Wolfmüller, Julia Einrichtung: Jardin Infantil Tierra de Niños La Pintana Abschlussbericht Der erste Monat in Santiago de Chile war eigentlich nur ein Eingewöhnungsmonat. Ich kam in ein fremdes Land, von dem ich zuvor nur Informationen aus dem Internet hatte und wir wissen ja alle, dass etwas zu lesen oder auf Fotos zu sehen ganz anders ist, als es selbst gesehen und besonders miterlebt zu haben. Neue Leute, neue Wohnsituation, neue Sprache, neue Arbeit, neuer Alltag und und und Da gab es so einiges an das man sich erst einmal gewöhnen musste. Im Kindergarten gewöhnte man sich doch recht schnell an die anfangs sehr langen Arbeitszeiten die doch komplett anders sind als Schulstunden (absitzen). Man bemerkte bei der Arbeit von Woche zu Woche, dass die Kinder einem mehr Vertrauen schenkten, dich öfters beim Spielen dabei haben wollten, auch wenn es des Öfteren noch Verständigungsprobleme gab. Das lag wohl daran, dass beide Seiten noch am Spanisch lernen waren beziehungsweise sind: Die Kinder meiner sala waren im ersten Halbjahr zwischen zwei und drei Jahre alt und man merkte im Verlauf des Jahres wie sowohl sie (als auch ich) den Wortschatz erweiterten. Das Verhältnis zu den Kindern wurde stetig besser, leider blieb das Verhältnis zu den tías bis zum Schluss ziemlich reserviert. 1
Da wir hier in La Pintana leider kaum Möglichkeiten haben Sport zu machen und die einzige Möglichkeit das Zumba ist, das Trainingsgelände zu Fuß nur sieben Minuten von unserem Haus entfernt, begann ich, zusammen mit den anderen Mädels aus meiner WG die Zumbastunden regelmäßig zu besuchen und so knüpften wir auch die ersten Kontakte. Die Fiestas Patrias (Nationalfeiertag), die hier im September stattfinden verbrachte ich somit auch bei dieser Familie aus dem Zumba und durfte dort einige, neue, typisch chilenische Spezialitäten probieren. Auch in der WG lief es von Tag zu Tag besser, zumindest aus meiner Sicht. Als ich in Chile ankam, kannte ich nur Maj-Britt und Carolin, es sollten jedoch noch Emilia und Richard mit bei uns im Haus wohnen, die wir allerdings erst zehn Tage nach unserer Ankunft kennenlernten. Eine Besonderheit in unserem Haus ist, dass wir nur zwei Doppelzimmer und ein Durchgangszimmer haben, sodass ich mir mit Emilia ein Zimmer teilte, obwohl sie anfangs eine Fremde für mich war eine Situation, die ich so noch nie erlebt habe und ehrlich gesagt auch ein bisschen Angst hatte, es könnte nicht funktionieren, ein ganzes Jahr in einem Doppelzimmer zu leben. Doch glücklicherweise klappte dies bei mir und meiner Mitbewohnerin sehr gut und hatten bis zum Ende des Jahres keinen einzigen Streit! Außerdem hatte man in unserer WG immer jemanden mit dem man sich über das auf der Arbeit täglich Erlebte austauschen konnte und fast immer Verständnis fand. 2
Nach einem viertel Jahr wurde in meiner sala das Montessori-Prinzip eingeführt. Bei dieser Methode arbeiten die Kinder mit Materialien ja sie arbeiten, sie spielen nicht. In der Theorie soll diese Methode die Selbstständigkeit der Kinder fördern und sie können frei entscheiden, wie lange sie mit welchem Material arbeiten möchten. In der Praxis funktioniert das leider nicht immer so. Meine Gruppe stand unter dem Thema: Vida practica, so lernten die Kinder beispielsweise wie man einen Spiegel putzt, eine Banane in Stückchen schneidet und mit seinen Freunden teilt oder Bohnen von einem Gefäß mithilfe einer Zange in ein anderes Gefäß füllt. Da dies gut funktionierte besser als ich erwartete wurde das Montessori-Prinzip im neuen Kindergartenjahr auch in den anderen Gruppen eingeführt. Nun gibt es die Bereiche: lenguaje, matemática, sensorial, arte und eben vida practica (Sprache, Mathematik, Sinne, Kunst und tägliches Leben). Weihnachten verbrachte ich zusammen mit meiner WG, sogar mit einer geschmückten Weihnachtspalme. Und Neujahr wurde mit Chilenen in Valparaíso gefeiert- mit dem anscheinend größten Feuerwerk Südamerikas. Im Januar begann dann das große Reisen. Zuerst ging`s nach Peru zum Zwischenseminar. Im Anschluss nutzte ich meine Urlaubstage um Cusco und den Machu Picchu kennenzulernen. Ende Januar wurde im Kindergarten das Ende des Kindergartenjahres gefeiert, zu dessen Anlass wir tías einen Ausflug machten es ging auf ein Grundstück mit Pool, Grill und Garten. So grillten wir, konnten uns im Pool abkühlen und entspannen. 3
Im Februar war der Kindergarten geschlossen und so nutzen meine zwei Mitfreiwilligen und ich die Möglichkeit um den Spielgeräten im Hof einen neuen Anstrich zu verpassen und einige Maurerarbeiten zu verrichten. Nachdem wir dies nach einer Woche geschafft hatten, hieß es auch für uns: endlich in den verdienten Urlaub zu gehen. Für mich lautete das Ziel der Reise: Argentinien, genauer gesagt die Iguazu-Wasserfälle. Von dort aus ging es dann über Asunción und einigen weiteren Stopps mit dem Bus zurück nach Santiago. 4
Im März begann das neue Kindergartenjahr, es kamen neue Kinder und auch ich wechselte die Gruppe, denn ich stieg zusammen mit vielen meiner Kinder von dem nivel medio menor (zwei bis dreijährige Kinder) in das nivel medio mayor (drei bis vierjährige Kinder) auf. Diese ersten Wochen waren ziemlich anstrengend, da die neu dazu gekommenen Kinder noch nicht daran gewöhnt waren von ihrem Eltern getrennt zu sein und somit die meiste Zeit weinten... aber nach ein paar Tagen oder Wochen blieben sie glücklich spielend in der sala, auch wenn sich ihre Eltern verabschiedeten. Ende März bekam ich Besuch aus Deutschland von einer sehr guten Freundin. Nachdem sie mein Santiago kennen gelernt hatte, durften wir gemeinsam noch Bolivien und den Norden von Chile kennenlernen. Nachdem sie wieder abgereist war, kehrte der Arbeitsalltag wieder ein, es passierte nichts mehr außergewöhnlich Spannendes. Ich nutzte die letzten Monate um die eine oder andere Idee im Kindergarten mit einzubringen, ich bot mehr praktische Aktivitäten für die Kinder an. Die Freizeit der letzten Monate nutzte ich hauptsächlich um Santiago noch besser kennenzulernen. Zurückblickend auf das Jahr, kann ich sagen, dass auch wenn es manchmal nicht ganz so verlaufen ist, wie ich es mir anfangs vorgestellt hatte, habe ich viel gelernt: vom selbstständigen leben, über das Beherrschen der spanischen Sprache im Alltag, bis hin zur Kinderbetreuung. Aber vor allem habe ich eines gesammelt: viele Erfahrungen, die mir keiner mehr nehmen kann. Die für mich persönlich wichtigste Erkenntnis: Ich kann mich über kleine Dinge und Momente wieder mehr freuen und schätze sie wieder mehr Wert. 5
Und eines weiß ich jetzt schon: ich werde wieder kommen. Denn die Faszination Südamerika hat mich noch mehr in den Bann gezogen als vor diesem Jahr! Zum Abschluss noch ein Bild von einem tollen Erlebnis in diesem Jahr: Wir durften bei einer chilenischen Hochzeit mithelfen und auch mitfeiern: 6