Anlass und Hintergrund. Wie viele Arten gibt es im Gebiet? Ziel und Fragen. Wie viele Arten gibt es im Gebiet? Artenzahlen im Vergleich

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Transkript:

Artenzahl 28.03.2011 Flechten und Moose im Nationalpark Kellerwald-Edersee Dipl.-Biol. Dietmar Teuber Büro PLANTAGO Anlass und Hintergrund Erfassung des Arteninventars im Nationalpark Kellerwald-Edersee Neben anderen Tier- und Pflanzenarten werden seit 2004 Flechten und seit 2008 Moose untersucht Inzwischen sind 286 Flechtenarten, 17 flechtenbewohnende und 5 flechtenähnliche Pilze 285 Moosarten (1 Hornmoos, 54 Lebermoose, 230 Laubmoose) aus dem Gebiet nachgewiesen Ziel und Fragen Wie viele Arten gibt es im Gebiet? Wie viele Flechten- und Moosarten gibt es im Gebiet? Welche Bereiche/Biotoptypen/Biotopkomplexe sind aus lichenologischer und bryologischer Sicht von besonderer Bedeutung? Gibt es in den Wäldern und den natürlicherweise waldfreien Felsbiotopen Arten die auf eine lange Habitatkontinuität hinweisen? (Urwaldzeigerarten, Reliktarten) 350 300 250 200 150 100 50 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 Nr. der untersuchten Lokalität Artnachweise an Lokalität n Gesamtartenzahl Artenzahlen im Vergleich Flechten flechtenbewohnende/ flechtenähnliche Pilze Moose Nationalpark Kellerwald-Edersee 286 17/5 285 Hessen 1057 ca. 91/21 830 Deutschland 1946 ca. 392/46 1121 Wie viele Arten gibt es im Gebiet? Im Gebiet kommen schätzungsweise zwischen 300 und 350 Flechtenarten vor bisher nicht nachgewiesene Arten Taxonomie stark im Fluss Zahl der flechtenbewohnenden und flechtenähnlichen Pilze wird deutlich höher liegen wenig bekannte heterogene Artengruppe Bestimmungsschwierigkeiten Unscheinbarkeit, bisher ungenügende Beachtung Im Gebiet dürfte die Zahl der Moose ebenfalls zwischen 300 und 350 Arten liegen 1

Artenzahlen und Gefährdung Flechten und lichenicole Pilze Moose RL D RL He RL D RL He 0 ausgestorben oder verschollen 1 2 - - 1 vom Aussterben bedroht 4 10-6 2 stark gefährdet 35 28 4 15 3 gefährdet 76 58 10 49 G Gefährdung anzunehmen 4 5 1 3 R extrem selten 3 1-1 V zurückgehend - - 41 42 * nicht gefährdet 154 173 226 163 D Daten unzureichend 6 10 3 6 - nicht genannt 25 21 - - Gesamtartenzahl 308 (286/17/5) 285 (1/54/230) Vorgehensweise Erfassung des Gesamtarteninventars der Flechten und Moose Erfassung des Arteninventars ausgewählter Bereich/Biotoptypen/Biotopkomplexe, die aus lichenologischer und bryologischer Sicht von besonderer Bedeutung Art der Untersuchungslokalitäten Magerrasen und Wacholderheide bei Altenlotheim Tal und Gewässerverlauf des Heimbaches Freistehende Eschen am Parkplatz am Mellbach Wasserfall des Hundsbaches mit anstehenden Felsen Vorgehensweise Bodensaure Buchenwälder (~50%) Edellaubholzreiche Blockschuttwälder (~0,3%) Eichen- und Eichen-Hainbuchen-Wälder (~0,5%) Felsfluren (~0,2%) Blockhalden (~0,1%) Quellgerinne und kleine Fließgewässer Bodensaure Magerrasen und Heiden Anthropogene Substrate Bodensaure Buchenwälder Flechtenkundliche Untersuchungen in bodensauren Buchenwäldern in NWR in Hessen zwischen etwa 30 und 70 Flechtenarten in ähnlicher Größenordnung die Zahl der Moose Untersuchungen im NWR Locheiche (ca. 34,8 ha) im NP Kellerwald Edersee (2004) 61 Flechtenarten 31 Moosarten Großes Spektrum von Buchenwäldern im Gebiet 2

Bodensaure Buchenwälder Krüppel-Rotbuchen an flachgründigen, südwestexponierten Standorten Zahlreiche epiphytische Moosarten, die in forstlich genutzten Rotbuchen-Hallenwäldern fehlen Anomodon div. spec. Frullania dilatata Antitrichia curtipendula Frullania tamarisci Leucodon sciuroides Porella platyphylla Homalia trichomanoides Neckera div. spec. Zygodon rupestris Edellaubholzreiche Blockschuttwälder Biotopkomplexe mit Blockhalden und Felsen Meist an nordexponierten sehr steilen Prallhängen zur Eder Baumartenreich Aufgrund der Exposition luftfeucht Schwer zugänglich, keine geregelte forstliche Nutzung Ringelsberg, Wooghölle, Rabenstein Edellaubholzreiche Blockschuttwälder Urwaldzeigerarten unter den Flechten Cladonia parasitica Gyalecta flotowii Megalaria laureri Zeigerarten alter Waldstandorte Arthonia vinosa Calicium adspersum Chrysotrix candelaris Pertusaria flavida Pertusaria hemisphaerica 3

Cladonia parasitica auf Totholz von Eiche, auch auf Stubben in Hessen zerstreut häufig am Ringelsberg auf Totholz abgestorbener Eichen Gyalecta flotowii alle rindenbewohnenden Gyalecta-Arten sehr stark zurückgegangen Gyalecta flotowii wächst auf rissiger Rinde alter Laubbäume (Eiche, Ulme, Bergahorn) auf Eiche und Spitzahorn in der Wooghölle und am Ringelsberg nachgewiesen einzige aktuelle Vorkommen in Hessen historische Fundortangaben aus dem Taunus Edellaubholzreiche Blockschuttwälder vertikale bis überhängende, nicht direkt beregnete, nie sehr strahlungsexponierte Felswände sehr spezifische Flechtenvegetation vorwiegend lepröse und sorediöse Krustenflechten (Leprarietea chlorinae) Chrysotrix chlorina Enterographa zonata Haematomma ochroleucum Lecanora orosthea Lecanora subcarnea Opegrapha gyrocarpa Psilolechia lucida Lecanactis lataebrarum 4

Microcalicium arenarium Blockhalden Neben den Urwaldresten gibt es weitere natürliche und ursprüngliche Biotoptypen im Gebiet natürlicherweise waldfreie Felsstandorte exponierte Felskuppen, z. T. Pfingsnelkenfluren Grauwacke-Blockhalden (Am Backofen, Daudenberg und Hundsbachtal) Blockhalden Eiszeitliche Bildungen natürlicherweise waldfrei sehr lange Habitatkontinuität Gefäßpflanzen fehlen weitgehend Blockhalden nicht vegetationslos! Grauwackeblöcke zum großen Teil mit Flechten und Moosen überzogen Am Rande der Halde dominieren die Moose, im Zentrum die Flechten Racomitrium lanuginosum 5

Protoparmelia atriseda Caloplaca grimmiae Quellgerinne und kleine Fließgewässer Moos- und flechtenreich sind die kleineren Fließgewässer mit Grauwacke-Blöcken Tonschieferbäche weniger artenreich Typische Flechten: Bacidina inundata, Verrucaria div. spec. sowie Neocoleroa inundata Typische Moose: Chiloscyphus polyanthos, Lejeunea cavifolia, Plagiochilla porelloides, Scapania nemorea Amblystegium fluviatile, Brachythecium rivulare, Cratoneuron filicinum, Fontinalis antipyretica, Platyhypnidium riparioides, Thamnobryum alopecurum Thamnobryum alopecurum Verrucaria div. spec. 6

Anthropogene Substrate Kalkgesteine gibt es natürlicherweise nicht Mörtel und Beton vom Bauwerken bearbeitetes Holz, z. B. Weidezäune Bacidina inundata Verrucaria nigricans, Verrucaria muralis, Protoblastenia rupestris Placynthium nigrum Dank Die Untersuchungen werden beauftragt vom Nationalparkamt Kellerwald-Edersee Dr. Gunna Waesch Markus Preußing Dr. Uwe Drehwald Dr. Andree Aptroot Marion Eichler & Rainer Cezanne Dr. Manfred Henze Dr. Volker John Prof. Ulrich Kirschbaum Wolfgang von Brackel 7