Es wurden ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien in der Nutzenbewertung berücksichtigt.

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Endfassung vom. 13. März 2006

Transkript:

Fragestellung Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Bewertung des langfristigen Nutzens von nichtmedikamentösen Therapien bei der Alzheimer Demenz im Vergleich zu (a) einem Vorgehen ohne Behandlung, (b) einer nichtmedikamentösen Scheinbehandlung, (c) einer anderen nichtmedikamentösen Behandlung, (d) einer Behandlung mit einem in Deutschland für die Behandlung der Alzheimer Demenz zugelassenen und verfügbaren Arzneimittel hinsichtlich patientenrelevanter Therapieziele. Methoden Für die Nutzenbewertung wurden Studien berücksichtigt, bei denen Patienten mit der Diagnose Alzheimer Demenz, auch als Mischform mit zum Beispiel vaskulärer Demenz, eingeschlossen wurden. Unter der Annahme, dass ca. 70 % der Demenzerkrankungen eine Alzheimer Demenz zugrunde liegt, wurden auch Studien eingeschlossen, in denen keine expliziten Angaben zum Demenztyp gemacht wurden. Es wurden auch Studien eingeschlossen, in denen die Krankheitsdefinition auf Testresultaten aus den beiden Symptombereichen Kognition und Aktivitäten des täglichen Lebens beruht. Nicht berücksichtigt wurden Studien, in denen hauptsächlich oder ausschließlich Patienten mit einer anderen spezifischen Demenzform untersucht wurden, zum Beispiel Patienten mit einer vaskulären Demenz, einer Frontotemporalen Demenz, einer Lewy-Body-Demenz, einer Demenz aufgrund eines Morbus Parkinson oder einer anderen seltenen Demenzform. Unberücksichtigt blieben Studien zur Behandlung und Schulung von Angehörigen oder Pflegekräften, wenn eine Veränderung beim Patienten nicht erhoben wurde. Die Interventionen mussten manualisiert bzw. nachvollziehbar beschrieben sein. Es wurden für Patienten relevante Zielgrößen berücksichtigt: Aktivitäten des täglichen Lebens, kognitive Leistungsfähigkeit, gesundheitsbezogene Lebensqualität, andere mit der Erkrankung verbundene Symptome (z. B. Depression, Schlaf-Wach-Umkehr, Wahnhaftigkeit, Agitiertheit), Notwendigkeit einer vollstationären Pflege (Institutionalisierung), Mortalität und therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse. Ergänzend wurden auch angehörigenrelevante Zielgrößen betrachtet: Lebensqualität der (betreuenden) Angehörigen und Höhe des Betreuungsaufwands durch eine (oder mehrere) betreuende Person/-en oder Institution/-en. Zudem wurden Ergebnisse dargestellt, die sich auf das klinische Krankheitsstadium gemäß dem klinischen Eindruck beziehen. Ergebnisse zu angehörigenrelevanten Zielgrößen und zum klinischen Krankheitsstadium gemäß dem klinischen Eindruck wurden lediglich ergänzend berichtet. Die eigentliche Nutzenbewertung erfolgte auf Basis der unmittelbar für Patienten relevanten Zielgrößen. Es wurden ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien in der Nutzenbewertung berücksichtigt. - iv -

Für die Ersteinstellung von Medikamenten zur Demenztherapie wird von der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft eine Kontrolle nach 12 Wochen empfohlen, um einen Therapieerfolg abschätzen zu können [1]. Von der EMEA wird eine Studiendauer von mindestens 6 Monaten für die Beurteilung der kurzfristigen Wirkungen von Antidementiva als sinnvoll erachtet [2,3]. Um beiden Empfehlungen gerecht zu werden, wurde für die 4 IQWiG-Berichte zur Nutzenbewertung unterschiedlicher Behandlungen der Alzheimer Demenz (Acetylcholinesterasehemmer, ginkgohaltige Präparate, Memantin, nichtmedikamentöse Behandlung) eine Mindestbeobachtungszeit von 16 Wochen festgelegt. Es wurde davon ausgegangen, dass innerhalb dieses Zeitraumes ein Ansprechen auf die Therapie erwartet und ein mehr als kurzfristig anhaltender Effekt beobachtet werden kann. Die systematische Literaturrecherche erfolgte in 6 elektronischen Datenbanken (BIOSIS Previews, CINAHL, EMBASE, MEDLINE, PsycINFO und Cochrane Central Register of Controlled Trials [Clinical Trials]) und erfasste den Zeitraum bis Juni / Juli 2008. Darüber hinaus wurden Literaturverzeichnisse relevanter Primär- und Sekundärpublikationen (systematische Übersichten, HTA-Berichte) durchsucht. Bei Bedarf erfolgte eine Kontaktaufnahme an Autoren (potenziell) relevanter Primärpublikationen. Das Literaturscreening wurde von mindestens 2 Gutachtern unabhängig voneinander durchgeführt. Das vorab festgelegte methodische Vorgehen (Berichtsplan) und die vorläufige Nutzenbewertung des IQWiG (Vorbericht) wurden im Internet veröffentlicht und zur Stellungnahme freigegeben. Sofern sich Änderungen anhand von unklaren Aspekten der Stellungnahmen ergaben, wurde dies im Bericht vermerkt. Wesentliche unklare Aspekte bezüglich der Stellungnahmen zum Vorbericht wurden in einer wissenschaftlichen Erörterung diskutiert. Im Anschluss erfolgte die Erstellung des Abschlussberichts. Ergebnisse Insgesamt wurden 33 Studien in die vorliegende Nutzenbewertung einbezogen. Die Studien wurden zu 4 wesentlichen Behandlungsansätzen gruppiert: Angehörigentrainings, emotionsorientierte Verfahren (Validations- und Reminiszenztherapie), kognitive Übungsverfahren und aktivierungsorientierte Verfahren. In der zusätzlichen Kategorie weitere Verfahren wurden 2 isolierte Studien zu Schlaftherapie und Orientierungstraining bei Umzug aufgenommen, die nicht einem gängigen Behandlungsansatz zugeordnet werden können. (Ergebnisse dieser isolierten Studien sind in der Langfassung dargestellt.) Mit 17 Studien wurde in der überwiegenden Zahl der Studien der Effekt des Angehörigentrainings überprüft. Der Vergleich erfolgte mit einem Vorgehen ohne Behandlung (AENEAS 2005, Belle 2006, Gitlin 2005, Hébert 2003, McCallion 1999a, Mittelman 2006, Ostwald 1999, Teri 2005, Teri 2003, Ulstein 2007), mit einer inaktiven unspezifischen Behandlung (Burgio 2003, Chien 2008, Davis 2004), mit einer anderen Form des Angehörigentrainings (Bourgeois 2002, Farran 2004), mit einem kognitiven Übungsverfahren (Perren 2006) oder mit einer medikamentösen Behandlung mit Haloperidol bzw. mit einer Placebomedikation - v -

(Teri 2000). Die Angehörigentrainings in den Studien waren inhaltlich als auch bzgl. der Interventionsfrequenz und -dauer sehr heterogen. Mit 7 Studien rangiert die Anzahl der Studien zu kognitiven Übungsverfahren an zweiter Stelle. Der Vergleich erfolgte zu einem Vorgehen ohne Behandlung (Bottino 2005, Onder 2005, Quayhagen 1995, Tárraga 2006) bzw. zu einer inaktiven unspezifischen Behandlung (Quayhagen 1995, Ousset 2002) bzw. zu einem anderen kognitiven Verfahren (Loewenstein 2004) oder zu einer psychosozialen Aktivierung (Heiss 1994). 3 Studien wurden zu emotionsorientierten Verfahren identifiziert. Dabei erfolgte ein Vergleich zu einem Vorgehen ohne Behandlung (Tadaka 2004, Thorgrimsen 2002, Toseland 1997) bzw. zu einer psychosozialen Aktivierung (Toseland 1997 [3-armige Studie]). In 5 Studien wurde der Effekt aktivierungsorientierter Verfahren im Vergleich zu einem Vorgehen ohne Behandlung (Chapman 2004, Gitlin 2008, Onor 2007, Rolland 2007, Toseland 1997) untersucht. Insgesamt wurden in den Studien rund 3800 Patienten beobachtet. Die Studiengröße selbst war jedoch überwiegend sehr gering und variierte von 11 bis 406 (Median: 88) Patienten. Die Studien waren größtenteils 2-armig angelegt. Keine Studien wurden zum Vergleich einer nichtmedikamentösen Behandlung mit den medikamentösen, vom IQWiG zu prüfenden Behandlungen (Cholinesterasehemmer, ginkgohaltige Präparate, Memantin) identifiziert. In den Studien, in denen eine Medikation mit einem Cholinesterasehemmer vorgesehen war, wurde diese jeweils als Begleitbehandlung für Patienten aller Interventionsgruppen eingesetzt. Die Berichtsqualität von 29 der 33 eingeschlossenen Studien muss als mangelhaft eingestuft werden. Aussagekräftige Schlussfolgerungen lassen sich daher nur bedingt treffen. Studienergebnisse bezogen sich überwiegend auf eine erheblich kleinere Stichprobe als anfänglich in die Studie eingeschlossen. Zudem wurden in den meisten Studien die Ergebnisparameter unverblindet erhoben, was auch an der Art der Erhebung (meist Selbstauskünfte oder Beurteilungen durch Angehörige) liegen mag. Die Studien zu kognitiven Übungsverfahren wurden überwiegend erfasserverblindet durchgeführt. Die Randomisierungsprozedur war selten adäquat beschrieben. Die Beobachtungsdauer lag in den meisten Studien zwischen den geforderten 4 Monaten und 6 Monaten. In einzelnen Studien wurden Patienten auch über längere Zeiträume behandelt und / oder beobachtet. Eine Studie zum Angehörigentraining (Mittelman 2006) begleitet Patienten inzwischen bereits über einen Zeitraum von insgesamt bis zu 17 Jahren. Für das Angehörigentraining gibt es Hinweise dafür, dass Patienten länger im häuslichen Umfeld verweilen. - vi -

Demgegenüber liefern die Studien (Belle 2006, Teri 2005) auch Hinweise auf schädliche Effekte von Angehörigentrainings, beispielsweise durch eine Häufung von Krankenhausaufnahmen bzw. Einweisungen in Notfallambulanzen. Inwieweit das Angehörigentraining auch zu einer (negativen) Beeinflussung der Mortalität führt, kann aus den Studien aufgrund heterogener Ergebnisse nicht sicher beurteilt werden. Für kognitive Verfahren gibt es Hinweise auf einen Nutzen auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten. Die Größe des Effekts (etwa 0,5 Standardabweichungen) und der geschätzte Lagebereich (95 %-KI: 0,80; 0,23) legen nahe, dass dies auch für die Patienten eine spürbare Verbesserung bedeutet. Die Ergebnisse basieren überwiegend auf Studien, in denen die Patienten eine Begleitbehandlung mit einem Cholinesterasehemmer erhielten, positive Effekte wurden aber auch in einer Studie beobachtet, die vor Einführung der Cholinesterasehemmer durchgeführt wurde (Quayhagen 1995). Inwieweit eine Kombinationsbehandlung aus kognitivem Training und Cholinesterasehemmern einen positiven Einfluss hat, kann auf Basis der berücksichtigten Studien nicht beurteilt werden. Für die psychosoziale Aktivierung bleibt aufgrund heterogener Studienergebnisse unklar, inwieweit diese auch einen nützlichen bzw. schädlichen Effekt auf begleitende psychopathologische Symptome hat. Für die Lebensqualität der Angehörigen und den Betreuungsaufwand liefern die Studien Hinweise für einen günstigen Effekt. Das Ergebnis einer Studie (Rolland 2007) gibt Hinweise darauf, dass Maßnahmen zur körperlichen Aktivierung sich möglicherweise ungünstig auf die körperliche Gesundheit auswirken. Behandelte Patienten wurden häufiger ins Krankenhaus eingewiesen als unbehandelte Patienten. Die Tatsache, dass aber grundsätzlich nicht mehr Stürze und Frakturen verzeichnet wurden, macht deutlich, dass dieser Hinweis auf einen potenziellen Schaden mit Vorsicht interpretiert werden muss. Neben den oben geschilderten Hinweisen auf günstige, aber auch ungünstige Effekte wurden jedoch in der überwiegenden Zahl der Studien statistisch nicht signifikante und überwiegend geringe Effekte beobachtet. Fazit Für einzelne nichtmedikamentöse Behandlungsstrategien der Alzheimer Demenz gibt es Hinweise auf einen Nutzen, aber auch auf einen Schaden. Der langfristige Nutzen der untersuchten Behandlungsstrategien ist insgesamt nicht belegt. Für die im Bericht untersuchten Ansätze zum Angehörigentraining gibt es Hinweise dafür, dass durch das Angehörigentraining die Unterbringung der Patienten in einem Pflegeheim hinausgezögert wird. Dem stehen Hinweise für einen Schaden gegenüber, für den als Indikator häufiger auftretende Krankenhausaufnahmen und Aufnahmen in die Notfallambulanz berichtet werden. Im Vergleich mit dem Neuroleptikum Haloperidol, das zur - vii -

Behandlung bei psychopathologischen Symptomen wie Unruhe und Aggressivität eingesetzt wird, gibt es Hinweise dafür, dass der nichtmedikamentöse Ansatz einen Zusatznutzen bezüglich der Aktivitäten des täglichen Lebens hat. Dieser Kontrast entsteht wahrscheinlich durch einen durch Haloperidol verursachten Schaden. Im Hinblick auf sonstige unerwünschte Ereignisse (Gangstörungen und Bewegungsverlangsamung) gibt es ebenfalls Hinweise auf einen Nachteil von Haloperidol gegenüber dem Angehörigentraining. Für die im Bericht untersuchten kognitiven Übungsverfahren liegen Hinweise für einen Nutzen auf die kognitive Leistungsfähigkeit vor. Diese Schlussfolgerung bezieht sich auf eine eher leicht erkrankte Patientenpopulation, die eine Basismedikation mit Antidementiva erhielt. Inwieweit sich dieser Nutzenhinweis auch auf alltagspraktische Aktivitäten übertragen lässt oder auf andere nicht trainierte Leistungsbereiche generalisiert werden kann, lässt sich aus den Studien nicht ablesen. Für die im Bericht untersuchten Verfahren zur psychosozialen Aktivierung gibt es keine Hinweise für einen Nutzen auf patientenrelevante Zielgrößen. Es liegen Hinweise für einen positiven Effekt auf die Lebensqualität der (betreuenden) Angehörigen und den Betreuungsaufwand vor. Für die körperliche Aktivierung gibt es entweder keine (interpretierbaren) Daten zu patientenrelevanten Zielgrößen oder sie liefern keinen Hinweis auf einen Nutzen. Dem stehen Hinweise auf einen Schaden durch vermehrtes Auftreten unerwünschter Ereignisse (Krankenhauseinweisungen) gegenüber. Zum Nutzen bzw. Schaden weiterer nichtmedikamentöser Behandlungsansätze (z. B. emotionsorientierte Verfahren) und / oder für patientenrelevante Zielgrößen liegen entweder keine (interpretierbaren) Daten vor oder sie liefern keinen Hinweis oder Beleg. Der Nutzen einer nichtmedikamentösen Behandlung im Vergleich zu einer medikamentösen Behandlung mit für die Alzheimer Demenz zugelassenen Wirkstoffen wie den Cholinesterasehemmern, Memantin oder Ginkgo biloba ist unklar. Es wurde keine Studie identifiziert, die diese Behandlungsansätze in einem direkten Vergleich untersuchte. Um eine letztlich belastbarere Aussage zum Nutzen bzw. Zusatznutzen nichtmedikamentöser Verfahren zur Behandlung der Alzheimer Demenz treffen zu können, wären zusätzliche randomisierte Studien angemessener Qualität wünschenswert. Zum einen könnten in mehrarmig angelegten Studien die Effekte einer nichtmedikamentösen Behandlung allein und im fairen Vergleich mit einer medikamentösen Behandlung abgeschätzt werden oder auch die Kombination gegenüber einer jeweilig alleinigen Anwendung. Zum anderen wären in Deutschland durchgeführte Studien hilfreich, um den Nutzen von Behandlungsverfahren abschätzen zu können, bei denen vermutlich der nationale Versorgungskontext eine Rolle spielt. - viii -