Öffentliche Auftragsvergabe und EU-Recht

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Transkript:

Heide Rühle MdEP Green Procurement Öffentliche Auftragsvergabe und EU-Recht Über 16 % des Bruttoinlandsproduktes bzw. mehr als 1.500 Mrd. Euro 1 beträgt der jährliche Umsatz der öffentlichen Beschaffungen von Gütern und Dienstleistungen in der Europäischen Union 2. Sofern die öffentlichen Verwaltungen diese Waren und Dienstleistungen nicht selbst herstellen bzw. erbringen können, sind sie darauf angewiesen, diese extern einzukaufen. Keine Frage, die Öffentliche Hand braucht diese Güter, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Allerdings ist sie abgesehen von ihrer überragenden Nachfragemacht kein Marktteilnehmer wie jeder andere, kann sich nicht einfach auf die Privatautonomie berufen, sondern ist, da sie öffentliche Gelder verwaltet, einem besonderen Rechtsregime unterworfen. Zu diesem Rechtsregime gehört neben den nationalstaatlichen Haushalts- und Beschaffungsrechten das Europäische Gemeinschaftsrecht 3. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes 4 beizutragen und ihnen ist die mittelbare und unmittelbare Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten aus Gründen der Staatsangehörigkeit untersagt. Sie müssen ferner die vier Freiheiten (Binnenmarktprinzip) gewährleisten, d.h. die Freiheit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften sowie das Transparenzgebot beachten. Zur Umsetzung dieser Primärrechte hat die EU, das heißt die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die Vertreter der Europäischen Mitgliedstaaten, die sog. Vergabe-Richtlinien 5 beschlossen, die die Bedingungen für die Auftragsvergabe oberhalb genau definierter Schwellenwerte 6 festlegt. Unterhalb der Schwellenwerte unterliegt die Auftragsvergabe in erster Linie den nationalen Vorschriften das entspricht dem Prinzip der Subsidiarität und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit in den Europäischen Verträgen, d.h. die EU soll nur das regeln, was für die Herstellung des Binnenmarktes relevant ist 7. 1 Angaben laut Internationalem Währungsfonds für das Jahr 2006, nominales BIP in Mio US $ auf der Grundlage des Währungskurses vom Oktober 2007 für die EU: 14.609.840 Mio US $ 2 Auch wenn davon ein erklecklicher Teil für Verteidigungsgüter ausgegeben wird, die bisher nicht den Vergabe- Richtlinien unterliegen. Seit kurzem liegt aber auch für diesen Bereich der Vorschlag für eine Europäische Vergabe-Richtlinie vor. 3 Vergaberecht wird darüber hinaus durch das Völkerrecht (WTO) bestimmt: Das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen von 1994 (GPA, Agreement On Government Procurement ), im Rahmen der Urugay-Runde abgeschlossen und seit 1.1.1996 in Kraft, ist allerdings nur gültig für Staaten die es gesondert ratifiziert haben, wie beispielsweise die EU. 4 Die Verwirklichung der europäischen Marktes/Binnenmarkt ist nach den derzeit gültigen Europäischen Verträgen oberste Zielvorschrift, da von ihr der größte Nutzen beim Fortschreiten der Europäischen Integration erwartet wird insbesondere im Hinblick auf eine dauerhafte Friedenssicherung. 5 Richtlinie 2004/18/EG vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge und Richtlinie 2004/17/EG vom 31.4.2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. 6 Aktuelle Schwellenwerte: 412.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Sektorenbereich, 206.000 Euro für sonstige Liefer- und Dienstleistungsaufträge, sowie 5.150.000 Euro für Bauaufträge und Baukonzessionen. 7 Artikel 5 Abs. 2 EG. Diese Prinzipien sollen in erster Linie zur Wahrung der mitgliedstaatlichen Identitäten und einem größeren Maß an Bürgernähe dienen (Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und Grundsatz des geringsten Eingriffes).

Leider hält sich neuerdings die Europäische Kommission nicht mehr an diese, von den europäischen Gesetzgebern definierten Schwellenwerte, sondern unterstellt in verschiedenen Mitteilungen 8 die Binnenmarktrelevanz und damit die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung - auch unterhalb der Schwellenwerte. Gegen diese Interpretation klagen derzeit mehrere europäische Regierungen, auch die deutsche Bundesregierung, sowie das Europäische Parlament vor dem Europäischen Gerichtshof. Allerdings wäre die Klage wirkungsvoller und glaubwürdiger, wenn die deutsche Regierung auch unterhalb der Schwellenwerte die Transparenz und den Rechtschutz bei der Auftragsvergabe absichern und sich nicht hinter die unterschiedlichen Standards in den deutschen Bundesländern zurückziehen würde. Nachhaltige Beschaffung Ökologische, soziale und ethische Kriterien Die Europäische Union verpflichtet die Mitgliedstaaten ausdrücklich NICHT bei der Auftragsvergabe in einen Wettbewerb um das billigste Angebot einzutreten! Zwar ist es möglich bei einer Vergabe auch das kostengünstigste Angebot zu wählen, gleichberechtigt steht dem aber die Möglichkeit gegenüber das wirtschaftlich günstigste Angebot in einem transparenten Verfahren zu ermitteln. An der grundsätzlichen Zulässigkeit von ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe kann aufgrund europäischen Rechts und europäischer Rechtssprechung 9 nicht mehr gezweifelt werden. Es war schon unter dem alten Regelwerk 10 möglich soziale und ökologische Kriterien bei der Ausschreibung öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsverträge einzubeziehen sie führten diese Möglichkeit zwar nicht ausdrücklich aus, schlossen sie aber auch nicht aus. Zwei im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Mitteilungen der Kommission aus dem Jahr 2001 erläutern beispielsweise ausführlich die Einbeziehung sozialer und ökologischer Kriterien 11. Die Präambel der neuen, revidierten Richtlinien aus dem Jahr 2004 hebt nun die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes hervor: den öffentlichen Bedürfnissen zu entsprechen, einschließlich umweltverträglicher und sozialer Belange, sofern sie in Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und nicht zu einer uneingeschränkten Entscheidungsfreiheit der Auftragsbehörden führen. Zudem müssen sie den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechtes entsprechen 12. Und in Art. 38 bzw. 26 sehen die neuen Vergabe-Richtlinien der EU (2004/17/EG und 2004/18/EG) ausdrücklich vor, dass öffentliche Auftraggeber Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages vorschreiben können. Dort heißt es: Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen (Artikel 38). Bzw. Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für 8 Unter anderem Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen (2006/C 179/02). 9 Urteil des EuGH im Fall "Concordia Bus" vom 17.09.2002 10 Richtlinie 92/50/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, Richtlinie 93/36/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge und Richtlinie 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge 11 Zwar sind die Ziele Umweltschutz, Sozialschutz, sowie in Art. 177 der EG-Verträge das Ziel der Nachhaltigen Entwicklung in den jetzt noch gültigen Verträgen sogenannte nachgelagerte Ziele, aber auch sie sind primärrechtlich abgesichert. Der neue Reformvertrag von Lissabon stärkt ihre Bedeutung darüber hinaus. 12 Insbesondere die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit und die Grundsätze die sich daraus ergeben, sowie das Prinzip der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung, der gegenseitigen Anerkennung, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Prinzip der Transparenz (Präambel 2). 2

die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen (Artikel 26 RL 2004/18/EG). Allerdings müssen andere als wirtschaftliche Kriterien die folgenden Voraussetzungen erfüllen: - sie müssen mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen, - sie dürfen dem Auftraggeber keine unbeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen, - sie müssen ausdrücklich im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung das Auftrages genannt sein, - sie müssen alle tragenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere das Diskriminierungsverbot beachten. Die Bundesregierung hat bisher diese Artikel nicht in verbindliches nationales Recht umgesetzt, obwohl sie verbindlich, nicht optional sind! Außerdem hätte sie über die Kann - Bestimmungen hinaus die Möglichkeit eigene, verbindliche und umsetzungsfähige Regelungen zu erarbeiten. Das gleiche gilt für die Verpflichtung zur Gleichstellung der Geschlechter (Gender-Mainstreaming), auch dies kann durch die Vergabe öffentlicher Aufträge gefördert und gefordert werden. Während beispielsweise die umweltfreundliche öffentliche Auftragsvergabe 13 auf europäischer Ebene als wirksames Instrument zum Klimaschutz betrachtet wird, werden ökologische, soziale und ethische Kriterien in Deutschland auf Bundes- und Länderebene noch immer unter dem Stichwort vergabefremde Leistungen diskutiert, dabei ist das europäische Recht im Bezug auf deren Zulässigkeit eindeutig - so wird Rechtsunsicherheit geschaffen, statt Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und eine verantwortungsvolle Vergabe-Praxis der Kommunen erschwert. Stand der Umsetzung in den Mitgliedstaaten Die Vergabe-Richtlinien waren bis zum 31.01.2006 in nationales Gesetz umzusetzen. Bis zum Jahr 2007 hatten dies nur 20 von 27 Mitgliedstaaten getan. Das Europäische Parlament hat die zögerliche Umsetzung in einem Bericht am 11.6.2007 kritisiert 14 und die vollständige und korrekte Umsetzung gefordert. Als wesentliche Gründe für die Nicht-Umsetzung wurden uns genannt: mangelnder nationaler juristischer Sachverstand, mangelnde Humanreserven und fehlender politischer Wille. Ein Bericht der Weltbank enthüllt fortbestehende, ja sogar zunehmende Probleme mit Korruption. Die verantwortliche Berichterstatterin Arlene McCarthy (brit. Sozialistin, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucher) fordert in dem vom Parlament mit großer Mehrheit verabschiedeten Bericht: - das vorkommerzielle Beschaffungswesen stärker als Motor für Innovation zu nutzen, - analog zum Handbuch der Kommission über die Anwendung umweltbezogener Kriterien auch ein Handbuch/Leitlinien für die Anwendung sozialer Kriterien zu erarbeiten, 13 Für die EU-Kommission und andere EU-Institutionen genießt vor allem die "grüne Beschaffung" eine hohe politische Priorität. Dies spiegelt sich in zahlreichen politischen Dokumenten (z.b. "Kok-Report"), Leitfäden und Initiativen zum "green procurement" insbesondere der Generaldirektion Umwelt (http://ec.europa.eu/environment/gpp/index_en.htm) wieder. Des Weiteren hat die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten Aktionspläne für eine umweltfreundliche Beschaffung empfohlen - von Deutschland wurde dies mit dem Hinweis auf den föderalen Staatsaufbau und einen Konflikt zwischen quantitativen Zielvorgaben für umweltfreundliche Beschaffung und dem wirtschaftliche Einkauf durch die öffentliche Hand abgelehnt 14 A6-0226/2007 3

- Aufbau eines Managementsystems, Schulung für die verantwortlichen Personen und ihre Koordinierung in europäischen Netzwerken fördern, - Sowie den Wandel von haushaltsbezogenem zu einem ergebnisorientierten Konzept der Beschaffung, wobei die Kosten des gesamten Projektzyklus zu berücksichtigen sind. Auch die deutsche Umsetzung lässt, wie schon erwähnt, zu Wünschen übrig. Die technischen Vorgaben der EU-Beschaffungs-Richtlinien sind durch die im Jahr 2006 durchgeführte zweite Änderungen der VOB/A 2006, der VOL/A 2006 sowie der VOF 2006 umgesetzt worden. Es war erklärtes Ziel, nur unbedingt Erforderliches umzusetzen. - Dem fielen die oben erwähnten grundsätzlich umzusetzenden Möglichkeiten der Auftragsvergabe nach sozialen und ökologischen Kriterien (Art. 38 bzw. 26 der Vergabe-Richtlinien) schon mal zum Opfer 15. - Ungenügend umgesetzt ist in Deutschland bisher auch die in den neuen Richtlinien vorgesehene Möglichkeit Bieter vom Verfahren auszuschließen, die aufgrund eines nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates rechtskräftigen Urteils wegen Delikten bestraft wurden, die ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellen. - Die neuen Möglichkeiten zu einer flexibleren Auftragsvergabe 16, die durch die vorkommerzielle Auftragsvergabe und den wettbewerblichen Dialog bzw. im Rahmen der dynamischen Beschaffung eröffnet wurden sind bisher nicht in deutsches Recht umgesetzt. - Ferner fehlt noch die Möglichkeit der elektronischen Vergabe von Beschaffungen (elektronische Auktion). Bisher gibt es noch keine offiziellen Aussagen der Kommission zum Umsetzungsstand in Deutschland, noch wird auf den dritten Umsetzungsschritt gewartet. Zum komplizierten deutschen Vergaberecht (Kaskaden-Prinzip) hört man allerdings in Brüssel, dass die EU-Kommission seit langem auf eine Vereinfachung drängt, da die Erstellung der Verdingungsordnungen in den Vergabeausschüssen in Konflikt zu europarechtlichem Transparenzgebot steht. Bisher sieht Kommission aber (noch) keinen Grund zum Eingreifen - sollten sich jedoch ausländische Bieter benachteiligt fühlen und in Brüssel beschweren ist ein Vertragsverletzungsverfahren denkbar. Ein einfaches, einheitliches und transparentes Vergabeverfahren würde dazu beitragen, die Arbeit der Vergabestellen einfacher zu gestalten. Und weniger Unsicherheiten bei der ordnungsgemäßen Durchführung eines Verfahrens, erhöhen auch die Bereitschaft, anspruchsvollere Ausschreibungen durchzuführen und Umwelt- oder soziale Aspekte einzubeziehen. Außerdem verhindert der fehlende Primärrechtsschutz, dass unterhalb der europäischen 15 Richtlinien sind nach Art. 249 EGV hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. Mitgliedstaaten können Spielräume nur innerhalb der von der Richtlinie gezogenen Grenzen wahrnehmen. Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der zu ergreifenden Mittel haben sie nur, wenn und soweit die Richtlinienbestimmung hierzu keine Festlegung trifft. Bei einer Mindestharmonisierung, wie im vorliegenden Fall, kann der Mitgliedstaat über die Mindestbestimmungen hinaus gehen, wenn und soweit damit den Richtlinienvorgaben nicht widersprochen wird. 16 Das neu eingeführte Verfahren des wettbewerblichen Dialogs ist v.a. für komplexe Aufträge gedacht, bei denen die technische Lösung oder die rechtlichen und finanziellen Konditionen im Vorfeld nicht eindeutig definiert werden können. In einem Dialogverfahren können diese Fragen zwischen Vergabestelle und Bietern konkretisiert werden. 4

Schwellenwerte die Anerkennung von Umweltschutzkriterien gerichtlich durchgesetzt werden kann. Inhouse-Vergabe Kommunale Zweckverbände Rechtsunsicherheit wird aber auch durch die EU geschaffen. Da ist zum einen die schon erwähnte Mitteilung der Kommission zu Anwendungsfragen bei der Vergabe unterhalb der Schwellenwerte. Es dient nicht der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, wenn die Kommission den Willen der europäischen Gesetzgeber (Europa-Parlament und Rat), europaweite Ausschreibungen auf Schwellenwerte zu begrenzen, missachtet und gegen die Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit verstößt. Allerdings wäre, wie schon erwähnt, der Deutsche Gesetzgeber auch gut beraten unterhalb der Schwellenwerte das Gebot der Transparenz und des Rechtsschutzes einzuführen. Noch immer ist in Deutschland die Direktvergabe die Regel und nicht die Ausnahme. Und dann das leidige Inhouse-Problem, d.h. die Frage wie Öffentlich-Private Gesellschaften hinsichtlich der Auftragsvergabe zu behandeln sind. Wird ihre Beauftragung als ausschreibungsfreie interne Beauftragung verstanden oder handelt es sich hier um einen externen Vorgang, der dann auch konsequenterweise ausgeschrieben werden muss? Gibt es zu berücksichtigende Schwellenwerte? Welche Rolle spielt die Frage ob der Betrieb (die Gesellschaft) in erster Linie bzw. ausschließlich für den öffentlichen Auftraggeber Leistungen erbringt? Mangels politischer Festlegung durch die Gesetzgeber, an dem übrigens auch Deutschland nicht ganz unschuldig ist, liegt in diesem Bereich nur die Auslegung des Europäischen Gerichtshofes vor 17 - diese ist aber wie meist im europäischen Case-Law nur wenig differenziert, denn das Urteil bezieht sich auf den konkreten Fall und klammert viele andere offene Fragen wie beispielsweise stille Gesellschafter oder Zwangsmitgliedschaften von Privaten bei Kommunalen Zweckverbänden naturgemäß aus. Noch problematischer ist die Frage der Öffentlich-Öffentlichen Partnerschaften, der Interkommunalen Zusammenarbeit bzw. den kommunalen Zweckverbänden. Nach der Rechtssprechung des EuGH findet in solchen Konstellationen das Vergaberecht nur dann keine Anwendung, wenn der Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle und wenn der Auftragnehmer außerdem seine Tätigkeit im Wesentlichen für den Auftraggeber bzw. ihn und etwaige Gesellschafter erbringt 18. Dies engt die Möglichkeit der Kommunen gemeinsam Dienste der Daseinsvorsorge zu erbringen stark ein und gefährdet diese wichtige Funktion in Zeiten zurückgehender Bevölkerungszahlen und wachsenden Modernisierungsdrucks. Überblick über Verabschiedete Richtlinien, Mitteilungen und geplante Gesetzgebung Verabschiedet: - Klassische Richtlinie für öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (2004/18/EGV) - Sektoren-Richtlinie für den Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, sowie der Postdienste (2004/17/EGV) 17 Der EuGH sieht schon bei einer Minimalbeteiligung von Privaten weniger als 1 % - einen externen Vorgang, der ausgeschrieben werden muss. 18 Rechtssache Teckal. 5

- Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (Nr. 1370/2007/EGV) - Rechtsmittel-Richtlinie (2007/66/EGV) - Aktionsplan zur Umsetzung und Anwendung der Rechtsvorschriften über die elektronische Vergabe öffentlicher Aufträge (SEC (2004) 1639) Mitteilungen der Kommission : - Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen - Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte (2006/C 179/02) vom 24.07.2006. - Mitteilung der Kommission zur Vorkommerziellen Auftragsvergabe Innovationsförderung zur Sicherung tragfähiger und hochwertiger öffentlicher Dienste in Europa KOM(2007)799 SEK(2007)1668 vom 14.12.2007 - Mitteilung der Kommission zu iöpp (institutionellen Öffentlich-Privaten Partnerschaften) C(2007)6661 vom 5.2.2008 - Mitteilung der Kommission Eine Leitmarkt-Initiative für Europa KOM(2007)860 vom 21.12.2007 Entwürfe der Kommission liegen ferner vor für: - Richtlinien-Entwurf über Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit KOM(2007) 766 endgültig vom 5.12.2007, - Richtlinien-Entwurf über die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern KOM(2007) 765 endgültig, vom 5.12.2007, - Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge KOM(2007)817-2005/0283 (COD), vom 19.12.2007, - Geplant: Small Business Act Angekündigt aber noch nicht veröffentlicht ist ferner - Mitteilung der Kommission zur Interkommunalen Zusammenarbeit, Kommunalen Zweckverbänden - Sowie eine Richtlinie zur Auftragsvergabe von Dienstleistungskonzessionen. 6