10: Betrug KK 268. Vorlesung Strafrecht BT II (WS 2005/2006)

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Transkript:

IV.Vermögensschaden 1. Grundlagen Das Erfordernis des Vermögensschadens wird ausdrücklich im Gesetzestext von 263 angesprochen. Die für 263 geltenden Grundsätze bzgl. des Vermögensbegriffs und des Vermögensschadens können auch auf Erpressung und Untreu, bei denen jeweils von Nachteil gesprochen wird, übertragen werden. Der Betrug ist ein Verletzungsdelikt, dessen alleiniges Rechtsgut das Vermögen darstellt. KK 268

2. Vermögensbegriffe Nicht mehr vertreten wird der rein juristische Vermögensbegriff, wonach das Vermögen die Summe der von der Rechtsordnung anerkannten und mit ihr durchsetzbaren Vermögensrechte und -pflichten ohne Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Wert darstellt. a) wirtschaftlicher Vermögensbegriff (frühere Rechtsprechung) Vermögen umfasst die Gesamtheit aller wirtschaftlich wertvollen, dh geldwerten Güter einer Person ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Konkretisierung oder Anerkennung. Ein Schaden liegt somit immer dann vor, wenn tatsächlich ein negativer wirtschaftlicher Saldo vorliegt (vgl. RGSt 44, 230; BGHSt 1, 264; 16, 220; 38, 186). KK 269

10 Betrug b) juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff (hm) Grundlage ist hier ebenfalls der wirtschaftliche Vermögensbegriff. Jedoch wird dieser normativ eingeschränkt, so dass unter Vermögen die Gesamtheit aller wirtschaftlichen Güter einer Person zu verstehen ist, die der rechtlich gebilligten und von der Rechtsordnung geschützten Verfügungsgewalt dieser Person unterliegen. Ein Schaden liegt hiernach immer dann vor, wenn das negative Saldo auf dem Verlust einer rechtlich geschützten Position beruht und nicht kompensiert wird. vgl. BGHSt 31, 178; BGH NStZ 2001, 534; LK/Tiedemann 263 Vorb. Rn. 31; 263 Rn. 132; Mitsch II/1 7 Rn. 84, 93. KK 270

c) personaler Vermögensbegriff Hiernach stellt das Vermögen die Basis der Persönlichkeitsentfaltung in Form wirtschaftlicher Potenz des Vermögensträgers dar, dh einer Herrschaft über solche Objekte, die in der Rechtsgemeinschaft als Objekte des Wirtschaftsverkehrs angesehen werden. Schutzgut ist somit nicht ein bestimmtes Objekt, sondern die Beziehung einer Person zu einem Objekt. Folge für den Schaden ist, dass dieser nicht in einem Wertverlust bzw. rechnerischen Negativsaldo gesehen wird, sondern in der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Potenz des Vermögensträgers. Ziel dieser Vermögenslehre ist es, der individuellen Dispositionsfreiheit einen größeren Schutz durch eine größere Individualisierung des Wertmaßstabs zuzugestehen; Kritik: Gerade diese personale Entfaltungsmacht ist aber die Dispositionsfreiheit, die kein geschütztes Rechtsgut von 263 ist. Zum personalen Vermögensbegriff vgl. Otto BT 28 Rn. 3 ff. KK 271

d) Normativ-ökonomischer Vermögensbegriff Vermögen ist die Herrschaft einer Person über rechtlich garantierte Potentiale wirtschaftlicher Betätigung, über die sie mit Hilfe rechtlich (meist zivilrechtlich) anerkannter Durchsetzungsmöglichkeiten nach Belieben verfügen und externen Störfaktoren effektiv begegnen kann. (Vgl. Hefendehl Vermögensgefährdung und Expektanzen, S. 117 f.; LK/Schünemann 266 Rn. 134) e) Funktionaler Vermögensbegriff Vermögen ist die Verfügungsmacht einer Person über die (Gesamtheit der) ihr rechtlich zugeordneten übertragbaren (abstrakt geldwerten) Güter ; vgl. NK/Kindhäuser 263 Rn. 44 ff.); in den praktischen Ergebnissen ist dieser Vermögensbegriff dem normativ-ökonomischen Vermögensbegriff ähnlich. KK 272

3. einzelne Vermögensbestandteile a) Unstreitig gehören bspw. Geld, Forderungen, Eigentum und ähnliche Rechte wie Pfandrechte zum Vermögen. Auch der wirtschaftlich wertvolle Besitz ist ein geschützter Vermögensbestandteil (vgl. auch KK 278). Gleiches gilt für die Arbeitsleistung, sofern diese kommerzialisiert ist (im Rahmen eines sog. Eingehungsbetrugs; vgl. KK 284). Nicht dagegen: immaterielle Werte; wertlose Ansprüche. b) Erwerbs- und Gewinnaussichten Hierzu gehören Anwartschaftsrechte sowie tatsächliche Anwartschaften, sog. Exspektanzen. Diese müssen jedoch schon soweit konkretisiert sein und mit hoher Wahrscheinlichkeit (so die hm) zu einem Vermögenszuwachs führen, dass ihnen nach der Verkehrsauffassung ein wirtschaftlicher Wert zukommt. Bsp.: - Aussicht auf Zuschlag bei einer Submission des Bietenden. - nicht: die Erwerbsaussichten der Erben. KK 273

Die bloßen Wahrscheinlichkeitserwägungen bzgl. der Realisierung der Anwartschaft sind zur Bestimmung des Vermögenswertes jedoch unzureichend. Basis muss der Vermögensbegriff sein. Eine vermögenswerte Exspektanz setzt also eine rechtlich konstituierte Herrschaft voraus, die die störungsfreie Möglichkeit zum Vollrecht beinhaltet. Hierzu sind folgende drei Kriterien maßgebend: (1) Der Inhaber einer Exspektanz muss mit rechtlich anerkannten Möglichkeiten externe Störfaktoren bei der Entwicklung zum Vollwert unterbinden können. (2) Der das Exspektanzobjekt Vermittelnde darf sich nicht mehr sanktionslos von seiner Verpflichtung lösen können. (3) Der potenzielle Exspektanzinhaber muss sein Vorhaben in der Außenwelt zum Ausdruck gebracht haben. KK 274

c) Problematische Fallgruppen (vgl. hierzu Kühl JuS 1989, 505 ff.; Otto Jura 1993, 424 ff.): aa) Erschleichen von Arbeitsleistungen zu gem. 134, 138 BGB verbotenen oder sittenwidrigen, insbes. strafbaren Zwecken Bsp.: A beauftragt den C gegen Lohn, O zu töten, bezahlt C dann aber - wie von Anfang an geplant nicht; 263 des A? Auf dem Boden der juristisch-ökonomischen Vermögenslehre schützt 263 den Arbeitseinsatz von C nicht, da er außerhalb der Rechtsordnung erfolgt und daher die Lohnforderung nichtig ist ( 134, 138 Abs. 1 BGB), vgl. Hecker JuS 2001, 230 f. Auch die Rspr. erkennt derartige Ansprüche nicht als Vermögenspositionen an (BGH NStZ 2001, 534 [Entscheidung zu 253]), wohingegen bei einer (rein) wirtschaftlichen Betrachtung Betrug zu bejahen wäre. KK 275

bb) Täuschungsbedingte Vorauszahlung zu verbotenen oder sittenwidrigen Zwecken, ohne die Gegenleistung zu erhalten Bsp.: Der Auftragsmörder hatte nie vor, das Opfer tatsächlich umzubringen. Er wird vom Auftragsgeber bezahlt und verschwindet, ohne die die versprochene Gegenleistung zu erbringen (BGH NJW 2001, 86 mit abl. Besprechung Hecker JuS 2001, 228 ff.) vgl. ferner BGH NJW 2002, 2117 Dealer, der vorgibt, Drogen besorgen zu können). Die juristisch-ökonomische Lehre könnte aufgrund der Wertungen der 134, 138, 817 S. 2 BGB zu zur Ablehnung des 263 gelangen (so auch Hecker JuS 2001, 228 ff.; Mitsch JuS 2003, 125 f.; SK/Hoyer 263 Rn 130 ff.; Kindhäuser/Wallau NStZ 2003, 153 f.). Dem wird von der hm entgegengehalten, dass der Einsatz zu verbotenen bzw. sittenwidrigen Zwecken allein dem Eigentum bzw. Besitz nicht den Schutz der Rechtsordnung entziehe. Denn ansonsten erhielte die Person, die eine Straftat zu begehen verspricht, einen Freibrief, sich durch das Versprechen rechtlich missbilligter Ziele durch Täuschung beliebig zu bereichern (vgl. BGH NJW 2002, 33; W/Hillenkamp Rn 562 ff.; Rengier 13 Rn 60). me gleichwohl zw., entweder über das Dogma vom Betrug als einer unbewussten Selbstschädigung oder besser wegen des Erfordernisses eines Zurechnungszusammenhangs, der hier unterbrochen ist. KK 276

cc) Täuschungsbedingter Verzicht auf nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften (Falllösung bei Neumann JuS 1993, 748 f.) Bsp.: K beziffert die Beute aus dem gemeinsamen Bruch mit M ihm gegenüber statt mit tatsächlichen 5.000 nur mit 1.500. Der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff stellt die nach 134, 138 BGB nichtigen Forderungen von vorneherein nicht unter den Schutz der Rechtsordnung. Auch die heutige Rechtsprechung sieht in diesen nichtigen Forderungen keine schadensrelevanten Werte mehr (vgl. BGH JR 1988, 125). Eine (rein) wirtschaftlich orientierte Sichtweise hält nichtige Forderungen aber dann für werthaltig und deshalb beim Vermögen zu berücksichtigen, wenn sie nach den konkreten Umständen faktisch realisierbar erscheinen (vgl. BGHSt 2, 364, 366 f.; Krey/Hellmann BT 2 Rn. 435). Dies liefe aber auf eine fragwürdige Besserstellung besonders skrupelloser Schuldner hinaus, die alles daran setzen, um die Begleichung ihrer Schuld zu verhindern (OLG Hamburg NJW 1965, 1525 f.). KK 277

dd) Schutz des rechtswidrig erlangten Besitzes Bsp.: Der Dieb D bekommt von Hehler X für den verkauften Gegenstand Falschgeld. Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff hat der faktische Besitz des D einen wirtschaftlichen Wert. Für die Bejahung des 263 spricht, dass auch eine (gewaltsame) Wegnahme ( 242, 249) durch X strafbar und D auch vor erpresserischen Angriffen ( 253) geschützt wäre. Solche Überlegungen zwingen freilich nicht, sich dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff anzuschließen. Denn wie die 858 ff. BGB zeigen, steht auch der unrechtmäßige Besitz unter dem partiellen Schutz der Rechtsordnung und fällt damit auch nach dem juristischökonomischen Vermögensbegriff unter den Schutz des 263. KK 278

ee) Sonderproblem: Prostituiertenfälle Bsp.: Freier F erschleicht sich den Geschlechtsverkehr bei der Prostituierten P unter Vorspiegelung seiner Zahlungsbereitschaft. Nach alter Rechtslage war ein solches Geschäft sittenwidrig isv 138 BGB. Die Prostituierte hatte folglich keinen Anspruch auf die Gegenleistung des F, so dass bei ihr kein Betrugsschaden vorlag (BGH JR 1988, 125). Durch das ProstG hat die Prostituierte nunmehr einen Anspruch auf die Gegenleistung, andererseits hat der Freier keinen Anspruch auf Vollzug des Geschlechtsverkehrs (sog. einseitig verpflichtender Vertrag). Da der P nunmehr ein rechtswirksamer Zahlungsanspruch zusteht, liegt ein Schaden in Höhe des Anspruchs vor. vgl. zur neuen Rechtslage Ziethen NStZ 2003, 184 ff. KK 279

4. Schadensberechung a) Schadensbegriff aa) Subjektiver (auch personaler) Schadensbegriff: das Vermögen in seinem jeweiligen konkreten Bestand wird geschützt, so dass die Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers verletzt worden sein muss, nicht zwingend der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens. bb) individuell-objektiver Schadensbegriff (hm): Verlust einer Vermögensposition zieht einen Schaden nach sich, wenn dieser nicht durch den Zufluss einer wirtschaftl. mindestens gleichwertigen Position kompensiert wird. Jedoch werden auch nach der hm die persönliche Situation des Opfers berücksichtigende Korrekturen vorgenommen, so, wenn eine sog. Zweckverfehlung vorliegt oder trotz formaler Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung durch die Figur des sog. individuellen Schadenseinschlags ein Schaden bejaht wird. KK 280

b) Grundsatz der Saldierung Grundlage der Schadensberechnung ist der Vergleich der Vermögensstandes vor und nach der Vermögensverfügung, bei dem eine nachteilige Vermögensdifferenz festgestellt werden muss (bilanzmäßige Betrachtung). Bei der Vermögensminderung muss es sich um die Minderung eines vorhandenen Vermögenssaldos handeln, so dass die Nichtrealisierung einer erwarteten Vermögensvermehrung grundsätzlich nicht genügt. Anderes gilt, wenn die Gewinnaussicht schon eine Vermögensposition darstellt, sog. Exspektanzen (KK 273 f.). Bsp.: Der Verkäufer räumt K scheinbar einen Sonderrabatt ein. grds. kein Schaden bei V vor, da lediglich sein Gewinn vermindert wurde (BGH NJW 2004, 2603 ff.; NStZ 1991, 488 ff.). KK 281

c) Schadenskompensation Vorlesung Strafrecht BT II (WS 2005/2006) aa) Der festgestellte Vermögensverlust kann durch ein unmittelbar aus der Verfügung fließendes Äquivalent wirtschaftlich wieder voll ausgeglichen werden. Gesetzliche Ansprüche (Anfechtungs-, Gewährleistungs-, Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüche) werden herkömmlicherweise nicht berücksichtigt, sie würden lediglich zu einer nachträglichen Schadensbeseitigung führen (anders aber beim Werkunternehmerpfandrecht nach 647 BGB). Gleiches gilt für etwaige freiwillige Leistungen Dritter oder Entschädigungen der öffentlichen Hand. Besser stellt man auf die zweifelsfreie Möglichkeit der Geltendmachung als Kriterium ab. Da auch schon eine Vermögensgefährdung einen Schaden sein kann, können auch bekannte und unproblematisch zu realisierende Gegenrechte (zb Rücktrittsrecht) beim sog. Eingehungsbetrug (KK 284) zur Verneinung des Schadens führen. KK 282

bb) Befreiung von Verbindlichkeiten Umstritten ist, ob auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit als mögliche Kompensation anzuerkennen ist. Bsp. (nach Joecks 263 Rn 86): T kann bei seinem zahlungsunwilligen Freund O seine Forderung aus einem zinslosen Darlehen i.h.v. 100 nicht eintreiben. Bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch spiegelt T dem O vor, er habe sein Geld vergessen. O bezahlt daraufhin die Zeche des Abends für T i.h.v. 25. Diese 25 verrechnet er mit dem ausstehenden Geldbetrag. Ein Teil der Literatur setzt das Innehaben einer Forderung wertmäßig geringer an als das Besitzen von Geld, so dass die Befreiung von der Verbindlichkeit den Verlust des Bargeldes nicht ausgleichen kann. Die Gleichwertigkeit von Forderung und Geldbesitz ist nur dann gegeben, wenn der Realisierbarkeit keine Hindernisse entgegen stehen (der Schuldner hier also zahlungsbereit wäre). Folglich läge hier ein Schaden vor, jedoch fehlt es an der Rechtswidrigkeit der Bereicherung. Die Rspr. und ein Teil der Literatur setzen die Verbindlichkeit zu ihrem Nennwert an, so dass eine vollständige Kompensation erfolgt und ein Vermögensschaden nicht vorliegt. KK 283

d) Eingehungsbetrug und Vermögensgefährdung Bei der Abwicklung von Rechtsgeschäften sind zwei Phasen zu unterscheiden: (1) Abschluss eines (wg. der Täuschung anfechtbaren) Vertrages (2) Erfüllung dieses Vertrages durch Leistungsaustausch Schon in der ersten Phase ist ein Betrug denkbar (sog. Eingehungsbetrug), wenn täuschungsbedingt ein Vertrag mit Negativsaldo geschlossen wird und keine werthaften Verhinderungsmöglichkeiten (Einredemöglichkeit nach 320 BGB, nicht aber ein Anfechtungsrecht; vgl. KK 282) bestehen. Es liegt hier eine sog. konkrete (oder besser: schädigende) Vermögensgefährdung vor. Vermögen = Durchsetzbarkeit zur eigenen wirtschaftlichen Verwertung Vermögensgefährdung = Hypothese der Verfügbarkeit über einen Vermögensgegenstand hat sich qualitativ verschlechtert; Rspr und hl argumentieren mit dem nicht operationalisierbaren Begriff der (hohen) Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. KK 284

Sonderfall des Eingehungsbetrugs: Anstellungsbetrug (1) Im nicht-öffentlichrechtlichen Sektor: Ein Schaden liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit in Zukunft nicht in vollem Umfang verrichten kann oder die dafür notwendigen Qualifikationen nicht besitzt. (2) Im öffentlichen Dienstrecht: Ältere Rspr.: sittliche Makeltheorie Bewerber muss dem Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen sein, sonst sei er untauglich und damit wertlos für die Behörde. BGHSt 45, 1: Bezug zur Qualität der Dienstleistung und damit zum Vermögen des Staates maßgeblich. Dieser sei dann gegeben, wenn es nahe liege, dass das Fehlen einer persönlichen Eignung sich negativ auf die Amtsführung nach außen und damit auf die Qualität der Dienstleistung auswirke; Bsp.: frühere Tätigkeit als IM für das MfS der DDR. KK 285

zutreffender (restriktiver) Ansatz: Schaden liegt nur dann vor, wenn über Eigenschaften getäuscht wird, die die Leistung des Beamten betreffen. Handelt es sich aber um Eigenschaften, die nicht den Wert der Arbeitsleistung betreffen, sondern lediglich um Anforderungen bzgl. der Einstellung als Beamter, so ist nicht das Vermögen des Staates betroffen, sondern der öffentliche Dienst als solcher (Dispositionsfreiheit des Staates). Hier liegt schon keine Täuschung vor. Das Verschweigen von Vorstrafen gehört auch bei Beamten zu diesem vermögensirrelevanten Bereich (str.). KK 286

e) Erfüllungsbetrug liegt vor, wenn der Getäuschte im Rahmen der Erfüllung des Vertrages einen Geldbetrag bezahlt, um einen wertlosen Gegenstand zu erwerben. Täuscht der Täter erst bei Erfüllung, so liegt ein Schaden vor, wenn der Getäuschte - nicht die Leistung erhält, die seinem Erfüllungsanspruch wertmäßig entspricht, oder - mehr leistet, als er leisten muss. Wirkt die Täuschung in der Erfüllungsphase nur fortwirkt, spricht man insoweit von einem unechten Erfüllungsbetrug (BGHSt 16, 220; BayObLG NJW 1999, 663), der nach hm nicht unter 263 fällt. KK 287