Schwyzer Gesundheitsforum Integrierte Versorgung ein Gebot der Stunde Jürg Krummenacher, Präsident Verein Socius Rothenthurm, 25. Januar 2018
Übersicht 1. Betreuungsmodelle der Kantone in der Langzeitpflege 2. Die Situation im Kanton Schwyz 3. Kosten und Finanzierung der Alterspflege im Kanton Schwyz 4. Künftige demografische Entwicklung und ihre Folgen 5. Integrierte Versorgung ist zentral
1. Betreuungsmodelle der Kantone in der Langzeitpflege
Drei Betreuungsmodelle Gemäss einer Studie des Obsan 2016 gibt es in den Kantonen der Schweiz drei Betreuungsmodelle älterer Menschen: Modell Zentralschweiz Modell lateinische Schweiz Mischform
Obsan 2016, Bulletin 13, S. 1
Modell Zentralschweiz Alters- und Pflegeheime sind Grundpfeiler in de Betreuung älterer Menschen. Anteil der Personen, die im Heim leben, ist vergleichsweise hoch. Bewohner/innen treten im Durchschnitt relativ jung ein, wohnen länger im Heim und weisen eine geringere Pflegebedürftigkeit auf. Die Inanspruchnahme der Spitex ist tiefer als in den beiden anderen Modellen.
Modell lateinische Schweiz In der lateinischen Schweiz erfolgt die Betreuung älterer Menschen in erster Linie über Spitex-Organisationen. Der Anteil der Bewohner/innen in Heimen ist niedriger als in anderen Kantonen. Sie sind im Durchschnitt pflegebedürftiger, älter und bleiben für kürzere Zeit im Heim.
Mischform Das Modell Mischform enthält sowohl Elemente des Modells Zentralschweiz als auch des Modells lateinische Schweiz.
Merkmale der drei Betreuungsmodelle Obsan 2016, Bulletin 13, S. 2
Intermediäre Strukturen Dazu gehören Alterswohnungen, Tages- und Nachtstrukturen, Kurzzeitaufenthalte in Alters- und Pflegeheimen. Dazu gibt es bisher keine vollständige Erhebung der Angebote. Tendenziell lässt sich aber feststellen, dass es Unterschiede zwischen den drei Modellen gibt. So ist die Anzahl Tages- und Nachtplätze pro 1 000 Personen über 65 bzw. 80 Jahre in der lateinischen Schweiz deutlich höher als in der Zentralschweiz.
Tages- und Nachtplätze nach Modellen Obsan 2016, Bulletin 13, S.4
Bedeutung der Pflege durch Angehörige Der Betreuung und Pflege von älteren Menschen durch Angehörige kommt eine grosse Bedeutung zu. Schweizweit übernehmen 330 000 Personen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren Betreuungs- und Pflegeaufgaben für Angehörige. Zwischen 220 000 und 260 000 Personen ab 65 Jahren beanspruchen informelle Hilfe. Etwas mehr als 9 % der Bevölkerung über 15 Jahren pflegen oder betreuen eine erwachsene angehörige Person.
Anteil der Personen, die Erwachsene betreuen und/ oder pflegen 2010/ 2013 Obsan 2016, Bulletin 13, S. 5
Regionale Unterschiede In der lateinischen Schweiz ist der Anteil mit 7 % am tiefsten. In der Zentralschweiz liegt er 2010 mit 11 % über und 2013 mit 9 % beim Schweizer Durchschnitt. Im Durchschnitt übernehmen Angehörige hauptsächlich Betreuungsaufgaben. In der lateinischen Schweiz ist der Pflegeanteil deutlich höher: 37 % der Unterstützung erfolgt in Form von Pflege. In der Zentralschweiz macht der Pflegeanteil 16 % der Angehörigenhilfe aus.
Art der von den Angehörigen erbrachten Unterstützung, 2013 Obsan 2016, Bulletin 13, S. 6
Kosten der Alterspflege nach Kantonen, 2014 Zu den finanziellen Folgen der drei Betreuungsmodelle gibt es bisher keine Untersuchung. Gemäss den Berechnungen von Avenir Suisse (2016) variieren die Pflegekosten pro 65- jährige und ältere Personen zwischen den Kantonen um den Faktor zwei.
Pflegekosten nach Kantonen, 2014 Avenir Suisse 2016
Gründe für die grossen Kostenunterschiede Grosse Unterschiede bei den Lohn- und Sachkosten in den Pflegeheimen, bei der Effizienz des Personaleinsatzes und beim Anteil der Bevölkerung, der professionelle Pflegeleistungen bezieht. Der Kanton Genf gehört zu den Spitzenreitern, obwohl er eine sehr tiefe Betten- und hohe Spitex-Pflegekosten aufweist. Mögliche Erklärung: Im Kanton Genf lagen die Lohnkosten um 40 % über dem Schweizer Durchschnitt. Im Kanton Schwyz lagen die Pflegkosten mit 94 % unter dem Durchschnitt. Grund dafür sind unter anderem tiefere Lohnkosten in den Heimen.
2. Die Situation im Kanton Schwyz
Grosse Bedeutung der Alters- und Pflegeheime Wie die anderen Zentralschweizer Kantone weist Schwyz mit 28.3 Betten pro 100 80-Jährige und Ältere (2014) eine überdurchschnittlich hohe Bettendichte auf. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 23.3 Betten. Der Anteil Pflegeheimbewohner ohne Pflege oder mit Pflegestufe 1 bis 3 ist mit 40 % überdurchschnittlich hoch. Schweizer Durchschnitt: 30 %. Gleichzeitig gehört Schwyz zu jenen Kantonen, in denen die Inanspruchnahme der Spitex-Langzeitpflege unter dem Durchschnitt liegt. Gemäss Bedarfsplanung soll die Bettendichte bis im Jahr 2030 auf 19 % gesenkt werden.
Inanspruchnahme von Spitex-Pflegeleistungen für Personen ab 65, 2014 Bundesamt für Statistik 2015
Bedarfsplanung Pflegebetten Krummenacher/ Wächter 2013 Quelle: Finanzkontrolle Kanton SZ
3. Kosten und Finanzierung der Alterspflege im Kanton Schwyz
Beiträge der Gemeinden an die stationäre und ambulante Pflege 2016 Der Beitrag der Gemeinden an die Restfinanzierung Pflege für Nicht-EL-Bezüger/innen betrug im Jahr 2016 10.3 Mio. Franken. Hinzu kommt der Beitrag der Gemeinden an die EL in der Höhe von 13.2 Mio. Franken (inklusive Restfinanzierung Pflege). Zudem haben die Gemeinden Beiträge an die Spitex in der Höhe von 10 Mio. Franken geleistet. Insgesamt machten die Ausgaben der Gemeinden 2016 an die Finanzierung der stationären und ambulanten Pflege 33.5 Mio. Franken aus.
Ausgaben für die Pflegefinanzierung für Nicht-EL-Bezüger/-innen im stationären Bereich, Kanton Schwyz * * Im Jahr 2011 sind nur 3 Quartale enthalten. Quelle: Hintergrundbericht Ausgleichskasse Schwyz 2015/ 2016, eigene Darstellung
Übersicht Beiträge der Gemeinden 2016 Beiträge In Mio. Franken Restfinanzierung Pflege Nicht-EL-Bezüger/innen 10.3 Beiträge an EL 13.2 Beiträge an die Spitex 10.0 Total 33.5
Ergänzungsleistungen für Heimbewohner/innen Rund 50 % der Heimbewohner/innen waren 2016 auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Der Bund leistet 24.4 % an die EL. Davon gehen rund 18 % an die EL von Heimbewohner/innen. Die restlichen Kosten der EL werden von Kanton und Gemeinden je zur Hälfte getragen. Gemäss Schätzungen beliefen sich die Ausgaben für die EL von Kanton und Gemeinden für die Heimbewohner /innen 2016 zusammen auf 26.4 Mio. Franken. Gemeinden und Kanton leisteten damit je 13.2 Mio. Franken an die EL.
4. Demographische Entwicklung und die Folgen
Starke Zunahme der Personen im Alter 65 plus 2015 waren 1.5 Millionen Personen in der Schweiz über 65 Jahre alt. Das entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von 18 %. Im Jahr 2030 werden es 2.17 Mio. und im Jahr 2045 2.69 Millionen sein. Ihr Anteil wird auf 22.8 % bzw. 26.4 % steigen. Besonders stark zunehmen wird die Zahl der Personen über 80 Jahre. Im Jahr 2030 werden fast 700 000 Personen oder 7 % der Bevölkerung über 80 Jahre alt sein. 2015: 420 000 Personen. Im Kanton Schwyz wird die Zahl der über 80-Jährigen bis 2035 um 148 % zunehmen.
Ständige Wohnbevölkerung im Alter von 65 79 und ab 80 Jahren (Schweiz)
Entwicklung der Zahl der Personen ab 65 Jahren gemäss 3 Szenarien Szenarien Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2015-2045
Krummenacher/ Wächter 2013
Überdurchschnittliche Zunahme der über 80-Jährigen im Kanton Schwyz (2015 bis 2035)
Starke Zunahme der Anzahl pflegebedürftige Personen Ab dem Alter von 80 Jahren nimmt das Risiko, pflegebedürftig zu werden, exponentiell zu. Schätzungen gehen deshalb davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2035 um 50 %, im pessimistischen Szenario sogar um 100 % steigen wird. Im Kanton Schwyz wird die Zahl voraussichtlich schon bis 2022 gegenüber 2011 um rund 1 000 Personen oder 50 % zunehmen. Damit werden sich auch die Kosten der Gemeinden und des Kantons für die Pflege erhöhen.
Pflegebedürftigkeit nimmt ab 80 Jahren exponentiell zu Avenir Suisse 2016
Krummenacher/ Wächter 2013
5. Die Bedeutung einer integrierten Versorgung
Grosses Einsparpotenzial in der Langzeitpflege Gemäss einer Schätzung von Avenir Suisse gibt es in der Langzeitpflege ein Einsparpotenzial von 1.9 Milliarden Franken oder 17 % der heutigen Ausgaben von 11 Milliarden Franken. Damit dieses Potenzial realisiert werden kann, müssen Massnahmen getroffen werden, damit Personen, die nicht auf stationäre Pflege angewiesen sind, nicht oder nicht zu früh in ein Heim eintreten. Zu den Massnahmen gehören: Tages- und Nachtstrukturen, Entlastungsdienst für Angehörige, neue Wohnformen.
Sensibilisierung der älteren Menschen und ihrer Angehörigen Eine grosse Bedeutung kommt auch der besseren Information zu. Verschiedene Kantone verpflichten deshalb die Gemeinden, Informations- und Anlaufstellen für ältere Menschen und ihre Angehörigen einzurichten. Ganz zentral ist auch eine bessere Vernetzung und Koordination der sozialen und gesundheitlichen Leistungen und die Entwicklung einer Netzwerk-Kultur.
Informations- und Anlaufstellen im Kanton Schwyz In folgenden Gemeinden gibt es inzwischen Informations- und Anlaufstellen für ältere Menschen: Gemeinde Arth Bezirk Einsiedeln Bezirk Höfe Bezirk Küssnacht Gemeinde Reichenburg Gemeinde Schwyz Die Angebote dieser Stellen unterscheiden sich aber markant.
Bessere Koordination der sozialen und gesundheitlichen Leistungen Ganz zentral ist auch eine bessere Vernetzung und Koordination der sozialen und gesundheitlichen Leistungen und die Entwicklung einer Netzwerk-Kultur. Die Vernetzung und Koordination muss regional stattfinden. Wie diese Regionen aussehen könnten, ist offen. Offen ist auch, wer für die Koordination die Verantwortung übernehmen soll. Und wie diese Koordination konkret ausgestaltet werden soll.
Die Regionen im Kanton Schwyz
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!