal m (0). Da A Hauptidealring ist, wird das maximale Ideal von einem Primelement erzeugt, m = (π). Dieses Primelement π ist dann bis auf Multiplikation mit einer Einheit das einzige Primelement von A. Jedes Element x A, x 0, lässt sich schreiben als x = uπ n, mit einer Einheit u A und n Z, n 0. Man setzt ord π (x) := n. Die Funktion v := ord π : A {0} Z ist eine sog. Bewertung, d.h. es gilt (i) v(xy) = v(x) + v(y) für alle x, y A {0}, (ii) v(x + y) min(v(x), v(y)) für alle x, y A {0}, x + y 0. Dies erklärt den Namen Bewertungsring. Beispiele a) Für jede Primzahl p ist Z (p) ein diskreter Bewertungsring. b) Sei allgemeiner R ein Hauptidealring und π R ein Primelement. Dann ist die Lokalisierung R (π) ein diskreter Bewertungsring. Sei etwa R := k[x] der Polynomring in einer Unbestimmten über einem Körper k und a k. Dann ist X a ein Primelement, also die Lokalisierung A := k[x] (X a) ein diskreter Bewertungsring. A besteht aus allen rationalen Funktionen F(X) k(x), die in a keinen Pol haben. Die Bewertung v(f) ist in diesem Fall die Nullstellenordnung der Funktion F im Punkt a. c) Der Ring C{z} aller konvergenten Potenzreihen in z mit komplexen Koeffizienten ist ebenfalls ein diskreter Bewertungsring. 1.8

Der Satz 1.7 kann auf beliebige diskrete Bewertungsringe verallgemeinert werden. 1.9. Satz. Sei A ein diskreter Bewertungsring mit maximalem Ideal (π). Sei R A ein Repräsentantensystem für den Restklassenkörper κ := A/(π), d.h. durch die kanonische Quotientenabbildung A κ wird R bijektiv auf κ abgebildet. Dann gibt es zu jedem x A eine eindeutig bestimmte Folge von Elementen a n R, n 0, so dass x N a n π n (π) N+1 für alle N 0. Man schreibt hierfür wieder x = a n π n. Der Beweis kann fast wörtlich von Satz 1.7 übernommen werden. 1.10. Vervollständigung. Sei A ein diskreter Bewertungsring mit maximalem Ideal m = (π). Wir führen auf A die Topologie ein, für welche die Mengen U N (a) := a + m N, N 0, eine Umgebungsbasis des Punktes a A bilden. Dies ist die sog. m-adische Topologie auf A. Da m N = (π N ) = (0), N=0 N=0 ist diese Topologie Hausdorffsch. Eine Folge (x n ) n N von Elementen x n A konvergiert genau dann gegen a A, wenn zu jedem N N ein n 0 N existiert, so dass x n a m N für alle n n 0. Eine Folge (x n ) n N heißt Cauchyfolge, falls zu jedem N N ein n 0 N existiert, so dass x n x m m N für alle n, m n 0. Z.B. ist jede Potenzreihe a n π n, a n A, d.h. die Folge der Partialsummen x n := n ν=0 a νπ ν, n 0, eine Cauchyfolge, da für alle n m N gilt x n x m = n ν=m+1 a ν π ν (π) N. 1.9

1. Funktionentheoretische Sichtweise der ganzen Zahlen Jede konvergente Folge ist eine Cauchyfolge, die Umkehrung gilt aber im Allgemeinen nicht. Falls jede Cauchyfolge in A konvergiert, heißt A vollständig. Ist A nicht vollständig, so kann man eine Vervollständigung  A auf folgende Weise konstruieren: Sei Cauchy(A) die Menge aller Cauchyfolgen (x n ) n N in A. Bzgl. komponentenweiser Addition und Multiplikation ist Cauchy(A) ein Ring. Sei Null(A) die Menge aller Nullfolgen in A. Natürlich gilt Null(A) Cauchy(A) und man prüft leicht nach, dass Null(A) ein Ideal von Cauchy(A), ja sogar ein Primideal ist. Dann definiert man  := Cauchy(A)/Null(A). Ordnet man jedem Ringelement x A die Restklasse der konstanten Folge (x, x, x,...) Cauchy(A) zu, so erhält man eine injektive Abbildung A  und man identifiziert A mit seinem Bild in Â. Für eine konkrete Darstellung der Elemente von  ist folgendes Lemma nützlich. 1.11. Lemma. Sei A ein diskreter Bewertungsring mit maximalem Ideal (π) und R A ein Repräsentantensystem des Restklassenkörpers κ = A/(π). Dann gibt es zu jeder Cauchyfolge (x n ) n N Cauchy(A) eine eindeutig bestimmte unendliche Reihe a n π n, a n R, die zur Cauchyfolge (x n ) äquivalent ist, d.h. die Folge der Partialsummen unterscheidet sich von der gegebenen Cauchyfolge nur um eine Nullfolge. ( n ν=0 a νπ ν ) Beweis. a) Existenz. Da (x n ) eine Cauchyfolge ist, gibt es zu jedem n 0 ein ν n, so dass x l x m (π) n+1 für alle l, m ν n. Da die Cauchyfolgen (x n ) n N und (x νn ) n N äquivalent sind, d.h. sich nur um eine Nullfolge unterscheiden, bedeutet es keine Einschränkung der Allgemeinheit, anzunehmen, dass x l x m (π) n+1 für alle l, m n. Wir konstruieren jetzt induktiv a ν R, ν = 0, 1, 2,..., so dass x n n a ν π ν (π) n+1 für alle n 0. ν=0 Induktionsanfang n = 0. Nach Definition des Repräsentantensystems gibt es ein a 0 R mit x 0 a 0 (π). Induktionsschritt n n + 1. Da x n x n+1 (π) n+1, folgt x n+1 n a ν π ν =: ξ n+1 (π) n+1. ν=0 1.10 n N

Das Element ξ n+1 lässt sich schreiben als ξ n+1 = απ n+1 mit α A. Wählt man a n+1 R mit α a n+1 (π), so folgt ξ n+1 a n+1 π n+1 mod (π) n+2, also n+1 x n+1 a ν π ν (π) n+2, ν=0 q.e.d. b) Eindeutigkeit. Es genügt zu zeigen: Sind a nπ n und b nπ n, (a n, b n R), zwei Potenzreihen, deren Differenz gegen 0 konvergiert (d.h. die Partialsummen der Reihe (a n b n )π n bilden eine Nullfolge), so gilt a n = b n für alle n. Angenommen, dies sei nicht der Fall und sei m der kleinste Index mit a m b m. Dann gilt (a m b m ) (π), also (a m b m )π m (π) m+1. Da (a ν b ν )π ν (π) m+1 für alle ν > m, folgt n (a ν b ν )π ν (π) m+1 für alle n > m. ν=0 Also kann die Reihe ν=0 (a ν b ν )π ν nicht gegen 0 konvergieren, Widerspruch! Damit ist Lemma 1.11 bewiesen. 1.12. p-adische Zahlen. Speziell für den diskreten Bewertungsring Z (p) bedeutet das Lemma 1.11 folgendes: Jedes Element ξ der Vervollständigung Ẑ(p) besitzt eine eindeutige Darstellung der Form ξ = a n p n, a n {0, 1,..., p 1}, (3) und umgekehrt konvergiert jede solche Reihe a np n gegen ein Element von Ẑ(p). Die Vervollständigung Ẑ(p) wird mit Z p bezeichnet 1, Z p heißt der Ring der ganzen p-adischen Zahlen. Der Ring Z p ist wieder ein diskreter Bewertungsring mit maximalem Ideal pz p und Restklassenkörper Z p /pz p = Z(p) /pz (p) = Z/pZ = Fp. Dass Z p vollständig ist, folgt ebenfalls aus Lemma 1.11, denn jede Cauchyfolge (x n ) n N Cauchy(Z p ) ist äquivalent zu den Partialsummen einer Potenzreihe der Gestalt (3), welche in Z p konvergiert. Der Quotientenkörper Q p := Quot(Z p ) ist der Körper der p-adischen Zahlen. Man kann zeigen, dass sich jedes Element ξ Q p in eine Laurentreihe ξ = entwickeln lässt. n=n 0 a n p n, n 0 Z, a n {0, 1,..., p 1} 1 Man beachte: Wir bezeichnen mit Z p nicht den Restklassenring Z/pZ = F p. 1.11