Mag. Markus PELZL Büchereien Wien: ZW 53 Billrothstraße 32 1190 WIEN



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Transkript:

Mag. Markus PELZL Büchereien Wien: ZW 53 Billrothstraße 32 1190 WIEN Die integrative Rolle der Büchereien Wien hinsichtlich ihrer türkischen und serbokroatischen Klientel Projektarbeit im Rahmen der Hauptamtlichen Ausbildung für Bibliothekare (Ausbildungslehrgang 2002-2004/B) 12.12.2003

Inhaltverzeichnis I. Vorwort S. 1 II. Theoretischer Teil 1. Begriffsdefinition Integration S. 2 2. Eine kurze Geschichte der Migration S. 3 3. Migranten in Österreich S. 5 4. Wien und seine Zuwanderer S. 8 5. Integration als kommunalpolitisches Handlungsfeld S. 16 III. Praktischer Teil 1. Integration ein Handlungsfeld der Büchereien Wien? S. 22 2. Integrative Rolle und Praxis bei den Büchereien Wien S. 26 3. Die Genese der bibliothekarisch-integrativen Tätigkeit bei den Büchereien Wien S. 29 4. Personalfrage und fremdsprachige Bibliothek S. 38 5. Interview mit den Verantwortlichen für den türkischen und serbokroatischen Bereich S. 40 5.1. Interview mit Kollegin Mayda Janezic S. 43 5.2. Interview mit Kollegin Gülay Olt-Sahiner S. 48 6. Der türkische und serbokroatische Bestand bei den Büchereien Wien 6.1. Allgemeines S. 52 6.2. Bestandsdaten: Umfang und Entlehnzahlen S. 55 7. Türkische und Serbokroatische Bibliothek aus der Sicht der Schwerpunktbüchereien S. 58 8. Öffentlichkeitsarbeit, interkulturelle Veranstaltungen und Kooperationen bei den Büchereien Wien S. 68 IV. Resümee S. 75 V. Anhang 1. Anmerkungen S. 76 2. Bibliographie S. 85

I. Vorwort Eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen mit der sich Europa auseinandersetzt bzw. in Zukunft noch intensiver zu beschäftigen haben wird, stellt die Thematik der Migration dar. Analog zur europäischen Situation ist die Entwicklung in Österreich mit fast 711.000 1) Personen mit Migrationshintergrund zu sehen, insbesondere verstärkt in Wien, wo diese gesellschaftliche Gruppe zirka 366.000 Menschen - 23,6 % der Einwohner 2) umfasst. Als Folge des gegebenen politischen Handlungsbedarfs sind unter anderem die Metropolis Konferenz 2003 in Wien, die sich mit Zuwandererfragen und Integrationsstrukturen beschäftigte 3),als auch der bis 2004 zu erfolgende Aufbau einer eigenen Magistratsabteilung für Integrations- und Diversivitätspolitik 4) zu sehen. Ziel der vorliegenden Projektarbeit soll es sein in diesem thematischen Zusammenhang die integrative Rolle der Büchereien, als Teil des Magistrats der Gemeinde Wien, bezüglich der zwei größten Migrationsgruppierungen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien in der Bundeshauptstadt zu untersuchen. Das heißt bezogen auf eine konkretere Fragestellung: Können die Büchereien Wien als ein Faktor der Integration postuliert werden? Entspricht eine derartige Aufgabe dem Charakter und den Kompetenzen öffentlicher Bibliotheken? Welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen sind existent um eine integrative Rolle als evident erachten zu können? Welche Angebote und Serviceleistungen bietet die Institution diesem spezifischen Personenkreis an? Die Aufgabe und der Versuch der folgenden Kapitel wird die Beantwortung obigen Fragenkatalogs sein, als auch eine deskriptive Annäherung an Entwicklungen, Strukturen, Probleme und insbesondere auch Leistungen der Büchereien Wien in diesem gesellschaftspolitisch immanent wichtigen Bereich. 1

II. Theoretischer Teil 1. Begriffsdefinition Integration Zunächst erscheint es naturgemäß sinnvoll den gesellschaftlich vielgebrauchten Begriff Integration sowie die damit verknüpften Termini Assimilisation, Akkulturation und Ethnie näher zu erklären. Integration bedeutet in ursprünglicher Form die Herstellung bzw. Entstehung einer Einheit aus einzelnen Elemente. Das heißt allgemeiner formuliert, darunter ist ein Prozess zu verstehen in dem die Eingliederung von Personen oder Gruppen in ein soziales oder gesellschaftliches System durch einen den Aufgenommenen betreffenden soziokulturellen Wandel erfolgt, der nicht die Notwendigkeit eines Sprach- und Kulturverlustes beinhaltet, aber auf die Anerkennung gemeinsamer Grundwerte und Strukturen abzielt. Integration kennzeichnet den Zugang und die Partizipationsmöglichkeiten an gesellschaftlichen Dimensionen wie zentralen Werten und Gütern des aufnehmenden Gesellschaftssystems wie z.b. Schulbildung, Wohnqualität, Wahlrecht etc. Integration hat zwei Grundbedeutungen die miteinander korrelieren: Aufnahme und Zusammenhalt. Bezüglich der Integration von Migranten sind die Umstände, die dazu beitragen, dass diese zu anerkannten Mitgliedern der aufnehmenden Gesellschaft werden, zu beachten. Dazu gehören sowohl Kenntnisse der Sprache des Einwanderungslandes, seine sozialen Regeln und Gesetze, aber auch Toleranz und Anerkennung für kulturelle Differenzen seitens der Mehrheit. Dies bedeutet Integration ist nicht nur die subjektive Entscheidung sich niederzulassen, sondern erfordert ebenso die Beseitigung von institutionellen Hürden und weiteren Hindernissen, die eine kulturell-soziale Eingliederung untergraben, wie die Abschottung gegenüber Einwanderern, Festschreibung des Ausländerstatus und ungleiche Chancen in Ausbildung und Beruf usw... Integration ist ein Prozess der wechselseitigen Anpassung und Veränderung zwischen aufnehmender und der aufzunehmenden Gruppe, wobei deren Charakter asymetrisch ist, da die Einwanderer eine weitaus größere individuelle Anpassungsleistung erbringen, wogegen die Gesellschaft mit der großen Herausforderung konfrontiert ist ihre politischen, rechtlichen und kulturellen Einrichtungen solcher Art zu transformieren, dass aus Fremden gleichberechtigte Bürger werden. Ein gänzlich anderes Integrationskonzept ist unter Assimilisation zu verstehen, wobei es sich um einen einseitigen Prozess der Angleichung der Migranten an eine andere ethnische Einheit handelt, in der sie letztlich völlig aufgehen und die eigene Identität enden sollte, was mit dem Verlust der ursprünglichen Eigenart, dem sprachlichen Übergang und dem ideologischen Bekenntnis zur Aufnahmenation verknüpft ist. Dabei werden die zu erfüllenden Standards ausschließlich von der dominanten aufnehmenden Gruppe vorgegeben um letztlich in eine generell absolute Anpassung an die gesellschaftliche Lebensweise zu münden. Zu beachten ist hierbei, dass die Forderung nach Assimilisation als Voraussetzung für Integration oft gerade das Gegenteil beabsichtigt, nämlich die Konservierung der Segregation. 2

Der dritte damit verbunden Begriff wäre der der Akkulturation oder Interkulturation, der die Auf- und Übernahme fremder kultureller Werte und Güter definiert ohne dass die übernehmende Gruppe das Bewusstsein seiner eigenen Art verliert. D.h. eine Entwicklung in der der Migrant gleichsam als Wanderer zwischen zwei Sozialsystemen einen Teil seines soziokulturellen Erbes behält, einen Teil an Neuen hinzu gewinnt und auch einen Bereich an gemischter Kultur entwickelt, was in einem bestimmten Grad Voraussetzung für die Akzeptanz der Zuwanderer seitens der aufnehmenden Gesellschaft darstellt. In diesem Zusammenhang ist auch noch kurz der Terminus Ethnie zu nennen, worunter die Bezeichnung für eine Gruppe zu verstehen ist, die sich betreffend das gesamte Alltagsleben umfassende Charakteristika als anders wahrnimmt und auch von ihrer Umwelt als anders wahrgenommen wird. Die Differenzierung selbst kann verschiedene Ausprägungen beinhalten, dabei kann es sich um eine unterschiedliche Sprache, spezifische das Alltagsleben der Gruppe prägende kulturelle Formen oder in ihr verankerte Wertevorstellungen handeln. 1) 2. Eine kurze Geschichte der Migration Voranzustellen ist, dass Prozesse weltweiter Arbeitsmigration kein neues Phänomen darstellen, sondern eine Folgeerscheinung globaler und regionaler Wohlstandsunterschiede sowie Ausdruck einer generellen Globalisierung sind. Denn der Weltmarkt hat neben der Globalisierung der Waren- und Finanzströme auch eine erhöhte Mobilität der Menschen erzeugt, wobei die Ursachen der Migrationsbewegungen nach den Motiven der Wanderung differenziert werden müssen. So wandern Migranten auf Arbeitssuche in entwickeltere Regionen ab, um dort eine Existenzsicherung und Zukunftsperspektiven zu finden, derer es im Ursprungsland fehlt. Als zweite Ursache ist die erzwungene Migration zu nenne, als deren Folge Flüchtlinge und Asylanten sich auf das in der Europäischen Union geltende Asylrecht berufen können. So ist seit dem Zweiten Weltkrieg eine große Anzahl von Menschen in die EU eingewandert, dabei war aber der Charakter der Zuwanderung im Laufe der Zeit von strukturellen Veränderungen beeinflusst. In den Fünfziger und Sechziger Jahren wurde von den Mitgliedstaaten aus ökonomischen Gründen der Zuzug - ohne Begleitmaßnahmen forciert, da man von einem zeitlich begrenzten Aufenthalt ausging. Dagegen erfolgte basierend auf der ökonomischen Krise der Siebziger und Achtziger Jahre ein Ende der wirtschaftlichen Migration, gleichzeitig durch Beibehaltung humanitärer Maßnahmen Stichwort Asylrecht und Familienzusammenführung vollzog sich eine Ausweitung, da durch obige Gründe die Zuwanderung im beschränkten Ausmaß erhalten blieb. Zusätzlich existierte weiterhin eine gewisse illegale Migration. 3

Dementsprechend präsentiert sich der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund als eine sehr heterogene Gruppe: Angeworbene Arbeitskräfte und deren Familien aus mediterranen Ländern wie Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und Nordafrika Einwanderer aus ehemaligen Kolonien Illegale Zuwanderer vor allem in den südeuropäischen Staaten Politische Flüchtlinge 1) Die ursprünglichen Migrationskontingente aus Italien, Spanien und Griechenland der Nachkriegszeit wurden seit den Sechziger Jahren von Jugoslawien und der Türkei abgelöst, von wo aufgrund von bilateralen Abkommen angeworbene Arbeitskräfte auf Zeit bzw. mit offener Zeitperspektive kamen. Diese Entwicklung quantitativ verstärkend wirkten Migrationsnetzwerke, Kettenwanderungen und Familiennachzug, der mit der Zunahme von Daueraufenthalten und der Verlagerung des Lebensmittelpunktes in das Zielland vor allem ab Mitte der Siebziger anstieg. Die Herkunftsregionen der Zuwanderer waren meist stark agrarisch-vorindustriell strukturiert und ärmere ländliche Gebiete. Die Entwicklung der ausländischen Bevölkerung vom Arbeitskräftereservoir zu den heutigen ethnischen Gemeinschaften basierte paradoxerweise auf den staatlichen Anwerbestops und Zuwanderungsbegrenzungen, die eine Transformation von Arbeits- zu Daueraufenthalten erzeugten und in Folge der rechtlich garantierten Familienzusammenführung und dem natürlichen Zuwachs einen Anstieg der neidergelassenen Bevölkerung bewirkte. Die erfolgten Wanderungsbeschränkungen führten u.a. auch zu einem massiven Einbruch in der verstärkten türkischen Zuwanderung, die charakteristisch für den Prozess der Gewichtsverschiebung von europäischer zu außereuropäischer Migrationsbevölkerung war. Mit dem Wandel von Arbeitsaufenthalten zu Einwandererstrukturen, die eine Rückkehr in das Herkunftsland bei Erwerbslosigkeit in ökonomischen Krisenzeiten ausschloss, bildete sich eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit in der Zuwandererbevölkerung, die als großteils ethnisch-sozial geprägte Unterschicht innerhalb der Gesellschaft existiert. 2) Der Übergang von Arbeitswanderungen zu echten Einwanderungsprozessen mit Etablierung von ethischen Gemeinden bewirkte, dass die vorhanden Integrationsmechanismen nicht mehr greifen konnten und den mit den sozialen Begleitumständen und Folgeproblemen der Migration konfronteirten Wohlfahrtssystemen adäquate Lösungsmechanismen fehlten. Denn bis dahin erfolgte die Integration der Immigranten in ihrer Funktion als Arbeitskräfte über den Arbeitsplatz, in Folge der Familienzusammenführung und dem Heranwachsen einer zweiten und dritten Generation standen und stehen Fragen u.a. der Unterbringung, Bildung, Ausbildung und sozial-kulturelle Einrichtungen im Mittelpunkt. Diese Problembereiche stellen bis heute ungelöste Felder dar: So ist die Wohnsituation der zugewanderten Bevölkerung konstant schlecht, gekennzeichnet von geringem Wohnraum und in überwiegend ausländisch geprägten Wohngebieten mit geringen Kontakten zur einheimischen Bevölkerung, was die Schwierigkeiten der Integration in die Gesamtgesellschaft vermehrt. Trotz einer Verbesserung der Bildungssituation bei Menschen mit Migrationshintergrund existieren weiterhin Sprachprobleme, mangelhafte schulische Bildung und Schwierigkeiten beim Erlangen eines beruflichen Ausbildungsplatzes. 4

Ebenfalls erschwerend wirkt sich die große sozio-kulturelle Distanz aus insbesondere hinsichtlich Immigranten mit islamischer Religionszugehörigkeit, die von den Aufnahmegesellschaften als die fremdeste wahrgenommen werden. 3) Kurzfristig, mittel- und langfristig müssen Konzeptionen und Strategien erarbeitet werden um die Eingliederung der Migranten zu unterstützen, denn die einzige vernünftige und zukunftsweisende Politik ist die der Stabilisierung und umfassenden Integration der heutigen niedergelassenen Zuwanderer. Wobei die zu vollziehende Migrationspolitik den gesamtgesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen hat, unter anderem die Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Kultur-, Bildungs-, Wohnungs- und Gesellschaftspolitik wie z.b. Ausbildungsprogramme und Maßnahmen zugunsten der zweiten und dritten Generation, Förderung von Vereinen und kulturellen Aktivitäten etc... Letztlich kann Europa nur gemeinsam mit den hier lebenden Immigranten an deren echter Integration arbeiten und Rahmenbedingungen schaffen, die diesen die politische, rechtliche und kulturelle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt ermöglichen, sie dabei in ihrer Selbstverantwortlichkeit unterstützen und die kulturelle und religiöse Vielfalt zum festen Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft machen, zu einem verbindenden statt zu einem trennenden Element. 4) 3. Migranten in Österreich: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Österreich zirka 6,5 Millionen Einwohner, bis zum Jahr 2001 wuchs diese Zahl auf 8,1 Millionen. In den dazwischen liegenden Jahrzehnten kamen rund 3,6 Millionen Menschen als Vertriebene, Asylsuchende, angeworbene Arbeitskräfte oder Familienangehörige nach Österreich, das für viele als Gastland, Durchreisestation aber auch als Immigrationsziel fungierte. So blieben mehr als 680.000 Flüchtlinge und über 500.000 Arbeitsmigranten und ihre Familien auf Dauer und viele nahmen die österreichische Staatsbürgerschaft an, wodurch sie aus den entsprechenden Statistiken aus der Kategorie Ausländer verschwanden, was die Eruierung des Bevölkerungsanteils mit Migrationshintergrund entsprechend erschwert. 1) Von den oben genannten 8,1 Millionen Einwohnern hatten 2001 8,9% (710.926) den rechtlichen Status als Ausländer inne. Die diesbezüglich wichtigsten Herkunftsländer der ausländischen Bevölkerung sind das ehemalige Jugoslawien mit 322.261 Personen, einem Prozentsatz von 45,3 und die Türkei mit 127.226 und einem Prozentsatz von 17,9. Zwecks zahlenmäßiger Verdeutlichung der ausländischen Wohnbevölkerung in den vergangen Jahren in Österreich erfolgt für die Dekade 1991 2001 und die geographische Verteilung eine tabellarische Darstellung: 5

Ausländische Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeit 1991 2001: 2) Ex-Jugoslawien Türkei Sonstige Gesamt Anteil an der WB 1991 197.886 38,1 % 118.579 22,0 % 201.225 38,9 % 517.690 6,6 % 1992 232.301 40,0 % 128.240 22,1 % 220.577 38,0 % 581.118 7,3 % 1993 289.085 43,4 % 137.013 20,6 % 239.251 36,0 % 665.349 8,3 % 1994 317.358 44,9 % 141.229 20,0 % 247.748 35,1 % 706.335 8,8 % 1995 326.828 45,3 % 142.970 19,8 % 251.113 34,8 % 720.911 9,0 % 1996 332.392 45,8 % 142.231 19,6 % 251.682 34,7 % 726.305 9,0 % 1997 335.060 45,8 % 139.004 19,0 % 256.805 35,1 % 730.869 9,0 % 1998 335.090 45,4 % 138.860 18,8 % 260.390 35,3 % 737.277 9,3 % 1999 338.999 44,8 % 134.229 17,7 % 283.277 37,4 % 756.505 9,3 % 2000 341.179 44,5 % 134.243 17,6 % 290.633 37,9 % 766.055 9,4 % 2001 322.261 45,3 % 127.266 17,9 % 261.439 36,8 % 710.926 8,9 % Ausländische Wohnbevölkerung nach Bundesländern 2001: 3) B K NÖ OÖ S ST T V W Ö 2001 12.564 32.071 94.034 99.617 60.520 53.512 63.644 46.700 248.264 710.926 Nachdem in Folge von Einbürgerungen der Zuwanderer so nahmen allein zwischen 1981 und 1994 152.000 Personen die österreichische Staatsbürgerschaft an 4) der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund statistisch verzerrt wird, erscheint es auch notwendig die Kategorie Einbürgerungen zu betrachten um eine vollständigere und realistischere Abbildung der Gesamtsituation zu erlangen: Einbürgerungen nach Staaten 1991 2001: 5) Gesamt Ex- Türkei EU Osteuropa Sonstige Jugoslawien 1991 11.137 3.217 1.801 650 2.327 3.142 1992 11.656 4.329 1.987 573 1.771 2.996 1993 14.131 5.780 2.686 613 1.878 3.174 1994 15.275 5.621 3.377 444 2.481 3.352 1995 14.366 4.529 3.201 309 2.444 3.883 1996 15.627 3.118 7.492 229 1.910 2.878 1996 15.792 3.659 5.064 247 2.696 4.126 1997 17.786 4.142 5.664 219 3.517 4.244 1998 24.678 6.728 10.324 133 3.194 4.299 6

1999 24.645 7.654 6.732 138 4.392 5.729 2000 32.080 10.760 10.068 154 4.997 6.101 2001 36.011 13.990 12.623 131 4.071 5.196 Entscheidend für die demographische Entwicklung Österreichs ab Beginn der Sechziger Jahre waren die Ausdehnung des nationalen Arbeitsmarktes und die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. Analog zu den westeuropäischen Staaten begann man bilateral Arbeitskräfte anzuwerben verknüpft mit dem Konzept der kurzfristigen Arbeitsaufenthalte (Rotationsprinzip), die schon bald durch die Perspektive der längerfristigen Beschäftigung und endgültigen Niederlassung ersetzt wurde. Ein erstes Anwerbeabkommen erfolgte 1962 mit Spanien, ein zweites 1964 mit der Türkei und ein drittes 1966 mit Jugoslawien, in Folge nahm Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger die Zahl der Ausländer jährlich um 30-50.000 Personen zu und erreichte 1973 mit 230.000 importierten Arbeitskräften ihren ersten Höhepunkt. Sozial und geographisch gekennzeichnet war dieser Zustrom vermehrt durch geringe Berufsqualifikation und überdurchschnittliche Abstammung aus ländlichen Gebieten. Die Phasen der ökonomischen Stagnation in den Folgejahren brachte einen deutlichen Abbau der Gastarbeiterkontingente, um ab Mitte der Achtziger erneut zu steigen und neue Arbeitsmigranten aus Jugoslawien und der Türkei anzuziehen, die zusammen 60% der Zuwanderung repräsentierten. 1990 erreichte diese mit einem positiven Wanderungssaldo von plus 123.000 Personen einen neuen Höhepunkt. Die jüngsten Zuwandererwellen in den darauffolgenden Jahren basierten nur zum Teil auf Nachfragefaktoren, sondern auf den Folgen der politischen Ereignisse auf dem Balkan in Form von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlinge. Die hohen Zuwanderungsgewinne dieser Zeit ließen die Zahl der Migranten steigen, so dass nach Staatsbürgerschaft gewertet ihr Bevölkerungsanteil fast 9 % beträgt und zirka 16 % der Einwohner Österreichs außerhalb seiner Grenzen geboren wurden. Verglichen mit anderen Westeuropäischen Staaten nimmt Österreich mit diesem Anteil an der Wohnbevölkerung eine mittlerer Position ein. 6) Als langfristig problematisch erweißt sich jedoch, dass die Gruppe der Zuwanderer aus den für Österreich typischen Herkunftsländern von Arbeitsmigranten Türkei und Ex- Jugoslawien unter den rechtlichen Bedingungen der Rotationspolitik bzw. kurzfristiger Arbeitsaufenthalte auf den österreichischen Arbeitsmarkt kamen. Das heißt kurzfristige Arbeitsbewilligungen, die forcierte Rückkehr in die Heimat und ein regelmäßiger Austausch der bereits im Land tätigen ausländischen Beschäftigten durch neu Angeworbene sollten die Element dieser Politik sein. Letztlich scheiterte dieses Konzept, da von Seiten der Wirtschaft wenig Interesse an hoher Fluktuation vor allem in Zeiten der Konjunktur existierte und viele Migranten für sich und ihre Familien eine längere Perspektive in Österreich erblickten. Bezüglich dieses Prozesses erfolgte aber keiner auf eine de facto Dauereinwanderung ausgerichteter politischer Wandel des institutionellen und rechtlichen Rahmens, obwohl die enge Korrelation zwischen rechtlichen Status der Zuwanderer und dem Ausmaß der Integration bzw. Nichtintegration in die Gesellschaft evident ist. Zusätzlich entstanden eine Reihe von Problemen, die im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen waren wie schulische Integration, zweite Generation, Einbürgerung, Ausbildung etc..., die bis heute nicht zufriedenstellend gelöst wurden und eine gesellschaftliche Herausforderung bilden. 7) 7

Entsprechen der Ausrichtung der österreichischen Migrationspolitik auf reine Arbeitsmarktorientierung, förderte der Staat die Integration von Ausländern in geringen Maße als andere Einwanderungsländer und erst ab Mitte der Achtziger Jahre setzte eine Integrationspolitik ein, die eine stufenweise Gleichstellung mit Inländern in gewissen Bereichen zum Ziel hatte. Ab 1980 mit dem gesetzlichen Ende des Rotationsmodells sollte die Ausländerpolitik vom Integrationsprinzip für längerfristige Aufenthalte getragen sein. 1993 wurde der Aufenthalt von Ausländern in Österreich neu geregelt, wobei richtungsgebend für die Zuwanderung die Situation am Arbeits-, Wohnungsmarkt, Schul- und Gesundheitssektor mit einbezogen wird. 8) Weiteres erfolgte eine Reform der Materie im Sinne von verbesserter Integration, die als Integrationspaket II 1997 und 1998 in Kraft trat, jedoch real keine Verbesserungen der Bedingungen und zufriedenstellenden Regelungen bewirkte. 9) Seit dem Jahr 1999 gilt außerdem ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, in dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die erfolgreiche Integration des Bewerbers in die österreichische Gesellschaft und dem Nachweis von Deutschkenntnissen geknüpft ist. 10) 4. Wien und seine Zuwanderer Ausgehend von der Genese der Migranten in Österreich in den letzten Jahrzehnten stellen die Zuwanderer der traditionellen Gastarbeiterländer Türkei und Ex- Jugoslawien die wesentlichen Zielgruppen für Integrationsmaßnahmen vor allem in den Städten insbesondere in der Bundeshauptstadt dar, wo besonders die räumliche Konzentration von Ausländern quantitative Bedeutung besitzt und größter Handlungsbedarf besteht. 1) So war und ist Wien das hauptsächliche Migrationsziel für Zuwanderer und als Folge dessen stellt es für rund 40 % - 248.264 Personen der in Österreich lebenden Ausländer den Lebensmittelpunkt und Wohnsitz dar. 2) Wobei die Gesamtzahl der ausländischen Wohnbevölkerung sowie ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Wiens, der 16 % beträgt, als Konsequenz der Zuwanderungspolitik seit Jahren weitgehend unverändert blieb. Damit liegt Österreich im Vergleich europäischer Städte im Mittelfeld, vergleichbare Kommunen in Deutschland verfügen wie z.b. Berlin über einen ausländischen Bevölkerungsanteil von 12,9 %, Köln 18,8 % und München 22,6 %. 3) Aufgeschlüsselt nach Staatsbürgerschaft basierend auf den Statistiken der Volkszählung 2001 ergibt sich folgendes Bild: Zwei Nationalitäten stellen traditionell das Gros der in Wien lebenden Ausländer; Als größte Gruppe sind das die Staatsbürger der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien mit 113.458 Personen und 44,2 %. Die zahlenmäßig zweitgrößte Migrantengruppe sind Staatsangehörige der Türkei mit 39.119 Personen und 15,2 % 4) Basierend auf den Veröffentlichungen der MA 14 Bevölkerungsevidenz 2001 (wobei auf die zahlenmäßigen Schwankungen der Daten zwischen den diversen Publikationen 8

von MA 14, MA 66, Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2002 und MigrantInnen in Wien 2002 hingewiesen werden muss) ergibt sich folgende Verteilung auf die Wiener Gemeindebezirke: 5) Ausländer/innen nach Staatsangehörigkeit und Bezirk Staatsangehörigkeit (Personen mit Hauptwohnsitz) Jahr, Jugo- Kroatien Bosnien u. Mazedonien Türkei Polen ehem. Bezirk slawien 1) Herzegowina CSFR 1997 84.279 16.088 16.016 4.794 46.664 17.909 5.752 1998 83.772 16.159 17.301 4.973 45.708 17.501 5.816 1999 81.004 16.510 20.129 5.293 43.343 17.251 5.989 2000 81.116 16.863 20.815 5.604 43.950 17.433 6.316 2001 3) 69.400 15.819 19.628 5.727 37.004 13.179 5.071 dav. männl. 36.142 8.619 10.354 3.374 21.215 7.184 2.072 weibl. 33.258 7.200 9.274 2.353 15.789 5.995 2.999 1. 472 137 47 19 55 64 54 2. 6.628 1.220 1.522 496 3.053 1.297 403 3. 4.354 782 964 302 1.994 921 345 4. 1.018 261 185 70 270 170 104 5. 3.595 708 1.040 233 1.974 599 162 6. 1.175 264 288 65 459 303 158 7. 1.567 321 425 151 640 245 90 8. 833 160 145 38 213 147 48 9. 1.708 423 409 143 660 249 130 10. 7.138 1.585 2.379 705 5.301 1.271 477 11. 2.633 653 1.045 270 1.499 547 255 12. 3.967 829 1.188 285 2.203 581 221 13. 619 140 121 27 128 212 202 14. 3.173 792 974 191 1.307 500 231 15. 6.229 1.590 1.949 447 3.368 1.044 254 16. 6.836 1.735 1.972 635 4.270 877 279 17. 3.798 929 958 207 1.538 551 200 18. 1.958 521 458 167 785 304 125 19. 1.170 238 291 49 492 289 159 20. 5.320 1.135 1.545 438 4.132 921 289 21. 2.401 548 650 378 1.226 767 313 22. 1.669 457 516 281 948 950 375 23. 1.139 391 557 130 489 370 197 9

Ausländer/innen nach Staatsangehörigkeit und Bezirk Staatsangehörigkeit (Personen mit Hauptwohnsitz) Jahr, Ungarn Deutsch- übrige EU- Iran Sonstige Zusammen Bezirk land Staaten 2) 1997 5.444 11.274 11.938 6.530 55.806 282.494 1998 5.370 11.959 12.898 6.254 55.759 283.470 1999 5.393 12.776 13.682 6.164 57.157 284.691 2000 5.464 13.715 14.418 6.976 59.047 291.717 2001 3) 3.944 13.289 12.735 3.805 44.060 243.661 dav. männl. 2.102 6.481 6.574 2.122 23.565 129.804 weibl. 1.842 6.808 6.161 1.683 20.495 113.857 1. 75 390 536 48 850 2.747 2. 355 829 1.015 674 4.337 21.829 3. 274 1.026 1.158 219 3.007 15.346 4. 71 458 573 56 984 4.220 5. 139 527 449 129 1.748 11.303 6. 139 478 443 70 972 4.814 7. 98 538 438 83 987 5.583 8. 67 409 515 98 822 3.495 9. 74 615 739 106 1.360 6.616 10. 352 632 555 281 3.627 24.303 11. 172 320 205 67 1.762 9.428 12. 192 458 415 173 2.034 12.546 13. 86 733 482 87 1.109 3.946 14. 130 629 377 82 1.445 9.831 15. 226 436 382 168 2.502 18.595 16. 169 455 411 164 2.238 20.041 17. 133 464 405 232 1.509 10.924 18. 83 618 771 144 1.472 7.406 19. 236 909 1.078 260 2.296 7.467 20. 246 416 405 224 2.574 17.645 21. 228 667 427 151 2.156 9.912 22. 236 607 584 120 3.145 9.888 23. 163 675 372 169 1.124 5.776 1) Serbien und Montenegro. - 2) Mitgliedsstand ab 1.1.1995. - 3) Bereinigung anhand der Volkszählung 2001. Quelle: MA 14 - Bevölkerungsevidenz. Klein ist hingegen im Vergleich dazu die Zahl der Doppelstaatsbürgerschaften betreffend beider oben genannter Herkunftsländer: 2.631 Personen sind Staatsbürger Österreichs und eines der Nachfolgestaaten Jugoslawiens. 742 Personen besitzen auch eine türkische Staatsbürgerschaft. 6) 10

Zur Erfassung des Migrationshintergrundes erscheint es auch wesentlich die jährlichen Einbürgerungen zu betrachten, bei denen analog zur Gruppengröße, die Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens in der Statistik 2002 mit 5028 (33,5 %) Einbürgerungen an der Spitze lagen, gefolgt von der Türkei mit 4.642 Einbürgerten und zirka 31 %. 7) Bei der letzten Volkszählung 2001 wurde zum ersten Mal nicht nur die Frage nach der Staatsbürgerschaft, sondern auch nach dem Geburtsland gefragt, womit für Österreich erstmals offizielle Daten vorliegen, die Aussagen über einen eventuellen Migrationshintergrund österreichischer Staatsbürger ermöglichen. Denn bis dato bestand das Problem, dass alle Zuwanderer die im Laufe ihres Lebens die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekamen, in den Statistiken nicht mehr als Migranten bzw. als Menschen mit Migrationsursprung erkennbar waren, was eine Annäherung an die Gruppe der Nachkommen von Migranten, der sogenannten Zweiten Generation erschwerte. Daraus ergibt sich, dass Wien das Bundesland mit den meisten im Ausland geborenen Einwohnern 366.289 und 23,6 % - ist. Von diesen kamen 127.290 - zirka 33 % - in Ex-Jugoslawien und 12,9 % in der Türkei zur Welt. Auf der anderen Seite wiederum haben 16,3 % der ausländischen Staatsangehörigen, die in Österreich leben, einen österreichischen Geburtsort (zweite und dritte Migrantengeneration). 8) Wie stark ausdifferenziert die Wiener Wohnbevölkerung ist zeigt sich auch daran, dass nur drei von vier Bewohnern der Stadt ausschließlich Deutsch als Umgangssprache im Zuge der Volkszählung von 2001 angaben. Am höchsten ist der Anteil, die neben Deutsch noch eine weitere Umgangssprache verwenden, unter den im Ausland geborenen ausländischen Staatsangehörigen mit 69,5 %. Auch unter den im Ausland geborenen Österreichern aber ebenso der nichtösterreichischen Staatsbürger liegt der Anteil der zweisprachigen Bevölkerung jeweils über 50 %. Konkret betrachtet liegt Serbokroatisch als Umgangssprache von 135.478 Personen an der Spitze, gefolgt von Türkisch mit rund 71.000 Nennungen. 9) Folgend eine statistische Auswertung der Kriterien Geburtsland und Umgangssprache, die auf Migrationshintergrund schließen lassen, und deren bezirksmäßige Gliederung: 10) Wien: Bezirke Zusammen 1 2 3 1. Zusammen 1.550.123 17.056 90.914 81.281 Geburtsland (ausgew. Staaten) 2. Österreich 1.183.834 12.523 61.232 59.403 3. EU-Staaten 41.772 1.188 2.632 2.998 4. Bosnien-Herzeg. 34.373 163 2.487 1.714 5. Serbien,Monten. 73.035 514 6.693 4.391 6. Kroatien 10.769 140 769 656 7. Mazedonien 6.635 38 495 315 8. Slowenien 2.478 48 134 152 11

9. Türkei 47.321 87 3.810 2.515 10. übr.ausland 149.906 2.355 12.662 9.137 Umgangssprache (in Detail;inkl.Komb.m.Deutsch) 11. Deutsch 1.166.766 13.476 60.029 59.162 12. Bosnisch 8.575 35 550 397 13. Kroatisch 37.654 247 2.725 1.972 14. Mazedonisch 2.964 23 157 176 15. Serbisch 97.824 675 8.729 5.754 16. Türkisch 70.976 104 5.292 3.664 17. Kurdisch 1.102 3 23 68 18. andere 164.262 2.493 13.409 10.088 Umgangssprache (Grundgliederung) 19. Deutsch 1.166.766 13.476 60.029 59.162 20. andere 36.689 599 3.432 2.279 21. Bosnisch 3.286 7 194 135 22. Kroatisch 7.320 36 630 364 23. Mazedonisch 911 2 55 47 24. Serbisch 22.895 136 2.255 1.482 25. Türkisch 18.289 26 1.452 925 26. Kurdisch 359 2 10 29 27. andere u.dt 127.573 1.894 9.977 7.809 28. Bosnisch u.dt 5.289 28 356 262 29. Kroatisch u.dt 30.334 211 2.095 1.608 30. Mazedonisch u.dt 2.053 21 102 129 31. Serbisch u.dt 74.929 539 6.474 4.272 32. Türkisch u.dt 52.687 78 3.840 2.739 33. Kurdisch u.dt 743 1 13 39 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 1. 28.354 49.111 27.867 28.292 22.572 37.816 150.636 76.899 78.268 49.574 2. 21.139 33.564 20.441 20.521 17.045 27.500 115.027 61.193 59.156 41.476 3. 1.457 1.415 1.227 1.307 1.205 1.827 2.521 1.140 1.560 2.082 4. 434 1.683 558 684 323 823 3.756 1.708 2.071 302 5. 1.168 3.488 1.190 1.485 895 1.731 7.576 3.033 4.308 832 6. 221 450 213 218 130 343 1.075 424 560 238 7. 74 332 80 159 66 149 817 324 386 44 8. 57 103 57 56 47 67 229 94 130 96 9. 463 2.508 671 767 324 876 7.108 2.326 2.909 183 12

10. 3.341 5.568 3.430 3.095 2.537 4.500 12.527 6.657 7.188 4.321 11. 21.543 31.642 20.490 20.462 17.668 27.924 109.962 59.534 56.715 43.789 12. 82 470 164 185 55 216 1.031 519 524 76 13. 567 1.684 648 753 434 974 3.974 1.765 2.118 479 14. 57 149 35 87 40 71 322 150 238 19 15. 1.541 5.031 1.567 1.968 1.073 2.299 10.229 4.004 6.049 945 16. 619 3.742 988 1.081 444 1.152 11.138 3.570 4.616 231 17. 21 58 9 7 9 19 106 169 49 6 18. 3.924 6.335 3.966 3.749 2.849 5.161 13.874 7.188 7.959 4.029 19. 21.543 31.642 20.490 20.462 17.668 27.924 109.962 59.534 56.715 43.789 20. 794 1.408 954 804 742 1.377 3.080 1.401 1.695 763 21. 33 205 42 62 17 95 441 211 202 27 22. 119 360 98 162 87 193 668 364 423 50 23. 23 47 16 19 10 21 91 39 61 8 24. 339 1.205 327 515 270 527 2.439 853 1.384 191 25. 131 878 222 266 129 328 2.839 828 1.094 37 26. 2 21. 5 1 11 26 56 21. 27. 3.130 4.927 3.012 2.945 2.107 3.784 10.794 5.787 6.264 3.266 28. 49 265 122 123 38 121 590 308 322 49 29. 448 1.324 550 591 347 781 3.306 1.401 1.695 429 30. 34 102 19 68 30 50 231 111 177 11 31. 1.202 3.826 1.240 1.453 803 1.772 7.790 3.151 4.665 754 32. 488 2.864 766 815 315 824 8.299 2.742 3.522 194 33. 19 37 9 2 8 8 80 113 28 6 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 1. 78.169 64.895 86.129 47.610 44.992 64.030 76.268 128.228 136.444 84.718 2. 62.920 42.082 60.649 34.052 34.136 51.020 52.634 108.531 114.834 72.756 3. 1.978 1.347 1.549 1.232 1.945 2.921 1.462 2.265 2.430 2.084 4. 1.672 3.320 3.548 1.671 899 566 2.525 1.294 1.107 1.065 5. 3.264 6.007 6.822 3.624 2.026 1.407 5.354 3.048 2.670 1.509 6. 551 837 879 492 294 313 600 479 495 392 7. 224 497 686 224 211 91 514 409 308 192 8. 124 104 136 70 94 86 97 153 205 139 9. 1.601 3.823 4.744 1.735 967 716 4.850 1.872 1.615 851 10. 5.835 6.878 7.116 4.510 4.420 6.910 8.232 10.177 12.780 5.730 13

11. 62.852 38.149 56.416 32.831 34.460 53.035 49.515 108.623 114.530 73.959 12. 393 821 798 402 174 128 739 315 243 258 13. 1.821 3.485 3.708 1.866 1.057 741 2.481 1.446 1.520 1.189 14. 84 224 297 101 85 55 300 157 74 63 15. 4.498 8.436 9.517 4.776 2.764 1.824 7.165 3.819 3.126 2.035 16. 2.501 5.659 7.065 2.625 1.407 1.049 7.103 3.013 2.549 1.364 17. 30 36 54 15 22 54 104 128 89 23 18. 5.990 8.085 8.274 4.994 5.023 7.144 8.861 10.727 14.313 5.827 19. 62.852 38.149 56.416 32.831 34.460 53.035 49.515 108.623 114.530 73.959 20. 1.107 2.250 2.153 1.344 1.332 1.723 2.271 1.853 2.564 764 21. 141 353 312 149 66 32 294 110 62 96 22. 324 785 789 414 202 109 570 189 218 166 23. 34 88 92 19 17 33 100 44 27 18 24. 1.052 2.108 2.241 1.207 620 341 1.611 794 553 445 25. 602 1.755 2.036 723 386 206 2.119 576 513 218 26. 17 12 15 2 10 14 38 33 28 6 27. 4.883 5.835 6.121 3.650 3.691 5.421 6.590 8.874 11.749 5.063 28. 252 468 486 253 108 96 445 205 181 162 29. 1.497 2.700 2.919 1.452 855 632 1.911 1.257 1.302 1.023 30. 50 136 205 82 68 22 200 113 47 45 31. 3.446 6.328 7.276 3.569 2.144 1.483 5.554 3.025 2.573 1.590 32. 1.899 3.904 5.029 1.902 1.021 843 4.984 2.437 2.036 1.146 33. 13 24 39 13 12 40 66 95 61 17 Wie die obige Tabelle verdeutlicht ist die räumliche Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung in Wien durch eine starke Konzentration gekennzeichnet. In weniger als einem Drittel der Wiener Bezirke (Rudolfsheim-Fünfhaus, Leopoldstadt, Brigittenau, Ottakring, Margareten, Hernals, Favoriten) lebt über die Hälfte 52,3 % - der Zuwanderer. In diesen Bezirken liegt der Anteil ausländischer Staatsangehöriger bzw. von im Ausland geborenen Personen bei 20 % bzw. 30%: 11) Rudolfsheim-Fünfhaus: 29,2 % (35%) Leopoldstadt: 24,7 % (32,6) Brigittenau: 24,1 % (30%) Ottakring: 23,8 % (29%) Margareten: 23,2 % (30%) Hernals: 22,4 % 14

Daraus folgernd ist die Verteilung der Immigranten durch zwei Kriterien charakterisiert: 1. Durch räumliche Segregation; d.h. eine uneinheitliche Verteilung über die Teileinheiten des Stadtgebietes 2. Durch räumliche Konzentration; d.h. überproportionaler Anteil dieser spezifischen Bevölkerungsgruppe in einem Bezirk an der Gesamtbevölkerung des Bezirkes. Genauer untersucht sind vorrangig die dichtbebauten gekennzeichnet durch die abgewohnte Bausubstanz der Gründerzeit Stadtgebiete zwischen Gürtel und Stadtrand, vor allem im gürtelnahen Bereich und die dichtbebauten Stadtteile der inneren Bezirke, als auch mit geringerer Bedeutung der Stadtrand in Nähe von Industrieanlagen von Zuwanderern besiedelt. Dass das eine ungünstige Konstellation für Integrationspolitik darstellt, verdeutlichte zur historischen Erinnerung an gegenwärtige sozialdemokratische Stadtpolitik schon Otto Bauer: Die Assimilation wird desto schwerer, je mehr sich die Minderheit zusammendrängt und je mehr sie sich von den Wohnsitzen der Mehrheit räumlich scheidet. 12) Ein weiteres interessantes und wichtiges Kriterium stellt das Alter dar, denn die Altersstruktur der ausländischen Wohnbevölkerung unterscheidet sich grundlegend von jener der inländischen, da die Zuwanderer über ein deutlich jüngeres Alter verfügen. Sind 20 % der ausländischer Staatsbürger zwischen 19 und 30 Jahre alt, liegt dieser Prozentsatz bei Inländern bei 12,6 %. Auf der anderen Seite sind 23,9 % der Österreicher, aber nur 6,8 % der Migranten der Bundeshauptstadt über 60 Jahre alt. Nach Nationalitäten gegliedert ist die türkische Wohnbevölkerung die jüngste, so waren 1999 fast ein Viertel (24 %) der türkischen Staatsbürger noch im Pflichtschulalter. Bei der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Bevölkerung beträgt der Anteil der unter Fünfzehnjährigen 19,1 %. 13) Altersverteilung ausgewählter Herkunftsgruppen 2001: 14) Ex-Jugoslawien Türkei 0-14 15-19 20-29 30-44 45-59 60+ Gesamt 22.017 6.770 18.344 30.929 26.621 8.777 113.458 19,4 % 5,9 % 16,2 % 27,3 % 23,5 % 7,7 % 100 % 9.827 2.800 8.800 10.693 5.162 1.757 39.119 25,1 % 7,2 % 22,7 % 27,3 % 13,2 % 4,5 % 100 % Da die ausländische Wohnbevölkerung im Vergleich zur inländischen deutlich jünger ist, liegt der Anteil der ausländischen Kindern in den Wiener Schulen deutlich über dem gesamten Anteil an der Gesamtbevölkerung. Berechnet man die Zahlen der Erstsprachenerhebung des Bildungsministeriums hinzu, ergibt sich dass der Anteil der Schüler mit einer anderen Erstsprache als Deutsch deutlich höher ist als der Anteil ausländischer Schüler. In den Schulen der Stadt Wien liegt er demnach bei 38,8 % und in der Hauptschule bei 45,3 %. 15) 15

5. Integration als kommunalpolitisches Handlungsfeld: Bei Betrachtung der Geschichte der Migration die sich vorwiegend in den Städten konzentrierte in Österreich fällt vor allem die ausländerpolitische Untätigkeit der Kommunen auf, die die Zuwanderung von Arbeitsmigranten goutiert und deren ökonomischen Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen gerne akzeptiert wurden, sich letztlich als Folge jedoch in den Städten so auch und vor allem insbesondere in Wien eine unterste Unterschicht aus Zuwanderern bildete, deren ethnische Abgrenzung für eine äußerst niedrige Durchlässigkeit auch für die zweite Generation sorgte. So wie auf bundespolitische Ebene die Transformation von Arbeitsmigration in de facto Zuwanderung nicht realisiert bzw. ignoriert wurde, blieben auch auf Gemeindeebene in den Bereichen der sozialen Infrastruktur, in den Bereichen Verwaltung und kommunale Dienstleistung die Migranten unberücksichtigt. Was insofern ein bedeutendes Manko bildet, da deren aktuellen Lebensbedingungen und entsprechende Probleme sowie Bedürfnisse im Wesentlichen im kommunalen Bereich existieren, ergo kann eine realisierbare Form von Integration letztlich auch nur auf dieser kommunalen Ebene eingelöst werden. Realpolitisch sind die Gemeinden in weiten Bereichen an bundesweite Rahmenbedingungen gebunden, d.h. wichtige Bereiche wie Einbürgerung-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Einkommenspolitik sind ihren Kompetenzen entzogen, dennoch besitzen diese Gebietskörperschaften einen bestimmten Gestaltungsspielraum, der naturgemäß von der Finanzlage mitdefiniert wird. So verfügen die Kommunen über Kompetenzen im administrativen und intermediären Bereich, in der Frage der Umsetzung von infrastrukturellen Versorgungsfragen, wo besonders in der sozialen Infrastruktur ein großer Nachholbedarf besteht. Denn Infrastrukturangebote sollten sowohl für Inländer als auch für Migranten gelten und jenen einen Zugang ermöglichen, damit sie u.a. Orte der Begegnung sind und einen integrativen Auftrag wahrnehmen. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn der ausländischen Bevölkerung glaubhaft gemacht wird, dass ihren spezifischen Wünschen berücksichtigt und anerkannt werden. 1) Seit Beginn der Zweiten Republik wird die Bundeshauptstadt Wien kontinuierlich sozialdemokratisch regiert, was eine dementsprechende ideologische Ausrichtung der kommunalen Integrationspolitik bedeutet. Diesbezüglich erklärt das Parteiprogramm der Sozialdemokratischen Partei Österreich im Kapitel Politische Perspektiven: soziale Demokratie leben für Mitbestimmung und integrative Politik: (9) Das Zusammenleben zwischen Minderheiten und Mehrheit erfordert die Förderung des Geistes der Toleranz und des Dialogs sowie Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung, des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen allen Menschen unabhängig von deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität. (10) Dies schließt insbesondere unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ein, für deren Integration im politischen Leben, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie im Bildungs- und Sozialsystem wir eintreten." 2) 16

Wesentlich detaillierter betreffend der Stadt- und Integrationspolitik formuliert der Rathausklub der SPÖ Wien seine Zielsetzung in seinem Zukunftsprogramm: Dem Zusammenleben Chancen geben: Wien hat sich in der Vergangenheit, besonders in den letzten Jahrzehnten, als eine offene Stadt profiliert, die den Menschen entweder eine sichere Zwischenstation auf ihrem Weg in die Freiheit war, oder sie sogar - in wirtschaftlich schlechteren Zeiten als heute - ohne große Probleme aufgenommen und ihnen neue Lebenschancen eröffnet hat. Zuwanderung in Städte ist, wie in allen anderen großen Metropolen, die Normalität, nicht die Ausnahme. Was Wien von anderen Städten unterscheidet, ist das Bekenntnis zur Integration der ZuwanderInnen in die Gesellschaft. Nicht die Frage ob, sondern wie das Zusammenleben von alten und neuen BürgerInnen funktionieren soll, ist die Maxime sozialdemokratischer Integrationspolitik. Die SozialdemokratInnen sind überzeugt, daß das Miteinander allen Bevölkerungsgruppen zugute kommt, während Intoleranz, Ausgrenzung und Hetze ebenso allen schaden. Maßnahmen der Integrationspolitik richten sich daher nie nur an eine bestimmte Gruppe, sondern an alle, da es immer um die Verbesserung der Rahmenbedingungen aller Menschen geht. Integration fußt daher auf der Sozialpolitik, der Wohnungspolitik, der Bildungspolitik oder der Demokratiepolitik. Viele Konflikte im Zusammenleben zwischen ZuwanderInnen und ÖsterreicherInnen sind soziale Konflikte, etwa um knappen Wohnraum oder schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Integrationspolitik kann nur erfolgreich sein, wenn sie an diesen konkreten Problemfeldern ansetzt und Rahmenbedingungen schafft, die die Lebensbedingungen ALLER benachteiligten Menschen verbessern. Dazu braucht es auch die entsprechenden Instrumente, über die Wien mit dem Wiener Integrationsfonds verfügt. Die Schwerpunkte der Integrationsarbeit in Wien sind: Bildung: Eine gemeinsame Sprache ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Zusammenleben im Alltag, aber auch für das Wahrnehmen individueller Lebenschancen. Die Stadt wird daher das Angebot an ZuwanderInnen, kostengünstige Deutschkurse zu besuchen (Sprachoffensive), ausbauen und weiterentwickeln. Dabei werden weiterhin Kurse für Frauen mit Kinderbetreuungspflichten angeboten. Wichtig sind weiters die BegleitlehrerInnen für Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache an den Schulen, Vorbereitungsgruppen für MigrantInnen-Kinder vor dem Schuleintritt und Maßnahmen im Bereich der Wiener Kindergärten. Auch die Unterstützung Jugendlicher, insbesondere der jungen Frauen der 2. und 3. Generation, bei der Berufswahl ist wichtig. Wohnen: Im Bereich des Wohnens sollen weiterhin Maßnahmen der Stadterneuerung, des MieterInnenschutzes und des integrativen Wohnens allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Neben dem schon bestehenden und immer stärker genutzten Zugang von ZuwanderInnen zum geförderten Wohnbau von 17

gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern sollen auch zukünftig Integrationswohnprojekte für In- und AusländerInnen im Bereich der Genossenschaftswohnungen gefördert und auf den Gemeindewohnungsneubau ausgedehnt werden. Voraussetzung für den Bezug einer Integrationsgemeindewohnung soll ein mindestens 8-jähriger legaler Aufenthalt in Österreich sein. Erste Pilotprojekte für integratives Wohnen werden im Gemeindebau fortgesetzt und ausgebaut. Jugend: Die Jugendlichen der 2. und 3. MigrantInnengeneration leben häufig zwischen zwei Kulturen. Das sehen die SozialdemokratInnen nicht als Problem, sondern als Chance und gute Voraussetzung, mit dieser interkulturellen Kompetenz auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft einen wichtigen Beitrag zu leisten, insbesonders angesichts der EU-Erweiterung. Immer mehr MigrantInnen-Kinder entscheiden sich für den Besuch höherer Schulen und zeigen ihr Interesse an Ausbildung, an einer Zukunft in Wien. Die SozialdemokratInnen bekennen sich dazu, junge Menschen der 2. und 3. Generation gezielt bei der Entwicklung ihrer interkulturellen Kompetenzen zu unterstützen. Frauen: Frauenrechte sind Menschenrechte. Die SozialdemokratInnen wollen weiterhin Zuwanderinnen bei der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen unterstützen: durch Deutschkurse, Bildungsangebote, den Zugang zum Gesundheitssystem, und nicht zuletzt durch die Sicherung von spezifischen Beratungsstellen für Migrantinnen. Gerade für Migrantinnen ist der Grundsatz Wer hier lebt, soll auch hier arbeiten dürfen eine wichtige Voraussetzung zur Befreiung aus Abhängigkeitsverhältnissen. Partizipation: Für nichtösterreichische MitbürgerInnen mit Aufenthaltsverfestigung soll nach 8 Jahren legalem Aufenthalt auf Bezirksebene (für die Bezirksvertretungswahlen) das aktive und passive Wahlrecht eingeführt werden. Neben dem Wahlrecht streben die SozialdemokratInnen die Einrichtung von ZuwanderInnenbeiräten als Interessenvertretung sowie Initiativen zur Unterstützung von Kindern und Eltern aus MigrantInnenfamilien, sich aktiv an der Schuldemokratie zu beteiligen (SchülerInnenvertreterInnen, Elternvereine), an. Mehr Partizipation für ZuwanderInnen soll auch durch die gezielte Einbindung bei Grätzlplanungen, BürgerInnenbeteilungsverfahren, Planungszellen und anderen Initiativen, bei denen es um die Mitsprache und Mitbestimmung vor Ort geht, erzielt werden. Das für den Bereich der Wiener Stadtverwaltung bereits geltende passive Wahlrecht zum Betriebsrat für ausländische ArbeitnehmerInnen soll auch in der Privatwirtschaft umgesetzt werden. Antidiskriminierung, Antirassismus: Die Stadt soll klare Signale für ein friedliches Zusammenleben setzen. Wien soll eine Stadt sein, in der sich alle zu Hause fühlen, egal woher sie gekommen sind. Die SozialdemokratInnen schlagen eine Charta für das Miteinander in Wien vor, mit der ein deutliches Zeichen für Toleranz verschiedener Kulturen, gegen Rassismus und Diskriminierung gesetzt wird. Darüber hinaus werden die Modellprojekte für das Miteinander, gegen Ausgrenzung im Schulbereich, in der Verwaltung oder in der Privatwirtschaft, unterstützt und durch einen Preis der Stadt jährlich ausgezeichnet. 3) 18

Denn um den Aufsatz von Hannes Swoboda in Zukunft Stadt zu zitieren: Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Minderheitenpolitik, die Politik gegenüber Ausländern der Prüfstein der Kommunalpolitik, der städtischen Politik überhaupt ist. Dazu ist zu sagen, dass Städte immer auch von Zuwanderern leben. Größere Städte wie Wien sind ohne sie nicht denkbar. 4) Gerade eine Sozialdemokratie muss durch ihre Kulturpolitik [...] Internationalität in den Vordergrund rücken. Sie muss diese soziale, solidarische Aufgabe und Kulturpolitik bis in die Bezirke hinaus in den Vordergrund stellen und fördern. Das ist das sozialdemokratische Element nicht nur in der Kulturpolitik, sondern auch bei der Solidarität, und dabei geht es nicht so sehr um einzelne Maßnahmen [...] es geht um das, was wir in Wien ganz gut erreicht haben: Signale zu setzen. Es geht um eine Besetzung der Öffentlichkeit, es geht um das Gefühl, das die Menschen haben, die sich vernachlässigt vorkommen. Sie müssen sich wieder ganz geborgen fühlen und in ihrem Bereich auch eine gewisse Heimat erhalten. 5) Um dieses Gefühl von Heimat und Akzeptanz zu fördern, befassen sich sechs der hundert Projekte für die Zukunft Wiens unter dem Titel Weltoffenes Wien mit dem Miteinander der Kulturen: "Wien hat sich in der Vergangenheit, besonders in den letzten Jahrzehnten, als eine offene Stadt profiliert, die den Menschen entweder eine sichere Zwischenstation auf ihrem Weg in die Freiheit war, oder sie sogar - in wirtschaftlich schlechteren Zeiten als heute - ohne große Probleme aufgenommen und ihnen neue Lebenschancen eröffnet hat. Zuwanderung in Städte ist, wie in allen anderen großen Metropolen, die Normalität, nicht die Ausnahme. Was Wien von anderen Städten unterscheidet, ist das Bekenntnis zur Integration der ZuwanderInnen in unsere Gesellschaft. Es geht dabei nicht um die Frage OB, sondern WIE das Zusammenleben von alten und neuen BürgerInnen funktionieren soll. Dementsprechend lautet die Maxime der Wiener Integrationspolitik: nur ein gedeihliches Miteinander, ein aktives Aufeinanderzugehen, kommt allen Bevölkerungsgruppen zugute, während andererseits Intoleranz, Ausgrenzung und Hetze immer allen nur schaden. Für die Stadtverwaltung bedeutet das zum einen eine Stärkung der interkulturellen Kompetenzen auf Ebene der MitarbeiterInnen, zum anderen die gezielte Förderung von MigrantInnen in der Stadtverwaltung. Allgemeine Beratungs- und Sozialleistungen, die allen Menschen, die in Wien leben, offen stehen, sollen als selbstverständlicher Bestandteil der Stadtverwaltung in den jeweils zuständigen Geschäftsfeldern (z.b. Wohnen, Jugend, Soziales, Frauen) mit der dazu erforderlichen sprachlichen und (inter-)kulturellen Kompetenz besorgt werden. Die Schwerpunkte der Integrationsarbeit in Wien werden sein: 76 Sprach- und Bildungsoffensive für MigrantInnen Die Stadt wird das Angebot an ZuwanderInnen, kostengünstige Deutschkurse zu besuchen (Sprachoffensive), ausbauen und weiterentwickeln. Dabei werden 19

weiterhin Kurse für Frauen mit Kinderbetreuungspflichten angeboten. Wichtig sind zudem die BegleitlehrerInnen und Vorbereitungsgruppen für alle Kinder mit Kommunikations- und Sprachproblemen sowie Maßnahmen zur Elternkontaktnahme und betreuung im Schul- und Kindergartenbereich. 77 Der 2. und 3. Generation eine Chance Die Jugendlichen der 2. und 3. MigrantInnengeneration leben zwischen zwei Kulturen, was Chance und gute Voraussetzung ist, mit dieser interkulturellen Sprachkompetenz auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft einen wichtigen Beitrag zu leisten, insbesondere angesichts der EU-Erweiterung. Sie sollen daher weiter zum Besuch höherer Schulen angeregt und bei der Berufswahl beraten werden. Das gilt insbesondere für die Förderung von Mädchen, die bei der Wahl eines zukunftssicheren Berufes unterstützt werden müssen. Die Forderung nach der DoppelstaatsbürgerInnenschaft für Jugendliche der 2. und 3. Generation wird aufrechterhalten. Sie soll einerseits die rechtliche Situation der Jugendlichen verbessern, andererseits auch in einer für alle Jugendlichen meist schwierigen Lebensphase ein deutliches Signal der Aufnahmegesellschaft setzen, mit dem klar gemacht wird, daß sie hier willkommen sind, und so auch eine emotionale Erleichterung bieten. 78 Alle Frauen haben ein Recht auf Eigenständigkeit Die Stadt wird weiterhin Zuwanderinnen bei der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen unterstützen: durch anforderungsorientierte Deutschkurse und Bildungsangebote, den wenn erforderlich begleiteten - Zugang zum Gesundheitssystem, und nicht zuletzt durch die Sicherung von spezifischen Beratungsstellen für Migrantinnen. Es müssen vor allem die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Zuwanderinnen häufig vom Aufenthaltsstatus ihrer Ehepartner abhängig machen und von der Teilnahme am Erwerbsprozeß ausschließen, durch eine Harmonisierung von Aufenthaltsrecht und Beschäftigungsgesetz beseitigt werden. Einen besonderen Schwerpunkt der Integrationspolitik bilden junge Migrantinnen, die besonders bei der Wahl eines zukunftssicheren Berufes unterstützt werden sollen. 79 Integratives Wohnen fördern Im Bereich des Wohnens sollen weiterhin Maßnahmen der Stadterneuerung, des MieterInnenschutzes und des integrativen Wohnens allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Neben dem schon bestehenden und immer stärker genutzten Zugang von ZuwanderInnen zum geförderten Wohnbau von gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern sollen auch zukünftig Integrationswohnprojekte für Inund AusländerInnen im Bereich der Genossenschaftswohnungen gefördert und auf den Gemeindewohnungsneubau ausgedehnt werden. Voraussetzung für den Bezug einer Integrationsgemeindewohnung soll ein mindestens 5-jähriger legaler Aufenthalt in Österreich sein. Erste Pilotprojekte für integratives Wohnen werden im Gemeindebau fortgesetzt und ausgebaut. 20