DIHK-Report Gesundheitswirtschaft Sonderauswertung der DIHK-Umfrage bei den Industrie- und Handelskammern Frühjahr 2014
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DIHK-Report Gesundheitswirtschaft Die Gesundheitswirtschaft startet stark in das Jahr 2014. Nahezu alle Indikatoren deuten auf Expansion und positive Geschäftsentwicklungen hin. Dennoch gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die diese Entwicklung aus Sicht der Unternehmen gefährden können. Hierzu gehören insbesondere die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie der zunehmende Fachkräftemangel. Das ist das Ergebnis einer Sonderauswertung der DIHK-Konjunkturumfrage vom Jahresbeginn 2104. 27.000 Unternehmen haben geantwortet, davon über 800 aus der Gesundheitswirtschaft. Geschäftslage noch einmal verbessert Die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft sind zum Jahresbeginn 2014 noch einmal positiver gestimmt als zum Jahresende 2013. In der gesamten Gesundheitswirtschaft erhöht sich die Differenz des Anteils der Betriebe, die ihre Lage als gut, und derjenigen, die sie als schlecht bewerten, von 28 auf 37 Punkte. Damit übertrifft sie die Gesamtwirtschaft in ihrer Einschätzung um immerhin fünf Punkte. Letztere lag in der Vorumfrage mit 27 Punkten fast gleichauf mit der Gesundheitswirtschaft. Auch sämtliche Einzelbranchen äußern eine verbesserte Lageeinschätzung. So steigt der Bewertungssaldo bei den Dienstleistungsunternehmen der Gesundheits- und sozialen Dienste von 27 auf 35 Punkte. Die Lagebewertungen der Pharmaunternehmen steigen von 33 auf 40 Punkte, die der Medizintechnik gar von 33 auf 50. Und auch der Handel mit Gesundheitsgütern sieht die Lage positiv, er verbessert seinen Saldo um zwölf Punkte von 24 auf 36 Punkte. Die Diagnose ist also klar: Die Gesundheitswirtschaft geht gestärkt in das Jahr 2014 und hat zum zweiten Mal in Folge die Einschätzung ihrer Geschäftslage verbessert. 1
Blick nach vorne verheißt Gutes Auch die Erwartungen der Gesundheitswirtschaft hinsichtlich der Entwicklung in den kommenden Monaten ziehen noch einmal an. Ihr Saldo aus besser und schlechter -Bewertungen der Geschäftserwartungen steigt von 19 auf 25 Punkte. Die Gesamtwirtschaft entwickelt sich mit gleicher Dynamik, aber auf etwas geringerem Niveau (von elf Punkten in der Vorumfrage auf 17 Punkte). Der Handel mit Gesundheitsgütern zeigt sich deutlich zuversichtlicher (Erwartungssaldo steigt von acht auf 19 Punkte). In der Medizintechnik legt der Saldo um zehn Punkte auf 28 Punkte zu, in der Pharmabranche von 20 auf 27 Punkte und in den Dienstleistungssparten um sechs Punkte auf 23 Punkte. Eine so positive Entwicklung ist ein vielversprechendes Zeichen für das laufende Jahr. Wirtschaftliche Stärke trifft auf eine hohe Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und bildet damit die Basis für diese Einschätzungen. Auch der Export hat an dieser Entwicklung seinen Anteil. Gebremst werden kann sie allerdings insbesondere durch negative Veränderungen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, sowie aufgrund zunehmenden Fachkräftemangels und steigenden Arbeitskosten. Wie weiter unten noch gezeigt wird, liegen hier aus Sicht der Unternehmen ernsthafte, auch politisch induzierte Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung. Exporte: Optimismus wächst weiter Pharma und Medizintechnik sie bilden den Kern der exportaktiven Branchen in der Gesundheitswirtschaft verbessern ihre Exporterwartungen ein weiteres Mal, ausgehend von einem bereits hohen Niveau. Insbesondere in der Medizintechnik springt der Saldo von 40 auf 59 Punkte. Aber auch in der Pharmaindustrie wächst die Zuversicht, der Saldo legt noch einmal um drei Punkte zu und liegt damit bei 44 Punkten. Die gesamte exportierende Industrie äußert unter dem Strich einen Erwartungssaldo von 30 gegenüber 23 Punkten in der Vorumfrage. 2
Der Außenhandel ist damit für die Gesundheitswirtschaft ein wichtiges Standbein und bleibt dies angesichts steigender Nachfrage nach deutschen Gesundheitsleistungen in vielen Ländern weltweit auch künftig. Investitionen auf Wachstumskurs, ausgenommen in Exportbranchen Die Investitionspläne der Branchen der Gesundheitswirtschaft verbessern sich nur in den binnenorientierten Sparten. Der Handel mit Gesundheitsgütern weist einen Saldo aus höheren und niedrigeren Investitionsabsichten i. H. v. 17 Punkten auf, gegenüber sechs Punkten in der Vorumfrage. Auch die Gesundheits- und sozialen Dienste planen verstärkte Investitionen: Ihr Saldo steigt um sechs Punkte auf 25 Punkte. Für 68 Prozent der Betriebe liegt dabei das Hauptmotiv der Investitionen im Ersatzbedarf, 40 Prozent sehen eine Kapazitätsausweitung als vordringlich an. Die Pharmaindustrie reduziert ihre Investitionsbereitschaft (Saldorückgang von 26 auf 23 Punkte), ebenso wie die Medizintechnik (von 22 auf 15 Punkte). Insbesondere bei letzterer könnten die Debatten auf EU-Ebene in den vergangenen Monaten zu einer stärkeren Regulierung der Zulassung von Medizinprodukten Einfluss genommen haben. Ein Blick auf die Investitionsmotive zeigt, dass 64 Prozent der Medizintechnikbetriebe ihre Investitionen für Produktinnovationen einplanen, 50 Prozent für Kapazitätsausweitungen. Bei der Pharmaindustrie äußern 66 Prozent Ersatzbedarf. Ausgehend von einem hohen Vorumfrageniveau ist hier nur leichte Zurückhaltung zu spüren, insgesamt planen diese Branchen nach wie vor hohe Investitionen. Insgesamt erhöhen sich die Investitionsabsichten in der Gesundheitswirtschaft von 18 auf 21 Punkte. Die Gesamtwirtschaft zieht von acht auf zehn Punkte in ähnlicher Stärke mit, aber auf niedrigerem Niveau. 3
Gesundheitswirtschaft Garant für Beschäftigungsaufbau Die Gesundheitswirtschaft hat ihre Expansionspläne mit Blick auf die Beschäftigung leicht zurückgefahren. Nach 18 Punkten in der Vorumfrage liegt der Antwortsaldo nun bei 15 Punkten. Demgegenüber liegt die Gesamtwirtschaft bei sechs Punkten (Vorumfrage: vier Punkte). Ein verstärkter Anstieg der Beschäftigung ist bei den Betrieben der Medizintechnik geplant. Der Antwortsaldo steigt von elf auf 23 Punkte. Auch der Handel mit Gesundheitsgütern plant verstärkten Stellenaufbau und weist einen Saldo von elf Punkten nach acht Punkten in der Vorumfrage aus. Die Pharmaindustrie reduziert dagegen ihre Pläne per Saldo um sieben auf 20 Punkte, die Gesundheits- und sozialen Dienste von 21 auf 16 Punkte. Damit verbleiben Sie weiterhin auf einem hohen Niveau und tragen als personalintensive Branche in besonderem Maße zu weiterem Beschäftigungsaufbau bei. Insgesamt rechnet der DIHK für 2014 mit einem Stellenzuwachs von 60.000 Arbeitsplätzen in der Gesundheitswirtschaft. Dies gilt es aber abzuwarten, angesichts einiger derzeit in der politischen Diskussion befindlicher Pläne. 4
Politik bereitet die größte Sorge Der Ausblick der Gesundheitswirtschaft auf die kommenden Monate ist zwar positiv, gleichwohl gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die die Betriebe mit großer Sorge sehen. Auf dem ersten Platz liegen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Jedes zweite Unternehmen der Gesundheitswirtschaft sieht in ihnen ein gravierendes Risiko für seine Geschäftstätigkeit in den kommenden Monaten. Das sind noch einmal vier Prozentpunkte mehr als in der Vorumfrage. Hier kann man getrost annehmen, dass die Pläne, die die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt hat und zum Teil auch schon in Gesetzesform gießt, eine Rolle spielen. Das gilt etwa für das Vorhaben zum Mindestlohn, der das Lohngefüge insgesamt nach oben ziehen wird. Aber auch Pläne, mehr Bürokratie und zusätzliche Einschränkungen etwa bei der Gestaltung von Teilzeitverträgen einzuführen, sind dazu geeignet, den Unternehmen den Appetit auf die kommende Zeit zu verderben. Besonders der Handel mit Gesundheitsgütern (60 Prozent) sowie die Pharmaindustrie (57 Prozent) sind hier skeptisch. Insgesamt liegen die Sorgen um die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Gesundheitswirtschaft ein gutes Stück höher als in der Gesamtwirtschaft (41 Prozent), was nicht zuletzt dem hohen Regulierungsgrad des Sektors geschuldet ist. Platz 2 auf der Skala der Risikofaktoren belegt der Fachkräftemangel. 46 Prozent der Betriebe der Gesundheitswirtschaft sehen ihn mittlerweile als großes Risiko an, und damit gegenüber der Vorumfrage noch einmal drei Prozentpunkte mehr. Insbesondere die Medizintechnik äußert hier Sorgen, 43 Prozent schätzen den Fachkräftemangel als großes Risiko ein, gegenüber 34 Prozent im Herbst 2013. In der Pharmaindustrie legt dieses Risiko um plus vier Prozentpunkte zu, 30 Prozent teilen diese Einschätzung. In diesen Branchen ist die Suche in naturwissenschaftlich-technischen Berufen, teilweise auch nach hochqualifizierten Fachkräften, besonders ausgeprägt. 5
Am gravierendsten ausgeprägt ist die Sorge vor Fachkräftemangel bei den Gesundheits- und sozialen Diensten. Hier befürchten 61 Prozent, dass er ihre wirtschaftliche Entwicklung hemmen wird, mit einer ganz leichten Abschwächung (minus drei Prozentpunkte) seit der letzten Umfrage. Hintergrund könnte sein, dass insbesondere die Pflegebranche durch die höheren Pflegeleistungen, die geplant sind, Nutzen ziehen könnte allerdings wird dies mit Beitragssatzsteigerungen für alle Betriebe erkauft. Mit Blick auf die politischen Pläne zur abschlagsfreien Rente mit 63 drohen in diesem Sektor allerdings besondere Schwierigkeiten. Denn die Möglichkeit, vorzeitig nach 45 Versicherungsjahren in Rente zu gehen, könnte vor allem bei der hohen Zahl älterer berufstätiger Krankenschwestern zu einer Frühverrentungsentwicklung führen, die die Fachkräfteprobleme noch weiter verschärft. Laut Fortschrittsbericht der Bundesregierung waren 2011 siebenmal mehr 61-jährige Krankenschwestern tätig als noch 1993. Die abschlagsfreie Rente mit 63 ist ohnehin aus Sicht der Wirtschaft besonders kritisch zu sehen. Denn es wird suggeriert, die Beschäftigten könnten ohne gesellschaftliche Verluste den Arbeitsmarkt verlassen. Dabei brauchen die Betriebe sie dringend, und die Gemeinschaft der Beitragszahler und Unternehmen wird durch höhere Rentenausgaben belastet. Das Risiko steigender Arbeitskosten sehen die Gesundheits- und sozialen Dienste zu 55 Prozent mit großer Sorge. Zwar gab es auch hier einen leichten Rückgang um zwei Prozentpunkte seit der Vorumfrage. Dennoch ist diese Branche aufgrund ihrer Personalintensität besonders sensibel. Der Pharmabranche bereiten die Arbeitskosten ebenfalls besondere Kopfschmerzen: 43 Prozent der Betriebe sehen sie als großes Risiko an. In der Vorumfrage waren es noch 25 Prozent. Mit Blick auf die Lohnzusatzkosten als Teil der Arbeitskosten sollten eigentlich die erfreuliche Lage auf dem Arbeitsmarkt und die gute finanzielle Situation in den Sozialkassen für sinnvolle Reformen genutzt werden. Beitragszahler und Betriebe müssten durch eine Senkung der Beiträge entlastet werden. Doch eine der ersten gesetzgeberischen Aktivität war das genaue Gegenteil die aufgrund der hohen Rücklagen eigentlich gesetzlich vorgeschriebene Beitragssatzsenkung in der Gesetzlichen Rentenversicherung wurde ausgesetzt, um neue, teure Leistungen wie die Mütterrente zu finanzieren. Damit werden Beitragszahlern und Betrieben Entlastungen in Höhe von sechs Mrd. Euro p.a. vorenthalten. In der Gesetzlichen Krankenkassen wird der lohnunabhängige Zusatzbeitrag künftig lohnabhängig gestaltet. Damit wird ein wichtiger Schritt in Richtung einer vollständigen Entkopplung der Beiträge vom Lohn durch pauschale Prämien in Kombination mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich wieder rückgängig gemacht. Aber auch die vorgesehene Festschreibung des Arbeitgeberbeitragssatzes ist bereits Gegenstand heftiger Diskussionen. Es bleibt abzuwarten, wann diese Regelung fällt. Diese und eine Reihe weiterer Ankündigungen stärken das Vertrauen in die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht. Andere Aktivitäten, wie die Rückkehr zum vorzeitigen Rentenausstieg, konterkarieren richtige Reformen wie die Rente mit 67 ganz eklatant. Damit wird das ausgeprägte Fachkräfteproblem nicht zuletzt in der Gesundheitswirtschaft noch verschärft. 6
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Definition der Gesundheitswirtschaft, die der DIHK-Auswertung zu Grunde liegt Zu der Gesundheitswirtschaft zählen in dieser Analyse: - Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen - Herstellung von Bestrahlungs- und Elektrotherapiegeräten und elektromedizinischen Geräten - Reparatur und Wartung von Medizintechnik - Herstellung von medizinischen und zahnmedizinischen Apparaten und Materialien - Handelsvermittlung von pharmazeutischen Erzeugnissen, medizinischen und orthopädischen Artikeln und Laborbedarf, Ärztebedarf, Dentalbedarf, zahnärztlichen Instrumenten, Krankenhaus- und Altenpflegebedarf - Großhandel mit pharmazeutischen, medizinischen und orthopädischen Erzeugnissen - Apotheken - Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln - Versandhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen - Krankenversicherungen - Forschung und Entwicklung im Bereich Biotechnologie - Forschung und Entwicklung in den Bereichen Medizin und Pharmazie - Beratung im Gesundheitswesen - Vermietung von medizinischen Geräten - Desinfektion u. Reinigung v. Praxen u. Krankenhäusern - Gesundheitswesen (Krankenhäuser (darunter auch Vorsorge- und Rehabilitationskliniken), Arzt- und Zahnarztpraxen, Massagepraxen, Heilpraktikerpraxen etc.) - Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime) (Pflegeheime, Altenheime) - Sozialwesen (ohne Heime) (u. a. Soziale Betreuung älterer Menschen, aber auch Tagesbetreuung von Kindern) Hinweis: Die Angaben zu der hier ausgewerteten Umfrage werden von IHK-Mitgliedern gemacht, beispielsweise also nicht von öffentlichen Einrichtungen oder ausschließlich freiberuflich Tätigen. Der Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen ist hier ebenfalls nicht aufgenommen. Er zählt aber zu einer umfassenden Definition der Gesundheitswirtschaft selbstverständlich hinzu. 8