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Teil 1. Familienrecht Kapitel 1. Systematik und verfassungsrechtliche Einordnung des Familienrechts Kapitel 1. Systematik des Familienrechts Das Vierte Buch des BGB umfasst in seinen drei Abschnitten das Eherecht ( 1297 1588 BGB), das Recht der Verwandtschaft ( 1589 1772 BGB) sowie die Regelungen zur Vormundschaft, rechtlichen Betreuung und Pflegschaft ( 1773 1921 BGB). Das Recht der Eheschließung wird durch das PStG ergänzt. Der Versorgungsausgleich wird durch das VersAusglG modifiziert und im SGB VIII wird schließlich die Kinder- und Jugendhilfe geregelt. Bedeutsam sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben des GG, insbesondere der Art. 3 u. 6 GG. Sie stellen Handlungsgebote für den Gesetzgeber auf, setzen ihm zugleich enge Schranken und sind bei der Auslegung des einfachen Rechts stets zu berücksichtigen. Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter besonderen Schutz, der sich in verschiedenen Dimensionen entfaltet. So beinhaltet Art. 6 Abs. 1 GG zunächst ein klassisches Freiheitsgrundrecht, welches jedem Einzelnen die Freiheit zuerkennt, eine Ehe einzugehen, eine Familie zu gründen, und sie gegen staatliche Eingriffe schützt. Neben dieser Eheschließungsfreiheit gewährleistet Art. 6 Abs. 1 GG auch die autonome Ausgestaltung der Ehe (Ehegestaltungsfreiheit). Hiervon umfasst sind neben der Entscheidung der Ehegatten, Kinder haben zu wollen, insbesondere Vereinbarungen der Ehepartner über die innerfamiliäre Arbeitsteilung (BVerfGE 99, 216, 231; 105, 1, 11). Tipp: Dies hat zur Folge, dass Leistungen, welche die Ehegatten im Rahmen der von ihnen gemeinsam getroffenen Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig angesehen werden (BVerfGE 105, 1, 11). Dem trägt einfachgesetzlich etwa die Regelung des 1360 S. 2 BGB Rechnung, die die Gleichwertigkeit der Unterhaltsbeiträge normiert. Daher haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten sowohl während des Bestehens der Ehe als auch nach ihrer Trennung und Scheidung. 1 2

2 Kapitel 1. Systematik des Familienrechts 3 4 5 6 Ferner enthält Art. 6 Abs. 1 GG eine Institutionsgarantie. Diese ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil sie die Gewährleistung bestimmter Strukturprinzipien enthält, die allerdings an den sozialen Wandel angepasst werden können. Beispiele: Zu den Strukturprinzipien gehören etwa das Prinzip der Einehe (BVerfGE 31, 58, 69), die Eheschließungsfreiheit (BVerfGE 31, 58, 68) oder die grundsätzliche Unauflösbarkeit der Ehe (BVerfGE 10, 59, 66; 53, 224, 245). Darüber hinaus trifft Art. 6 Abs. 1 GG als Grundsatznorm eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des privaten und öffentlichen Rechts. Daraus folgt einerseits die staatliche Aufgabe, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und vor Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen, andererseits das Verbot für den Staat, Ehe und Familie zu schädigen oder zu beeinträchtigen (BVerfGE 6, 55, 71 ff.; st. Rspr.). In diesem Zusammenhang wirkt Art. 6 GG auch als besonderer Gleichheitssatz, der in sämtlichen Rechtsgebieten die Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen, von Eltern gegenüber Kinderlosen und von ehelichen gegenüber anderen Lebens- o- der Erziehungsgemeinschaften verbietet (Papier NJW 2002, 2129, 2130; ausführlich Coester-Waltjen Jura 2008, 108). Beispiele: Vom Beeinträchtigungsverbot erfasst sind etwa Benachteiligungen von Verheirateten oder Familienangehörigen im Steuerrecht (BVerfGE 69, 188, 205). Das Förderungsgebot verlangt eine staatliche Familienförderung, obgleich ohne subjektive Ansprüche auf konkrete Leistungen zu gewähren (BVerfGE 82, 60, 81; 107, 205, 213). Schließlich wird vor dem Hintergrund, dass nicht eheliche Kinder vielfach ungünstigere Lebensumstände vorfinden als eheliche, mit Art. 6 Abs. 5 GG die Gleichstellung ehelicher und nicht ehelicher Kinder gesichert. Als besondere Ausprägung der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG sowie des Sozialstaatsprinzips enthält Art. 6 Abs. 5 GG sowohl einen Auftrag an den Gesetzgeber zur Gleichstellung ehelicher und nicht ehelicher Kinder als auch ein Grundrecht des nicht ehelichen Kindes sowie eine verfassungsrechtliche Wertentscheidung für eine Gleichberechtigung, welche die Gerichte und die Verwaltung bei der Gesetzesanwendung und Ermessensausübung beachten müssen. Tipp: Wie kaum ein anderes Gebiet des bürgerlichen Rechts ist das Familienrecht grundrechtsgeprägt. In der Klausur spielen deshalb verfassungsrechtliche Überlegungen regelmäßig eine besondere Rolle. Bedeutung erlangen zudem die EMRK mit dem Recht des Einzelnen auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK), dem Recht

Kapitel 1. Systematik des Familienrechts 3 Eheschließung (Art. 12 EMRK) und dem Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) sowie die Regelungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (insbesondere Art. 9 EU-GRCh). Auch verfahrensrechtlich ergeben sich Besonderheiten. Wegen der Eigenart familienrechtlicher Konflikte sind bei den Amtsgerichten spezialisierte Abteilungen für Familiensachen (Familiengerichte) eingerichtet und ausschließlich zuständig, 23b Abs. 1, 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG i.v.m. 111 FamFG. Aufgrund der Besonderheiten der Verfahrensgegenstände ist das Verfahrensrecht in Buch 1 u. 2 des FamFG zusammengefasst. Hintergrund dafür ist die gerichtliche Fürsorgepflicht sowie die erhöhte staatliche Verantwortung für die materielle Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung. Die Vorschriften der ZPO finden daher nur über die Verweisung in 113 FamFG Anwendung. Wichtig ist demnach die Unterscheidung zwischen Familienstreitsachen, Ehesachen und übrigen Familiensachen. 7 Familiensachen, 111 Nr. 1 11 FamFG Ehesachen, 111 Nr. 1 FamFG Familienstreitsachen, 112 FamFG Übrige Familiensachen Die allgemeinen Vorschriften aus Buch 1 des FamFG finden gem. 113 FamFG nur eingeschränkt Anwendung. Ergänzend sind die in 113 Abs. 1 4 FamFG benannten Regelungen der ZPO (insbesondere 1 494a ZPO) grundsätzlich anwendbar. 113 FamFG gilt nicht. Die allgemeinen Vorschriften aus Buch 1 des FamFG sind sämtlich anwendbar. Die ZPO- Vorschriften sind nicht anwendbar. Schaubild Nr. 1: Familiensachen Für die Qualifikation eines Verfahrens als Familiensache i.s.d. 111 FamFG kommt es allein auf die tatsächliche Begründung des geltend gemachten Anspruchs an (BGH NJW 1980, 2476, 2477). Entscheidend ist folglich die jeweilige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Wird ein prozessualer Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen gestützt, von denen eine das Verfahren zur Familiensache nach 111 FamFG ma- 8

4 Kapitel 1. Systematik des Familienrechts 9 10 chen würde, ist grundsätzlich für den ganzen prozessualen Anspruch insgesamt die Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben (BGH FamRZ 1983, 155, 156). Dagegen können Familiensachen und Nichtfamiliensachen nicht nach 260 ZPO in einer Klage verbunden werden; vielmehr ist die Nichtfamiliensache grundsätzlich abzutrennen ( 145 ZPO; 20 FamFG) (BGH NJW 1979, 426, 427; NJW-RR 1989, 173 zur Aufrechnung). Relevant sind neben den Unterhaltssachen ( 111 Nr. 8, 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG) und den Güterrechtssachen ( 111 Nr. 9, 112 Nr. 2, 261 Abs. 1 FamFG) insbesondere die sonstigen Familiensachen gem. 111 Nr. 10, 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 FamFG. Hierdurch fallen vor allem solche Rechtsbeziehungen in die Zuständigkeit der Familiengerichte, die ihren Ursprung im Schuld- oder Sachenrecht haben, aber gerade aufgrund der Ehe Bedeutung erlangen (z.b. Ausgleich für ehebedingte Zuwendungen oder für geleistete Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten). Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach 86 96a, 120 FamFG. In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die Vorschriften der ZPO entsprechend anwendbar, 120 FamFG. Endentscheidungen sind grundsätzlich mit Rechtskraft vollstreckbar, 120 Abs. 2 S. 1, 116 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 FamFG. Tipp: Beachten Sie die Terminologie: Sämtliche Familiensachen werden durch Beschluss ( 38 FamFG) entschieden (nicht: Urteil ). Die Verfahren werden auf Antrag eingeleitet (nicht: Klage ), 113 Abs. 5 Nr. 2 FamFG. Die Bezeichnungen Antragsteller und Antragsgegner treten an die Stelle von Kläger bzw. Beklagter, 113 Abs. 5 Nr. 3 u. 4 FamFG. Rechtsmittel sind einheitlich die Beschwerde ( 58 ff. FamFG) und die Rechtsbeschwerde ( 70 ff. FamFG) und nicht Berufung und Revision. Testfragen zum 1. Kapitel Frage 1: Welche Bedeutung kommt Art. 6 Abs. 1 GG zu? Rn. 2 ff. Frage 2: Welche Unterscheidung ist bei Familiensachen nach 111 FamFG zu beachten und warum? Rn. 7 Frage 3: Wonach bestimmt sich die Einordnung eines Verfahrens als Familiensache? Rn. 8

Kapitel 2. Eheschließung, Ehescheidung A. Begriff der Ehe Der Begriff der Ehe ist gesetzlich nicht definiert. Gleichwohl liegt der Ehe ein allgemeines Grundverständnis einer auf freiem Entschluss beruhenden, auf Lebenszeit geschlossenen Verbindung (Konsensprinzip) zweier Personen zugrunde. Die Voraussetzung der Geschlechterverschiedenheit wurde mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 mit Wirkung zum 01.10.2017 gestrichen. Die Ehe stellt eine von gegenseitiger Verantwortung, Partnerschaft und Gleichberechtigung geprägte Lebensgemeinschaft dar (BVerfGE 61, 319, 347; 105, 1, 10). Tipp: Auf die faktische Lebensgemeinschaft finden die familienrechtlichen Vorschriften keine (analoge) Anwendung (siehe Kap. 10). 1 B. Voraussetzungen der Eheschließung Die Ehe kommt durch einen personenrechtlichen Vertrag zwischen den Eheschließenden zustande, 1310 Abs. 1 S. 1 BGB. Die dabei einzuhaltenden Voraussetzungen ( 1303 1312 BGB) und die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen diese ( 1313 ff. BGB) sind leges speciales. Sie schließen folglich einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte aus. Prüfungsschema: Wirksamkeit der Eheschließung 1. Ehefähigkeit, 1303, 1304 BGB. 2. Fehlen von Eheverboten, 1306 1308 BGB. 3. Keine Willensmängel, 1314 Abs. 2 BGB. 4. Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses, 1309 BGB. 5. Einhaltung der Verfahrensvorschriften, 1310 1312 BGB. 2

3 4 6 Kapitel 2. Eheschließung, Ehescheidung I. Ehefähigkeit Die Eheschließenden müssen ehefähig sein. Dies setzt zunächst deren Ehemündigkeit ( 1303 BGB) voraus und ist damit an ihre Volljährigkeit ( 2 BGB) gekoppelt. Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn ein Ehegatte minderjährig ist, sie kann nicht geschlossen werden, wenn er noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hat. Das bedeutet: Eine Eheschließung vor Vollendung des 16. Lebensjahres ist unwirksam, zwischen Vollendung des 16. Lebensjahres und der Volljährigkeit ist die Ehe aufhebbar nach 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Eine Aufhebung ist jedoch ausgeschlossen bei Bestätigung nach Erreichen der Volljährigkeit o- der wenn die Aufhebung eine außergewöhnliche Härte für den Minderjährigen darstellen würde, 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB (ausführlich hierzu: Majer NZFam 2017, 537). Aus dem Wortlaut der Härteklausel und der Begründung des Gesetzgebers (BT-Druck. 18/12086) folgt, dass hiermit lediglich in gravierenden Einzelfällen, etwa einer schweren oder lebensbedrohenden Krankheit oder einer krankheitsbedingte Suizidabsicht, es dem Familiengericht, das über den Aufhebungsantrag zu entscheiden hat, ermöglicht werden soll, von der Aufhebung der Ehe abzusehen. Zudem müssen die Eheschließenden geschäftsfähig sein, 1304 BGB. Der Begriff der Geschäftsfähigkeit entspricht dem des 104 BGB. Eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung ist wegen Art. 6 Abs. 1 GG ausreichend (sog. Ehegeschäftsfähigkeit) (BVerfG FamRZ 2003, 359, 360 f. mwn). Beispiel: M leidet an einem Syndrom, bei dem das Kurzzeitgedächtnis aufgehoben ist. Ist er dennoch zur Einsicht in die Bedeutung der Ehe in der Lage und in seiner Freiheit des Willensentschlusses zur Eingehung der Ehe nicht beeinträchtigt, greift 1304 BGB nicht ein, auch wenn die Einsichtsfähigkeit für andere Rechtsgeschäfte fehlt (OLG Brandenburg FamRZ 2011, 216). II. Eheverbote 5 1306 1308 BGB regeln die Eheverbote abschließend. Zur Wahrung des Grundsatzes der Einehe ist nach 1306 BGB eine Doppelehe ausgeschlossen. Das Verbot gilt auch bei einer bereits eingetragenen Lebenspartnerschaft. Zu beachten ist auch die mögliche Strafbarkeit der beiden Eheschließenden nach 172 StGB. 6 Nach 1307 BGB ist eine Ehe zwischen Verwandten in gerader Linie ( 1589 Abs. 1 S. 1 BGB) und zwischen Geschwistern verboten, um eine Geschlechtskonkurrenz in der Kernfamilie zu verhindern (Inzestverbot). Gleichgültig ist, ob es sich um eine genetische oder rechtliche Verwandtschaft handelt. Der Beischlaf zwischen Verwandten ist gem. 173 StGB strafbar.

B. Voraussetzungen der Eheschließung 7 Schließlich unterstellt 1308 Abs. 1 BGB auch solche Verwandtschaftsverhältnisse einem Eheverbot, welche durch Annahme als Kind begründet worden sind (dazu Kap. 7 Rn. 6). Eine begrenzte Befreiungsmöglichkeit sieht allerdings 1308 Abs. 2 BGB vor. Bei einem Verstoß gegen 1308 BGB bleibt die Ehe wirksam, das mit ihr unvereinbare Adoptionsverhältnis erlischt hingegen, 1766 S. 1 BGB. Beispiel: Die T wurde von den Eheleuten E adoptiert, die bereits einen Sohn S haben. Einer späteren Heirat der T und des S steht 1308 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen. Allerdings kann das Familiengericht nach 1308 Abs. 2 BGB hiervon eine Befreiung erteilen, da zwischen der T und dem S eine Verwandtschaft in der Seitenlinie besteht, 1589 S. 2 BGB (Schwab Rn. 95). III. Verfahren Die Eheschließung erfolgt durch eine gemeinsame Erklärung der 8 Eheschließenden vor einem mitwirkungsbereiten Standesbeamten, eine Ehe miteinander eingehen zu wollen, 1310 Abs. 1 S. 1 BGB, sog. Grundsatz der obligatorischen Zivilehe, der in Deutschland seit 1875 gilt (dazu Moritz JA 2002, 77, 79). Zuständig ist jedes deutsche Standesamt, 11 PStG. Die beiden Erklärungen müssen persönlich bei gleichzeitiger Anwesenheit der Eheschließenden abgegeben werden und sind sowohl bedingungs- als auch befristungsfeindlich, 1311 BGB. Sie sind im Anschluss an die Eheschließung in einer Niederschrift zu beurkunden und von den Ehegatten, den Zeugen sowie dem Standesbeamten zu unterschreiben, 14 Abs. 3 S. 1 u. 2 PStG. Dem Standesbeamten kommt eine Prüfungskompetenz hinsichtlich 9 der Zulässigkeit der Eheschließung zu. Liegen die Voraussetzungen der Eheschließung vor, ist er zur Mitwirkung verpflichtet, 1310 Abs. 1 S. 2 BGB. Er muss seine Mitwirkung verweigern, wenn die Ehe etwa nach 1314 Abs. 2 BGB offenkundig aufhebbar wäre, 1310 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB. Erfasst werden hiervon insbesondere die Fälle einer sog. Scheinehe nach 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB. Bei einer solchen sind sich die Partner darüber einig, dass sie keine eheliche Lebensgemeinschaft gem. 1353 Abs. 1 BGB begründen und keine gegenseitige Verantwortung tragen wollen. Beispiel: Die Deutsche F will den Ägypter M nur heiraten, um ihn vor der Abschiebung zu bewahren. Eine Verpflichtung zur Lebensgemeinschaft soll rein tatsächlich aber nicht erfüllt bzw. ihre Erfüllung nicht verlangt werden. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für die Aufhebbarkeit der Ehe, hat 10 der Standesbeamte den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, 13 Abs. 2 PStG. In Zweifelsfällen kann er die Angelegenheit an das zustän- 7

8 Kapitel 2. Eheschließung, Ehescheidung 11 dige Familiengericht weiterreichen, 49 Abs. 2 PStG. Lehnt der Standesbeamte seine Mitwirkung ab, steht den Beteiligten der Rechtsweg offen, 49 Abs. 1 PStG. Im Eheregister werden im Anschluss an die Eheschließung Tag und Ort der Eheschließung, die Personalien sowie der künftig geführte Familienname der Ehegatten beurkundet, 15 Abs. 1 PStG. Die Eintragung ist grundsätzlich rein deklaratorisch. IV. Fehlerfolgen 12 Die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Eheschließungsvoraussetzungen unterscheiden sich von denen anderer Rechtsgeschäfte. Zur Vermeidung einer Rückwirkung wurde v.a. die Anfechtbarkeit durch die Aufhebbarkeit ex nunc ersetzt und ihr eine gerichtliche Prüfung vorgeschaltet. Wichtig ist die Differenzierung nach der Bedeutung des Fehlers (ausführlich zu den Fehlerfolgen: Moritz JA 2002, 77, 83 ff.). Elementarer Fehler Schwerwiegender Fehler Verletzung bloßer Soll-Vorschriften Nur: Fehlende auf Eheschließung gerichtete Willenserklärungen der Verlobten gem. 1310 Abs. 1 S. 1, 1311 BGB, Eheschließung nicht vor einem Standesbeamten oder Verweigerung seiner Mitwirkung gem. 1310 Abs. 1 S. 3 BGB. Nur Fälle des 1314 Abs. 1 BGB oder 1314 Abs. 2 BGB, es sei denn Ausschluss der Aufhebung nach 1315 BGB. Zum Beispiel: Fehlendes Ehefähigkeitszeugnis gem. 1309 BGB, Keine getrennte Befragung der Eheschließenden gem. 1312 BGB, Keine Vorlage der öffentlichen Urkunden gem. 12 Abs. 2 PStG. Nichtehe Aufhebbare Ehe Voll gültige Ehe Schaubild Nr. 2: Rechtsfolgen der fehlerhaften Ehe