Das außenpolitische Journal. Militärmacht EU?

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Transkript:

Nr. 139 Mai 2018 Das außenpolitische Journal Militärmacht EU? multipolar Was bringt PESCO der Union? Militärische Integration PESCO & Rüstungskooperation Rüstungsfonds für die EU WeltBlick Kalter Frieden Russland: Nach den Wahlen Analyse Globalisierung verstehen Kommentar Neues Wettrüsten? ISSN 0944-8101 4,80 ISBN 978-3-945878-84-2

Inhalt 4 WeltBlick 4 Kalter Frieden Konfrontation statt Dialog Lutz Kleinwächter 9 Was kommt danach? Zu den Wahlen in Russland Alexander Rahr 14 Friedliche Koexistenz wieder beleben Ein Gastkommentar von Arne C. Seifert 18 multipolar: Militärmacht EU? 20 Was bringt PESCO der Union? Wilhelm Ersil 26 Das Militärische im EU-Integrationsprozess Werner Ruf 31 Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Delphine Deschaux-Dutard 36 PESCO und die westeuropäische Rüstungskooperation Wilfried Schreiber 43 Ein Rüstungsfonds für die Weltmacht EUropa Sabine Lösing und Jürgen Wagner 52 Analyse: Die Globalisierung verstehen Roland Benedikter WeltTrends Das außenpolitische Journal 116 Juni 2016 24. Jahrgang S. 2 3

Historie: Fußball-WM unter Militärs 58 Stefan Peters Bücherschau 62 Wiedergelesen: Das Zeitalter der Extreme 66 Achim Engelberg Impressum 69 Neues Wettrüsten? 70 Ein Kommentar von Hubert Thielicke Wort und Strich 72

Kommentar Ein neues Wettrüsten? Hubert Thielicke Mit ihrer im Januar verkündeten Nuclear Posture Review (NPR) forcieren die USA ihr Kernwaffenprogramm, unter anderem mittels kleinerer, einsetzbarerer nuklearer Optionen. Parallel dazu läuft der Aufbau ihres weltweiten Raketenabwehrsystems. Das wiederum ist für Russland Anlass, sein strategisches Arsenal mit völlig neuen Waffensystemen zu bestücken, vorgestellt von Präsident Putin am 1. März. Jede Seite setzt auf militärische Kapazitäten, welche die der anderen übertreffen sollen. Das erinnert an die ersten Jahre der Reagan-Administration, als diese versuchte, mit Ihrer Strategic Defense Initiative eine Überlegenheit zu erreichen. Unter den folgenden Präsidenten wurde daraus die National Missile Defense; 2002 kündigte Präsident Bush den mit der Sowjetunion 1972 geschlossenen Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen. Militärisch gesehen also das alte Phänomen des Wettlaufs zwischen Offensiv- und Defensivwaffen. Die Realisierung der Pläne für ein globales Raketenabwehrsystem würde die Vereinbarungen des New-START-Vertrages gefährden, warnte Wladimir Putin am 1. März, während er im NBC-Interview vom gleichen Tage unter Verweis auf die neuen, nicht abzufangenden strategischen Offensivwaffen die Möglichkeit weiterer Reduzierungen andeutete. Im Grunde führt die Trump-Administration mit ihren neuen Strategien National Security Strategy, National Defense Strategy, NPR die Linie ihrer Vorgänger fort, setzt aber neue, gefährliche Akzente. Eine maßgebliche Rolle spielen in diesem Prozess die Militärs um Verteidigungsminister James Mattis. Ziel ist die Führerschaft in einer zunehmend multipolaren Welt von einer Position der Stärke aus, eben America first. Verbündete und Partner sollen die strategische Reichweite der USA erhöhen, das NATO-Ziel von zwei Prozent des BIP für Militärzwecke erfüllen und sich den Wirtschaftsinteressen der USA unterordnen. Das US-Militärbudget 2018 wurde auf 700 Mrd. Dollar erhöht, für die nächsten 20 Jahre wird mit einer Billion Dollar allein für Kernwaffen gerechnet. Demgegenüber erklärte Präsident Putin am 19. März, Russland werde seine Militärausgaben in diesem und im nächsten Jahr senken. Die neuen US-Strategiedokumente nennen China und Russland als Rivalen, welche Macht und Einfluss der USA infrage stellen. Die Welt sei WeltTrends Das außenpolitische Journal 139 Mai 2018 26. Jahrgang S. 72 73

Kommentar 73 gefährlicher geworden; Russland würde Rüstungskontrollabkommen verletzen. Jedoch sind es gerade die USA, die Abrüstungsschritten Steine in den Weg legen. Während die Atomwaffenstaaten Frankreich, Großbritannien und Russland den Kernwaffenteststoppvertrag von 1996 ratifiziert haben, heißt es nun in der NPR, die USA würden den Senat nicht um Ratifizierung ersuchen. Sie halten derzeit zwar ein Test-Moratorium ein, möchten aber unterirdische Tests wiederaufnehmen können, wenn sie das als für ihr Nukleararsenal nötig erachten. Obwohl Partnerstaat der Chemiewaffenkonvention haben sie ihre restlichen Vorräte an diesen Waffen bisher noch nicht vernichtet, während Russland diesen Prozess im September 2017 beendete. Gleichzeitig nutzt die NATO den Fall Skripal, um die antirussische Stimmung anzuheizen. Nicht ausgeschlossen wird zwar eine Kooperation mit den Rivalen, allerdings von einer Position der Stärke aus, das heißt einer unvergleichlichen Militärmacht der USA. Verhandlungen über nukleare Reduzierungen seien möglich, wenn die Sicherheitslage es erlaube. Rüstungskontrollvereinbarungen müssten überprüfbar und durchsetzbar sein. Letzteres ist ebenfalls ein neues Element der US-Politik. Was heißt durchsetzbar? Geht es um Bestrafungen, gar einen präventiven Krieg, beispielsweise im Falle des Iran? Will man die behauptete Verletzung des INF-Vertrages durch Russland zum Vorwand für Sanktionen nehmen? Trotz allem müssen Ansätze für Verhandlungen über Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle genutzt werden. Angesichts sonstigen Stillstands könnten die im September vergangenen Jahres aufgenommenen Gespräche zwischen Russland und den USA über strategische Stabilität eine Chance bieten, über grundlegende Fragen wie Militärdoktrinen oder Rüstungskontrolle zu sprechen. Wichtig wären Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos nuklearer Irrtümer, die Erhaltung des INF-Vertrages und die Verlängerung des New-START-Vertrages, der 2021 auslaufen würde, aber die Möglichkeit einer Verlängerung um fünf Jahre vorsieht. Gewiss, ein minimales, aber dringend nötiges Programm. Dr. Hubert Thielicke geb. 1949, Politikwissenschaftler und Journalist, 1972 1990 im DDR-Außenministerium, 1981 1984 stellv. Leiter der DDR-Delegation auf der Genfer Abrüstungskonferenz, Studiengruppe Entmilitarisierung der Sicherheit (SES) thielicke@pr-medienberatung.de