GAP nach 2013 Europäische Agrarpolitik für Bauernfamilien und Landwirte nach 2013

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Transkript:

Hintergrund-Information zur EU-Agrarpolitik München, 6. Oktober 2011 GAP nach 2013 Europäische Agrarpolitik für Bauernfamilien und Landwirte nach 2013 Grundsätzliche Informationen und Fakten 1. Sachlichkeit muss Vorrang haben 2. Kosten für EU-Standards begründen Direktzahlungen mit 3. Sollen Zahlungen an die im Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte gebunden werden? 4. Wer wird wie über die GAP unterstützt? 2 Zehn Fakten zur EU-Agrarpolitik - Starke Landwirtschaft dank Europa - Ein Fundament aus zwei Säulen - Gerechtfertigter Ausgleich - Gemeinsame Europäische Agrarpolitik nach 2013 Grafiken - Das steht auf dem Spiel! - Fakten Bedeutung des heutigen Baukasten - Prinzips der Agrarpolitik für Betriebe in Bayern - Fakten und Hintergründe: Arbeitskräfte Arbeitskräftebesatz in verschiedenen EU- Staaten - Fakten und Hintergründe: Kleinbetriebe Wo sind die kleinen Betriebe in der EU? - Das steht auf dem Spiel! - Fakten Finanzielle Bedeutung 7 10

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 2 GAP nach 2013 Europäische Agrarpolitik für Bauernfamilien und Landwirte nach 2013 Grundsätzliche Informationen und Fakten 1. Sachlichkeit muss Vorrang haben Wo beginnt in der Landwirtschaft genau groß und wo hört klein auf? Innerhalb der Europäischen Union mit über 12 Millionen Bauern liegt die durchschnittliche Betriebsgröße bei rund 11,5 Hektar. Die durchschnittliche Betriebsgröße aller rund 113.000 bayerischen Betriebe liegt bei rund 28 Hektar und somit beim 2,5-Fachen. Auch die durchschnittliche Betriebsgröße der rund 63.000 Nebenerwerbsbetriebe Bayerns mit rund 13 Hektar liegt über dem europäischen Durchschnitt. Vermeintlich dürften sich viele bayerische Bauern nicht zu den 20 % der europäischen Betriebe rechnen, denn sie fühlen sich als die Kleinen. Aber dieser Eindruck täuscht: Zu der Kategorie 20 % in Bezug auf die EU gehören über 60.000 bayerische Betriebe, mehr als jeder zweite bayerische Familienbetrieb. Wer in der Diskussion der EU- Agrarpolitik, die für über 12 Millionen Bauern in 27 EU-Staaten Geltung hat, von großen und kleinen Betrieben spricht, muss dann ehrlich herausstellen, dass auf europäischer Ebene mehr als jeder zweite bayerische Familienbetrieb als groß einzuordnen wäre. Wofür erhalten agrarische Verarbeitungsunternehmen EU-Zahlungen? Die EU-Zahlungen an landwirtschaftliche Verarbeitungsbetriebe wie Molkereien, Stärkekartoffelverarbeiter, Zuckerrübenverarbeiter usw. kommen als gekoppelte EU- Direktzahlungen oder über Marktunterstützungsmaßnahmen den Bauern, die ihre Erzeugnisse an diese Verarbeiter liefern, indirekt zugute. Vielfach sind es genossenschaftliche Unternehmen wie zum Beispiel die Bayerische Milchindustrie (BMI), bei denen die Landwirte Miteigentümer des Unternehmens sind. Marktunterstützungsmaßnahmen sind unter anderem: o private Lagerhaltung o Marktstrukturverbesserung o Intervention o Exportförderung o Restrukturierungsmaßnahmen infolge der Reform bei Zuckerrüben o Unterstützung von Erzeugergemeinschaften infolge der Reform beim Hopfen. Ohne diese staatliche Unterstützung von Marktunterstützungsmaßnahmen müssten die Landwirte, die an diese Verarbeiter liefern, dies finanzieren.

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 3 2. Kosten für EU-Standards begründen Direktzahlungen mit Vorwurf Dies seien nur 20 Euro pro Hektar trifft nicht zu Im letzten Jahr gab es verschiedentlich Presseberichte und Kommentare, die den Mehraufwand für landwirtschaftliche Betriebe aufgrund der hohen europäischen Standards kleinredeten. Mit dem Verweis auf Studienergebnisse, die die Kosten eines Betriebes aufgrund der höheren Anforderungen im Bereich Umwelt- und Naturschutz in Europa mit 20 Euro je Hektar bewertet haben, wollten die Autoren die berufsständische Argumentation bei den Direktzahlungen aushebeln. Für den Bauernverband, für Prof. Borchardt von EU-Generaldirektion Landwirtschaft und auch viele Agrarpolitiker sind die EU-Direktzahlungen Ausgleich für die hohen Standards in Europa im Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz, für den Erhalt der Kulturlandschaft, für Versorgungssicherheit mit sicheren heimischen Lebensmitteln und für vitale ländliche Räume. Was steckt tatsächlich dahinter? Ausgangspunkt für die zitierte Studie ist ein Vergleich eines bestens durchrationalisierten Ackerbaubetriebes mit 1.300 Hektar in der Magdeburger Börde mit einem gleichgroßen und ebenso sehr gut geführten Ackerbaubetrieb in der Ukraine. Dieser deutsche Betrieb erntet bei Weizen 90 dt/ha und der Betrieb in der Ukraine 50 dt/ha bzw. 45 Prozent weniger. Die Studienverfasser des Heinrich-von-Thünen-Instituts (vti) haben dann rein die Bewirtschaftungskostenunterschiede vor allem von Weizen und Raps zwischen diesen beiden Betrieben verglichen und kommen dabei auf einen Kostenunterschied rund 20 Euro/ha. Ist eine Pauschalierung des vti-studienergebnisses seriös? Die Studienverfasser treffen selbst nicht die Bewertung, dass sich die Kostenunterschiede zwischen der Landwirtschaft in bzw. außerhalb Europas aufgrund der europäischen Standards pauschal bei rund 20 Euro/ha Hektar einordnen lassen. Um unseriöse Interpretationen zu vermeiden, greift auch das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht auf diese Studienergebnisse zurück. Seriös ist, dass im direkten Vergleich eines deutschen und eines ukrainischen 1.300 Hektar Ackerbaubetriebes etwa 20 Euro/ha Unterschied in den Bewirtschaftungskosten liegen. Unseriös ist es, dies so hinzustellen, dass für die gesamte Landwirtschaft in Europa die Kosten aufgrund der hohen Anforderungen bei Düngung, Pflanzenschutz, Bodenschutz, Tierhaltung, Lebensmittelhygiene usw. liegen würden. Letzteres trifft nicht zu. Seriös ist es zudem, wenn bei der Wiedergabe und Interpretation der vti-studie offen angesprochen wird, dass es hier um einen Vergleich von zwei top geführten Ackerbaubetrieben mit 1.300 Hektar geht und in der EU-27 die durchschnittliche Betriebsgröße bei rund 11,5 Hektar für die rund 14 Millionen Betriebe liegt. In Bayern liegt die durchschnittliche Betriebsgröße bei 28 Hektar und in Deutschland bei 47 Hektar. Es gibt auch andere Bewertungsergebnisse Eine Studie der TU München-Weihenstephan kommt beim Vergleich von überdurchschnittlich großen und gut geführten Familienbetrieben der alten 15 EU-Staaten mit vergleichbaren Betrieben in Agrarexportländern anderer Erdteile zum Ergebnis, dass

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 4 hier beim Weizenanbau rund 300 Euro/ha Hektar, bei Rindfleischerzeugung rund 1.500 Euro/ha und bei Milcherzeugung auch rund 1.500 Euro/ha als Produktionskostenunterschied vorliegen. Die TU-Studie, die bei der Bayerisch-Österreichischen Strategietagung im April 2009 in Passau vorgestellt wurde, greift dabei auf die gleiche Datenbasis zurück wie die vti-studie. Die Ergebnisse der TU-Studie zeigen deutlich auf, dass ein Großteil der heutigen Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe in Europa sich allein schon mit den zusätzlichen Kosten durch die hohen europäischen Standards rechtfertigen lässt. Erzeugung heimischer Lebensmittel ist nicht ins Ausland zu verlagern Die Landwirtschaft in Europa kann für die Produktion von sicheren heimischen Lebensmitteln ihre Erzeugung nicht in Billiglohn -Länder verlagern, wie dies andere Wirtschaftsbranchen tun können, die nicht an den Standort Boden als Wirtschaftsgrundlage unmittelbar gebunden sind. Politik und Gesellschaft stellen in Europa hohe Anforderungen an die Qualität und Sicherheit heimischer Lebensmittel, so müssen die Mehrkosten vom Staat ausgeglichen werden, da diese vom Markt nicht abgegolten werden. 3. Sollen Zahlungen an die im Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte gebunden werden? Vielfach wird gefordert, dass die Verteilung der Direktzahlungen die Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte unmittelbar berücksichtigen sollte. Die Orientierung der Direktzahlungen an der Zahl der Arbeitskräfte wäre eine Abkehr von dem Prinzip der entkoppelten Direktzahlungen, wonach diese Zahlungen vorrangig einen Ausgleich für die Erhaltung der Kulturlandschaft und hohe Standards im Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutz darstellen. Darüber hinaus ist ein solcher Ansatz wie folgt zu bewerten: Vorteile - hohe gesellschaftliche Akzeptanz, - Beschäftigung von Arbeitskräften wird gefördert. Nachteile - zusätzlicher Verwaltungsaufwand, - Bestimmung der Arbeitskräfte in Familienbetrieben schwierig (Teilzeitbeschäftigung, mitarbeitende Familienangehörige etc.), - Umgehungsgefahr (Scheinarbeitsverträge, Betriebsteilungen) in großen Betrieben, - nicht WTO-konform, da es sich um eine indirekte produktionsbezogene Förderung (Faktorsubvention) handelt, - mögliche Subventionierung auf Dauer nicht wettbewerbsfähiger Produktionsstrukturen. Quelle: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Auszug aus einer Informationsunterlage zur EU-Agrarpolitik und den Direktzahlungen von 2009.

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 5 Die Diskussion einer Bindung von EU-Direktzahlungen an Arbeitskräfte auf den landwirtschaftlichen Betrieben muss unter Berücksichtigung der Fakten von 27 EU- Staaten bewertet werden. Statistische Zahlen ergeben auszugsweise folgendes Bild: Polen: ca. 15 AKE *) /100 ha LF Griechenland: 14 Italien: ca. 10 Niederlande: ca. 9 Großbritannien 2 Deutschland: 4,1 Bayern: 4,4 EU-Durchschnitt: ca. 6 *) AKE = Arbeitskrafteinheiten Wenn man die EU-Direktzahlungen auch an den Arbeitskräftefaktor bindet, so werden EU-Staaten mit relativ hohem Arbeitskräftebesatz mehr Direktzahlungen erhalten als EU- Staaten mit geringeren Arbeitskräftebesatz. Zudem ist es offen, nach welcher Definition Arbeitskräfte in der Landwirtschaft EUweit berücksichtigt werden. Nicht tauglich werden die Erfassungen für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft sein, da hier der Arbeitskräftebedarf nach Standardwerten, aber nicht der tatsächliche Arbeitskräftebestand erfasst wird. Die Erfassung von Arbeitskräften auf fachlich gleicher Basis für alle 27 EU-Staaten liegt nicht vor. Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr, mit einer Anbindung an landwirtschaftliche Arbeitskräfte auch die Diskussion loszutreten, ob Betriebe, die im Nebenerwerb organisiert sind und außerhalb der Landwirtschaft ihr Haupteinkommen erzielen, überhaupt einen Anspruch auf Direktzahlungen der EU haben. 4. Wer wird wie über die GAP unterstützt? So sehen die Zahlungen 1. und 2. Säule bei den alten EU-15 und den neuen 15 EU-Staaten aus Laut Statistik erhalten viele osteuropäische Staaten bereits heute über die 2. Säule der GAP durchschnittlich mehr EU-Zahlungen als der EU-Durchschnitt; Deutschland liegt unter diesem Durchschnitt (Quelle: Eurostat und EU-Kommission): Litauen 94 Euro/ha Lettland 82 Euro/ha Estland 149 Euro/ha Tschechien 100 Euro/ha Polen 114 Euro/ha Slowakei 166 Euro/ha Ungarn 101 Euro/ha Deutschland 82 Euro/ha Frankreich 43 Euro/ha EU-27 84 Euro/ha.

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 6 Bei den Direktzahlungen (1. Säule der GAP) ergeben sich bis 2013 laut Eurostat und EU-Kommission folgende Zahlungsbeiträge: Litauen 141 Euro/ha Lettland 80 Euro/ha Estland 133 Euro/ha Tschechien 214 Euro/ha Polen 188 Euro/ha Slowakei 201 Euro/ha Ungarn 227 Euro/ha Deutschland 345 Euro/ha Frankreich 290 Euro/ha EU-27 255 Euro/ha. Deutschland wird bis zur vollständigen Entkopplung 2013 durchschnittlich rund 345 Euro pro Hektar an Direktzahlungen bekommen. Aufgrund der Osterweiterungsregularien nähern die 12 neuen EU-Staaten sich bei den Direktzahlungen ohnehin schrittweise an das Förderniveau der alten EU-15 nach den Kriterien der Agenda 2000 an. Im Jahr 2013 bzw. 2016 erreichen die neuen EU-Staaten dann 100 %. Bei Cross Compliance, das für die EU-15 ab 2005 verbindlich war, gab es für die neuen EU-Staaten eine Übergangsregelung. Doch sind diese Zahlen eins zu eins vergleichbar? Bei einem Blick auf die Kostensituation, Lebenshaltungskosten und Kaufkraft zwischen den Mitgliedstaaten gerade zwischen neuen und alten EU-Staaten relativiert sich dieses Bild. In Rumänien etwa entsprechen 300 Euro in etwa dem durchschnittlichen Monatslohn von dortigen Akademikern. Welche Einkommenswirkung hat die GAP in den einzelnen EU- Staaten? Eurostat hat im Mai 2010 Fakten zur Einkommensentwicklung der europäischen Landwirtschaft und zur Wirkung der GAP auf die neuen Mitgliedstaaten herausgeben: Zwischen 2000 und 2009 stieg das reale landwirtschaftliche Einkommen je Arbeitskraft in 17 Mitgliedstaaten und fiel in zehn. Die höchsten Zuwächse gab es in Lettland (+140%), Estland (+131%), Polen (+107%), dem Vereinigten Königreich (+71%) und Litauen (+70%) und die stärksten Rückgänge in Dänemark (-46%), Italien und Luxemburg (je -36%), Irland (-30%) und den Niederlanden (-28%). Zwischen 2008 und 2009 nahm das reale landwirtschaftliche Einkommen je Arbeitskraft in der EU27 um 12% ab. Das reale landwirtschaftliche Einkommen je Arbeitskraft sank in 21 Mitgliedstaaten, blieb in zwei nahezu unverändert und stieg in vier an. Die stärksten Rückgänge wurden in Ungarn (-32%), Luxemburg (-25%), Irland (-24%), Deutschland und Italien (je -21%) verzeichnet und die größten Zuwächse in Malta (+8%) und Dänemark (+4%).

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 7 Zehn Fakten zur EU-Agrarpolitik Fakt 1: 55 Mrd. Euro EU-Agrarhaushalt klingen viel, machen aber nur 1 Prozent aller öffentlichen Ausgaben in der EU aus. Fakt 2: Die bayerischen Bauernhöfe sind um das 2,5-fache größer als der durchschnittliche Bauernhof der EU mit 11 ha. Von den über 12 Mio. europäischen Bauernhöfen sind die Hälfte kleiner als 5 ha. Fakt 3: Die Direktzahlungen sichern etwa 50 Prozent des Einkommens eines bäuerlichen Familienbetriebs. Fakt 4: 74 Prozent der EU-Agrarimporte stammen aus Entwicklungsländern. Die vielfach kritisierten EU-Agrarexporterstattungen machen bereits jetzt nur noch weniger als 1 Prozent der Agrarausgaben aus. Fakt 5: Viele ost- und südeuropäische Staaten wirtschaften mit dem 2- bis 4-fachen Arbeitskräftebesatz von Bayern. Fakt 6: Landwirte erhalten nur Direktzahlungen, wenn sie EU-weit im Gegenzug 2.680 Anforderungen und 590 Standards erfüllen. Diese Produktions- und Bewirtschaftungsauflagen sind wesentlich höher als in Drittstaaten und verursachen höhere Produktionskosten. Fakt 7: Schon bei einer Kürzung der Agrarbeihilfen um 30 Prozent müsste jeder 4. Betrieb in Bayern aufgeben. Fakt 8: Die Landwirtschaft ist mit ihrem vor- und nachgelagerten Bereich die drittgrößte Wirtschaftsbranche in Bayern und sichert jeden 7. Arbeitsplatz. Fakt 9: Die Landwirte gehen schonend und nachhaltig mit den natürlichen Ressourcen um. Über die Agrarumweltmaßnahmen erbringen die Landwirte auf jedem 3. Hektar freiwillig spezielle Umweltleistungen. Fakt 10: Mit der Ausgleichszulage erhalten die Landwirte eine Unterstützung für die Bewirtschaftung der 60 % benachteiligten Gebiete und Berggebiete in Bayern und sichern damit die flächendeckende Landbewirtschaftung.

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 8 Starke Landwirtschaft dank Europa EU-Binnenmarkt sichert wirtschaftliche Stellung der bayerischen Bauern Ohne den europäischen Binnenmarkt und die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) würde die bayerische Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft heute nicht einen Spitzenplatz in Europa einnehmen. Die Existenzen der 113.000 Bauernfamilien basieren im Schwerpunkt auf der Erzeugung und Vermarktung hochwertiger Lebensmittel, in Europa und darüber hinaus. Die Landwirtschaft Bayerns und auch Deutschlands wäre weniger bedeutend, wenn die Entwicklung ohne einen europäischen Rahmen stattgefunden hätte. Heute sichert die Land- und Forstwirtschaft in Bayern jeden siebten Arbeitsplatz (Bayerns Staatsminister Brunner am 13.10.2010). EU-weit erwirtschaftet die Land- und Forstwirtschaft einschließlich des vor- und nachgelagerten Bereichs rund 1,3 Billionen Euro im Jahr und sichert über 40 Millionen Arbeitsplätze. Mit einer rein national gestalteten Agrarpolitik hätten sich Bayern und Deutschland nicht zu einem derartigen Agrarwirtschaftsstandort entwickeln können. EU Deutschland Bayern Betriebe > 12 Millionen 350.000 113.000 Arbeitsplätze* > 40 Millionen > 4 Millionen 700.000 Anteil am Produktionswert der Gesamtwirtschaft* 17 Prozent 15 Prozent 15 Prozent * inkl. vor- und nachgelagerter Bereich Erzeugung heimischer Lebensmittel ist nicht ins Ausland verlagerbar Die Landwirtschaft in Europa kann für die Produktion von sicheren heimischen Lebensmitteln ihre Erzeugung nicht in Billiglohn -Länder verlagern, wie dies andere Wirtschaftsbranchen tun können, die nicht an den Standort Boden als Wirtschaftsgrundlage unmittelbar gebunden sind. Politik und Gesellschaft stellen in Europa hohe Anforderungen an die Qualität und Sicherheit heimischer Lebensmittel, so müssen die Mehrkosten vom Staat ausgeglichen werden, da vom Markt nicht abgegolten werden. Ein Fundament aus zwei Säulen Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik Wie definiert sich Agrarpolitik? Agrarpolitik ist die Gesamtheit der Bemühungen und Maßnahmen des Staates und der berufsständischen Organisationen zur Gestaltung der wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft. Was will Agrarpolitik mit welchen Mitteln erreichen? Ziel der Agrarpolitik sollte es sein, die Land- und Forstwirtschaft in die Lage zu versetzen, ihre volkswirtschaftlichen Aufgaben immer vollkom-

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 9 mener zu erfüllen. Die Preis- und Marktpolitik sowie die Struktur- und Sozialpolitik zählen dabei zu den wesentlichen Elementen. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist vom Wandel gekennzeichnet und wird von ihrer Bedeutung innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft geprägt. Sie gliedert sich in zwei Säulen und umfasst die Markt- und Preispolitik (erste Säule) und Teile der Strukturpolitik (zweite Säule). Gerechtfertigter Ausgleich Hintergrund der EU-Direktzahlungen Die EU-Direktzahlungen sind Grundlage für eine ausreichende Versorgung der 500 Millionen Bürger Europas mit sicheren heimischen Lebensmitteln nach den hohen europäischen Standards. Mit rund 40 bis 70 Anteil der EU-Direktzahlungen an den Einkommen der rund 30 Millionen Erwerbstätigen auf Europas Bauernhöfen haben die Direktzahlungen eine große Unterstützungswirkung gerade für Familienbetriebe und kleinere Betriebe. In der EU-27 wirtschaftet etwa jeder zweite Betrieb mit weniger als fünf Hektar. Die Höhe der Zahlungen unterscheiden sich in den einzelnen EU-Staaten, da auch die Lebenshaltungskosten, Lohnkosten und Betriebsmittelkosten unterschiedlich hoch sind. Die EU-Direktzahlungen sind ein Teilausgleich für die Kosten, die mit den in Europa hohen Anforderungen bei Tierhaltung, Umweltschutz und Lebensmittelsicherheit verbunden sind. für den Erhalt der Kulturlandschaft und des Bodens in gutem ökologischen und landwirtschaftlichen Zustand. für die grundsätzlichen Gemeinwohlleistungen, die der Markt nicht honoriert, die von den Bürgern jedoch erwartet und von den Gesetzen gefordert werden. für den Kostennachteil beim Wettbewerb mit Produkten aus nichteuropäischen Ländern, die weniger strengen Standards unterliegen. Durch die EU-Direktzahlungen können sich Bauernfamilien wie in Bayern im Wettbewerb halten. Gemeinsame Europäische Agrarpolitik nach 2013 Heute die Grundlagen für die Landwirtschaft von morgen schaffen Eine starke Land- und Forstwirtschaft ist wichtiger denn je. Sie ist eine Zukunftsbranche, die zu den großen Herausforderungen unserer Zeit entscheidende Beiträge leisten kann: Sie stellt die Versorgung der Bevölkerung von 500 Millionen Bürgern mit hochwertigen Lebensmitteln sicher und verhindern eine Abhängigkeit von Importen. Sie leistet einen Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft mit dem Anbau nachwachsender Rohstoffe und der Erzeugung regenerativer Energien. Sie erhält die europäische Kulturlandschaft, die es ohne die Bewirtschaftung durch Bauernhände gar nicht geben würde. Sie trägt dazu bei, dass unsere ländlichen Räume lebens- und liebenswert bleiben. Um diese Herausforderungen meistern zu können, braucht es Kontinuität, Verlässlichkeit und finanzielle Stärke. Mit der Einführung der Entkoppelung und dem Rückzug des Staates aus der direkten Marktgestaltung wurde 2005 die Welt aller europäischen Landwirte komplett auf den Kopf gestellt. Keiner anderen Wirtschaftsbranche wurden in den letzten 20 Jahren derartige Umwälzungen ihrer wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aufgebürdet. Deshalb brauchen die landwirtschaftlichen Betriebe nun politische Stabilität.

Hintergrund-Infromation zur EU-Agrarpolitik vom 06.10.2011 Seite 10 Nicht kostenlos, aber ihren Preis wert! Aktuell gibt die Europäische Union 46 Prozent für die Agrarpolitik inklusive der Förderung der ländlichen Entwicklung (2. Säule) aus. Auf den ersten Blick erscheint das überproportional viel. Dies liegt aber nur daran, dass die Agrarpolitik praktisch der einzige Politikbereich ist, der europäisch geregelt und finanziert wird. Die anderen Politikbereiche wie z. B. Verteidigungspolitik oder Forschung werden von den nationalen Haushalten finanziert. Zu einem fairen Vergleich müssen also nationale und europäische Ausgaben addiert werden. So betrachtet beträgt der Anteil der Agrarpolitik nur noch rund ein Prozent. Ist das zu viel für eine Politik, die sicherstellt, dass auch morgen der Tisch der EU-Bürger reichlich mit guten heimischen Lebensmitteln gedeckt ist? Soziale Marktwirtschaft für Bauern sicherstellen Seit der Agrarreform 1992 hat sich der Staat schrittweise aus der direkten Steuerung der Agrarmärkte über die Markt- und Preispolitik (direkte Preisstützung, Förderobergrenzen für Anbauflächen und Tiere usw.) zurückgezogen. Wichtig ist aber, dass nach wie vor die Instrumente der Marktordnung verfügbar sind und damit das Grundprinzip von sozialer Marktwirtschaft gewährleistet wird. Bei der Fortentwicklung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik muss deshalb die Grundlage für eine soziale Marktwirtschaft im Bereich Land- und Forstwirtschaft sichergestellt werden. Wesentlich ist dafür, dass bei besonderen Schwierigkeiten auf den Agrarmärkten Instrumente wie Intervention, Absatzhilfen, Exportförderung weiterhin nach Bedarf als Sicherungsnetz verfügbar sind. Zum Schutz der europäischen Bauern und insbesondere auch der Verbraucher, die beide die hohen europäischen Standards im Bereich der Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung, Umweltschutz nicht durch Importe unterlaufen haben wollen, muss langfristig vor allem ein Mindestmaß an Außenschutz beim WTO-Regelwerk und auch bei zweiseitigen Handelsabkommen zwischen der EU und anderen Handelspartnern gewährleistet werden.

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