Ein 4 ½ minütiges Video (youtube) zeigt in eindrucksvoller Weise einen weiteren äußerst interessanten Aspekt einer Commissurektomie! Das unglaublich spannende Phänomen des Cross-Cuings (Buch Seite 538)! beide Hemisphären haben zwar keine Möglichkeit zur direkten neuronalen Kommunikation, aber sie kommunizieren manchmal indirekt miteinander! wird im linken Gesichtsfeld z.b. einfach nur eine von 2 möglichen Farben präsentiert und ein Split-Brain Patient gefragt, welche Farbe er sieht, dann ist die entsprechende Leistung anfangs zufällig! In weiterer Folge allerdings verbessert sich die Leistung! Was passiert hier??
Bei der vorher erwähnten Untersuchung (Apfel und Löffel!) durfte ein visueller Reiz nur für 0.1s gezeigt werden, da durch auftretende Augenbewegungen sonst nicht mehr davon auszugehen ist, dass der entsprechende Reiz tatsächlich nur in einer Hemisphäre verarbeitet wird! Es bestand aber großes Interesse, mit solchen Split-Brain Patienten Untersuchungen zu machen, um die Unterschiedlichkeiten beider Hemisphären genauer unter die Lupe zu nehmen! eine diesbezügliche Möglichkeit wurde 1975 von Zaidel entwickelt, die so genannte Z-Linse! diese Z-Linse ermöglicht es, auch komplexe visuelle Inhalte als Input auf eine Hemisphäre zu beschränken!
Nach vielen Untersuchungen stellte sich beispielsweise heraus, dass bei den meisten Split-Brain Patienten die rechte Hemisphäre keinen starken eigenen Willen zu haben scheint! bei manchen Patienten allerdings übernimmt die rechte Hemisphäre eine aktivere Kontrolle des Verhaltens (Buch Seite 541: ein gequälter Patient!) An dieser Stelle sei gesagt, dass es generell wichtig ist, im Zusammenhang mit Hemisphärenunterschieden anzumerken, dass diese Unterschiede nicht absolut, sondern relativ sind! Es wurde bereits erwähnt, dass manche davon ausgingen, die linke Hemisphäre als prinzipiell dominant zu erachten (wegen Sprache und Willkür)! Untersuchungen ergaben aber nun 3 Bereiche, für die eine rechtshemisphärische Dominanz festgestellt wurde: 1) Räumliche Fähigkeiten 2) Emotionen 3) Musikalische Fähigkeiten Eine weitere unerwartete linkshemisphärische Dominanz stellte sich bei der Kontrolle ipsilateraler Bewegungen heraus!
Prosodie!
besonders interessant sind auch Unterschiede, die einen so genannten Gedächtnisstil betreffen! Ein beispielhaftes Experiment, welches spannende Interpretationen zuläßt: Es gibt ein oberes Licht und ein unteres Licht! Es gilt nun hemisphärenweise zu erraten, welches Licht als nächstes aufleuchten wird! Tatsache ist nun, dass das obere Licht in 80% der Fälle, also bedeutend mehr als das untere Licht, zufällig aufleuchtet! Normalpersonen merken sofort, dass das obere Licht häufiger aufleuchtet. Sie versuchen eine nicht existierende Regel zu erkennen und liegen dabei zu 68% richtig! Die linke Hemisphäre eines Split-Brain Patienten kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis, während die rechte Hemisphäre bedeutend besser abschneidet! warum? Die linke Hemisphäre versucht, ihre Erfahrungen in einen größeren Kontext zu stellen (interpretiert ständig!), während die rechte Hemisphäre strikt die reinen Wahrnehmungsaspekte des Reizes beachtet!
Dazu noch ein passendes Zitat: Differences between the left and right hemispheres in memory for new schematically consistent or categorically related events may provide a source of information allowing people to distinguish between what they actually witnessed and what they only inferred. (Janet Metcalfe, Margaret Funnell, Michael S. Gazzaniga (1995) RIGHT-HEMISPHERE MEMORY SUPERIORITY:. Studies of a Split-Brain Patient. Psychological Science 6 (3), 157 164.) eine meiner Meinung nach wirklich sehr spannende Sache!! Wir betonen erneut: prinzipiell kann davon abgeleitet werden, dass die linke Hemisphäre eher eine Rolle bei der Erinnerung von verbalem Material spielt, während die rechte Hemisphäre eher für die Erinnerung von nonverbalem Material wichtig ist! Schließlich ist es wichtig hervorzuheben, dass Leistungen wie Sprache, musikalische Fähigkeit oder räumliche Vorstellung jeweils aus mehreren Unterfunktionen zusammengesetzt sind! und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass all diese entsprechenden Unterfunktionen einer solchen komplexen Leistung auf einer Hemisphäre lateralisiert sind!!
Anatomische Gehirnasymmetrien: Es wird von 3 sprachrelevanten kortikalen Asymmetrien berichtet: 1) Planum temporale ist tendenziell links größer (bei 65%) Dieses Areal liegt im Temporallappen (im posterioren Gebiet des Sulcus Lateralis). Es ist für Sprachverständnis wichtig und wird oft als Wernicke-Areal bezeichnet! 2) Heschl-Gyrus ist tendenziell rechts größer (oft gibt es rechts sogar 2 Gyri!) Dieser Gyrus liegt anterior zum Planum temporale im Sulcus lateralis und entspricht dem primären auditorischen Kortex 3) Operculum frontale ist tendenziell links größer Dies ist der Bereich des Frontalkortex der unmittelbar vor dem Gesichtsareal des primären motorischen Kortex liegt (siehe Broca).
Es wäre nun aber beispielhaft falsch, davon auszugehen, dass das tendenziell links größere Planum temporale mit einer generell links dominanten Sprachfunktion in Verbindung zu bringen ist! Die Asymmetrie des Planum temporale wurde meist post mortem untersucht, deshalb kann anhand dieser Studien kein Zusammenhang mit einer tatsächlich stärker lateralisierten Sprachfunktion erstellt werden (65% gegenüber 90%)! Eine MRI-Untersuchung hat Folgendes zum Thema Planum temporale hervorgebracht: In dieser Studie wurde so genanntes absolutes Gehör mit einer Asymmetrie des Planum temporale in Verbindung gebracht!
3 Theorien zur cerebralen Asymmetrie: 1) Die analytisch-synthetische Theorie Diese Theorie besagt, dass es zwei grundlegende Arten zu Denken gibt, einen analystischen Modus und einen synthetischen Modus! Dabei wird die linke Hemisphäre als die analytische und die rechte Hemisphäre als die synthetische bezeichnet! Links: logisch, analytisch, computerartig, sequentiell, Details abstrahierend und mit verbalen Labels versehend Rechts: primär synthetisch, mehr ganzheitlich mit der gesamten Reizkonfiguartion beschäftigt, Information hinsichtlich ihrer ganzen Gestalt verarbeitend diese Theorie ist schwierig zu pruefen, da es kaum möglich ist, eine konkrete Leistung bezüglich des Grads ihrer analytischen und synthetischen Verarbeitung einzuteilen!
2) Die motorische Theorie: Diese Theorie besagt, dass die linke Hemisphäre nicht per se auf Sprachkontrolle spezialisiert ist, sondern generell auf die Kontrolle feiner Bewegungen! Einige Läsionsstudien unterstützen diese Theorie: z.b.: Aphasie ist meist auch mit anderen motorischen Defiziten verbunden! 3) Die linguistische Theorie: Diese Theorie schreibt der linken Hemisphäre Sprache als primäre Aufgabe zu! (im Gegensatz zu beiden anderen Theorien, die Sprache nur als sekundäre Leistung ansehen!) Die Evolution der funktionellen cerebralen Lateralisierung: Eine Theorie der Evolution der cerebralen Asymmetrie basiert auf der motorischen Theorie der cerebralen Asymmetrien! Demnach soll sich die linkshemisphärische Dominanz für motorische Kontrolle bei frühen Hominiden als Reaktion auf ihre Verwendung von Werkzeugen entwickelt haben! Die Lautsprache hat sich dann linksseitig entwickelt, da diese Seite motorisch geschickter ist! Wernicke-Areal beim Hund?
Die kortikale Lokalisation der Sprache: Das Wernicke-Geschwind-Modell Hierbei geht es um die Lokalisation der Schaltkreise innerhalb der Hemisphären, die an sprachbezogenen Funktionen beteiligt sind. Die Geschichte über die Sprachlokalisation begann mit der Behauptung Broca s, dass ein kleines Gebiet im inferioren Teil des linken präfrontalen Kortex das Zentrum der Sprachproduktion sei! Wie auch immer, wir stellen 7 Komponenten des so genannten Wernicke-Geschwind-Modells gegenüber!
Broca-Aphasie: Hierbei besteht ein intaktes Sprachverständnis, während Defizite in der Artikulation vorherrschen! Wernicke-Aphasie: Hierbei kann normal artikuliert werden, während das Gesprochene aber einem Wortsalat entspricht! So schön und einfach dieses Modell auch beeindruckt, bitte widmen Sie ihm eine gesunde Skepsis, da es wie viele andere Modelle auch auf vielen Läsionstudien beruht und man bei Läsionen nie genau sagen kann, was tatsächlich Alles lädiert ist!
Kapitel 17 Biopsychologie von Emotionen, Stress und Gesundheit
Frühe Meilensteine der biopsychologischen Untersuchung von Emotionen: Im Folgenden fassen wir 6 historisch interessante Geschichten zum Thema Emotion zusammen: 1) Phineas Gage: Ein Vorarbeiter einer Eisenbahnlinie, der 1848 Opfer einer unvorhergesehenen Zündung einer Sprengladung wurde. Ein 3cm dickes und 90cm langes Eisen durchdrang sein Gesicht, den Schädel und das Gehirn, sodass es auf der anderen Seite wieder herauskam. 5 Jahre nach seinem Tod fand eine genehmigte Exhumierung statt und der Schädel wurde untersucht! Das mutmaßliche Gebiet der Gehirnläsion von Phineas Gage betrifft beide medialen Präfrontallappen! es ist bekannt, dass der früher verantwortungsvolle und sozial angepasste Herr Gage nach seinem Unfall respektlos und impulsiv wurde. Seine vulgäre Ausdrucksweise hat sein Leben verändert, er verlor seinen Arbeitsplatz und viele Freunde!
Diese Abbildung stammt aus dem Buch: Physiologische Psychologie (von Neil R. Carlson) (Pearson Verlag)
2 ) Darwins Theorie der Evolution von Emotionen: 1872 erschien ein Buch mit dem Titel: The expression of emotions in man and animals! In diesem Buch argumentiert Darwin, dass ein bestimmter Gesichtsausdruck (als emotionale Reaktion!) innerhalb einer Art mit dengleichen emotionalen Zuständen verbunden ist! Darwin entwickelte eine Theorie der Evolution des emotionalen Ausdrucks mit drei Hauptideen! a) Emotionale Ausdrücke erlauben eine Vorhersage über zukünftiges Verhalten b) Wenn ein emotionaler Ausdruck einen Nutzen bringt, entwickelt er sich als Kommunikationsmittel weiter und verliert dabei vielleicht seinen ursprüngliche Funktion c) Gegensätzliche Botschaften werden oft durch gegensätzliche Bewegungen signalisiert!
Darwins Theorie am Beispiel einer Drohgebärde! a) Die emotionale Regung einer Aggression zeigt dem Gegenüber, dass Kampfbereitschaft vorhanden ist! b) Oft genügt eine solche Drohgebärde und es kommt zu gar keinem Kampf! c) Unterwerfung zeigt sich in einer gegensätzlichen Körperhaltung!
3) Die Theorien von James u. Lange und von Cannon u. Bard: 1884: James und Lange meinten, dass emotionsauslösende Reize kortikal interpretiert werden, um dann über das autonome und das somatische NS an ihren Zielorganen Effekte zu verursachen (Eingeweide und Muskeln)! Diese autonomen und somatischen Reaktionen lösten dann erst die Empfindung einer Emotion aus! das bedeutet, dass sie davon ausgingen, dass zuerst eine körperliche Reaktion passiert und erst dann eine emotionale Empfindung ( Ich bin traurig, weil ich weine!) 1915: Cannon und Bard meinten, dass emotionale Reize sowohl die emotionale Empfindung im Gehirn als auch den entsprechenden körperlichen Ausdruck auslösen! Emotionales Erleben und emotionaler Ausdruck werden hier als parallele Prozesse verstanden!
Bei James und Lange spielt also die Rückmeldung des peripheren Nervensystems für das emotionale Erleben eine große Rolle, während bei Cannon und Bard emotionales Erleben völlig unabhängig davon ist! beide Extrempositionen haben sich als falsch erwiesen, da: a) Patienten mit Querschnittslähmung keine somatische Rückmeldung haben und dennoch in der Lage sind, Emotionen empfinden zu können! b) Reaktionen des peripheren NS auf emotionale Reize das emotionale Erleben beeinflussen können! bald wurde eine dritte Theorie formuliert! Dieser Theorie zufolge beeinflussen sich die Wahrnehmung des emotionalen Reizes, die Reaktionen des peripheren NS und das emotionale Erleben alle gegenseitig!