Abstimmung zum Stammzellenforschungsgesetz



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Transkript:

Abstimmung zum Stammzellenforschungsgesetz Hoffnung für Patienten und den Forschungsplatz Schweiz 4. Oktober 2004 Nummer 36/1 5. Jahrgang economiesuisse Hegibachstrasse 47 Verband der Schweizer Unternehmen Postfach CH-8032 Zürich Fédération des entreprises suisses Telefon +41 1 421 35 35 Federazione delle imprese svizzere Telefax +41 1 421 34 34 Swiss Business Federation www.economiesuisse.ch

Abstimmung vom 28. November 2004: Stammzellenforschung Bereits heute werden Stammzellen in der Medizin erfolgreich eingesetzt. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden aber erst am 28. November 2004 über ein Stammzellenforschungsgesetz abstimmen. Gegen die vom Parlament und Bundesrat befürwortete Vorlage wurde von den Organisationen Ja zum Leben, Mutter und Kind sowie dem Basler Appell das Referendum ergriffen. Forscherinnen und Forscher sind zuversichtlich, dass embryonale Stammzellen ein grosses medizinisches Potenzial haben. Es besteht die Hoffnung, dass eines Tages Querschnittlähmungen erfolgreich therapiert, durch einen Herzinfarkt geschädigte Herzen repariert und Krankheiten wie Parkinson und Diabetes wirksamer behandelt oder geheilt werden können. Mit dem Stammzellenforschungsgesetz (StFG) erhalten die Forscherinnen und Forscher die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen, damit sie die Grundlagen für neue Behandlungskonzepte erarbeiten können. Das StFG soll Missbräuche verhindern und die Menschenwürde schützen. Kontrolle statt Verbote ist in der Schweizer Forschungspolitik ein breit akzeptierter Grundsatz, dem im StFG Rechnung getragen wird. Auslöser für eine gesetzliche Regelung der Stammzellenforschung war, dass die Forschung mit Stammzellen heute weltweit betrieben wird. Man hofft, mit der embryonalen Stammzellenforschung wichtige Fortschritte in der Behandlung heute unheilbarer Krankheiten zu erzielen. Der Schweizerische Nationalfonds hat deshalb den Import embryonaler Stammzellen aus den USA für ein Projekt einer Genfer Forschungsgruppe im Herbst 2001 bewilligt. Dabei wurde festgestellt, dass in der Schweiz hinsichtlich des Umgangs mit embryonalen Stammzellen eine Gesetzeslücke besteht, die nun nach dem Willen von Bundesrat und Parlament mit dem StFG geschlossen werden soll. Verwendung überzähliger Embryonen für die Grundlagenforschung Embryonale Stammzellen werden aus einer so genannten Blastozyste gewonnen. Als Blastozyste bezeichnet man jenes Vielzell-Stadium, das ein Embryo zirka fünf Tage nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle erreicht hat. Zu jenem Zeitpunkt besteht die Blastozyste aus rund 150 Zellen. Embryonale Stammzellen sind pluripotent: Sie können sich unter geeigneten Bedingungen zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung entwickeln, so zum Beispiel zu Herz-, Nerven-, Haut- oder Muskelzellen. Ganz alles können embryonale Stammzellen aber doch nicht, sie sind nicht totipotent: Aus ihnen kann sich kein ganzer Mensch bilden. Das Stammzellenforschungsgesetz (StFG) regelt die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen zu Forschungszwecken und die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Dabei geht es nicht um die Verwendung dieser Zellen im Rahmen therapeutischer Verfahren, sondern lediglich um deren Gewinnung und Verwendung für die Grundlagenforschung. Überzählige Embryonen können bei der In-vitro-Fertilisation einem Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung entstehen. Die bei der In-vitro-Fertilisation überzählig bleibenden Embryonen müssen nach geltendem Recht vernichtet werden. Das StFG regelt die Bedingungen, unter welchen von diesen sonst zur Vernichtung bestimmten überzähligen Embryonen embryonale Stammzellen für Forschungszwecke entnommen werden können. Es geht also konkret um die Frage, ob die vorhandenen überzähligen Embryonen vernichtet werden oder im Interesse der Patienten für die Grundlagenforschung genutzt werden dürfen. Die vom StFG festgelegten Kriterien für Forschung mit embryonalen Stammzellen sind sehr streng: 1. Einwilligung des betroffenen Paares: Stammzellen aus überzähligen Embryonen dürfen nur entnommen werden, wenn das betroffene Paar seine Einwilligung gibt. 2. Von der Ethikkommission bewilligt: Jedes Forschungsprojekt muss von einer Ethikkommission bewilligt werden. Eine kommerzielle Nutzung ist untersagt. 3. Strenge Auflagen für die Forschung: Das Bundesamt für Gesundheit erteilt erst dann eine Bewilligung, wenn Forschungsziele nicht anders erreicht werden können. Die Bewilligungskriterien sind restriktiv, ein Missbrauch ist praktisch ausgeschlossen. Das StFG enthält auch diverse Verbote. So ist es nicht erlaubt, einen Embryo zu Forschungszwecken zu erzeugen, überzählige Embryonen ein- oder auszuführen oder 1

Stammzellen aus einem überzähligen Embryo nach dem siebten Tag seiner Entwicklung zu gewinnen oder zu verwenden. Der Forschung sind durch das StFG klare Leitplanken gesetzt. Grosses medizinisches Potenzial der Stammzellenforschung Forscherinnen und Forscher betonen das grosse medizinische Potenzial der Stammzellenforschung. Sie wehren sich dagegen, dass vielversprechende Forschungsprojekte wegen des Referendums künftig nicht weitergeführt werden könnten und somit Patientinnen und Patienten die Hoffnung genommen wird. Denn bereits heute ist absehbar, dass die Behandlung von Krankheiten wie Parkinson, Herzleiden, Diabetes, Erkrankungen der Leber, Immunkrankheiten und vielen anderen Leiden dank der Forschung mit embryonalen Stammzellen markant verbessert werden kann. Fast täglich liest und hört man von neuen vielversprechenden Therapiemöglichkeiten. Auch Querschnittgelähmte setzen grosse Hoffnungen in die Stammzellenforschung: Weltweit versuchen Forschungsgruppen mit Hilfe von Stammzellen zu erreichen, dass durchtrennte Nervenfasern im Rückenmark wieder nachwachsen. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Forschungsprojekte. Die Hoffnung der Forscherinnen und Forscher beruht auf heute bereits bestehenden, erfolgreich eingesetzten Therapien mit Stammzellen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um embryonale, sondern um so genannte a- dulte Stammzellen. Die adulten Stammzellen sind im Körper lebenslänglich vorhanden und haben die Aufgabe, unterschiedlichste Arten von Ersatzzellen zu bilden. Sie wurden bereits in 20 verschiedenen Organen nachgewiesen, sind jedoch schwierig aufzuspüren und vor allem kaum zu isolieren. Eine Ausnahme sind die Blut bildenden Stammzellen im Knochenmark, die seit 30 Jahren erfolgreich transplantiert werden. Anfang der 90er-Jahre gelang es, Nabelschnurblut, das von Neugeborenen gewonnen wird, als weitere Quelle für Blut bildende Stammzellen in der Praxis zu nutzen. Durch die Transplantation solcher Stammzellen konnte weltweit Hunderttausenden von Leukämiepatienten geholfen werden. Auch spezielle Immunkrankheiten lassen sich heute mit Blut bildenden Stammzellen wirksam behandeln. Anstatt in Zukunft Erkrankungen mit Medikamenten zu bekämpfen, könnten Stammzellen für neue Zellen, gesundes Gewebe oder vielleicht sogar Organerneuerung Anstoss geben. Marisa Jaconi und andere Pioniere Die Genfer Biologin Marisa Jaconi ist die Erste, die in der Schweiz mit embryonalen Stammzellen forscht. Der Schweizerische Nationalfonds gab dem Projekt im September 2001 in einem Aufsehen erregenden Entscheid grünes Licht. Das Ziel der Pionierin Jaconi: Beschädigtes Herzmuskelgewebe soll mit Hilfe von Stammzellen dereinst erneuert werden können. In der Schweiz erleiden jährlich über 3000 Patienten einen Herzinfarkt. Bis heute sind Schädigungen des Herzmuskelgewebes nach einem Herzinfarkt irreparabel. Die Patienten leben mit geschwächtem Herzen, sie sind nur teilweise arbeitsfähig oder sogar vollinvalid. Marisa Jaconi hat zusammen mit ihrem Forschungsteam wichtige Proteine und Enzyme gefunden, die embryonale Stammzellen von Mäusen dazu bringen, sich in Zellkulturen zu Herzmuskelzellen zu entwickeln. Neben der Genfer Biologin arbeiten zahlreiche Schweizer Forschungsgruppen mit Stammzellen. Einen wichtigen Beitrag leistet dabei das Nationale Forschungsprogramm Stammzellenforschung: Hier wird in der Schweiz geforscht Basel 1. Angeborene Immunkrankheiten 2. Leukämie 3. Abwehrsystem 4. Blut 5. Vermehrung von Stammzellen 6. Knochenmarktransplantationen 7. Diabetes Bellinzona 1. Menschliches Immunsystem Bern 1. Hautkrankheiten 2. Parkinson (Nervenzellen) 3. Leberzellen Genf 1. Kultur von Blutstammzellen 2. Muskel- und Sehnenzellen 3. Herzmuskelzellen 4. Parkinson (Nervenzellen) Lausanne 1. Netzhautzellen 2. Hauttransplantate Zürich 1. Transplantation von Leberzellen 2. Parkinson (Nervenzellen) 2

Implantate und Transplantate (NFP 46), in dessen Rahmen sich 15 Projekte mit dem Thema Stammzellen befassen. Ein Team um den Basler Arzt Henryk Zulewski ist einer neuen Therapie für Diabetes auf der Spur. Unsere Vision ist eine Zelltherapie, bei der Stammzellen im Körper des Patienten dazu gebracht werden, Insulin zu produzieren, sagt der Forscher. Am Augenspital der Universität Lausanne hat ein Forschungsteam um Yvan Arsenijevic Stammzellen im Auge entdeckt. Diese haben das Potenzial, die Rückbildung des Sehzentrums der Netzhaut die so genannte Makuladegeneration zu stoppen und neue Sinneszellen zum Wachstum anzuregen. An der Rückbildung der Makula leiden viele ältere Menschen, bei den 80-Jährigen sogar jeder Dritte. Stammzellenforschung wird an zahlreichen weiteren Standorten und in den verschiedensten Bereichen betrieben (siehe Tabelle auf Seite 2). Die allermeisten Stammzellenprojekte, die zurzeit im Gange sind, arbeiten mit adulten Stammzellen. Diese stehen bei der Abstimmung zum StFG nicht zur Debatte. Forscherinnen und Forscher sind sich jedoch einig, dass es falsch wäre, die Forschung einseitig auf adulte Stammzellen zu beschränken, denn embryonale und adulte Stammzellen haben ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen, die untersucht werden müssen. Den Forschungsplatz Schweiz stärken Im OECD-Vergleich nimmt die Schweiz nach wie vor in verschiedenen Forschungsdisziplinen einen Spitzenrang ein. Dazu gehören Disziplinen wie Biologie und Biochemie, Immunologie oder Mikrobiologie. Bei den Zukunftsbranchen wie etwa der Computertechnologie oder Telekommunikation hat sie den Zug jedoch verpasst. Im Hightech- Bereich verfügen Länder wie Schweden und Finnland über fast doppelt so viele Patente pro Kopf der Bevölkerung wie die Schweiz. Dies zeigt, wie wichtig es für die Universitäten und Hochschulen ist, bei einer neuen Technologie von Beginn an international mithalten zu können. In der Stammzellenforschung kann es gelingen, international mitzuhalten und den Forschungsplatz Schweiz zu stärken. Voraussetzung ist aber, dass die Forscherinnen und Forscher nicht durch Verbote behindert werden, sondern anhand klarer Leitlinien arbeiten können. Diese Leitlinien sind durch das StFG unmissverständlich gegeben. Innovation ist der Antrieb des Fortschritts und ein wichtiger Motor für die Volkswirtschaft. In der EU wird zurzeit darüber diskutiert, wie der Forschungs- und Innovationsstandort Europa konkurrenzfähiger werden könnte und welche Massnahmen einzuleiten sind. In der Tat droht Europa den Anschluss an die USA zu verlieren. Dies ist besonders schmerzlich für die Schweiz, weil Wissen ihr einziger Rohstoff ist. Die Schweizer Hochschulen sind auf ein forschungsfreundliches Umfeld angewiesen, wenn sie im härter werdenden Wettbewerb bestehen und ihre Position auch in Zukunft sichern wollen. Allzu restriktive Gesetze oder gar Verbote gefährden den Wissens- und Forschungsplatz Schweiz. Der moralische Status des Embryos Dass der Forschungsplatz Schweiz gestärkt werden muss, ist relativ unbestritten. Es ist ein anderer Punkt, an dem sich die Diskussionen beim StFG hauptsächlich entzünden: der moralische Status des Embryos. Denn die Quelle embryonaler Stammzellen sind, wie gesagt, Embryonen, genauer so genannte Blastozysten, wie das Vielzell-Stadium zirka fünf Tage nach der Befruchtung der menschlichen Eizelle genannt wird. In der Schweiz geniesst der menschliche Embryo in vitro einen besonderen moralischen und rechtlichen Status. Er ist von der Verfassung her geschützt Klonen, Eingriffe in die Keimzellen, Geschlechtswahl usw. sind verboten. Auch die Embryospende ist nicht erlaubt. Die Nationale Ethikkommission hat in ihrer Stellungnahme zur Embryonenforschung unter anderem ein Respektmodell vorgestellt und diskutiert. Findet eine Güterabwägung zwischen Schutz- und Nutzaspekten, Missbrauchsmöglichkeiten und Therapiepotenzialen statt, so die Schlussfolgerung der Nationalen Ethikkommission, ist die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen zu verantworten. Dieser Sicht sind auch die eidgenössischen Parlamentarier gefolgt. Sie kamen zum Schluss, dass aus den Restriktionen, die den Schutz des Embryos hierzulande gewähren, kein Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen folgt, und dass das strenge StFG die Kriterien des Respektmodells bezüglich des Embryos erfüllt. Nationalund Ständerat haben festgehalten, dass die Verfassungsgrundlage für die Forschung an embryonalen Stammzellen gegeben ist. Das StFG im internationalen Vergleich National- und Ständerat haben mit dem StFG eine konsequente Regelung angestrebt. Aus der Sicht der Parlamentsmehrheit ist es ehrlicher, die Gewinnung von embryonalen Stammzellen unter strengen Auflagen zuzulassen und im eigenen Land Forschung zu betreiben, als etwa bloss das Importieren von embryonalen Stammzellen zu tolerieren oder dereinst Forschungsresultate aus dem Ausland bei der Behandlung von Krankheiten nutzen zu wollen. 3

In Österreich und Deutschland darf nur mit importierten Stammzellen geforscht werden eine sehr inkonsequente Haltung, wie Forscherinnen und Forscher in diesen beiden Ländern beklagen. Verschiedene Länder kennen liberalere Regelungen, als das Schweizer StFG sie vorsieht: England und Belgien erlauben die Herstellung von Embryonen zu reinen Forschungszwecken, was in der Schweiz verboten ist. Auch Schweden will dies in einem neuen Gesetz künftig zulassen. In den Niederlanden, Dänemark, Finnland, Spanien, Griechenland und Frankreich ist wie im StFG vorgesehen die Forschung an überzähligen Embryonen erlaubt. Die USA verfügen bis zum heutigen Tag über kein Gesetz zur Stammzellenforschung. Liberale und konservative Kreise blockieren sich in der Entwicklung einer nationalen Regelung auf diesem Gebiet. Als Reaktion haben einige Staaten (z.b. Kalifornien, New Jersey) mit einer eigenen liberaleren Regelung zur Förderung der Stammzellenforschung reagiert. In ihrer restriktiven Haltung spricht sich die Bush-Administration gegen eine breite staatliche Finanzierung von Stammzellenforschungsprojekten aus, toleriert jedoch die private Forschung auf diesem Gebiet. Grosse Fortschritte erzielen die zahlreichen mit privaten Mitteln ausgestatteten Universitäten sowie kleinere Biotech-Firmen. Ausserhalb Europas kennen diverse Länder eine sehr liberale Regelung: Israel zum Beispiel gehört in der Stammzellenforschung weltweit zu den führenden Ländern. Wenig kontrovers ist die Forschung an überzähligen Embryonen auch in islamischen Ländern. In asiatischen Ländern sind die rechtlichen Unterschiede nicht so gross wie in Europa. Singapur, China und Indien haben liberalere Regelungen, während Korea und Japan etwas restriktiver sind. Fazit: Die Schweiz braucht ein Ja zum StFG Insgesamt lässt sich sagen: Die Schweizer Forscherinnen und Forscher erhalten mit dem StFG keinen Freipass für die Forschung mit Stammzellen. Ganz im Gegenteil: Im internationalen Vergleich wird die Schweiz mit dem StFG über eine strenge Regelung verfügen. Ethische Aspekte werden im StFG berücksichtigt und die Anforderungen an Forschungsprojekte sind sehr hoch. Das StFG stärkt den Forschungsplatz Schweiz. Im Zentrum der gesetzlichen Regelung stehen nicht wirtschaftliche Interessen, sondern die Forschung an Schweizer Universitäten und Spitälern. Die Stammzellenforschung ist ein Gebiet, in dem unser Land einen Spitzenplatz belegt. Zahlreiche Forschungsprojekte, vom Genfer- bis zum Bodensee und von Basel bis ins Tessin, zeugen vom hohen Leistungsniveau Schweizer Wissenschafter und Wissenschafterinnen auf diesem Gebiet. Es wäre fatal, diese wertvollen Ressourcen preiszugeben. Forscherinnen und Forscher sollen an ihren viel versprechenden Projekten weiterarbeiten dürfen. Noch ist die Stammzellenforschung weitgehend Grundlagenforschung. Bis es zur Anwendung in Form neuer Therapien kommt, braucht es viel Zeit. Diese soll den Forscherinnen und Forschern gewährt werden, irgendwann wird sie Patientinnen und Patienten zugute kommen. Diese Hoffnung dürfen wir Patientinnen und Patienten nicht nehmen. SK Kommentar Bereits heute werden zum Wohl von Patientinnen und Patienten in der Medizin mit Erfolg Stammzellen eingesetzt. Forscherinnen und Forscher sind überzeugt, dass mit der weiteren Erforschung von Stammzellen neue erfolgversprechende Therapien entwickelt werden können. Das Stammzellenforschungsgesetz, über das am 28. November 2004 abgestimmt wird, setzt nun klare rechtliche Leitplanken. Das neue Gesetz setzt dabei nicht auf Verbote, sondern trägt dem Grundsatz Kontrolle statt Verbote Rechnung. Ein Stammzellenforschungsverbot würde dem Wissens- und Forschungsplatz Schweiz insbesondere der Grundlagenforschung an unseren Universitäten und Hochschulen schaden. Das Stammzellenforschungsgesetz braucht es aber auch, weil die Stammzellenforschung ein grosses medizinisches Potenzial hat und Therapien für verschiedene verbreitete Krankheiten verspricht. Die Hoffnung von Patienten auf Heilung darf nicht zunichte gemacht werden. Mit anderen Worten: Die Schweiz muss dem Stammzellenforschungsgesetz zustimmen. Im Interesse des Wissens- und Forschungsplatzes Schweiz. Und im Interesse von Patientinnen und Patienten. RH Autorin: Sara Käch, Interpharma Rückfragen: regina.hunziker@economiesuisse.ch 4