AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL AOV - Agentur für die Verfahren und die Aufsicht im Bereich öffentliche Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE ACP - Agenzia per i procedimenti e la vigilanza in materia di contratti pubblici di lavori, servizi e forniture Rechtliche Rahmenbedingungen für öffentlich-private Partnerschaften in Italien Thomas Mathà 1
Begriff der öffentlich-privaten Partnerschaft ( ÖPP ) Keine europaweit geltende Definition Der Begriff ÖPP bezieht sich auf Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen zwecks - Finanzierung - Bau - Renovierung - Betrieb - Unterhalt einer Infrastruktur oder Bereitstellung einer Dienstleistung. 2
ÖPP in Europa Ende der 1980er Jahre beginnt ÖPP verstärkt in Europa, ausgehend von Großbritannien, historisches Beispiel Eurotunnel (GB-F), damalige EG investiert über EIB (ab 1987) Leitlinien der Europäischen Kommission zu Konzessionen im Jahr 2000 Erste Leitlinien der Europäischen Kommission zu Anwendungsfragen der ÖPP im Jahr 2003 EU-Grünbuch zu ÖPP 2004 Neue Mitteilung der Kommission im Jahr 2005 (Zusammenfassung des Rechtsbestandes) Mitteilung der Kommission zu Gründungen von ÖPP im Jahr 2007 Neue Richtlinienvorschläge 2011 zu Konzessionen 3
ÖPP in Italien erstmals rechtlich erfasst 1998 (Merloni-ter, G. 415/1998) erweitert im subjektiven Bereich durch Merloni-quater (G. 166/2002) Verfahrensneuerungen mit Gemeinschaftsgesetz 2004, auch aufgrund von EU-Vertragsverletzungsverfahren mit dem Vergabekodex 163/2006 einheitliche Regelung im Abschnitt III erneute Reform der ÖPP-Bestimmungen im Kodex 2008 und 2011 und auch 2012 4
Daten über ÖPP in Italien in Europa: Italien an 2. Stelle (ca. 40% der Vergaben), nach Großbritannien (57 %), Deutschland nur ca. 9% Daten: EU-Kommission in Italien: 2011: öffentliche Aufträge für 23 Milliarden EUR (13.000 Verfahren) davon ca. 11 Mrd ÖPP (44%) und ca. 13 Mrd herkömmliche Vergaben (56%) in Südtirol: ca. 0,4% aller Vergaben Daten: CIPE 5
Merkmale einer öffentlich-privaten Partnerschaft ( ÖPP ) Langfristig angelegte Projektbeziehung Finanzierung eines Projekts wird zum Teil von der Privatwirtschaft getragen, kann aber durch öffentliche Mittel beträchtlich ergänzt werden Wichtige Rolle des Wirtschaftsteilnehmer, der sich an verschiedenen Phasen des Projekts (Konzeption, Durchführung, Inbetriebnahme, Finanzierung) beteiligt Konzentration des öffentlichen Partners auf Bestimmung der Ziele im Sinne des öffentlichen Interesses (Qualität der angebotenen Dienstleistungen, Preispolitik) 6
Merkmale einer öffentlich-privaten Partnerschaft ( ÖPP ) Risikoteilung - Auf den privaten Partner werden Risiken transferiert, die normalerweise der öffentliche Sektor trägt. - Teilung des Risikos wird von Fall zu Fall festgelegt und hängt von der Fähigkeit der Beteiligten ab, diese zu beurteilen, zu kontrollieren und zu beherrschen. 7
Formen der ÖPP 1) ÖPP auf Vertragsbasis Partnerschaft zwischen öffentlichem und privatem Sektor basiert nur auf vertraglichen Beziehungen 2) Institutionalisierte ÖPP Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor erfolgt innerhalb eines eigenen Rechtssubjekts (vgl. Art. 156 Kodex) 8
Rechtsrahmen für ÖPP in Italien Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 163/2006: Gesetzbuch über öffentliche Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge zur Umsetzung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG sowie korrigierende bzw. ergänzende Novellen (Nr. 6/2007, 113/2007 und 152/2008) insbesondere: Abschnitt III / Art. 152 160-ter zentraler Artikel: 153 9
Prioritäre Vorhaben Art. 128, Abs. 2, 3, und 6 des Gesetzbuches Abs. 2: Die öffentlichen Auftraggeber ermitteln vorrangig die Bedürfnisse, die durch die Realisierung von Bauvorhaben befriedigt werden können, die aufgrund der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Führung mit privatem Kapital finanziert werden können. 10
Prioritäre Vorhaben Art. 128, Abs. 2, 3, und 6 des Gesetzbuches Abs. 3: Das Dreijahresprogramm muss eine Rangordnung vorsehen. Im Rahmen dieser Rangordnung sind Instandhaltungsarbeiten, die Wiedergewinnung der bestehenden Bausubstanz, die Fertigstellung bereits begonnener Bauarbeiten, die genehmigten Ausführungsprojekte sowie Vorhaben, für welche die Möglichkeit einer Finanzierung mit vorwiegendem Privatkapital besteht, auf jeden Fall als vorrangig anzusehen. 11
Prioritäre Vorhaben Art. 128, Abs. 2, 3, und 6 des Gesetzbuches Abs. 6: Die Aufnahme eines Vorhabens in das jährliche Verzeichnis setzt zumindest die Genehmigung der Vorplanung voraus; dies gilt nicht für Bauvorhaben laut Artikel 153, bei welchen die Machbarkeitsstudien ausreichen. 12
Definition ÖPP Art. 3, Abs. 15ter GVD Nr. 163/2006 ÖPP-Verträge, sind Aufträge ( ) mit Risikoverteilung gemäß den geltenden gemeinschaftlichen Vorschriften und Leitlinien, wie z.b.: Baukonzessionen Dienstleistungskonzessionen Leasing Vergabe von Bauleistungen durch Projektfinanzierung gemischte Gesellschaften 13
Grundlagen der ÖPP gemäß Vergabekodex Die Bestimmungen unterscheiden Projektierung, Bau und Führung. Das Verfahren ist grob so unterteilt: Phase 1 Vorbereitung Veröffentlichung durch die Öffentliche Verwaltung über Vorhaben und Projekte; Promotoren melden sich und bringen Vorschläge ein (30.6. j.j.); Verwaltung bewertet Phase 2 Vergabeverfahren Verwaltung wählt Promotoren aus, erstellt definitives Projekt und wählt mit den Promotoren die Durchführung des Vorhabens aus, über ein zweistufiges transparentes Vergabeverfahren Phase 3 Durchführung (Bau und Verwaltung) in der Regel wird eine Projektgesellschaft gegründet, welche das Vorhaben durchführt; verschiedene Möglichkeiten betreffend das Eigentum des Bauwerks, auch nach Ende der Realisierung 14
Definition ÖPP Verfügbarkeitsvertrag (Art. 160-ter), eingeführt mit G.D. Nr. 1/2012 (sog. Decreto Liberalizzazioni ) auch Vergabe an einen Generalunternehmer kann ÖPP darstellen, wenn die Gegenleistung für die Realisierung des Bauwerks ganz oder teilweise nachträglich und in Verbindung mit der Verfügbarkeit des Bauwerks für den Auftraggeber oder für Drittnutzer erbracht wird 15
Neuer Rechtsrahmen auf EU-Ebene KOM(2011) 897 vom 20.12.2011 Vorschlag für RL über die Konzessionsvergabe Art. 2, Abs. 2 Recht zur Nutzung des Bauwerks oder der Dienstleistungen (.) beinhaltet Übertragung des Betriebsrisikos auf Konzessionsnehmer Es wird angenommen, dass Konzessionsnehmer Betriebsrisiko übernimmt, wenn nicht garantiert ist, dass die getätigte Investition oder die Kosten des Betriebs des Bauwerks oder der Erbringung der Dienstleistungen wieder hereingeholt werden können. 16
Neuer Rechtsrahmen auf EU-Ebene KOM(2011) 897 vom 20.12.2011 Vorschlag für RL über die Konzessionsvergabe Art. 2, Abs. 2 Das wirtschaftliche Risiko kann Folgendes umfassen: a) das mit der Nutzung des Bauwerks oder der Nachfrage nach der Dienstleistung verbundene Risiko; oder b) das mit der Verfügbarkeit der vom Konzessionsnehmer bereitgestellten oder für die Dienstleistungserbringung genutzten Infrastruktur verbundene Risiko. 17
Verfügbarkeitsvertrag - Definition Art. 3, Abs. 15-bis Verfügbarkeitsvertrag = Vertrag, mit dem ein Auftragnehmer beauftragt wird, auf eigenes Risiko und eigene Kosten für den öffentlichen Auftraggeber ein in privatem Eigentum stehendes Bauwerk, das für die Ausübung eines öffentlichen Dienstes bestimmt ist, gegen eine Gegenleistung zu errichten und dem Auftraggeber zur Verfügung zu stellen. 18
Verfügbarkeitsvertrag - Definition Zurverfügungstellen Auftragnehmer übernimmt auf eigenes Risiko die Gewähr für die ständige Nutzbarkeit des Bauwerks durch den öffentlichen Auftraggeber unter Beachtung der im Vertrag vorgesehenen Funktionalitätsparameter zu diesem Zweck sichert er dem Auftraggeber die einwandfreie Instandhaltung und die Behebung aller etwaigen, auch nachträglichen, Mängel zu 19
Verfügbarkeitsvertrag Bereiche in denen der Verfügbarkeitsvertrag zur Anwendung kommt: 20
Verfügbarkeitsvertrag Eigenschaften (Art. 160-ter) Eigentümer des Bauwerks ist der private Auftraggeber: 1) Der öffentliche Auftraggeber trägt kein Risiko 2) Die Finanzinstitute können auf die Begründung einer Sicherheit zählen 3) Ausgeschlossen sind Bauwerke auf Demanialgütern 4) Gelegenheit um frühere Immobilien, die früher Demanialgüter waren, abzutreten und aufzuwerten 21
Verfügbarkeitsvertrag Enteignung Art. 160-ter, Abs. 3 Die mit etwaigen Enteignungen verbundenen Kosten werden in der Kostenübersicht der Investitionen berücksichtigt und im Rahmen des Verfügbarkeitsvertrags finanziert. Regelung der öffentlichen Bauwerke Art. 160-bis, Abs. 4 quater Auf das Bauwerk, das Gegenstand des Leasingvertrags ist, kann zu Raumordnungs-, Bau und Enteignungszwecken die für öffentliche Bauwerke geltende Regelung angewandt werden; das Bauwerk kann auf einer in der Verfügbarkeit des Zuschlagsempfängers liegenden Fläche realisiert werden. 22
Verfügbarkeitsvertrag Enteignung Art. 143, Abs. 5 Nach Analyse der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit können die öffentlichen Auftraggeber im Wirtschafts- und Finanzplan und in der Konzession vorsehen, dass sie als Preis das Eigentum oder das Nutzungsrecht an den in ihre Verfügbarkeit fallenden oder zu diesem Zweck enteigneten Liegenschaften abtreten, deren Nutzung oder Aufwertung für das wirtschaftlich finanzielle Gleichgewicht der Konzession notwendig ist. 23
Verfügbarkeitsvertrag Enteignung Art. 143, Abs. 5 Die Modalitäten für die Nutzung bzw. Aufwertung der Liegenschaften werden vom öffentlichen Auftraggeber zusammen mit der Genehmigung des der Ausschreibung zugrunde gelegten Projekts gemäß Artikel 97 festgelegt und bilden eine der Voraussetzungen für das wirtschaftlichfinanzielle Gleichgewicht der Konzession. 24
Verfügbarkeitsvertrag Entgelt und Kontrolle der öffentlichen Verwaltung Das Verfügbarkeitsentgelt ist die Gegenleistung der öffentlichen Verwaltung: 1) Kürzung des Entgelts bei fehlender Verfügbarkeit oder Funktionalität: starkes Mittel der Kontrolle 2) Öffentlicher Beitrag von max. 50% der Errichtungskosten des Bauwerks 25
Verfügbarkeitsvertrag Entgelt und Kontrolle der öffentlichen Verwaltung 3) Ein Beitrag wird nur im Fall einer Eigentumsübertragung des Bauwerks an den öffentlichen Auftraggeber gewährt 4) Festlegung des zu zahlenden Preises für die Eigentumsübertragung: bemisst sich an den bereits gezahlten Entgelten und dem Restmarktwert des Bauwerks 26
Verfügbarkeitsvertrag Führungssicherung (garanzia gestionale), Art. 160-ter, Abs. 3 Ab dem Tag, an dem das Bauwerk zur Verfügung gestellt wird, muss der Auftragnehmer eine Kaution zur Sicherung der Vertragsstrafen wegen fehlender oder ungenauer Erfüllung aller vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Bereitstellung des Bauwerks im Ausmaß von zehn Prozent der jährlichen operativen Führungskosten gemäß den Modalitäten laut Artikel 113 leisten; die unterbliebene Vorlage dieser Kaution stellt eine schwerwiegende vertragliche Nichterfüllung dar. 27
Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 28