Klarer Kopf. Klare Regeln! Die Führerscheinkampagne. Positionspapier

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Transkript:

Klarer Kopf. Klare Regeln! Die Führerscheinkampagne Positionspapier 1

Niemand will berauschte Fahrer im Straßenverkehr! Doch Cannabiskonsumenten wird der Führerschein oft dauerhaft entzogen, selbst wenn sie nicht unter Rauschwirkung am Steuer sitzen oder sogar überhaupt nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Die Ungleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsum führt zu schwerwiegenden Folgen für den Konsumenten und die Gesellschaft: Der langfristige Verlust des Führerscheins zerstört Existenzen und Steuerzahler werden zu Sozialhilfeempfängern gemacht auch wenn keine Verkehrsgefährdung vorgelegen hat! So wird oft nicht die Gefährdung der Verkehrssicherheit bestraft, sondern der reine Cannabiskonsum. Die Null-Toleranz Regelung für Cannabis ist ungerecht und unverhältnismäßig, sie trägt nicht zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei. Das Bedürfnis nach Sicherheit im Straßenverkehr muss auch mit dem Recht auf Mobilität und Teilhabe abgewogen werden. Für Alkohol existiert ein risikobasierter Grenzwert von 0,5 Promille (BAK), bei dessen Überschreitung ein Fahrer signifikant beeinträchtigt gilt und daher mit Geldbußen, Fahrverbot und Punkten in Flensburg bestraft wird. Bei einer absoluten Fahruntauglichkeit (ab 1,1 Promille) erfolgt ein Entzug der Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist über das Strafrecht. Zur Einhaltung des 0,5-Promille-Grenzwertes werden regelmäßige Kontrollen durchgeführt und so die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht. Im Gegensatz zu Alkohol wird bei Cannabis ein Analytischer Grenzwert von 1 ng THC/ml im Blutserum zur Feststellung einer Rauschfahrt verwendet. Diese technische Nachweisgrenze liegt so niedrig, dass dieser Wert auch noch nach Tagen überschritten sein kann. Auf Alkohol übertragen würde dies bedeuten, das schon bei einem Nachweis zwischen 0,0 und 0,3 Promille BAK mit erheblichen führerscheinrechtlichen Problemen zu rechnen wäre. Das Übertreten dieses analytischen THC-Wertes hat schwerwiegende Folgen: Im Ordnungswidrigkeitenrecht: Bußgeld, Punkte und zeitlich begrenzte Fahrverbote. Im Verwaltungsrecht: sofortiger und dauerhafter Entzug der Fahrerlaubnis wegen fehlendem Trennungsvermögen oder teure Überprüfungsmaßnahmen (MPU) mit der Aufforderung zu 12 Monaten Abstinenznachweis. Geringeres Unfallrisko im Vergleich zu Alkohol Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Verkehrssicherheit sind nachweisbar. Die Risikoerhöhung bewegt sich aber in einer Größenordnung deutlich unter der von Alkohol. Insbesondere regelmäßige Konsumenten zeigen aktuellen Studien zufolge keine statistisch signifikanten Auffälligkeiten. Andererseits weisen viele Studien darauf hin, dass gerade im niedrigen THC-Bereich von 1 3 ng sogar eine Verminderung des Unfallrisikos im Vergleich zu nüchternen Fahrern eintritt. Durch den geringen Grenzwert und die lange Nachweisbarkeit von Cannabis wird trotzdem auch mit diesen niedrigen Werten vielen Fahrern eine Rauschfahrt und mangelndes Trennungsvermögen unterstellt. Weiterhin wurde in den US-Bundesstaaten, in denen der Cannabiskonsum zu medizinischen Zwecken und/oder als Genussmittel legalisiert wurde, eine signifikante Verringerung der Unfallzahlen festgestellt weit über den Trend hinaus, der durch bessere Straßen und sicherere Autos landesweit ohnehin zu beobachten ist. Zum einen wird die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit durch Cannabis laut entsprechenden Studien im Mittel kaum höher bewertet als bei einem nicht ausgeschlafenen Fahrer. Zum anderen neigen Cannabiskonsumenten in entsprechenden Fahreignungstests zu angepasster, häufig überkompensierender Fahrweise. Auch dass das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) Patienten, die regelmäßig Cannabis konsumieren, für fahrtauglich hält, wenn nicht die zugrunde liegende Krankheit selbst dagegen spricht, zeigt, dass sich die Beeinträchtigung durch Cannabis in Grenzen hält. Messen mit zweierlei Maß Der in Deutschland gültige Grenzwert von 1 ng THC/ml Blutserum ist willkürlich gewählt. Selbst bei Gelegenheitskonsumenten kann er noch Tage nach dem letzten Konsum überschritten 2

werden. Die verkehrsrelevanten Auswirkungen eines Cannabiskonsums sind, abhängig von der Konsumform, nach 3 bis 6 Stunden abgeklungen. Während die Behörden bei Alkohol erst bei wiederholter Überschreitung der 0,5-Promille-Grenze (relative Fahruntauglichkeit) an einer ausreichenden Trennungsbereitschaft zweifeln und eine MPU anordnen, führt ein analytisch gesicherter Nachweis von THC auch ohne messbare Rauschwirkung oft zum sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis mit der verwaltungsrechtlichen Feststellung fehlendes Trennungsvermögen. Bei Alkohol erfolgt ein sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis nur dann, wenn eine absolute Fahruntauglichkeit (1,1 Promille BAK) festgestellt wurde (Straftat 316 StGB), eine Straßenverkehrsgefährdung (unter 0,5 BAK mit Ausfallerscheinungen, Straftat 315c) vorlag oder eine MPU nach wiederholtem Verstoß gegen die 0,5-Promille-Grenze ( 24a StVG) negativ ausgefallen ist oder nicht fristgerecht vorgelegt wurde. Anders als bei Alkoholkonsumenten kann der Umgang mit Cannabis auch unabhängig von einer Verkehrsteilnahme zu Überprüfungsmaßnahmen seitens der Fahrerlaubnisbehörde führen. Anders als bei Alkohol muss bei Cannabis grundsätzlich eine Abstinenz zwischen sechs und zwölf Monaten zum Zeitpunkt der MPU nachgewiesen und im Weiteren ein dauerhafter Drogenverzicht gegenüber dem Verkehrsgutachter glaubhaft gemacht werden. Ungeeignete Messverfahren Im Gegensatz zu der nahezu linearen Abbaukurve von Alkohol im Blut liegt bei THC ein komplizierter zeitlicher Verlauf vor. Bereits nach dem inhalativen Konsum einer kleinen Menge Cannabis steigt die THC-Konzentration im Blut sprunghaft auf Werte bis über 100 ng/ml Blutserum, sinkt aber ebenso schnell wieder. Dann verbleibt sie allerdings recht lange bei niedrigen Werten zwischen 1 und 10 ng/ml insbesondere dann, wenn häufig konsumiert wird. So kann aktives THC im Blut noch über 30 Tage und im Speichel bis zu acht Tage lang nachgewiesen werden. Die Abbauprodukte von THC können im Urin drei bis über 30 Tage nach dem letzten Konsum nachgewiesen werden. Mit den gängigen Schnelltestverfahren wird also vor allem der zurückliegende Konsum aufgedeckt und ein Anfangsverdacht generiert, der eine Blutkontrolle legitimiert. Die Schnelltests haben aber wenig Aussagekraft über eine akute Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Rechtsverbindliche Aussagekraft über die Fahrtauglichkeit hat nur die dann folgende Untersuchung des Bluts. Doch auch die Blutwerte sagen nur wenig aus über die tatsächliche Beeinträchtigung. Aufgrund des speziellen Abbauverhaltens von THC korreliert die Blutkonzentration anders als bei Alkohol nur schlecht mit dem Ausmaß der Beeinträchtigung. Mehrere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ca. drei Stunden nach dem letzten Konsum kein erhöhtes Unfallrisiko mehr besteht, unabhängig vom Blutwert. Durch die angewendeten Messverfahren wird allzu häufig nüchternen Fahrern eine Rauschfahrt unterstellt, die sie gar nicht begangen haben. Bei der in Deutschland durchgeführten Untersuchung des Blutserums werden im Vergleich zum Vollblut 1,5 2,8-mal höhere Werte gemessen, daher kommt es zu einer großen Abweichung des Grenzwertes im internationalen Vergleich. Die rechtliche Schieflage Im Zusammenhang mit Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr greifen zwei konkurrierende Rechtsgebiete: Sanktionsrecht: ordnungswidrigkeitsrechtliche und strafrechtliche Maßnahmen wie Bußgeld, Punkte und Fahrverbot zur Ahndung des Verkehrsverstoßes. Präventivrecht: Frage der grundsätzlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die über das Verwaltungsrecht geregelt ist (Erteilung, Entzug, Auflagen). Beide Rechtsgebiete unterliegen völlig unterschiedlichen Rechtssystematiken. Im Sanktionsrecht muss die Schuld des Betroffenen bewiesen sein, um zu einer Verurteilung zu kommen (Punkte, Fahrverbot, Bußgeld). Bei der Frage der Fahreignung hingegen liegt die Beweislast beim Betroffenen. Er muss bei Zweifeln an seiner Fahreignung diese nach Maßgabe der Verwaltungsbehörde (fachärztliches Gutachten/MPU) auf eigene Kosten ausräumen. Kann er dies nicht, wird die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen. 3

Im Weiteren kann die Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein auch unmittelbar entziehen, wenn die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Überzeugung der Behörde feststeht. Dies ist z.b. der Regelfall, wenn ein gelegentlicher Cannabiskonsument erstmalig mit einem THC-Nachweis ab 1 ng im Straßenverkehr aufgefallen ist. Dies führt zu der absurden Situation, dass der Gesetzgeber (Bund) die Sanktionen Bußgeld, Punkte und befristetes Fahrverbot für zielführend und verhältnismäßig erachtet, die Verwaltungsbehörden (Land) allerdings für den gleichen Sachverhalt einen sofortigen und gänzlichen Entzug der Fahrerlaubnis vorsehen. Dies führt nicht nur dazu, dass die Funktion des befristeten Fahrverbotes (erzieherische Maßnahme) regelhaft ins Leere läuft. Diese Auslegung der FeV führt auch dazu, dass selbst Präventivmaßnahmen aus der FeV, z.b. 36 FeV (Aufbaukurs für Probezeitverstoß Alkohol/ Drogen) ihr Ziel (Verhinderung einer erneuten Rauschfahrt) verfehlen, da bei Cannabiskonsumenten, anders als bei Alkoholdelinquenten, der Kurs erst nach Entzug und bestandener MPU angeordnet wird. Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Verwaltungsbehörden, anders als bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die Rechtskraft eines Bußgeldbescheides (Verstoß gegen 24a StVG) nicht abwarten müssen. So können sie die Fahrerlaubnis schon gänzlich entziehen, bevor der Betroffene überhaupt ein rechtsmittelfähigen Bußgeldbescheid erhalten hat. Die Verwaltungspraxis des Entzugs der Fahrerlaubnis nach dem ersten Verkehrsverstoß über 1 ng THC ignoriert auch eine normative Änderung der FeV aus dem Jahre 2008. Mit der 4. Änderungsverordnung hat der Bundesrat einen wesentlichen Passus in den 14 FeV eingefügt. Gemäß 14 Abs. 2 Satz 3 ist erst nach wiederholtem Verstoß gegen 24a StVG eine MPU anzuordnen (Zweifel an einer ausreichenden Trennungsbereitschaft). Diese Änderung wurde explizit mit einer Angleichung an die Verfahrensweise bei Alkohol begründet (vergl. Bundesrat Drucksache 302/08). Auch der VGH München hat dies für den Freistaat in einem Urteil vom 25.04.2017 entschieden. Pädagogisch wirksam? Um bei Rauschmitteln im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr für eine hinreichende Trennung zu sorgen, kann man grundsätzlich zwei unterschiedliche Wege gehen: Man setzt eine Null-Toleranz-Politik an. Selbst der kleinste Nachweis einer Substanz führt zu erheblichen Konsequenzen. Man führt risikobasierte Grenzwerte ein, bei dem eine Beeinflussung der Fahrtüchtigkeit durch die Substanz auszuschließen ist und darüber hinaus einen Grenzwert, der einer vertretbaren Beeinflussung durch andere, gesellschaftlich akzeptierte Faktoren entspricht. So entspricht die Unfallwahrscheinlichkeit von 0,5 Promille BAK etwa der Unfallwahrscheinlichkeit für einen unausgeschlafenen oder übermüdeten Fahrer. Das erscheint vertretbar und führt mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass Fahrer im Zusammenhang mit Alkohol abwägen, wie viel sie trinken können oder wann sie wieder hinreichend fahrtüchtig sind. Bei Null-Toleranz spielen hingegen die Sicherheit und die Trennungsbereitschaft des Konsumenten keine Rolle. Es wird jeder bestraft, der erwischt wird, unabhängig von der Frage, ob eine Trennung von Rausch und Fahrt vorliegt. Hohe Kosten, zweifelhafte Wirkung Durch die Folgen des langfristigen Entzuges der Fahrerlaubnis fallen erhebliche Kosten an, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Betroffenen. In vielen Fällen verlieren sie den Arbeitsplatz, Steuerzahler werden zum Sozialfall gemacht. Es drohen erhebliche Probleme im Familien- und Sozialleben: es erfolgt eine Ausgrenzung, ein Verlust an Kaufkraft und an Lebensqualität, eine gesellschaftliche Teilhabe wird somit verwehrt. Wenn der Entzug der Fahrerlaubnis noch abgewendet oder die Fahrerlaubnis zurück erlangt werden kann, summieren sich die Kosten für Gutachten, Abstinenznachweise und Verwaltungsgebühren schnell auf einen mittleren vierstelligen Betrag. Dabei liegt in vielen Fällen, trotz gegenteiliger Einschätzung auf der Grundlage von zu niedrigen Grenzwerten, keine tatsächliche Rauschfahrt vor. 4

Aus Sicherheitsaspekten ist es viel sinnvoller, eine saubere Trennung zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr zu belohnen, als einen (weit) zurückliegenden Cannabiskonsums nicht nur mit Fahrverbot und Geldstrafe zu ahnden, sondern auch direkt bei der ersten Auffälligkeit mit einem Entzug der Fahrerlaubnis zu bestrafen. Schlüssig argumentiert? Durch den extrem niedrig angesetzten Grenzwert kann der Konsum als solcher sanktioniert werden was laut der Drogenbeauftragten der Bundesregierung angeblich nicht stattfinden soll. Auf diese Weise fällt es natürlich weiterhin sehr leicht, einen Mangel an Trennungsvermögen zu unterstellen: Wenn man noch Tage nach dem Konsum und vollständigen Abklingen der Wirkung als Fahrer angesehen wird, der im Vollrausch am Verkehr teilnimmt, liegt es nahe, Cannabiskonsumenten allgemein einen Mangel an Trennungsvermögen zu unterstellen. Der niedrige Grenzwert führt jedoch dazu, dass der überwiegende Teil der aufgedeckten THC- Fahrten ohne messbare verkehrsrelevante Wirkung erfolgt. Fazit und Forderungen Für mehr Gerechtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Sicherheit im Straßenverkehr ist eine Angleichung der Verfahrensweisen in Bezug auf Alkohol und Cannabis notwendig. Dazu ist eine wissenschaftlich fundierte Anpassung des THC-Grenzwertes und dessen Normierung in 24a StVG nötig. Das ist die zentrale Forderung an die Bundesebene! Auch bei höheren THC-Werten ist bei manchen Betroffenen keinerlei Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit messbar. Deshalb wäre mittelfristig umzustellen auf Methoden, die eine tatsächliche Beeinträchtigung von Fahrern beurteilen. Forschung in diesem Bereich ist zu intensivieren. Politiker auf Landesebene sollten diese Forderungen, insbesondere zur Einführung eines gerechten THC-Grenzwertes, innerhalb ihrer Parteien bestärken. Auch eine Bundesratsinitiative kommt in Frage. Aber auch auf Länderebene sind Verbesserungen für mehr Gerechtigkeit möglich: Mit der IV. Änderungsverordnung (BR-Drs 302/08 vom 30.04.2008) wurde 14 Abs. 2 Satz 3 FEV angefügt, wonach wegen Zweifel an ausreichendem Trennungsvermögen bei einem wiederholten Drogennachweis im Straßenverkehr ( 24a StVG) eine MPU-Anordnung erfolgen soll. Diese Änderung, die eine Angleichung an die Praxis bei Alkohol vorsieht, wurde von den meisten Landesbehörden bislang nicht umgesetzt. Das BVerfG hat am 20.06.2002 entschieden, dass von Überprüfungsmaßnahmen durch die Fahrerlaubnisbehörden alleine aufgrund des Besitzes einer geringfügigen Menge Cannabis zum Eigenbedarf abzusehen ist. Auch dieses Urteil wird nicht in allen Bundesländern konsequent angewendet, insbesondere wenn bei den Behörden wiederholt Meldungen wegen geringer Besitzdelikte eingehen. Die Führerscheinstellen sind also per Durchführungserlass zur FEV anzuweisen, dass Besitzdelikte ohne Verkehrsbezug in keinem Fall zu Überprüfungsmaßnahmen führen dürfen. Die Polizei ist anzuweisen, Besitzdelikte wegen geringer Cannabismengen nicht mehr an die Führerscheinstellen zu melden. Alle Quellen für die in diesem Text zu findenden Aussagen in Bezug auf rechtliche und wissenschaftliche Aussagen, Studien usw. finden Sie in unserer Informationsbroschüre Wissenschaft, rechtliche Dimensionen & Kosten : www.fuehrerscheinkampagne.de/kampagne/material/broschuere/ 5