Nr. 132 Oktober 2017 Das außenpolitische Journal Russische Revolutionen Befreiung oder Gewalt? Finnlands Unabhängigkeit Konservative & Bolschewismus Moskau blickt zurück auf 1917 WeltBlick Wasser im Nahostkonflikt Viel Lärm um Nord Stream 2 Forum Die Linke und die NATO Kommentar Russland-Sanktionen & Europa ISSN 0944-8101 4,80 ISBN 978-3-945878-70-5
Inhalt 4 WeltBlick 4 Viel Lärm um Nord Stream 2 Matthias Dornfeldt 9 Wasserkonflikte im Nahen Osten Clemens Messerschmid 14 Brief aus Pretoria 16 Thema: Russische Revolutionen 18 Befreiung oder Gewalt? Jürgen Angelow 24 Oktoberrevolution und Friedensgebot Erhard Crome 28 Finnland und die russischen Revolutionen Dörte Putensen 33 Deutsche Konservative und der Bolschewismus Michael Zantke 37 100 Jahre Russische Revolution Impressionen aus dem Ursprungsland Vladimir Fomenko 44 Forum: Die Linke und die NATO Repliken auf Wolfram Wallraf WeltTrends Das außenpolitische Journal 116 Juni 2016 24. Jahrgang S. 2 3
Die Story: Die zwei Gesichter der Anna Lindh 54 Al Burke Analyse: Türkei Wende zur Diktatur 58 Savaş Genç Bücherschau 63 Brief an die Redaktion 68 Impressum 69 US-Sanktionspläne werfen Schatten auf Europa 70 Ein Kommentar von Michael Harms Wort und Strich 72
Kommentar US-Sanktionspläne werfen Schatten auf Europa Michael Harms Im Juli dieses Jahres hat der US-Kongress neue Sanktionen gegen Russland, den Iran und Nordkorea verabschiedet. Präsident Trump hat das entsprechende Gesetz Anfang August unterzeichnet, in zwei signing statements aber seine Vorbehalte deutlich gemacht. Die neuen Maßnahmen gegen Russland ziehen auch die europäische Wirtschaft in Mitleidenschaft. Mit dem Gesetz werden die Entscheidungsbefugnisse des US-Präsidenten zur Aussetzung bestehender Sanktionen gegen die russische Energieindustrie, den Rüstungssektor und den Finanzsektor deutlich beschnitten werden. Ziel ist es, einen eigenmächtigen Deal von Trump mit dem russischen Präsidenten zu verhindern. Außerdem wird der Spielraum der US-Regierung erweitert, Maßnahmen gegen russische Personen und Staatsbetriebe in den Branchen Bergbau, Eisenbahn und Metallindustrie zu erlassen. Ausdrücklich ermutigt wird der US-Präsident, alle Firmen, auch europäische, zu sanktionieren, die sich am Bau, dem Erhalt oder der Modernisierung russischer Exportpipelines beteiligen. Zwar wurde in der letzten Fassung des Gesetzes möglicherweise auf europäischen Druck ergänzt, dass der Präsident Konsultationen mit Verbündeten der USA führen soll, bevor er hier Sanktionen erlässt. Wie diese Konsultationen aussehen und welche Verbündeten gemeint sind, bleibt offen. Die Drohung mit Sanktionen sorgt für erhebliche Unruhe in der europäischen Energiewirtschaft. Insgesamt gibt es rund 90 russische Exportpipelines, die in 13 Länder führen, darunter sind fünf EU-Länder. An vielen dieser Projekte sind europäische Firmen beteiligt, beispielsweise bei der Instandsetzung und Modernisierung. Konkretes Ziel ist es, die geplante Nord-Stream- 2-Pipeline durch die Ostsee zu verhindern und gleichzeitig den Export US-amerikanischer Energieressourcen nach Europa voranzubringen. Das Projekt Nord Stream 2 wird von Russland unter Beteiligung von Energiekonzernen aus Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Österreich realisiert. Bereits vier Milliarden Euro wurden investiert. Rund die Hälfte der notwendigen Pipeline-Röhren mit einer Länge von 1.100 Kilometern liefert die Firma Europipe aus Mühlheim an der Ruhr. Das Projekt würde das Angebot an Erdgas in Europa WeltTrends Das außenpolitische Journal 132 Oktober 2017 25. Jahrgang S. 70 71
Kommentar 71 weiter verbessern und dabei helfen, die in den kommenden Jahren sinkende Förderung innerhalb der EU auszugleichen und die Preise stabil zu halten. Da die Verflüssigung und der Transport von Gas aus den USA nach Europa deutlich teurer als Pipelinegas aus Russland ist, steht Nord Stream 2 in direkter Konkurrenz mit Exportplänen in den USA. Die geplanten US-Sanktionen gegen die russische Öl- und Gaswirtschaft könnten perspektivisch zu einer Verknappung des Angebots und zur Verteuerung von Energie in Europa beitragen. Das hat negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen in Konkurrenz zu US-Konzernen. Sigmar Gabriel hielt als deutscher Außenminister die geplante exterritoriale Anwendung von US-Sanktionen auf europäische Firmen für völkerrechtswidrig. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich dem angeschlossen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte am 26. Juli sogar Gegenmaßnahmen der EU an. America First kann nicht bedeuten, dass Europas Interessen an letzter Stelle kommen, so Juncker. Nach Ansicht des Ost-Ausschusses muss ein Handelskrieg mit den USA vermieden werden. Deshalb hoffen wir, dass eine exterritoriale Anwendung der US-Sanktionen noch ausgeschlossen wird. Als letztes mögliches Mittel bleiben Gegensanktionen eine legitime Option. Die neuen US-Sanktionen bedeuten einen Bruch mit dem bislang abgestimmten Vorgehen in der Sanktionsfrage, da sie völlig ohne Konsultation mit der EU eingeführt werden. Durch die Vermischung von politischen Zielen mit eigenen wirtschaftlichen Interessen wird der Akzeptanz der Sanktionen in der Wirtschaft ein schwerer Schaden zugefügt. Der Vorstoß der USA führte bereits zu Gegenreaktionen der russischen Seite. Der Beginn einer neuen Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen ist damit nicht unwahrscheinlich, mit erheblichen Unsicherheiten für die Unternehmen und die Konjunktur in Europa. Michael Harms geb. 1964, seit 2016 Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, 2007 2015 Delegierter der deutschen Wirtschaft in Moskau und Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer ost-ausschuss@bdi.eu