Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 2489 04. 08. 2017 Antrag der Abg. Jochen Haußmann u. a. FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Verkehr Jahrelanges Versäumnis des Verkehrsministers bei der Anpassung des Landesrechts an die Straßenverkehrs- Ordnung des Bundes Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. welches aktuell die Straßenverkehrsbehörden im Land sind, angesichts des Umstandes, dass sich 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung auf die außer Kraft getretene Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 bezieht; 2. nach welcher rechtlichen Subsumtion sie zu dem Ergebnis kommt; 3. ob sie die Ansicht der Stadt Stuttgart teilt, dass auch die Straßenverkehrs-Ordnung von 2013 unter Rechtsverordnung in 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung fallen kann; 4. nach welcher rechtlichen Subsumtion man dadurch zur Weitergeltung der Zuständigkeitsfestlegung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Stra - ßenverkehrs-Ordnung kommt; 5. für den Fall, dass sie zur Weitergeltung der Zuständigkeitsfestlegung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung kommt, warum sie dann den Wortlaut des 1 überhaupt ändern will; 6. warum die Änderung nicht bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Straßenverkehrs-Ordnung von 2013 erfolgt ist; 7. was an einer minimalen Änderung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung so kompliziert ist, dass sie hierfür noch mindestens Zeit bis 2018 benötigt und eine Arbeitsgruppe einsetzen musste; Eingegangen: 04. 08. 2017 / Ausgegeben: 20. 09. 2017 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1
8. welche zeitintensiv(en) Maßnahmen hierfür erforderlich sind; 9. inwieweit, zumindest unter Angabe des Auftrags, der Mitglieder, des Arbeits - umfangs in Stunden, der Veranlassungen und der (Zwischen-)Ergebnisse der Arbeitsgruppe, sich eine Arbeitsgruppe seit 2013 mit der Angelegenheit beschäftigte; 10. warum sie es trotz des Einsatzes einer Arbeitsgruppe bisher nicht geschafft hat, 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung zu ändern; 11. inwieweit sich Herr Verkehrsminister Winfried Hermann verantwortlich für diese Situation fühlt. 04. 08. 2017 Haußmann, Dr. Goll, Weinmann, Dr. Rülke, Dr. Timm Kern, Reich-Gutjahr, Dr. Bullinger, Glück, Dr. Schweickert FDP/DVP Begründung Die Stuttgarter Zeitung vom 2. August 2017 berichtet über Aussagen der Stadt Stuttgart und des Verkehrsministeriums zum Umstand, dass in 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung immer noch auf die Straßenverkehrs-Ordnung von 1970 verwiesen wird, obwohl diese bereits 2013 außer Kraft getreten ist. Dem Bericht nach wurde für die überschaubare Anpassung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die indes nicht zu einer Gesetzesänderung führte. 2
Stellungnahme*) Mit Schreiben vom 4. September 2017 Nr. 4-3850.1/575 nimmt das Ministerium für Verkehr zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. welches aktuell die Straßenverkehrsbehörden im Land sind, angesichts des Umstandes, dass sich 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung auf die außer Kraft getretene Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 bezieht; 2. nach welcher rechtlichen Subsumtion sie zu dem Ergebnis kommt; 3. ob sie die Ansicht der Stadt Stuttgart teilt, dass auch die Straßenverkehrs-Ordnung von 2013 unter Rechtsverordnung in 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung fallen kann; 4. nach welcher rechtlichen Subsumtion man dadurch zur Weitergeltung der Zuständigkeitsfestlegung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Stra - ßenverkehrs-Ordnung kommt; Die vorgenannten Fragen werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam Nach 44 Absatz 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in der geltenden Fassung sind die Straßenverkehrsbehörden zur Ausführung der StVO zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Im Landesrecht bestimmt 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVOZustG) vom 17. Dezember 1990 (GBl. S. 427), zuletzt geändert durch Artikel 153 des Gesetzes vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469), dass Straßenverkehrsbehörden im Sinne von 44 Absatz 1 der StVO vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565) die unteren Verwaltungsbehörden sind, soweit nicht in diesem Gesetz oder durch Rechtsverordnung anderes bestimmt ist. Dem Wortlaut nach bezieht sich 1 StVOZustG auf die bis 2013 geltende und inzwischen außer Kraft getretene Fassung von 44 Absatz 1 StVO vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565). Dabei handelt es sich aber um keine statische Verweisung. Eine statische Verweisung wird in aller Regel durch ein sogenanntes Vollzitat kenntlich gemacht. Ein Vollzitat setzt sich zusammen aus dem Zitier - namen, der Angabe der Ausfertigung oder der letzten Bekanntmachung des vollständigen Wortlauts, der Fundstelle und dem Hinweis auf die letzte Änderung. An einem Hinweis auf die letzte Änderung fehlt es in 1 StVOZustG. Für die Auslegung der Zuständigkeitsregelungen ist zudem nicht allein der Wortlaut des Gesetzestextes maßgebend, vielmehr ist die Regelung systematisch, historisch und teleologisch auszulegen und im Zusammenhang mit anderen landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen zur StVO zu sehen. Dabei sind Vorstellung, Wille und Motive des Landes- und auch des Bundesgesetzgebers zu be - achten. Bei Bund und Land gibt es keinen erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu einer Änderung der Zuständigkeitsregelung. Hintergrund der Änderung des 44 StVO bei Neuerlass der StVO im Jahr 2013 war, dass mittels Bundes-Verordnung nicht in die landesrechtliche Aufgabenzuweisung und Zuständigkeit eingegriffen werden soll. Der Landesgesetzgeber hatte bereits nach altem Recht die Möglichkeit, die Aufgabenzuweisung anders zu regeln. An der vom Landesgesetzgeber vorgenommenen Zuweisung der Zuständigkeit an die Straßenverkehrsbehörden hat sich durch die Neufassung der StVO nichts geändert. Aufgrund der Ortsnähe der unte- *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3
ren Verwaltungsbehörden hat sich die bestehende Regelung bewährt. Sie soll beibehalten werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeiten nach der StVO in Baden-Württemberg nicht nur durch Gesetz, sondern darüber hinaus durch Verordnung des Verkehrsministeriums über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung und der Ferienreiseverordnung (StVOZuVO) vom 21. März 1995 (GBl. 1995, S. 304), zuletzt geändert durch Artikel 200 der Verodnung vom 23. Februar 2017 (GBl. 2017, S. 99, 121), geregelt sind. Dort sind die unteren Verwaltungsbehörden als den Regierungspräsidien nachgeordnete Straßenverkehrsbehörden ebenfalls ausdrücklich genannt. Dies zeigt deutlich, dass sowohl der Landesgesetzgeber als auch der Landesverordnungsgeber die Aufgaben der Stra ßenverkehrsbehörde den unteren Verwaltungsbehörden zugewiesen haben und diese Aufgabenzuweisung auch nach Neuerlass der StVO fortgelten soll. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim weist in seinem Urteil vom 15. September 2014 (Az 1 S 1010/13 Rdnr. 28) klarstellend darauf hin, dass sich durch die Änderung des 44 Absatz 1 StVO zum 1. April 2013 durch die Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vom 6. März 2013 (BGBl. I, 376) die hier streitige sachliche Zuständigkeit nicht maßgeblich geändert haben dürfte. Zur Begründung der Entscheidung vom 15. September 2014 hätte der VGH hierauf nicht eingehen müssen, weil der zugrundeliegende Sachverhalt sich in der Tat auf einen Sachverhalt vor dem Neuerlass der StVO bezieht. Gleichwohl war es dem Gericht offenbar ein Anliegen, als obiter dictum klarzustellen, dass die sachliche Zuständigkeit sich auch nach dem Inkrafttreten des geänderten 44 Absatz 1 StVO nicht maßgeblich geändert haben dürfte. Und nachdem 1 StVOZustG in diesem Zusammenhang die zentrale Norm ist, muss diese Klarstellung des Gerichts auch im Hinblick auf dessen Wortlaut erfolgt sein. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass 1 StVOZustG sich nicht nur auf die außer Kraft getretene Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 bezieht, sondern auch spätere Änderungen bzw. deren Neufassung im Jahr 2013 umfasst. Die bisher geltenden Zuständigkeiten sind daher nach wie vor gegeben. Straßenverkehrsbehörden sind weiterhin grundsätzlich die unteren Verwaltungsbehörden. Das sind nach 15 Landesverwaltungsgesetz (LVG) in den Landkreisen die Landratsämter, in den Stadtkreisen die Gemeinden sowie nach Maßgabe des Gesetzes die Großen Kreisstädte ( 19 LVG) und die Verwaltungsgemeinschaften ( 17 LVG). Darüber hinaus sind Gemeinden als örtliche Straßenverkehrsbehörden und Regierungspräsidien als höhere Straßenverkehrsbehörden entsprechend den landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen im StVOZustG und StVOZuVO sachlich zuständige Straßenverkehrsbehörde. 5. für den Fall, dass sie zur Weitergeltung der Zuständigkeitsfestlegung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung kommt, warum sie dann den Wortlaut des 1 überhaupt ändern will; 6. warum die Änderung nicht bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Straßenverkehrs-Ordnung von 2013 erfolgt ist; Die vorgenannten Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam Das Verkehrsministerium verfolgte bislang das Ziel, sowohl das StVOZustG als auch die StVOZuVO aus einem Guss an die Erfordernisse der Verwaltungspraxis anzupassen und in diesem Zuge auch eine redaktionelle Bereinigung des 1 StVOZustG herbeizuführen. Aktuelle Presseberichte zur Zuständigkeit der Stra - ßenverkehrsbehörden nimmt das Verkehrsministerium nun zum Anlass unabhängig von den weiterhin gegebenen Zuständigkeiten die erwähnte redaktionelle Anpassung in einem vorgezogenen Verfahren zu realisieren, um möglichst rasch Rechtsklarheit zu schaffen. 4
7. was an einer minimalen Änderung des 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung so kompliziert ist, dass sie hierfür noch mindestens Zeit bis 2018 benötigt und eine Arbeitsgruppe einsetzen musste; 8. welche zeitintensiv(en) Maßnahmen hierfür erforderlich sind; 9. inwieweit, zumindest unter Angabe des Auftrags, der Mitglieder, des Arbeits - umfangs in Stunden, der Veranlassungen und der (Zwischen-)Ergebnisse der Arbeitsgruppe, sich eine Arbeitsgruppe seit 2013 mit der Angelegenheit beschäftigte; 10. warum sie es trotz des Einsatzes einer Arbeitsgruppe bisher nicht geschafft hat, 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung zu ändern; Die vorgenannten Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam Die Anforderungen an ein förmliches Gesetzgebungsverfahren mit allen notwendigen Verfahrensschritten werden unter anderem von der Landesverfassung, der Geschäftsordnung des Landtags und von der Verwaltungsvorschrift der Landes - regierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (VwV Regelungen) vom 27. Juli 2010 (GABl. S. 277), zuletzt geändert durch die Verwaltungsvorschrift vom 26. Juli 2016 (GABl. S. 560), vorgegeben. Das förmliche Verfahren wurde Anfang August 2017 eingeleitet und wird vom Verkehrsministerium unter Beachtung der Verfahrensvorschriften, insbesondere der Anhörungsbestimmungen schnellstmöglich betrieben. Die ressortinterne Gegenprüfung ist abgeschlossen und die Beteiligungsverfahren wurden eingeleitet. Je nach Zeitpunkt und Inhalt der eingehenden Stellungnahmen wie auch beispielsweise der Sitzungs - planung des Verkehrsausschusses kann das Verfahren Ende 2017 oder im Frühjahr 2018 abgeschlossen werden. Die ursprünglich vorgesehene Einsetzung einer Arbeitsgruppe zu dem geplanten Gesamtpaket an Änderungen der landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen zur StVO hat sich im weiteren Verlauf der Prüfung als entbehrlich erwiesen. Der Änderungsbedarf bei den Zuständigkeitsregelungen wurde sowohl hausintern als auch mit nachgeordneten Behörden und anderen Bundesländern ermittelt und abgestimmt. 11. inwieweit sich Herr Verkehrsminister Winfried Hermann verantwortlich für diese Situation fühlt. Auf die Ausführungen zu den vorgenannten Fragen wird verwiesen. Hermann Minister für Verkehr 5