Dokumentation des Fachdialogs Faire Arbeitsmobilität und Qualitätssicherung in der Altenpflege gestalten

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Transkript:

Dokumentation des Fachdialogs Faire Arbeitsmobilität und Qualitätssicherung in der Altenpflege gestalten Für ein gutes Leben im Alter in Berlin Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für die Fachkräftesicherung in der Altenpflege Erarbeitet im Rahmen des Projektes»Arbeits- und Dienstleistungsqualität ein Geschwisterpaar in Berlin, wo sonst!«das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin

Inhaltsverzeichnis 1. Programmablauf 2 2. Begrüßung 3 3. Begrüßung und Einführung 4 4. Die Arbeitsbedingungen von mobilen Beschäftigten in der Altenpflege 8 5. Mobile Beschäftigte = Rechtlose Beschäftigte? Bestehende Regelungen und Schwachstellen für faire Mobilität am Beispiel Polen 6. Gute Dienstleistungen in Altershaushalten und gute Arbeitsbedingungen für Beschäftigte gestalten Ansätze und Handlungsoptionen 7. Illegale Beschäftigung in der Altenpflege Wie erkennen und dagegen vorgehen? 8. Diskussionsrunde mit Referierenden und Publikum 43 9. Liste der Teilnehmenden 45 10. Pressemitteilung zur Veranstaltung 47 11. Presseartikel taz, 03.05.2013 49 14 20 34

1. Programmablauf 13.00 Uhr Anmeldung/ Ankommen 13.30 Uhr Begrüßung Mechthild Kopel, Wert.Arbeit GmbH, Berlin Begrüßung und Einführung Meike Jäger, Fachbereich 03 Gesundheit und Soziale Dienste, Wohlfahrt, Kirchen, Landesbezirk Berlin-Brandenburg, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 13.50 Uhr Die Arbeitsbedingungen von mobilen Beschäftigten in der Altenpflege Dr. Sylwia Timm, Beratungsprojekt Faire Mobilität, DGB 14.20 Uhr Mobile Beschäftigte = Rechtlose Beschäftigte? Bestehende Regelungen und Schwachstellen für faire Mobilität am Beispiel Polen Bettina Wagner, Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte in Berlin 14.50 Uhr Gute Dienstleistungen in Altershaushalten und gute Arbeitsbedingungen für Beschäftigte gestalten Ansätze und Handlungsoptionen Dr. Margret Steffen, Arbeitsbereich Gesundheitspolitik, Bundesvorstand, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 15.20 Uhr Kaffeepause 15.30 Uhr Illegale Beschäftigung in der Altenpflege Wie erkennen und dagegen vorgehen? Oliver-Thomas Pampel-Jabrane, Bundesfinanzdirektion Mitte 16.00 Uhr Diskussionsrunde mit Referierenden und Publikum 17.00 Uhr Ende der Veranstaltung Gesamtmoderation: Mechthild Kopel & Annemarie Weber, Wert.Arbeit GmbH, Berlin Die Veranstaltung wird durchgeführt im Rahmen des von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen geförderten Projektes Arbeits- und Dienstleistungsqualität ein Geschwisterpaar in Berlin wo sonst. 2

2. Begrüßung Mechthild Kopel, Wert.Arbeit GmbH, Berlin Mechthild Kopel heißt alle Anwesenden zur Veranstaltung herzlich willkommen und stellt kurz den Hintergrund der Veranstaltung dar. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Projektes Arbeits- und Dienstleistungsqualität ein Geschwisterpaar in Berlin wo sonst?! statt. Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin und ist angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Ziel des Projekts ist, Ansätze für eine innovative Dienstleistungspolitik in und für Berlin zu entwickeln. Die Steigerung der Wertschätzung von Dienstleistungen nimmt dabei einen ebenso großen Stellenwert ein, wie die Sensibilisierung dafür, dass Dienstleistungsqualität maßgeblich von Arbeitsqualität abhängig ist - gerade in stark personenbezogenen Branchen wie der Altenpflege. Die Altenpflege nimmt im Rahmen des Projekts eine besondere Stellung ein, da gerade sie eine der Dienstleistungsbranchen ist, in denen in den nächsten Jahren ein Perspektivwechsel nötig wird. Der Fachkräftemangel in der Altenpflege ist bereits jetzt spürbar und macht das Umdenken einer ganzen Branche erforderlich. Aber auch in der Gesellschaft ist eine Imageveränderung nötig. Deswegen wurde im Rahmen des Projekts die Landesinitiative Für ein gutes Leben im Alter in Berlin Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege auf den Weg gebracht. Die Landesinitiative hat das Ziel, ein hochwertiges Angebot der Altenpflege für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu erhalten, eine wertschätzende Unternehmenskultur in den Einrichtungen der Altenpflege zu fördern sowie auf gute und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen der Altenpflege hinzuarbeiten. Unter dem Aspekt guter Dienstleistungen wie auch guter Arbeitsbedingen muss dabei auch die Situation der ausländischen Pflegekräfte in den Blick genommen werden, so Mechthild Kopel. Sie befinden sich häufig in äußerst prekären Arbeitsbedingungen, wie die stete Berichterstattung in den Medien beweist. Wie sich die Situation konkret in Berlin gestaltet und welche Ansatzpunkte es für die Ausgestaltung fairerer Arbeitsbedingen für mobile Beschäftigte gibt, soll Gegenstand der heutigen Veranstaltung sein, so Mechthild Kopel. Nach der Vorstellung des Programms wünscht Mechthild Kopel allen Anwesenden einen spannenden und ergebnisreichen Nachmittag. 3

3. Begrüßung und Einführung Meike Jäger, Leiterin des Fachbereich 03 Gesundheit und Soziale Dienste, Wohlfahrt, Kirchen, Landesbezirk Berlin-Brandenburg, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, ver.di Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kolleginnen und Kollegen, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit gehören zu den Grundfreiheiten der EU. Seit Mai 2011 gelten sie für Bürgerinnen und Bürger fast aller EU-Staaten. D.h.: Fast alle Bürgerinnen und Bürger der EU dürfen sich in allen anderen Mitgliedsstaaten frei bewegen, dort leben und in jeder Branche entsprechend ihrer (im betreffenden Land anerkannten) Qualifikationen arbeiten. Ebenso dürfen Dienstleistungen aus den genannten EU-Ländern ohne Branchenbeschränkungen auf dem deutschen Markt angeboten werden. Ein Segen, könnte man denken, wenn man die Situation im Pflegesektor sieht. Denn der Bedarf an Pflegedienstleistungen steigt. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass der Bedarf nicht durch das Angebot an Dienstleistungen und Beschäftigten gedeckt werden kann. Versorgungslücken entstehen bzw. werden immer größer und deutlicher sichtbar. Zwischen 1999 und 2009 hat die Zahl der Pflegebedürftigen insgesamt in Deutschland um 16 Prozent zugenommen. Bereits in 2009 gab es somit rund 2,34 Mio. Pflegebedürftige inklusiver nicht eingestufter Pflegebedürftiger. In Berlin stieg die Zahl der Pflegebedürftigen im selben Zeitraum sogar um 42,5 %. 2009 gab es 101.000 Pflegebedürftige in unserer Stadt, 2011 waren es bereits 108.000. Bis 2030 wird die Zahl auf 170.000 ansteigen so die heutigen Prognosen. 75% der Pflegebedürftigen werden in Berlin im häuslichen Bereich betreut und versorgt. Bundesweit sind es nur ca. 66%. Die Hauptlast der Pflege tragen Familienangehörige zum Teil unterstützt durch ambulante Pflegedienste. Problem in Berlin wie auch deutschlandweit ist: Die Pflegepotenziale der Familien sinken. Speziell Berlin gilt als Single-Hauptstadt und Stadt der Alleinerziehenden. Externe Dritte / Pflegedienstleister werden für die Übernahme von Pflege- und Betreuungsaufgaben immer wichtiger! Problem ist nur: Bereits heute sind die dringend benötigten Arbeits- bzw. Fachkräfte in der Altenpflege Mangelware. 4

In Berlin gab es im Jahr 2010 in der Altenpflege 50.405 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Damit kommen in der Theorie auf zwei Pflegebedürftige, eine Pflegerin / ein Pfleger. Das klingt erst mal nicht schlecht, ist aber bei weitem nicht ausreichend, u.a. auch weil: - 42,5 % aller Beschäftigten in der Altenpflege in Berlin auf Teilzeitbasis arbeiten (im Vergleich zu rund 24% in der Gesamtwirtschaft). - Hinzu kommen nochmals rund 12 %, die nur auf Minijobbasis also geringfügig (bis 450 EUR) beschäftigt sind. - Zudem zeigt sich: Der demografische Wandel der Gesellschaft macht zudem auch vor der Branche nicht halt: Über ein Drittel aller Beschäftigten ist 45 und älter, knapp 16% der weiblichen und ca. 13,6 % der männlichen sozialpflichtig Beschäftigten ist sogar älter als 55 Jahre. - Die Ausbildungsaktivitäten in Berlin steigen zwar, aber: Bisher sind sie nicht ausreichend, um die Auswirkungen des demografischen Wandels in der Branche sowie den steigenden Bedarf an pflegerischen Dienstleistungen aufzufangen. Hinzu kommt, dass die Altenpflege als Ausbildungsberuf und Tätigkeitsfeld wenig attraktiv für viele ist. Dies macht es schwierig im Wettbewerb mit anderen Branchen um gute Auszubildende. In Berlin wurde 2011 begonnen, sich den Entwicklungen zu stellen und Veränderungen zu begleiten mit der Landesinitiative Für ein gutes Leben im Alter in Berlin Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege. Grundlage der Landesinitiative bildet ein Fünf-Punkte-Programm, mit dem die Attraktivität der Altenpflege in Berlin für Beschäftigte wie auch Pflegebedürftige und deren Angehörige gesteigert werden soll. Im Einzelnen geht es darum: 1. Ein breites und qualitativ hochwertiges Angebot der Altenpflege für alle Bürgerinnen und Bürger - unabhängig vom Geschlecht und Nationalität im Lande Berlin zu schaffen. 2. Die Attraktivität der Arbeit zu erhöhen durch gute und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen, eine Ausgewogenheit von Arbeit und Beruf sowie von Privatleben für die Beschäftigten. 3. Die Attraktivität der Ausbildung zu erhöhen und mehr junge Menschen für eine Ausbildung in der Altenpflege anzusprechen. 4. Aus- und Weiterbildung und auch 5. Nachqualifizierung in der Altenpflege zu fördern und zu unterstützen, um hiermit Beschäftigten bessere Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen und dem sich wandelnden Bedarf an Altenpflege von Seiten der zu Pflegenden besser gerecht werden zu können Dies alles sind Aktivitäten, die wir als ver.di begrüßen und unterstützen. Wir beteiligen uns auch aktiv an dem von Senatorin Kolat in diesem Jahr ins Leben gerufenen Berliner Bündnis für Fachkräftesicherung in der Altenpflege. Im Rahmen dieses Bündnisses wird es darum gehen, Wege zu finden und Akteurinnen und Akteure der Branche zu aktivieren, die genannten Punkte praktisch umzusetzen. 5

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Dies sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Wichtige Schritte, deren Umsetzung sich aber nicht von heute auf morgen erreichen lassen, deren Ergebnisse sich erst in einigen Jahren in der Altenpflege in Berlin positiv auswirken werden. Bis dahin gilt, was ich bereits zu Beginn gesagt habe: Der Bedarf ist hoch, das Angebot bereits heute zum Teil nicht ausreichend. Hinzu kommt der Faktor Finanzierung. Pflege ist zu Recht keine billige Dienstleistung. Große Teile der Kosten müssen von den Pflegebedürftigen bzw. deren Angehörigen mitgetragen werden. Ein Platz in einer stationären Einrichtung ist teuer, die Pflege zu Hause nur dann eine (finanzielle) Alternative, wenn die Angehörigen den Großteil der Pflege selbst erledigen. Die Kosten einer 24-Stunden-Betreuung im häuslichen Bereich durch regulär beschäftigte deutsche Pflegedienstleister schlägt mit rund 10.000 EUR zu Buche so aktuelle Berechnung von Stiftung Warentest. Dies ist weder mit einem Durchschnittseinkommen, geschweige denn mit einer Durchschnittsrente zu finanzieren. Wieso also nicht Dienstleistungen aus dem europäischen Ausland beziehen, Beschäftigte aus dem europäischen Ausland einstellen? Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit machen es ja möglich ohne große Probleme und auf ganz legalem Weg! So schreibt etwa die EU-Kommission zum Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit: Die Freizügigkeit ist ein Mittel zur Schaffung eines europäischen Arbeitsmarktes und trägt zum Vorteil der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Mitgliedstaaten zur Errichtung eines flexibleren und effizienteren Arbeitsmarktes bei. Es ist allgemein anerkannt, dass die Arbeitskräftemobilität den Einzelnen bessere Berufsaussichten bietet und es den Arbeitgebern ermöglicht, geeignete Arbeitskräfte zu finden. Sie trägt in hohem Maße dazu bei, effiziente Arbeitsmärkte und eine hohe Beschäftigungsquote zu erhalten. Nur Vorteile also sowohl aus Sicht der Beschäftigten, der Arbeitgeber sowie der deutschen Wirtschaft. Abseits vom offiziellen Protokoll zeigen sich aber deutlich die Schattenseiten: Frau mit Hilfe der Polizei aus Pflegedienst befreit, Rumänische Bauarbeiter arbeiten Monate ohne Lohn, Polnische LKW-Fahrer kündigen aus völliger Erschöpfung dies sind Schlagzeilen, wie sie in den letzten Monaten immer wieder zu finden waren. Sie zeigen: Ja, es gibt Arbeitsmobilität innerhalb Europas und nach Deutschland, aber die Bedingungen, unter denen diese stattfindet sind oftmals nicht fair. Grund ist unter anderem: Die rechtlichen Voraussetzungen unter denen Arbeitsmigranten nach Deutschland kommen sind vielfältig und für viele zudem undurchschaubar. Sie kommen über unterschiedliche Wege: Sie kommen im Rahmen der Freizügigkeit oder der Entsendung, sie kommen als Saisonbeschäftigte, als LeiharbeitnehmerInnen, oder sind Grenzpendler. Je nach Beschäftigungsstatus gelten unterschiedliche Regelungen für den Zugang zu Sozialversicherungen und für die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten. Hier den Durchblick zu behalten, seine Rechte zu kennen und auch durchzusetzen fällt vielen schwer. Bestehende Sprachbarrieren machen alles noch schwieriger. Diese führt dazu, dass sich Arbeitsverhältnis oftmals in einer rechtlichen Grauzone bewegen, in denen ausbeuterische Bedingungen keine Seltenheit sind. Vor allem auch für den Bereich der häuslichen Pflege ist dies keine Seltenheit und deshalb ein Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen und am heutigen Tag auch beschäftigen werden. Denn soll in Berlin die Altenpflege an mehr Attraktivität gewinnen für Beschäftigte 6

wie auch Leute die Pflegedienstleistungen nutzen dann darf es keine unregulierten bzw. schlechter regulierten Arbeitsverhältnisse geben. Für uns als ver.di ist klar: Für diejenigen, die nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten, müssen die gleichen Arbeitsbedingungen gelten wie für einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den entsprechenden Arbeitsplätzen: Arbeitszeit, Urlaub, Entgelt, Zugang zu Fortbildung und so weiter. Dies ist nicht nur aus Sicht der Beschäftigten ein wichtiges Anliegen, sondern auch, um Qualitätsstandards zu wahren. Gute Pflege braucht gute Arbeitsbedingungen auch für mobile Beschäftigte aus dem europäischen Ausland! Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion und wünsche Ihnen und mir eine anregende Veranstaltung. 7

4. Die Arbeitsbedingungen von mobilen Beschäftigten in der Altenpflege Dr. Sylwia Timm, Beratungsprojekt Faire Mobilität, DGB Sylvia Timm berichtete aus Ihrer Arbeit im Beratungsprojekt Faire Mobilität, das der Deutsche Gewerkschaftsbund - DGB seit Oktober 2011 durchführt. Im Rahmen des Projekts wurden zum Stand März 2013 5 Beratungsstellen in unterschiedlichen deutschen Städten / Regionen etabliert. Frau Timm ist Mitarbeiterin der Berliner Beratungsstelle. Diese unterstützt und berät schwerpunktmäßig ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Pflegebereich. 8

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Fragen und Kommentare aus dem Publikum Beraten Sie nur Beschäftigte aus der Berliner Pflegebranche oder deutschlandweit? Ich erhalte und bearbeite Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die meisten kommen aus den west- und süddeutschen Bundesländern, überwiegend aus ländlichen Regionen, wo die betroffenen Frauen oftmals in großer Isolation leben und der Kontakt zur Außenwelt viel über das Internet stattfindet. Kommen auch ausländische Beschäftigte aus stationären Einrichtungen mit Problemen auf Sie zu? Fälle aus stationärem Bereich (ausländische Beschäftigte im Altenpflegeheimen) sind eher die Seltenheit. Aber auch sie kommen in der Beratungspraxis vor. 13

5. Mobile Beschäftigte = Rechtlose Beschäftigte? Bestehende Regelungen und Schwachstellen für faire Mobilität am Beispiel Polen Bettina Wagner, Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte in Berlin Bettina Wagner berichtete über Erfahrungen aus ihrer Arbeit im Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte in Berlin sowie über aktuelle Ergebnisse eines Forschungsprojekts, dass Dr. Marta Böning an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg leitet. Das Projekt beschäftigt sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Personaleinsatzes aus Polen nach Deutschland am Beispiel der Pflegebranche. 14

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Fragen und Kommentare aus dem Publikum Denken Sie, dass die Probleme bezüglich der gerechten Entlohnung, die für entsandte Beschäftigte in Privathaushalten auftreten, spezifische Probleme von Arbeitsmigrantinnen sind? Ich denke nicht, dass es migrationsspezifische Probleme sind. Klar ist aber, dass durch den vorübergehenden Charakter der Beschäftigung die Lohnausbeutungsgefahr bei entsandten Beschäftigten oder Solo-Selbständigen aus den MOE-Ländern größer ist. Ergänzung durch Bettina Wagner Trotz des Arbeitnehmerentsendegesetzes bestehen noch viele Gesetzeslücken. Die beiden Hauptprobleme, Vergütung und Arbeitszeiten, sind noch nicht geregelt. 19

6. Gute Dienstleistungen in Altershaushalten und gute Arbeitsbedingungen für Beschäftigte gestalten Ansätze und Handlungsoptionen Dr. Margret Steffen, Arbeitsbereich Gesundheitspolitik, Bundesvorstand, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Dr. Margret Steffen beschäftigt sich bereits seit längerem mit dem Thema Migrantinnen in der Pflege. Schwerpunkt ihres Beitrags auf dem Fachdialog lag auf der Darstellung, welche Auswirkungen der sogenannte graue Pflegemarkt auf die Beschäftigung in der Branche hat und welche Maßnahmen zur besseren Regulierung ergriffen werden können. Hierbei stellte sie Praktiken aus Österreich und Frankreich vor. 20

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Worauf basiert der graue Arbeitsmarkt: Rechtliche Grundlagen in Deutschland Steuerliche Vergünstigungen 35a Haushaltsnahe Dienstleistungen können auf Antrag in Höhe von 20 Prozent der Aufwendungen, höchstens aber 510 Euro jährlich, von der Einkommenssteuer abgezogen werden. Die Pflegeleistungen müssen aber im Haushalt des Steuerpflichtigen oder im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person erbracht werden. 24

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7. Illegale Beschäftigung in der Altenpflege Wie erkennen und dagegen vorgehen? Oliver-Thomas Pampel-Jabrane, Bundesfinanzdirektion Mitte Oliver-Thomas Pampel-Jabrane stellte in seinem Beitrag dar, wie seine Behörde im Bereich der Altenpflege arbeitet, wo Grenzen der Kontrolle von Schwarzarbeit in der Branche liegen und wie sich die Situation in Bezug auf faire Arbeitsmobilität in der Altenpflege aus behördlicher Sicht gestaltet. 34

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4 Bewertung Feststellungen der FKS in Berlin Im Jahr 2012 lediglich 4 Ermittlungsverfahren Mindestlohnverstöße sind Ausnahmefälle Grund: Fachkräftemangel 41

Gibt es eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Ihrer Behörde und den Ermittlungsbehörden in den Heimatländern von entsandten Beschäftigten? Grenzüberschreitende Zusammenarbeit findet im Rahmen der Amtshilfe statt. In Angelegenheiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) treten Amtshilfeersuchen häufig im Zusammenhang mit der Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status von Arbeitnehmern auf, da hierfür auch Feststellungen zur Entsendefähigkeit von Unternehmen getroffen werden müssen. Bei dieser Unterstützung handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren. Daher arbeitet die FKS in den meisten Fällen nicht mit Ermittlungsbehörden im Ausland zusammen, sondern mit Verwaltungsbehörden, typischerweise mit den jeweiligen Krankenversicherungsträgern. Sofern die FKS aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer im Ausland ausgestellten Entsendebescheinigung hat, ist sie gehalten, über die ihr übergeordnete Behörde ein sog. Überprüfungs- und Beanstandungsverfahren zu initiieren. Ein solches Verfahren dauert aufgrund der unterschiedlichen Strukturen und Arbeitsweisen der beteiligten Behörden in der Regel sehr lange. Ermittlungen, etwa wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ( 266a StGB), darf die FKS allerdings erst dann (wieder) aufnehmen, wenn der ausstellende ausländische Träger die betreffende Bescheinigung nach erfolgreicher Durchführung des Verfahrens zurückgenommen hat. Was würde benötigt, um in der Altenpflege gegen illegale Beschäftigung besser vorgehen zu können? Es wäre sinnvoll - und das wurde auch bereits in der heutigen Veranstaltung von mehreren Beiträgen angeführt Anreize bei denjenigen zu setzen, die die Pflegedienstleistungen beauftragen. Diese müssten prüfen, ob bei der Arbeit, für die bezahlt wird, die Arbeitsbedingungen eingehalten werden. 42

8. Diskussionsrunde mit Referierenden und Publikum Die Diskussionsrunde mit Referierenden und Publikum drehte sich schwerpunktmäßig um die Frage, was speziell in Berlin getan werden sollte und kann, um faire Arbeitsbedingungen für mobile Beschäftigte aus dem Ausland zu gestalten. Ein wichtiger Punkt, der bereits im Laufe der Veranstaltung mehrmals genannt wurde, betrifft die Verbesserung der Kontrolle sowie der Transparenz. So wurde u.a. gefordert ein Kontrollsystem zu etablieren (vor dem Hintergrund des 37, 1 SGB XI), nachdem alle Pflegegeldbezieher dazu verpflichtet werden, gegenüber den Pflegekassen nachzuweisen, wie die Pflege sichergestellt wird. So könne man einerseits valide Zahlen über bestehende Beschäftigungsverhältnisse im häuslichen Bereich erhalten, anderseits ein wirksames Kontrollsystem gegen illegale sowie prekäre Formen der Beschäftigung etablieren. Die Einführung einer solchen Meldepflicht müsse einhergehen mit einer Beratung von Pflegegeldbeziehern über ihre Rechte und Pflichten. Neben der Ausweitung von Kontrollen wurde auch eine verbesserte Transparenz und Informationsarbeit in Bezug auf die Arbeitssituation mobiler Beschäftigter gefordert. Auch müsse das Angebot an Beratung weiter aufgebaut und der Bekanntheitsgrad der bereits in Berlin existierenden und miteinander vernetzten Beratungsstellen erweitert werden. Zudem wurde gefordert, mehr Transparenz über Verdienstmöglichkeiten in der Altenpflege zu schaffen. Vertreter der Arbeitnehmerseite müssten hierzu ihre Funktion als Mitglieder in den Verwaltungsräten der Krankenkassen nutzen und Druck aufbauen, damit die Krankenkassen ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und Klarheit in Bezug auf Verdienstmöglichkeiten in der Altenpflege schaffen. Dies verbessere die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten in der Pflege und hätte damit auch positive Auswirkung auf die Situation mobiler Beschäftigter. Des Weiteren wurde es als wichtig erachtet, Bedingungen zu schaffen bzw. weiter auszubauen, unter denen private Vermittlungsagenturen ausgetrocknet werden. Hierzu könnten etwa öffentlich geförderte Dienstleistungsagenturen dienen, die Pflegedienstleistungen etc. bündeln und deren Vermittlung übernehmen. Auch müsse gerade in Berlin stärker die Gruppe der osteuropäischen Pendler-Migrantinnen in der Pflege in den Blick genommen werden. Diese seien durch ihre Arbeits- und Lebensumstände (Wechsel zwischen Arbeitsort in Deutschland und ihrem Heimatland im max. 3-Monatsrhythmus) besonders schwierig zu erreichen und damit auch zu beraten und zu unterstützen. Zudem sei wenig über die Motive der Pendler-Migrantinnen bekannt, also etwa darüber, ob die Art und Form der Beschäftigung frei gewählt und gewollt sei oder ob in Wirklichkeit stabilere Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland bevorzugt würden. Allgemein sei in Bezug auf die Situation mobiler Beschäftigter aber auch zu berücksichtigen: So lange soziale Ungleichheit in Europa herrsche, könne durch Kontrollen und Ausweitung der Beratung und Information die Probleme mobiler Beschäftigter zwar behandelt, aber nicht gelöst werden. Dem Problem der Ausbeutung könne langfristig nur effektiv entgegengewirkt werden, wenn es für Firmen oder Personen aus dem Ausland nicht mehr wirtschaftlich lukrativ erscheint, unter prekären Arbeitsbedingungen und Niedrigstlöhnen hier in Deutschland zu arbeiten. Dafür müssen die sozialen Standards europaweit angehoben werden. 43

Zum Abschluss der Diskussionsrunde bedankte sich Mechthild Kopel bei allen Beteiligten. Sie betonte, dass die heutige Veranstaltung gezeigt habe, dass eine Strategiediskussion zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse mobiler Beschäftigter dringend notwendig sei und vertieft werden müsse. Dabei könnten die Probleme nicht losgelöst von denen, die in der Branche allgemein herrschen, diskutiert werden, sondern müssten hierin eingebettet betrachtet werden. Hierzu seien in Berlin gute Voraussetzung gegeben auch und gerade vor dem Hintergrund der Landesinitiative Für ein gutes Leben im Alter Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege. 44

9. Liste der Teilnehmenden 1. Baschin Cornelia FSE Pflegeeinrichtungen ggmbh 2. Benstz Felix Vitanas Akademie 3. Böttcher Bianca 4. Breitenbach Elke Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Abgeordnetenhaus von Berlin Linkfraktion 5. Drescher Josef A. Pro Seniore Residenz Cottbus 6. Funk Dr. Eberhard 7. Glawe Heiko DGB 8. Jäger Meike 9. Kistler Anja 10. Klemm Eveline trias ggmbh Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg Fachbereich 03 - Gesundheit und Soziale Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe DBfK Nordost e.v. 11. Kopel Mechthild Wert.Arbeit GmbH, Berlin 12. Korreckt Claudia Wert.Arbeit GmbH, Berlin 13. Kühlcke Indra k.o.s GmbH 14. Kuhn Rainer AOK Nordost 15. Mai Angelika 16. Ott Claudia Abgeordnetenhaus von Berlin Linksfraktion Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg e.v. 17. Pampel-Jabrane Oliver-Thomas Bundesfinanzdirektion Mitte 18. Pfaff-Gronau Friederike Diakonie-Station Steglitz 19. Priesemann Birgit 20. Rabe Heike 21. Reinhardt Andreas Kontinuum e.v. 22. Schottky Ilse SenGS Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf Abt. Gesundheit, Soziales und Planungs- Deutsches Institut für Menschenrechte Menschenrechtspolitik Inland/ Europa 45

23. Siebe Sandra trias ggmbh 24. Steffen Dr. Margret ver.di Bundesvorstand Gesundheitspolitik 25. Timm Dr. Sylwia Beratungsprojekt Faire Mobilität, DGB 26. Wagner Bettina 27. Walker Uta Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte in Berlin zukunft im zentrum GmbH Joboption 28. Weber Annemarie Wert.Arbeit GmbH, Berlin 29. Wildermann Maria-Anna DCMN 30. Wissel Elisabeth DIE LINKE Tempelhof-Schöneberg 46

Faire Arbeitsmobilität und Qualitätssicherung in der Altenpflege gestalten - Optionen für Berlin?! Fachdialog am 11.04.2013 Hotel Albrechtshof, Albrechtstr. 8, 10117 Berlin im Rahmen des Projektes: Arbeits- und Dienstleistungsqualität ein Geschwisterpaar in Berlin wo sonst! Pressemitteilung Katastrophale Arbeitsbedingungen osteuropäischer Pflegekräfte in Deutschland. Bekämpfung des grauen Marktes durch Schließung von Gesetzeslücken gefordert. Berlin, 12. April 2013 - Die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Frauen auf dem deutschen Pflegemarkt waren Thema einer Expertentagung am vergangenen Donnerstag in Berlin. Schätzungsweise 150.000 osteuropäische Pflegekräfte, genaue Zahlen gibt es nicht, arbeiten in deutschen Privathaushalten als Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen. Es sind fast ausschließlich Frauen aus Polen und Rumänien, die meisten ungelernte Hilfskräfte, die in der Regel als 24-Stunden-Allround-Kraft eingesetzt werden. Ihre Arbeitsbedingungen, so Sylwia Timm vom DGB Beratungsprojekt Faire Mobilität in Berlin sind katastrophal. Sie wohnen im Haushalt des Pflegebedürftigen, haben als Haushaltshilfe und Altenpflegekraft rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen, also auch nachts und am Wochenende. Die Beraterin schilderte, dass Frauen aus Haushalten in ganz Deutschland sich an die Beratungsstelle wendeten. Viele seien verzweifelt, depressiv und überarbeitet, manche litten unter der Einsamkeit, andere unter der Aggressivität der pflegebedürftigen Person. Häufig würde von ihrem geringen Lohn noch Geld für Miete und Essen abgezogen. Selbst für polnische Verhältnisse werden diese Pflegekräfte schlecht bezahlt, so Sylwia Timm. Aufgrund der Sprachbarriere würden die Frauen in der Regel ihre Rechte nicht kennen. Von den Vermittlungsagenturen würden die bestehenden rechtlichen Regelungen für mobile Pflegekräfte häufig umgangen. Private Vermittlungsagenturen in Deutschland kooperierten mit Vermittlungsagenturen in Osteuropa und würden die rechtlichen Grauzonen nutzen, um zum Beispiel den Mindestlohn zu umgehen, so Bettina Wagner vom DGB nahen Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte in Berlin. Wie dieses lukrative Geschäft mit der Vermittlung von Pflegekräften funktioniert, untersuchte Bettina Wagner. Durch die Schattenwirtschaft auf dem Pflegemarkt würden nicht nur teils sittenwidrige Löhne gezahlt, dem Staat würden auch Steuern und Sozialabgaben entgehen. Aber auch im Bereich der seriösen Vermittlung von Pflegekräften gibt es Handlungsbedarf. Trotz des Arbeitnehmerentsendegesetzes bestehen noch viele Gesetzeslücken. Die beiden Hauptprobleme, Vergütung und Arbeitszeiten, sind noch nicht geregelt, so Bettina Wagner. Das ist umso dringlicher als der Gesundheitsmarkt einer der dynamischsten Wirtschaftsbereiche ist. Bis zum Jahr 2020, sagte Meike Jäger von ver.di, wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Berlin von heute 108.000 auf dann 170.000 ansteigen. Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin 47

Faire Arbeitsmobilität und Qualitätssicherung in der Altenpflege gestalten - Optionen für Berlin?! Fachdialog am 11.04.2013 Hotel Albrechtshof, Albrechtstr. 8, 10117 Berlin im Rahmen des Projektes: Arbeits- und Dienstleistungsqualität ein Geschwister-paar in Berlin wo sonst! Und Margret Steffen vom Bundesvorstand ver.di ergänzte: Wettbewerb im Pflegebereich findet über Personalkosten statt, nicht über die Qualität der Leistung. Daher sei hier, mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen, eine Reform der Pflegebranche dringend notwendig. An Forderungen formulierte sie u.a. eine umfassende Information potentieller Pflegekräfte schon in den Heimatländern, die Schaffung von öffentlich geförderten Dienstleistungsagenturen und die Ausweitung der Qualifizierung von Pflegekräften. Die begonnene Strategiediskussion gelte es fortzusetzen, so Mechthild Kopel von der Beratungsgesellschaft Wert.Arbeit GmbH, Berlin, Organisatorin des Fachdialogs. Denn besonders für den wachsenden Bereich der Altenpflege gelte, was für den gesamten Dienstleistungssektor zutreffe: Die Dienstleistungsqualität stimmt, wenn die Arbeitsqualität stimmt. Der Fachdialog fand im Rahmen der Landesinitiative Für ein gutes Leben im Alter in Berlin statt, einer Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege. Für Hintergrundberichte, Schwerpunktthemen, Recherchen und Interviews stehen die Referentinnen gern zur Verfügung. Pressekontakt Maria-Anna Wildermann Mobil 0176-311 298 56 presse@wertarbeitgmbh.de FÜR EIN GUTES LEBEN IM ALTER IN BERLIN Für ein gutes Leben im Alter in Berlin - Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege ist eine Initiative der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen im Land Berlin. Sie ist der Berliner Beitrag zur Bundesinitiative Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege 2012-2015 und ein zentraler Baustein für die zukunftsweisende Gestaltung der Branche Altenpflege. Sie steht im Zusammenhang mit der Aktion Dienstleistungsqualität und gute Arbeit Markenzeichen der Metropolregion Berlin. Das Politikkonzept mit 16 Impulsen für eine innovative Dienstleistungspolitik will eine Diskussion befördern zum Thema Dienstleistungen Wertschätzung und -schöpfung. Die Altenpflege nimmt hierbei einen wichtigen Stellenwert ein als eine der Dienstleistungsbranchen, in denen in den nächsten Jahren ein Perspektivwechsel nötig wird. Der Fachkräftemangel in der Altenpflege ist bereits jetzt spürbar und macht das Umdenken einer ganzen Branche erforderlich. Aber auch in der Gesellschaft ist eine Imageveränderung nötig. Der gesellschaftlich bemessene Wert von Dienstleistungen soll neu positioniert werden und damit auch ihre Wertschätzung: Für das tägliche Leben und für ein funktionierendes Gemeinwesen sind sie unverzichtbare Bestandteile. Die Landesinitiative Für ein gutes Leben im Alter in Berlin Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege hat das Ziel, ein hochwertiges Angebot der Altenpflege für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu erhalten, eine wertschätzende Unternehmenskultur in den Einrichtungen der Altenpflege zu fördern sowie auf gute und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen der Altenpflege hinzuarbeiten. Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin 48

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