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Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin 17, 157 161 (2005). Verlag für GanzheitsMedizin, Basel. www.ganzheitsmedizin.ch Daniela Rösler Sven-David Müller- N o t h m a n n Claudia Reimers Helmut Mann Der Mensch ist auf eine regelmässige Zufuhr von Vitaminen mit der Nahrung angewiesen, da sie für den Stoffwechsel notwendig sind, der Körper jedoch nicht oder nur unzure i c h e n d zur Biosynthese in der Lage ist. Ein Vitaminmangel kann lebensbedro h l i c h e Formen annehmen. Die Geschichte der Vitamine beginnt schon lange vor der I d e n t i f i z i e rung des ersten Vi t a m i n s durch die Wissenschaft. Bereits in der vorchristlichen Zeit waren Krankheiten bekannt, die sich durch die Gabe bestimmter Lebensmittel bessert e n. Heute sind Vitamine chemisch identifiziert und können als Medikament nahezu unbegrenzt zugeführt werden. Gleichwohl stellt sich die Frage, inwieweit Vitaminmangel in unserer Zeit und in unserer industrialisierten Gesellschaft überhaupt noch eine Rolle spielt. Dennoch scheint die Vitaminv e r s o rgung, auch in Deutschland, nicht immer ausreichend zu sein. Historische Aspekte Bereits 2600 vor Christus wurde die Thiaminmangelkrankheit Berberi in China beschrieben. Es handelt sich somit um die älteste dokumentierte Mangelerkrankung [1]. Ebenfalls seit langem bekannt und gefürchtet ist der Skorbut, die Folge eines Vitamin-C- Mangels. Ende des 15. Jahrhunderts verlor Vasco da Gama während der Umseglung von Kap Horn mehr als einhundert seiner 160 Besatzungsmitglieder durch den Skorbut [1]. Knochenkrankheiten aufgrund ungenügender Sonnenlichtexposition durc h religiöse und kulturelle Bräuche, sind bereits seit dem Altertum bekannt und Vi t a m i n v e r s o rg u n g in westlichen Ländern, Teil 1 Auch in Deutschland unzureichende Vitaminzufuhr in verschiedenen Altersgruppen beider Geschlechter Vitaminforschung und ernährungsmedizinische Aspekte des Vitaminmangels haben eine lange Geschichte, die auch in der heutigen Zeit noch nicht abgeschlossen ist. Vitamine sind essentielle Substanzen, die keine Energie liefern, jedoch für Erhaltung und Wachstum des Körpers notwendige Aufgaben erfüllen. Eine Zufuhr über die Nahrung ist notwendig. Neben neuen Erkenntnissen über die Funktionen und Wirkmechanismen ist auch der Grad der Vitaminversorgung von Bedeutung. Für den Menschen ist es lebensnotwendig, dass die tägliche Zufuhr den Bedarf deckt. Ist dies nicht der Fall, kommt es langfristig gesehen zu einer Unterversorgung, die sich über unspezifische Symptome schliesslich in den spezifischen, klinischen Symptomen eines Mangels manifestieren kann. Zu den Risikogruppen gehören beispielsweise Schwangere und Senioren. Sie haben durch einen erhöhten Bedarf an einzelnen Vitaminen ein höheres Risiko, dass die in Mitteleuropa üblichen Ernährungsgewohnheiten ihren Bedarf nicht ausreichend decken. Die Daten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) e.v. deuten auf eine unzureichende Vitaminzufuhr in verschiedenen Altersgruppen beider Geschlechter hin. S c h l ü s s e l w ö rt e r : Vitamine, Vitaminmangel, Bedarf, Zufuhr, Ve r s o rg u n g s l a g e Vitamin deficiency in western countries, part 1 Also in germany insufficient intake of vitamins throughout several age-groups of both sexes The research of vitamins and the medical aspects of vitamin deficiency have got a long history which has not ended yet. Vitamins are essential substances, who do not supply energy, but fulfill necessary jobs for preservation and growth of the body. They have to be provided by the daily diet. Apart from new discoveries concerning the vitamins functions and mechanisms of action, also the degree of vitamin supply is important. It is essential for the human that daily intake meets the demand. Otherwise a vitamin deficiency will develop, which will manifest over nonspecific symptoms in specific clinical symptoms. Part of risk groups are pregnant women and elderly people. Caused by an elevated requirement of individual vitamins, they live at higher risk of not meeting their demands through the usual central European nutrition habits. The data published by the German Association of Nutrition (DGE e. V.) verify an insufficient intake of vitamins throughout several age-groups of both sexes. Key word s : Vitamins, vitamin deficiency, requirement, intake, situation of supply von WHISTLER im Jahr 1645 beschrieben worden [1]. Obwohl es zu jener Zeit noch keine Kenntnis über die genauen Ursachen für solche Erkrankungen gegeben hat, waren schon Therapiemöglichkeiten bekannt. Nachtblindheit wurde bereits 2500 vor Christus mit Leber oder Lebere x t r a k t e n behandelt [1]. Auch die Erkenntnis, dass frisches Obst vor Skorbut schützt gibt es seit 500 Jahren. Die Zeit der eigentlichen Erforschung der Vitamine liegt in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Im Jahr 1911 bezeichnet KASIMIR FUNK einen aus Reiskleie isolierten Faktor, der die Heilung der Beriberi-Krankheit erm ö g l i c h t e, erstmals als Vitamin [1]. Seitdem ist Vitamin ein Oberbegriff für organische Verbindungen, die für den Menschen Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin Jg.17, Heft 3, April 2005 157

Tab. 1. Vitamine und ihre Bezeichnungen (mod. nach [3]) Name Abkürzung Biologisch aktive Form Fettlösliche Vitamine Retinol, Retinal, Retinsäure A Retinol, Retinal, Retinsäure z.t. Calciferole (Ergocalciferol, D (D 2, D 3 ) 1α,25-Dihydroxycholecalciferol Cholecalciferol) Tocopherole E α-, β-tocopherol Phyllochinon, Menachinon K (K 1, K 2 ) Difarnesylnaphthochinon Wasserlösliche Vitamine Ascorbinsäure C Ascorbinsäure Thiamin B 1 Thiaminpyrophosphat Riboflavin B 2 FMN, FAD Nicotinsäure (Niacin) - NAD, NADP Pyridoxin B 6 Pyridoxalphosphat Cobalamin B 12 5-Desoxy-adenosyl-cobalamin Pantothensäure - Coenzym A Biotin - Carboxybiotin Folsäure - Tetrahydrofolsäure Nomenklatur Die Benennung der einzelnen Vi t a m i n e ist historisch bedingt und irreführend [1]. Es gibt keine einheitliche Grundlage für die Namensgebung. Während Vitamin D 2 und D 3 lediglich verschiedene Formen des Vitamin D sind, handelt es sich bei Vitamin B 1, B 2, B 6 und B 12 um verschiedene Vitamine. Hinzu kommt, dass es neben den Buchstaben- Kürzeln für jedes Vitamin mindestens einen weiteren Namen gibt. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Namen der Vitamine mit den entsprechenden Abkürzungen und den Bezeichnungen der biologisch aktiven Form. Der tägliche Bedarf essentiell sind und Stoffwechselfunktionen erfüllen. Ein Fehlen hat schwerwiegende Erkrankungen zur Folge. Chemische Struktur und Funktion Der Begriff Vitamin stammt aus dem Lateinischen und setzt sich aus den W ö rt e rn «Vita» das Leben und «Amin» Stickstoffverbindung zusammen. Diese Bezeichnung könnte den Eindruck hervorrufen, dass es sich bei allen Vitaminen um Stickstoffverbindungen handele [2]. Eine solche Charakterisierung der Vitamine ist jedoch generell nicht gegeben. Die Bezeichnung beruht auf der Struktur des Thiamins, bei dessen Strukturaufklärung der Begriff geprägt wurde. Nach der Strukturaufklärung der übrigen Vitamine hat sich jedoch herausgestellt, dass diesen Stoffen keine einheitliche chemische Struktur zugrunde liegt, wie es etwa bei Fetten, Proteinen oder Kohlenhydraten der Fall ist, und dass es sich nicht bei jedem Vitamin um ein Amin handelt. Wie heute bekannt ist, sind Vitamine chemisch untereinander sehr verschieden [1]. Für den Menschen sind alle Vitamine essentiell, wie das beispielsweise auch bei verschiedenen Aminosäuren der Fall ist. Das bedeutet, der Mensch ist auf eine exogene Zufuhr der Vitamine mit der Nahrung angewiesen, da ihm die Fähigkeit zur Biosynthese dieser Stoffe oder deren Vorstufen fast gänzlich fehlt. Die einzigen Ausnahmen in diesem Zusammenhang bilden Vitamin D und Niacin. In begrenzter Menge ist der Körper dazu in der Lage, Vitamin D in der Haut zu pro d u z i e ren. Vo r a u s- setzung für diese chemische Reaktion ist aber eine UV-Lichtexposition und das Vorhandensein der Ausgangssubstanz Cholesterin. Im Fall des Niacins kann der Körper Tryptophan, eine der essentiellen Aminosäuren, zur Synthese von Niacin nutzen. Eine weitere Gemeinsamkeit der Vitamine liegt darin, dass der Körper nur in begrenztem Umfang zur Speicherung in der Lage ist. Somit ist die regelmässige Zufuhr von Vitaminen mit der Nahrung eine Grundvoraussetzung für einen gesunden Stoffwechsel. Die unterschiedliche Struktur und Funktion ermöglicht lediglich eine grobe Unterteilung der Vitamine in zwei Gruppen, die auf ihren chemischen Eigenschaften beruht. Es gibt fettlösliche Vitamine, deren Tr a n s- portweg dem der Fette ähnelt [1]. Dazu gehören die Vitamine A, D, E und K. Die übrigen Vitamine (Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin, Cobalamin, Folsäure, Niacin, Biotin, Pantothensäure und Vitamin C) zählen zur Gruppe der wasserlöslichen Vitamine. Der tägliche Bedarf an Vitaminen oder deren Vorstufen ist in zahlreichen Untersuchungen ermittelt worden. Im Jahr 2000 erschienen die Refere n z w e rte für die Nährstoffzufuhr, die erstmals in Zusammenarbeit der Fachgesellschaften von Deutschland, Österreich und der Schweiz (D.A.CH.) erarbeitet wurden [4]. In den Tabellen 2 + 3 sind die Referenzwerte für die einzelnen Vitamine aufgelistet. Es handelt sich dabei je nach Forschungsstand um Empfehlungen, Schätzwerte oder Richtwerte. Vitaminmangel Ein Vitaminmangel ist nicht nur die Folge einer unzureichenden Zufuhr mit der Nahrung, sondern kann auch durch einen erhöhten Bedarf entstehen. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise aufgrund von Krankheiten oder durch Wechselwirkungen mit Medikamenten keine optimale Resorption der zugeführten Vitamine erf o l g e n kann. Die Einteilung eines Vitaminmangels erfolgt je nach Schweregrad in zwei Gruppen. Hypovitaminosen bezeichnen leichte Mangelzustände, während es sich bei Avitaminosen um schwere Mangelzustände handelt. Der Verlauf eines Vitaminmangels erfolgt in verschiedenen Stufen. Zunächst verringern sich die Speicher des Körpers, was zu vielfältigen, biochemischen Ve r- änderungen führt. Durch diese Verän- 158 Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin Jg.17, Heft 3, April 2005

Tab. 2. D.A.CH.-Referenzwerte für fettlösliche Vitamine [4] Vitamin A Vitamin D Vitamin E Vitamin K (mg-äquivalent / d) (µg / d) (mg-äquivalent / d) (µg / d) Alter m w m w m w m w 0 bis 4 Monate 0,5 10 3 3 4 4 bis 12 Monate 0,6 10 4 4 10 1 bis unter 4 Jahre 0,6 5 6 5 15 4 bis unter 7 Jahre 0,7 5 8 8 20 7 bis unter 10 Jahre 0,8 5 10 9 30 10 bis unter 13 Jahre 0,9 5 13 11 40 13 bis unter 15 Jahre 1,1 1,0 5 14 12 50 15 bis unter 19 Jahre 1,1 0,9 5 15 12 70 60 19 bis unter 25 Jahre 1,0 0,8 5 15 12 70 60 25 bis unter 51 Jahre 1,0 0,8 5 14 12 70 60 51 bis unter 65 Jahre 1,0 0,8 5 13 12 80 65 65 Jahre und älter 1,0 0,8 10 12 11 80 65 Schwangere 1,1 5 13 60 Stillende 1,5 5 17 60 Tab. 3. D.A.CH.-Referenzwerte für wasserlösliche Vitamine [4] Thiamin Riboflavin Niacin Vitamin B 6 Biotin (mg / d) (mg / d) (mg-äquivalent / d) (mg / d) (µg / d) Alter m w m w m w m w m w 0 bis 4 Monate 0,2 0,3 2 0,1 5 4 bis 12 Monate 0,4 0,4 5 0,3 5 10 1 bis unter 4 Jahre 0,6 0,7 7 0,4 10 15 4 bis unter 7 Jahre 0,8 0,9 10 0,5 10 15 7 bis unter 10 Jahre 1,0 1,1 12 0,7 15 20 10 bis unter 13 Jahre 1,2 1,0 1,4 1,2 15 13 1,0 20 30 13 bis unter 15 Jahre 1,4 1,1 1,6 1,3 18 15 1,4 25 35 15 bis unter 19 Jahre 1,3 1,0 1,5 1,2 17 13 1,6 1,2 30 60 19 bis unter 25 Jahre 1,3 1,0 1,5 1,2 17 13 1,5 1,2 30 60 25 bis unter 51 Jahre 1,2 1,0 1,4 1,2 16 13 1,5 1,2 30 60 51 bis unter 65 Jahre 1,1 1,0 1,3 1,2 15 13 1,5 1,2 30 60 65 Jahre und älter 1 1,0 1,2 1,2 13 13 1,4 1,2 30 60 Schwangere 1,2 1,5 15 1,9 30 60 Stillende 1,4 1,6 17 1,9 30 60 Folsäure Pantothensäure Vitamin B 12 Vitamin C (µg-äquivalent / d) (mg / d) (µg / d) (mg / d) Alter m w m w m w m w 0 bis 4 Monate 60 2 0,4 50 4 bis 12 Monate 80 3 0,8 55 1 bis unter 4 Jahre 200 4 1,0 60 4 bis unter 7 Jahre 300 4 1,5 70 7 bis unter 10 Jahre 300 5 1,8 80 10 bis unter 13 Jahre 400 5 2,0 90 13 bis unter 15 Jahre 400 6 3,0 100 15 bis unter 19 Jahre 400 6 3,0 100 19 bis unter 25 Jahre 400 6 3,0 100 25 bis unter 51 Jahre 400 6 3,0 100 51 bis unter 65 Jahre 400 6 3,0 100 65 Jahre und älter 400 6 3,0 100 Schwangere 600 6 3,5 110 Stillende 600 6 4,0 150 Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin Jg.17, Heft 3, April 2005 159

derungen kommt es zu unspezifischen Symptomen, die sich zu typischen klinischen Krankheitsbildern entwickeln [1]. Dieser Ablauf gleicht einem Eisberg (vgl. Abb. 1), da die Symptome nur die Spitze eines Vitaminmangels darstellen. Hypervitaminosen H y p e rvitaminosen beschreiben Erkrankungen, die durch eine Überdosierung von Vitaminen entstehen. Eine Hypervitaminose entwickelt sich meist nur bei übermässiger Zufuhr synthetischer Vitamine. Möglich ist eine Hypervitaminose vor allem bei den fettlöslichen Vitaminen, da sich diese aufgrund ihrer Resorption in der Leber anreichern können. Überschüssige Mengen wasserlöslicher Vitamine scheidet der Körper mit dem Urin aus [3]. Fettlösliche Vitamine Abb. 1. Der Eisberg eines Vitaminmangels [4] Vitamin A Vitamin A konnte in den Jahren 1930 bis 1937 von KARRER isoliert und synthetisiert werden [1]. Chemisch ist die Grundsubstanz des Vitamin A das alltrans-retinol [1]. Vitamin A findet sich i n s b e s o n d e re in Fischleberölen. In pflanzlichen Lebensmitteln liegt Vitamin A in Form von Carotinoiden vor, die auch als Pro v i t a m i n A bekannt sind. Zu den Aufgaben von Vitamin A im Körper gehören der S e h v o rg a n g, die Regulation des Wa c h stums und der Aufbau von Haut und S c h l e i m h ä u t e n [1]. Die Symptome eines Vitamin-A- Mangels zeigen sich im Bereich der Augen als Störungen der D u n- keladaption, Bitotsche Flecken und Keratomalazie bis hin zu Erblindung. Weitere Auswirkungen eines Vitamin- A-Mangels finden sich an Haut und Schleimhäuten, die bis hin zur Verhornung eintrocknen können. Ausserdem treten Bronchitis und Pneumonien auf. Neben dem Fehlen von Vitamin A in der Nahrung kommen Krankheiten, die sich negativ auf die Resorption oder die Verwertung von Vitamin A auswirken als weitere Ursache für einen Mangel in Betracht [2]. Ein Beispiel für die Störung der Resorption ist der Morbus Crohn [5]. Lebererkrankungen haben eine gestörte Verwertung zur Folge [2]. Der Bedarf eines Erwachsenen an Vitamin A liegt zwischen 0,8 und 1,1 Milligramm-Äquivalent pro Tag [4]. Ein Vitamin-A-Mangel ist in Industriestaaten eher die Ausnahme [6]. Das zeigen auch die Daten des Ernährungsberichts 2000 [7]. Die Deckung des Bedarfs liegt demnach bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen über einhundert Prozent. Vitamin D Die Isolierung und Identifizierung des Vitamin D erfolgte in den Jahren 1931 (ANGUS, Vitamin D 2, auch als Ergocalciferol bezeichnet] und 1936 (WINDAUS, Vitamin D 3, auch als Cholecalciferol bezeichnet) [1]. Chemisch unterscheiden sich diese beiden Varianten durch eine Doppelbindung in einer Seitenkette [1]. Vitamin D-Quellen sind Fettfische wie Hering und Makrele, Leber sowie Eigelb. Margarine wird zum Teil mit Vitamin D angereichert [4]. Vitamin D ist entscheidend an der Calcium-Absorption im Darm beteiligt und sorgt für die Einlagerung des Calciums in den Knochen. Aufgrund der Hauptfunktion des Vitamin D, lassen sich die Folgen eines Mangels ableiten. Es kommt zu einer Störung bei der Mineralisierung der Knochen [8]. In einem solchen Fall treten Verformungen der Knochen und gehäuft F r a k t u ren auf. Das Krankheitsbild eines Vitamin-D-Mangels wird im Säuglings- und Kleinkindalter als Rachitis, im adulten Skelett als Osteomalazie bezeichnet [2]. Die Symptome der Osteomalazie reichen von muskulärer Schwäche über Knochenschmerz bis hin zu Frakturen. Besonders die Knochen des Beckens, des Thorax und der Extremitäten werden bei der Osteomalazie in Mitleidenschaft gezogen. Die Rachitis betrifft die wachsenden Knochen, insbesondere Schädel-, Rippen- und Beinknochen sowie die Wirbelsäule und führt zu Deformierungen [8]. Als Ursache für einen Vitamin-D- Mangel kommen mehrere Faktoren in Betracht. Hauptursache ist eine inadäquate Sonnenexposition, von der Kleinkinder, ältere Menschen, Heimb e w o h n e r, Inhaftierte sowie Nachtund Bergarbeiter betroffen sein können [2, 9]. Auch Menschen, die unter bestimmten religiösen Vorschriften leben (Verschleierung), sind möglicherweise davon betro ffen [10]. Eine weitere Ursache für einen Vitamin-D-Mangel kann das Alter sein, da es häufig gleichzeitig zu einer verminderten Zufuhr des Vitamin D mit der Nahrung kommt und die Synthese in der Haut verringert ist [11]. Auch bestimmte Medikamente können für einen Vitamin-D- Mangel verantwortlich sein. Dazu gehören Kontrazeptiva, Sedativa sowie Antikonvulsiva [1]. Die Rachitis ist heute fast vollständig verschwunden, da Vi t a m i n D oral substituiert wird. Der Bedarf eines Erwachsenen liegt bei 5 160 Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin Jg.17, Heft 3, April 2005

bis 10 Mikrogramm pro Tag [4]. Den Daten des Ern ä h rungsberichts 2000 zu Folge, entspricht die mittlere tägliche Zufuhr von Vitamin D bei den meisten Menschen nicht den Empfehlungen [7]. So weist bei den Frauen nur die Altersgruppe von 51 bis unter 65 Jahren eine ausreichende Zufuhr auf. Bei den Männern ist der Bedarf im Alter von 25 bis unter 65 Jahren gedeckt. Vitamin E Im Jahr 1938 klärte FE R N H O L Z die Stru k- tur von Vitamin E auf [1]. Unter dem Begriff Vitamin E sind acht verwandte Substanzen (Tocopherole und Tocotrienole) zusammengefasst [1]. Der Gehalt an Vitamin E in tierischen Produkten hängt von dem der pflanzlichen Nahrung der Tiere ab, da nur Pflanzen zur Synthese von Tocopherolen in der Lage sind. Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, zum Beispiel pflanzliche Öle, enthalten in aller Regel auch viel Vitamin E [4]. Bei Vitamin E handelt es sich um einen wichtigen Schutzfaktor gegen die Oxidation von ungesättigten Fettsäuren. Aufgrund der Fähigkeit, freie Radikale abzufangen, kann Vitamin E die Oxidation des Fettes verh i n d e rn. Diese Funktion ist für die Zellmembranen entscheidend. Neuropathien und Myopathien zählen zu den wesentlichen Störungen, die ein Vitamin-E-Mangel hervorrufen kann. Ein Vitamin-E-Mangel entwickelt sich beispielsweise bei Maldigestion und Malabsorption [2]. Auch die Einnahme von Laxantien kann bei E rwachsenen zu einer Unterv e r s o rg u n g mit Vitamin E führen [8]. Der Bedarf an Vitamin E liegt für Erwachsene zwischen 12 und 15 Milligramm-Äquivalent pro Tag [4]. Den Daten des Ernährungsberichts 2000 zu Folge, liegt die mittlere tägliche Zufuhr bei Frauen im Alter von 10 bis unter 51 Jahren unter einhundert Prozent [7]. Bei der männlichen Bevölkerung weist d i e A l t e r s g ruppe von 7 bis unter 51 Jahren eine zu geringe Vitamin-E-Zufuhr auf. Vitamin K In der Vitamin-K-Forschung gelang im Jahr 1939 ein doppelter Durchbruch. MA C C O R Q U A D A L E, CH E N E Y und FI E S E R konnten die Struktur von Vitamin K 1 aufklären [1]. ALMQUIST und KLOSE gelang die Synthetisierung von Vitamin K 1 [1]. Es sind bis zu einhundert Verbindungen mit Vitamin K-Wirksamkeit bekannt, von denen jedoch nur drei von Bedeutung sind: Phyllochinon ( Vitamin K1), Menachinon (Vi t a m i n K2) und Menadion (Vitamin K3) [1]. Quellen für Vitamin K sind grünes Gemüse, Milch und Milchprodukte, Musk e l f l e i s c h sowie Getreide [4]. Vitamin K ist an der Bildung von Gerinnungsfaktoren beteiligt. Daher wirkt sich ein Mangel an Vitamin K auf die Blutgerinnung aus [2]. Die Blutgerinnungszeit verlängert sich [8]. Ein Vitamin-K- Mangel entsteht besonders bei Malabsorptionssyndromen und Lebererkrankungen [9]. Auch die Einnahme von Koagulantien führt zu einem Vitamin- K-Mangel [8]. Ebenso wirken sich Sulfonamide, Bre i t s p e k t ru m - A n t i b i o- tika sowie hohe Dosen von Salicylaten aus [13]. Der Bedarf eines Erwachsenen an Vitamin K liegt im Bereich von 60 bis 80 Mikrogramm pro Tag [4]. Die Vitamin-K-Zufuhr ist bei gemischter Kost überreichlich [14]. Wird fortgesetzt (Literatur in Teil2) Anschrift der Autoren: Dipl. oec. troph. Daniela Rösler Sven-David Müller-Nothmann, Diätassistent und Diabetesberater DDG Dipl. oec. troph. Claudia Reimers Prof. Dr. med. Helmut Mann, Wissenschaftlicher Direktor der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik e.v. Mariahilfstrasse 9, D-52062 Bad Aachen www.ernaehrungsmed.de Schweiz. Zschr. GanzheitsMedizin Jg.17, Heft 3, April 2005 161