Jäger und Schäfer Kooperation oder Konflikt? 46 PIRSCH 15/2015
Foto: Christina Marx PIRSCH 15/2015 47
Für Viele sind Wanderschäfer im Revier nur eine lästige Störung bei Ansitz, Pirsch oder im Jagdbetrieb. Tatsächlich bereichern sie Lebensräume und können die Jagd letztendlich interessanter machen. Text: Dr. Johannes Lang Ü berall in Deutschland haben Hüteschäfer mit ihren Schafherden seit Jahrhunderten die trockenen und kargen Teile der Landschaft beweidet. So entstanden in vielen Gegenden blütenreiche und kurzrasige Hutungen. Diese Landschaftsteile und ihre Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten sind heute selten geworden und stehen deswegen unter besonderem gesetzlichen Schutz. Die Hüte- und Koppelschafhaltung ist dabei von großer Bedeutung, wenn es um den Erhalt dieser Lebensräume geht. Hutungen werden jedoch nicht nur von Schäfern und ihren Schafen, sondern auch von verschiedenen Wildtieren aufgesucht und sind daher für die Jagd bedeutungsvoll. Immer wieder kommt es deswegen zu Konflikten Abgestimmte Pressearbeit Gemeinsame Stimme Wer kennt das nicht? Alle Jahre wieder zur Brut- und Setzzeit versuchen Jäger die Bevölkerung und vor allem die Hundehalter für die Belange der Wildtiere zu sensibilisieren. Oft mit mäßigem Erfolg. Im Rahmen des Projektes Wetterauer Hutungen haben Jäger und Schäfer ihre Kräfte gebündelt und mit Unterstützung durch die Projektleitung eine Pressekampagne gestartet. Bei Ortsterminen mit der regionalen Presse warben sie gemeinsam für den Schutz der ihnen anvertrauten Tiere vor freilaufenden Hunden und forderten die Einhaltung und Durchsetzung der Anleinpflicht für Hunde während der Setz- und Brutzeiten und darüber hinaus im Umfeld von Schafweiden und besonders sensiblen Lebensräumen. Daneben arbeiten sie gemeinsam an einer stärkeren öffentlichen Wahrnehmung ihrer Arbeit, damit die positiven Auswirkungen von Jagd und Schäferei auf das Gemeinwohl in der Öffentlichkeit besser erkannt werden. Dr. Johannes Lang Miteinander reden und gemeinsame Lösungen finden wollen der Schlüssel zum Erfolg sind gemeinsame Ziele zwischen Jägern und Schäfern. Dabei haben beide im Grundsatz die gleiche Einstellung zu einer artenreichen Natur, da sie natürliche Ressourcen nachhaltig nutzen und so gleichzeitig zu deren Schutz beitragen. Sowohl Jäger wie Schäfer nutzen überwiegend nicht eigene, sondern überwiegend zur Bewirtschaftung angepachtete oder überlassene Flächen. Jagd und Schäferei sind daher sowohl anerkannte Wirtschaftsfaktoren wie auch wichtige Traditionsträger im Ländlichen Raum. Der amtliche Naturschutz arbeitet aufgrund seines gesetzlichen Auftrages an zahlreichen Stellen und Projekten am Erhalt gefährdeter Landschaften. Auf den Hutungen werden Maßnahmen zur Pflege und Wiederherstellung seltener Lebensraumtypen umgesetzt und deshalb die Beweidung oft speziell gefördert. Zum Beispiel im Rahmen eines Projektes, wie es seit einigen Jahren mitten in Hessen abläuft in den Landkreisen Gießen und Wetterau. Im Fokus des Projektes Wetterauer Hutungen standen dabei Lebensraumtypen, die nur durch eine extensive, kleinbäuerliche Nutzung, vor allem der Schaf-Beweidung oder Mahd, erhalten werden können. Bei einer Nutzungsaufgabe verbuschen die offenen, artenreichen Flächen und entwickeln sich langfristig zu Wald. Wird dagegen die Nutzung intensiviert, verdrängen überall verbreitete Allerwelts-Arten die wertvollen nur hier lebenden Tiere und Pflanzen. Gleichzeitig stellen diese sehr artenreichen Flächen ideale Nahrungshabitate vor allem für das Niederwild dar. Rebhuhnküken finden hier die in den ersten Lebenswochen dringend notwendigen Insekten zum Beispiel in Form von Ameiseneiern, die in den auf beweideten Flächen oberirdisch gebauten Nestern leicht zugänglich sind. Auch Feldhasen können sich hier ganzjährig mit einer Fülle wichtiger Nahrungspflanzen versorgen. Wäh- 48 PIRSCH 15/2015
Foto: Christina Marx Schafe unterstützen die Niederwildhege beträchtlich, wenn durch sie der Lebensraum für Insekten und Kräutervielfalt gefördert wird.
1 3 Hutungen erhalten Unter dem Titel Wetterauer Hutungen wurde mit finanzieller Förderung durch das LIFE+- Programm der EU und dem Hessischen Umweltministerium an der langfristige brauchen nicht 1 Rebhühner Sicherung der Magerrasen gearbeitet. allem die Insek ten nur Deckung: vor nahrung für die Küken 2 Foto: Ingo Rothe 2 Je mehr Rebhühner in einem Gebiet mit genügend Äsung leben können, desto geringer wird der Einfluss der Greifvögel auf den Besatz. 3 Feldhasen brauchen vielfältige Kräuter in ihrem Diätplan auch dafür sorgen Schafe. Erfolgskontrolle Entbuschung und NIederwild Foto: Erich Marek In einem der Projektgebiete wurden im Vorfeld einer Entbuschungsmaßnahme das Vorkommen und die Aktivität von Wildtieren mittels Fotofallen dokumentiert. Mit Abstand die am häufigsten fotografierten Arten waren Rehe, Hasen und Füchse. Nach der Entbuschung ging deren Aktivität nicht zurück. Lediglich beim Fuchs war ein leichter Rückgang in dem nun etwas deckungsärmeren Bereich feststellbar. Für Niederwild und Jäger nicht unbedingt eine schlechte Nachricht! Dr. Johannes Lang PIRSCH 15/2015
rend auf dem benachbarten Acker aufgrund der Unkrautbekämpfung nur einzelne Pflanzenarten wachsen, finden sich auf benachbarten Magerrasen teilweise über 80 einzelne Pflanzenarten. Selbst auf extensivem Grünland oder in eigens dafür angelegten Brachen steht Hasen nicht diese Nahrungsvielfalt zur Verfügung. gemeinsame Hege m i t Schaf und Jagd Trotz dieser unbestrittenen Vorteile beweideter Hutungen kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Schäfern und Jägern. Meist geht es dabei um stehen gelassene Zäune, die Wildwechsel versperren, um Störungen des Jagdbetriebes durch den Schäfer, der in der Dämmerung nach seine Tieren sieht oder um die Beweidung von Flächen zu Zeiten, die für die Jagd besonders attraktiv ist. Wenn ehemals offene Flächen für die Beweidung wieder entbuscht werden sollen, ist das Konfliktpotential besonders hoch. Hier fürchtet mancher Jäger den Verlust von Einstandsflächen im Feld, auch wenn dadurch vor alle Problemarten wie Schwarzwild und Fuchs die sichere Deckung verlieren. Im Verlauf des Projektes Wetterauer Hutungen wurden bisher in den meisten Fällen Konflikte vermieden und einvernehmliche Lösung gefunden. Wo das nicht der Fall war, wurden öffentliche Diskussionsrunden, geleitet von Behördenvertretern und Wildbiologen veranstaltet, bei denen jeweils mehrere Jäger und Schäfer aus dem gesamten Projektgebiet beteiligt waren. Wichtig, dass dabei auch Daten präsentiert wurden, wie sich zum Beispiel die Entbuschungsmaßnahmen im Projektgebiet tatsächlich auf die vorkommenden Wildarten auswirkten (siehe Kasten). Alle beteiligten Personen wollten von vorne herein trotz bestehender Meinungsunterschiede konstruktiv zusammenarbeiten. Darin lag wohl am Ende auch der Schlüssel zum Erfolg: Nur die Betonung der gemeinsamen Ziele führt weiter als bis zum Koppelzaun und hilft Lösungen zu finden, die beide Seiten zufrieden stellen. Positiv fiel auf, dass auch die Naturschutzbehörden bei diesem Thema auf die Jäger zuzugehen und nicht wie andernorts auf Konfrontation setzten. Ein weiterer Baustein zum Erfolg war die hinzugezogene wildbiologische Kompetenz. Dadurch konnte aufgedeckt werden, welcher Faktor aus Sicht der Niederwildarten im Gebiet wirklich im Mangel ist. Nicht an Deckung fehlt es, sondern an Nahrung gerade in der Zeit der Jungenaufzucht. Daher macht es auch aus Sicht der Niederwildhege durchaus Sinn, auf die ein oder andere artenarme Hecke an der falschen Stelle zu verzichten, wenn stattdessen ein artenreicher Mageroder Trockenrasen entsteht. Den gegenseitigen Nutzen erkennen Diese Einsicht wurde auch auf der abschließenden Veranstaltung transportiert. Die Ergebnisse der Fotofallenuntersuchung wurden in Fachvorträgen vorgestellt, ebenso wie die Frage, welche Rolle die Übertragung von Parasiten von Schafen auf Wildtiere spielen kann. Und schließlich wurde eine gemeinsame Erklärung zu Jagd und Beweidung im Projektgebiet diskutiert. Darin hatten die am Projekt Beteiligten ihre Standpunkte und gemeinsamen Grundsätze formuliert. Außerdem wurden Grundsätze erarbeitet, die in Zukunft ein positives Miteinander nach sich ziehen sollen. Das Fazit aus den Erfahrungen des Projektes: Jäger, Schäfer und Fachbehörden können gut zusammen arbeiten, wenn sie sich als gleichwertige Partner mit ähnlichen Anliegen verstehen. Die Grundlage dafür ist die Einsicht, dass zwischen den Zielen der jagdlichen Hege und der Pflege geschützter Biotope durch Beweidung und Wiederherstellungsmaßnahmen viele Gemeinsamkeiten bestehen. In Konfliktfällen fördert ein kontinuierlicher und sachlicher Dialog vor Ort sowie gegenseitige Rücksichtnahme gemeinsame Lösungen. i Weitere Informationen zum Projekt in Hessen w www.wetterauer hutungen.de PIRSCH 15/2015 51