SAPROF ein recoveryorientiertes Instrument zur Risikoeinschätzung gewalttätigen Verhaltens

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Transkript:

SAPROF ein recoveryorientiertes Instrument zur Risikoeinschätzung gewalttätigen Verhaltens LVR-Fokustagung 2014 Düsseldorf, 05.09.2014 Andrea Trost (Pflegeexpertin ANP/BA of Nursing, M. A. Beratung und Vertretung im Sozialen Recht)

Recovery Recovery (engl.): Erholung, Aufschwung, Besserung, Belebung, Genesung Zu unterscheiden: Symptomfokussierte (klinische) Recovery Persönliche Recovery Folie 2

Symptomfokussierte/ klinische Recovery Basierend auf traditionellen Erfahrungen der Psychiatrie und Forschung Im Vordergrund stehen Beseitigung von Krankheitssymptomen, Wiederherstellung der sozialen Funktionsfähigkeit Remissionskriterien nach Libermann (2002), Symptome- und Zeitkriterien, soziale Teilhabe, Berufstätigkeit, eigenständige Lebensführung Folie 3

Symptomfokussierte/ klinische Recovery Es soll wieder zur Normalität wie vor der Krankheit zurück gekehrt werden, mit einer verminderten Nutzung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten. These: Psychiatrische Einrichtungen sind bislang auf symptomfokussierte Recovery ausgerichtet. Folie 4

Persönliche Recovery Ursprung in der Selbsthilfe und Betroffenenbewegung Paradigmenwechsel von klinischer zu persönlicher Recovery in den frühen 90er Jahren in der Rehabilitation Nicht nur größere therapeutische Effektivität möglich, sondern auch deutlichere Erfüllung der ethischen Anforderungen Folie 5

Persönliche Recovery Auf Grund des individuellen, sehr persönlichen Prozesses gibt es keine einheitliche Definition. Es gibt keinen festgelegten Zielzustand. Recovery lässt sich am ehesten als eine Reise verstehen und wird auch von den Betroffenen als solche benannt ( ich befinde mich auf einer Recovery Reise oder nach Erreichung der gesetzten Ziele ich bin Recoverd ). Folie 6

Persönliche Recovery Recovery ist ein Prozess, der es ermöglicht, persönliche Lebensziele und Ambitionen zu verfolgen und gleichzeitig die Vulnerabilität gegenüber unerträglichen psychischen Belastungen und Störungen zu akzeptieren und zu transzendieren. (Watkins, 2009) 4 Kernkomponenten des Recovery Hoffnung erkennen und erhalten Eine positive Identität wieder etablieren Ein bedeutungsvolles Leben aufbauen Die Übernahme von Verantwortung und Kontrolle (Andresen et al., 2010) Folie 7

Recovery, Bedeutung für Betroffene Für mich bedeutet Recovery, im Führersitz meines Lebens zu sitzen. Ich lass mich nicht von meiner Krankheit dominieren. Über die Jahre habe ich verschiedene Arten kennen gelernt, mir selbst zu helfen. Manchmal benutze ich Medikamente, Psychotherapie, Selbsthilfe, Selbsthilfegruppen, Freunde, meine Beziehung zu Gott, Arbeit, sportliche Betätigung, Aufenthalt in der Natur- all diese Maßnahmen helfen mir, ganz und gesund zu bleiben, obwohl ich psychische Probleme habe. (Deegan, 1993) Folie 8

Persönliche Recovery Hoffnung dadurch, dass trotz negativer Prognose eine Bewältigung der psychischen Erkrankung möglich ist. Genesung steht im Mittelpunkt! Genesung bedeutet nicht Symptomfreiheit! Im Folgenden Vortrag ist unter Recovery die persönliche Recovery zu verstehen. Folie 9

SAPROF Die Erfassung protektiver Faktoren in der klinischen Praxis: SAPROF Structured assessment of protective factors for violence risk. Leitlinien für die Erfassung von protektiven Faktoren bei einem Risiko für gewalttätiges Verhalten Folie 10

Konzept der protektiven Faktoren Definition: Protektive Faktoren SAPROF: Ein Merkmal einer Person, seiner Umwelt oder Situation, welches das Risiko von zukünftigem gewalttätigem Verhalten mindert. (De Vogel, De Ruiter, Boumann, De Vries-Robbé, 2009) Folie 11

Konzept der protektiven Faktoren Risk-only evaluations are inherently inaccurate. Rogers (2000): Schutzfaktoren können ein Grund für ausbleibendes gewalttätiges Verhalten sein bei ansonsten hohem Risiko für gewalttätiges Verhalten. DeMatteo (2005) Ausschließliche Betrachtung von Risiko ohne Berücksichtigung protektiver Faktoren: Vorurteilsbehaftete Betrachtung von Gewalt Stigmatisierend Negativistische und pessimistische Einstellung bei Behandlern & Patient Folie 12

Folie 13

SAPROF-Items Motivationale Items Statisch 1. Intelligenz 2. Sichere Bindung in der Kindheit Dynamisch 3. Empathie 4. Coping 5. Selbstkontrolle Folie 14

SAPROF-Items Motivationale Items 6. Arbeit 7. Freizeitaktivitäten 8. Finanzmanagement 9. Behandlungsmotivation 10. Einstellung gegenüber Autoritäten 11. Lebensziele 12. Medikation Folie 15

SAPROF-Items Externale Items 13. Soziales Netzwerk 14. Intimbeziehung 15. Professionelle Hilfe 16. Wohnsituation 17. Aufsicht Folie 16

SAPROF-Codierungsschema Ja. Der protektive Faktor ist eindeutig vorhanden 2 Vielleicht. Der protektive Faktor ist möglicherweise/in gewissem Maße vorhanden. 1 Nein. Der protektive Faktor ist eindeutig nicht vorhanden oder es gibt keine Belege dafür, dass er vorhanden ist. 0 Auslassen. Es besteht ein solcher Mangel an Informationen, dass es vorzuziehen ist, diesen protektiven Faktor nicht zu codieren. X Folie 17

SAPROF-Codierung Schlüssel Items, die einen hohen Punktwert (1 oder 2) aufweisen und die als entscheidend für die Prävention von gewalttätigem Verhalten angesehen werden Ziele Items mit einem Punktwert von 0 oder 1 können ein wichtiges Behandlungsziel andeuten, in dessen Verbesserung ein protektiver Faktor angenommen wird. Grundsätzlich gilt: Sparsam mit der Zuordnung von Schlüsseln & Zielen umzugehen. Folie 18

Folie 19

Fazit Das SAPROF kann ein Hilfsmittel darstellen, recoveryorientiert Schutzfaktoren bei einem Risiko für gewalttätiges Verhalten zu erfassen. Die bewusste Arbeit mit bzw. an, sowie der Einsatz von vorhandenen Schutzfaktoren kann für Betroffene mit einem Risiko für gewalttätiges Verhalten eine Minimierung dieses Risikos darstellen und/oder vor Rückfällen in dieses Verhalten schützen. Die Fokussierung auf protektive Faktoren kann zur persönlichen Recovery bei Betroffenen mit einem Risiko für gewalttätiges Verhalten einen Beitrag leisten. Folie 20

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Folie 21