Denknetz-Tagung 2. September 2016 Langzeitpflege wohin? Ein Altern in Würde bedingt gute Arbeitsbedingungen genug und qualifiziertes Personal gemeinnützige Institutionen im Sinne des Service public ausreichende Finanzierung
1-5 Pflegheime 6-8 Gemeinnnützige/gewinnorientierte Spitex 9-14 24-Stunden-Betreuung 15 Forderungen für die Angestellten und ein Altern in Würde
1 Druck auf Personalkosten in Pflegeheimen Jahrzehntelange Abbaupolitik der Kantone, Restriktive Definition des Pflegebegriffs im KVG Pflegefinanzierung mit ökonom. Fehlanreizen (Pflegebedarfsstufen, Überbelegung). Personal ist unterdotiert Stellenschlüssel werden unterschritten Skill&Grade-Mix stimmt oft nicht
2 Belastender Pflegealltag Intensivere Pflege infolge kürzerer Aufenthaltsdauer in Akutspitälern Enormer admin. Aufwand (Erfassen Pflegeleistungen) Personal unter permanentem Zeitdruck - Kaum Zeit für Gespräche - Keine Zeit für den Erhalt der Selbständigkeit - Eine Pflegefachperson im Nachtdienst für 50 vulnerable PatientInnen
3 Widerspruch zwischen Berufsethik und Alltagsrealität = psychosozialer Stress für die Pflegenden Demotivierung, hohe Fluktuation, Teilpensen, Krankheitsabsenzen (Stresssymptome sind häufiger bei Gesundheitsberufen)
4 Arbeitsbedingungen entsprechen nicht Verantwortung und Anforderungen Tiefe Löhne trotz hoher Verantwortung (Frauenberufe!) Psychisch und physisch stark belastende Arbeit Schichtarbeit mit Nacht-, Spät- und Wochenenddiensten, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren Hoch flexibilisierte Arbeitszeiten, Entgrenzung von Arbeit und Freizeit
5 Nationaler vpod-aktionstag Pflege 12. Mai 2015 «In den Pflegeheimen braucht man wirklich mehr Ausbildung, ich würde sogar sagen mehr als in den Spitälern. Wir sind oft allein mit unseren Patienten und wir haben nicht immer Aerzte zur Verfügung» «Der Tag vergeht im Wettrennen mit der Zeit. Obschon, um sich korrekt um alte Menschen zu kümmern, braucht es ja gerade Zeit, und nicht diese dauernde Zeitmesserei.» «Die Direktion hat die Tendenz, uns Schuldgefühle zu machen: Wenn wir nicht alles aufschreiben z.b. die Verhaltensweisen, die typisch sind für Alzheimer dann sinken die Entschädigungen. Mit anderen Worten: Wir haben fast ein Interesse daran, dass es den Bewohnern schlecht geht, weil dann mehr Geld fliesst.»
6 Spitex: Arbeit im Minutentakt Gemeinnnützige Spitex erbringt den überwiegenden Anteil der pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen (2010: 90%). Normzeitenvorgaben der Krankenkassen setzen Personal unter Zeitdruck («Minütele»). Steigerung der verrechenbaren Stunden auf Kosten der Beziehungsarbeit. Qualitätsverlust, Demotivierung des Personals
7 Gemeinnützige Spitex: Gute Arbeitsbedingungen erhalten! Gemeinnnützige Spitex richtet sich bei Arbeitsbedingungen nach Kantonen. In Romandie GAVs auf Niveau öffentliche Anstellungsbedingungen. Gegen den Dumpingdruck der Profitspitex: vpod-projekt ave GAV mit Spitex Basel.
8 Gewinnorientierte Spitex: Keine Ausschreibungspflicht für Leistungsaufträge! Zunehmende Konkurrenz durch gewinnorientierte Betriebe mit prekärsten Anstellungsbedingungen. Durchschnittlicher Personalaufwand pro Vollzeitstelle (2010) Gemeinnützige Spitex CHF 91 400 Gewinnorientierte Spitex CHF 52 800 Lobbying der ASPS für öff. Leistungsaufträge / Felder Studie Vorschlag Denknetz: Ausbau und Aufwertung der gemeinnützigen Spitex als wichtiger Teil der integrierten Versorgung Gute Anstellungsbedingungen
9 24-Stunden-Betreuung: Die Lösung? Home Instead, Pflegehilfe Schweiz, Deheime wohne, Acura etc. betreiben profitables Geschäft auf Kosten der Care- MigrantInnen: Kosten zwischen CHF 5000.- und 14 000.- Löhne zwischen CHF 1000.-und 3000.- 42 Stunden Arbeit /Woche bzw. 6 Stunden /Tag bezahlt der Rest, auch Präsenzzeit rund um die Uhr ist Gratisarbeit. Ein Leben in Abhängigkeit und Ausbeutung
10 Netzwerk Respekt@vpod 60 Mitglieder aus Polen, Ungarn, Mazedonien, Littauen, Kroatien, Oesterreich etc.
11 Musterklage am Zivilgericht Basel: Die Firma kassierte Fr. 12 000.-/Monat Agata verdiente Fr. 3 000.-/Monat «Ich habe sieben Tage pro Woche gearbeitet. Lohn gab es nur von Montag bis Freitag.» 10vor10 1. Mai 2013
12 Das Urteil: Ein bahnbrechender Erfolg! Präsenzzeit rund um die Uhr muss bezahlt werden! 10vor10 12.3.2015 Agata erhält Fr. 15 000.- Lohnnachzahlung für drei Monate Einsatz.
13 Bundesrat reguliert 24-Std-Betreuung Bericht Bundesrat 2014: 1. Belastende Arbeit, die eine Person nicht alleine verrichten kann. 2. Präsenzzeit muss entschädigt werden. Forderung Gewerkschaften: Arbeitsgesetz muss in Privathaushalt uneingeschränkt gelten. Gesundheitsschutz! ILO-Konvention 189! Korrekt bezahlte 24-Std-Betreuung ist teures Modell für Minderheit mit hohen Einkommen Integrierte Angebote der Langzeitpflege sind Alternative zur 1:1-Betreuung zu Hause und bieten bessere Arbeit für Care- Migrantinnen.
14 Was es braucht für das Personal und ein Altern in Würde: Mehr öffentliche Gelder für mehr Personal mehr Zeit Öffentlich-rechtliche Anstellungsbedingungen oder GAV auf gleichem Niveau (Dedica-GAV) Kein öff. Leistungsauftrag ohne o.g. Anstellungsbedingungen Verbindliche Personalschlüssel/geeigneter Skill&Grade-Mix für Versorgungsqualität und weniger Stress Unangemeldete Kontrollen zur Einhaltung des ArG/Stellenschlüssel (Vaud) Mehr Ausbildung gegen Personalnotstand In ausreichend finanzierten integrierten Angeboten käme den Pflegenden eine tragende Rolle zu. Eine ganzheitliche Pflege, Betreuung und Unterstützung würde den verschiedenen Pflegeberufen neue und attraktive Perspektiven eröffnen mit sinnvoller, statt abgewerteter Arbeit im Minutentakt.
«Im Pflegeheim haben der neoliberale Blödsinn von Effizienz und Maximierungsschwachsinn keinen Boden.» Mona Petri, Altenpflegerin und Schauspielerin