Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB,

Ähnliche Dokumente
Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, MdB, anlässlich der. Bund-Länder Konferenz

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB, anlässlich der Eröffnung der Berufsbildungskonferenz

Vertikale Durchlässigkeit in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern in Niedersachsen

Vergleichbarkeit & Anrechenbarkeit beruflicher Aus- und Weiterbildung

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB,

Europäischer Ausbildungsmarkt

Stellungnahme von ProDG/Freddy Cremer Plenarsitzung vom Es gilt das gesprochene Wort

Aktuelle Entwicklungen zum Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) und Validierung non formaler & informeller Lernprozesse

Fluch oder Segen für die Gesundheitsund Krankenpflege: Der Deutsche Qualifikationsrahmen

Europäisierung der beruflichen Bildung: Mehr Transparenz und Durchlässigkeit

Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)

BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

Weiterbildung im europäischen Kontext

24. Januar 2013 HERZLICH WILLKOMMEN!

FAQ zum Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR)

ver.di Klausurtagung des LV MIT Saarland, 6. August 2010

Nationaler Qualifikationsrahmen (NQR)

Ordnung über das Verfahren zur Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten

FAQ zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)

Was ist denn schon da? Man muss ja nicht bei null anfangen. Wie kann informell Erlerntes erfasst und anerkannt werden?

Durchlässigkeit im Bildungssystem und Anerkennung von Lernleistungen

T H E M E N S E R V I C E

VERZEICHNIS AUSGEWÄHLTER BESCHLÜSSE ZUR BERUFLICHEN BILDUNG

Duale Bildung (k)ein Auslaufmodell?

Stellungnahme zur Verordnung über den nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) für Abschlüsse der Berufsbildung (Vorentwurf vom Februar 2012)

Hochschultage Berufliche Bildung 23. März 2011 FT 08 Metalltechnik und Elektrotechnik-Informatik

Der Europäische Qualifikationsrahmen und die aktuellen Entwicklungen im Deutschen Qualifikationsrahmen

Forum 2: Modernisierung der beruflichen Bildung

Starthilfe So kann Ausbildung gelingen. Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB,

Lebenslanges Lernen und Employability

ECVET am Beispiel des Sektors Tourismus. Pilotprojekte und Rahmenbedingungen. Das Zusammenspiel der Instrumente

Welche Chancen bietet der EQARF für die österreichische Berufsbildung? Gabriela Nimac & Franz Gramlinger

Kanzler Martin Kraft Telefon

Kompetenz-Orientierung im deutschen Bildungssystem

DQR und berufliche Qualifizierung in Werkstätten

Fachtagung Kunst, Musik und Sport

Die Zukunft der dualen Ausbildung in Europa. Tagung der ARGE ALP am in Feldkirch

Die Fachschule Gotha in der Thüringer Bildungslandschaft

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB,

// Berufsausbildung für Europas Jugend

Bildung. Positionspapier

Im Dickicht der Hochschulsteuerung: Rahmenbedingungen für mehr Durchlässigkeit zwischen Studium und Beruf

Die Rahmenrichtlinien für Qualifizierung des Deutschen Olympischen Sportbundes im DQR-Ranking

Der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen

Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR):


Die Zukunft der Universität Perspektiven für Forschung und Lehre. Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, MdB,

P I 6 Der Kopenhagen-Prozess und seine Auswirkungen auf Berufs- und Laufbahnausbildungen in der Bundeswehr

ENTWURF WIENER LANDTAG

Der Länderübergreifende Lehrplan für die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher in Deutschland. - Entwicklungen und Herausforderungen

Bedeutung der Kompetenzfeststellung für die Zulassung zur Externenprüfung

B e h ö r d e f ü r W i s s e n s c h a f t u n d F o r s c h u n g DIE SENATORIN

Schlüsselkompetenzen der Europäer/innen. EU-Lissabon-Strategie 2010

Der europass - berufliche Qualifikationen transparent gemacht. Referat Grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Europa

Aktuelle Entwicklungen in der

Die Karriereleiter der beruflichen Bildung: Das Aufstiegsfortbildungsmodell

und die Höheren Fachschulen Internationale Positionierung

Akzeptanz und Nutzungspotentiale von EQR und ECVET in Deutschland

Kompetenzorientierung in der Lehre. Didaktische Professorenlounge, Prof. Dr. Julia Gillen & Prof. Dr. Sönke Knutzen

RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 21. November 2006 (29.11) (OR. en) 15570/06 EDUC 235 SOC 555 BERATUNGSERGEBNISSE

EEC Z e r t i f i z i e r u n g von Instituten und Lehrgängen

ENTWURF FÜR EINE EUROPÄISCHE VEREINBARUNG ÜBER

FACHTAGUNG BERUFLICHE BILDUNG EXPERTEN IM DIALOG AGENDA 2023 KURZSTATEMENT RALF BUCHHOLZ

Perspektiven für Flüchtlinge Potentiale identifizieren, Integration ermöglichen

Konzept Arbeitsgelegenheiten. Quelle: mdr

Integration von Geflüchteten in Arbeit und Ausbildung

Kompetenzbasierte Umsetzung der Ausbildungsbausteine/Ausbildung Instrumente für die Praxis

DER PARITÄTISCHE Landesverband Brandenburg. Beschäftigung ausländischer Pflege(fach)kräfte - so kann es gelingen Frau Schwarz-Fink

ARBEITSMARKTINTEGRATION UND SOZIALE UNGLEICHHEIT VON MIGRANTINNEN UND MIGRANTEN IN DEUTSCHLAND. Jutta Höhne WSI Herbstforum 26. November 2015, Berlin

Personen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Hohenheimer Tagung Klaus Pester

Implementation des Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen

Bildung & Erziehung plus (B.A.) Praktisch akademisch. Beitrag zur DGWF Tagung am in Wien Dr. Julian Löhe & Dr.

Ich kann nur jedem Interessenten raten, solch ein Praktikum zu nutzen und den Schritt ins Ungewisse zu wagen. Eine bessere Chance, den persönlichen

Potenzialanalyse in der Bildungsberatung von Migranten

Der Deutsche Qualifikationsrahmen und seine Bedeutung für die Ergotherapie

Hochschulausbildung im berufsbildungspolitischen Kontext

hochschule dual international im Donauraum - Die Perspektive der Wirtschaft

Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener beruflicher Qualifikationen und Abschlüsse

Manifest. für eine. Muslimische Akademie in Deutschland

Berufliche Anerkennung: Zahlen und Fakten

Implementationsveranstaltung Vorstellung des Bildungsplans NRW für den Beruf Fachkraft für Veranstaltungstechnik

Europäischer und Deutscher Qualifkationsrahmen für lebenslanges Lernen Antworten auf häufig gestellte Fragen zu EQR und DQR

Ausbildung von staatlich anerkannten Erziehern und Erzieherinnen an Fachschulen für Sozialpädagogik

Informationsveranstaltung

Projekt: Anschlussfähigkeit der Weiterbildung (nonformales Lernen) an den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR)

Ordnung zur Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten auf Bachelor- und Masterstudiengänge der KH Freiburg vom

Nationaler Qualifikationsrahmen (NQR) Stand der Umsetzung in Österreich

Prinzip Nachhaltigkeit PädagogischeÜberlegungen zum professionellen Selbstverständnis von Jugendsozialarbeit an Schulen

Weitere Informationen zum Aktionstag, einen aktuellen Lageplan der zu vergebenen Standflächen und ein Anmeldeformular finden Sie hier.

Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) Was ist der DQR und welchen Nutzen bringt er für das Handwerk?

Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Grünbuch Überarbeitung der Richtlinie über Berufsqualifikationen 1

Förderung eines europäischen Arbeitsmarktes für Physiotherapie

Bildung auf einen Blick. Rede der Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen

Herausforderungen der Wirtschaftspädagogik im 21. Jahrhundert

I. Föderalismusreform 2006 Stärkung des Bildungsföderalismus

Mobilität als Chance in der beruflichen Bildung: Neue Wege der Einbindung von Austauschmaßnahmen in die Berufsausbildung

Berufliche Aus- und Weiterbildung mit Perspektive!

Antworten der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU) auf die Fragen der Offenen Behindertenarbeit Oberfranken (OBO)

Transkript:

Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Annette Schavan, MdB, anlässlich der Eröffnung der 2. Fachtagung zum Deutschen Qualifikationsrahmen am 19. Oktober 2010 in Berlin Es gilt das gesprochene Wort!

1 Anrede Die Entwicklungen unserer Gesellschaften in einer sich zunehmend globalisierenden Welt erfordern, dass wir unsere Bildungs- und Ausbildungssysteme im europäischen Kontext weiterentwickeln. Dazu gehört auch die Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens in einen Deutschen Qualifikationsrahmen. Für mich gehören bilden und ausbilden, lehren und lernen zu den besten Seiten des Menschen. Für diese besten Seiten des Menschen muss es gute Bedingungen in unseren Gesellschaften und mehr Vergleichbarkeit geben. Es muss deutlich werden: unsere Bildungssysteme sind im 21. Jahrhundert angekommen. Dann wird es uns auch gelingen, mit mehr Respekt auf Qualifikationen anderer zu schauen. Ich sage das bewusst auch im Blick auf die Bildungs- und Berufsabschlüsse, die in diesem Land vorhanden, aber bislang nicht anerkannt sind. Es ist nicht in Ordnung, wenn der Mediziner, der Physiker, der Chemiker, der aus welchem Land auch immer nach Deutschland gekommen ist, erst einmal zum Kellnern oder zum Taxifahren geschickt wird, weil wir nicht rasch genug bereit sind, seine Qualifikationen anzuerkennen. Deshalb möchte ich, dass Qualifikationen, die in diesem Land vorhanden sind, auch anerkannt werden. Ein Deutscher Qualifikationsrahmen kann wichtige Dienste dazu leisten. Zum ersten Mal in der europäischen Geschichte schaffen die Mitgliedstaaten ein über alle Bildungsbereiche hinweg greifendes Vergleichssystem. Wir wagen damit einen entscheidenden Schritt hin zu einer europäischen Bildungslandschaft. Diesen gemeinsamen europäischen Bildungsraum zu gestalten, wird zwar genauso schwierig werden wie der Bologna-Prozess, weil schon die feine Unterscheidung zwischen Harmonisierung und Vergleichbarkeit leicht ausgesprochen, aber in der Praxis mit viel Kleinarbeit und mit viel Detail-Bearbeitung verbunden ist, dennoch muss uns dies in der globalen Welt gelingen. Niemand hat Verständnis dafür, dass nationale oder gar regionale Grenzen entscheidend sein sollen für die Frage der Anerkennung von Qualifikationen. Wir wollen Transparenz. Wir wollen die Voraussetzung schaffen für Mobilität in Bezug auf unsere so verschiedenartigen und national gewachsenen Ausbildungs- und Qualifikationssysteme. Das Projekt ist komplex und ambitioniert. In Deutschland betreten wir damit gleich in dreifacher Weise Neuland: Zum ersten Mal wird das bunte Mosaik verschiedenartiger Qualifikationen auf allen Bildungsebenen in den Blick genommen werden. Zum ersten Mal sollen diese Bildungsabschlüsse auf der Grundlage der tatsächlich vermittelten Kompetenzen beschrieben werden. Es geht also nicht mehr darum, wo oder

2 wie lange jemand lernt sondern darum, was er am Ende seiner Ausbildung kann. Das ist auch eine Frage des sachgemäßen und gerechten Umgangs mit Qualifikationen. Wir fragen nicht, woher jemand kommt, wie lange jemand gelernt hat, sondern was das Ergebnis ist, welches die erworbenen Kompetenzen sind Handlungskompetenz, Wissen und Fertigkeiten auch Sozialkompetenz und Selbständigkeit. Und zum ersten Mal sollen diese Bildungsabschlüsse auf ein gemeinsames achtstufiges Raster bezogen werden und so einen Vergleich aller Abschlüsse in Europa ermöglichen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass uns das in Deutschland auch helfen wird, die Besonderheiten unseres Bildungssystems in diesen europäischen Kontext stärker einzubringen. Schließlich steckt hinter dem Konzept der dualen beruflichen Bildung eine besondere Verbindung von praktischer Erfahrung und theoretischer Reflexion. Wir sind von der Gleichwertigkeit zwischen allgemeiner und beruflicher Bildung überzeugt. Wir bieten damit eine besondere Vielfalt an Lernkulturen. Die Arbeit am Deutschen Qualifikationsrahmen fällt in eine Phase, in der wir gemeinsam mit den 16 Ländern die Bildungsrepublik Deutschland an vielen Stellen vorantreiben. Wir setzen in der Studienfinanzierung mit der Erhöhung des BAföG und mit dem Deutschlandstipendium neue Akzente. Bund und Länder haben gemeinsam eine Qualifizierungsinitiative gestartet. Auch das gehört zur Debatte über Fachkräfte. Es muss uns gelingen, jeden jungen Menschen zu einer guten Qualifikation zu bringen. Dazu gehört auch die Erfahrung, dass lernen, bilden und ausbilden mit Chancen verbunden werden. Das ist nicht nur eine Frage der Arbeit der Institutionen, es ist auch eine Frage der Mentalität in unserer Gesellschaft. Letztlich ist die Frage von guter Bildung und von Bildungschancen, von Partizipation an Bildung und Ausbildung zutiefst auch eine Frage der Gerechtigkeit. Der Deutsche Qualifikationsrahmen, der die Intention und die Zielsetzungen des Europäischen Qualifikationsrahmens übersetzt, ist für mich ein großes europäisches Projekt. Vergleichbarkeit und Mobilität in Europa, Modernisierung und Verbesserung der eigenen Bildungslandschaft diese beiden Ziele kommen in diesem Projekt zusammen. Der neue Blickwinkel auf Qualifikationen und vermittelte Kompetenzen macht den Weg frei und eröffnet Bildungschancen: für den Abbau alter Barrieren und Vorurteile; für ein neues Bewusstsein, dass Ausbildung über den gesamten Lebenslauf und an verschiedenen Lernorten stattfindet dafür, dass wir mehr Möglichkeiten und Anreize schaffen müssen, auch während des Berufslebens oder in verschiedenen Domänen erworbene Kompetenzen nachweisbar zu machen. Bildung endet nicht mit der Schule, der Lehre oder dem Studium. Sie beschränkt sich auch nicht auf einen bestimmten Fachbereich.

3 Der Qualifikationsrahmen ist kein Selbstzweck. Er ist viel mehr als ein Transparenzinstrument. Er ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu dem ambitionierten Ziel, dass Europa sich mit den Beschlüssen von Lissabon gesetzt hat: die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Wir wissen, dass wir in der Europäischen Union auch mehr als zehn Jahre nach der Formulierung des 3-Prozent-Ziels für Forschung und Entwicklung weit von dieser Marke entfernt sind. Aber wir nähern uns dieser Zielmarke immer stärker an im vergangenen Jahr lag Deutschland schon bei 2,8 Prozent. Wir wollen die 3 Prozent erreichen, und ich bin davon überzeugt: Europa muss die 3 Prozent erreichen. Europa darf nicht stagnieren. Wir dürfen nicht in schwierigen Zeiten nachlassen auf die Quelle zu setzen, die letztlich die Quelle unseres künftigen Wohlstands ist. Es gibt keine anderen Wege zu einem in hohem Maße dynamischen Wirtschaftsraum als die Investition in Bildung, Forschung und Entwicklung. Bei einer repräsentativen Umfrage begrüßten knapp 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Einordnung von Abschlüssen in ein Stufenmodell. Wer sich diese Umfrage mit ihren Feinheiten anschaut, der stellt fest, dass die eigene Erfahrung ausschlaggebend ist: Ein Meister findet selbstverständlich, dass sein Abschluss mit dem akademischen Abschluss vergleichbar ist. Die Hauptsache ist, dass wir uns darüber einig sind, die langjährige Rede von der Gleichwertigkeit auch umzusetzen. Zugleich sollten wir auch nicht leugnen, dass dieser Prozess ein ausgesprochen anstrengender ist, weil auch die Beschäftigung mit Lehrplänen und ihren Inhalten sehr viel stärker zur bisherigen Entwicklung unserer Bildungssysteme gehört. Auch der Wechsel im Curriculum unserer Bildungseinrichtungen spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Jeder aus der pädagogischen Arbeit weiß, dass ein solcher kompetenzorientierter Ansatz hoch anspruchsvoll ist. Er wird übrigens, wenn er funktionieren soll, auch erhebliche Auswirkungen auf die Lehrerbildung und die Weiterentwicklung pädagogischer Qualifikationen haben. Es ist ein großer Unterschied, ob ich einen Lehrplan abarbeite oder ob ich mit einem Bildungsplan umgehe, an dessen Ende bestimmte Kompetenzen erwartet werden. Wir befinden uns in Deutschland an einem besonders interessanten Punkt: Der Arbeitskreis DQR hat im vergangenen Jahr einen Entwurf für einen Deutschen Qualifikationsrahmen vorgelegt gemeinsam erarbeitet von Vertretern von Bund, Ländern, aller Bildungsbereiche und den Sozialpartnern. Dieser Entwurf wurde in den vergangenen Monaten von vier Expertengruppen getestet: In den Bereichen IT, Metall/Elektro, Handel und Gesundheit wurden exemplarisch Berufsabschlüsse über die gesamte Bildungskette identifiziert. Sie

4 wurden auf ihre Lernergebnisse untersucht und dann den Kompetenzniveaus des achtstufigen Rahmens der Matrix zugeordnet. Diese Erprobungsphase hat ein Licht auf Kernpunkte der Erarbeitung eines Qualifikationsrahmens geworfen, die viele Mitgliedstaaten beschäftigen und die sicher im Verlauf der Tagung eine Rolle spielen werden. Für uns in Deutschland hat die Erprobungsphase gezeigt, dass der DQR vor allem ein Instrument der Wertschätzung und Vergleichbarkeit sein soll. Es geht darum, deutlich zu machen, inwiefern Qualifikationen gleichwertig und vergleichbar sind. Das mag manche Vorstellungen durcheinander bringen. Wir sind aber beispielsweise von der Qualität unserer dualen Ausbildung überzeugt. Wir müssen Wege finden, informell und non-formal erlangte Qualifikationen angemessen darzustellen und einzuordnen. Hier sind wir insbesondere an den Erfahrungen der übrigen Mitgliedstaaten interessiert. Wir werden in diesen Tagen ein Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen auf den Weg bringen. In dessen Folge werden wir auch mehr für die Kompetenzfeststellung von Migrantinnen und Migranten tun. Dieser Qualifikationsrahmen so ähnlich wie übrigens der Bologna-Prozess im Hochschulbereich wird eine starke Hilfe sein, weil es dann nicht mehr nur darum geht, den Einzelfall zu prüfen, sondern generell über die Institutionen hinweg zu wissen: Wo ist die Vergleichbarkeit bereits im System angelegt? Wo reden wir über Bildungsgänge, über Ausbildung und über Studien, die im Kontext andere Prozesse längst in diesen systemischen Kontext der Vergleichbarkeit gebracht werden? Ich bin davon überzeugt, dass die Debatten über die jetzt vorliegenden Ergebnisse eine große Hilfe sein werden, den nächsten Schritt hin zur Konkretisierung auf den Weg zu bringen. Ich danke den verschiedenen Akteuren für die gute Zusammenarbeit. Und ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Ich wünsche mir, dass wir zügig zu einem Ergebnis kommen, das Mobilität im europäischen Kontext deutlich verbessert, das gleichzeitig aber auch Integration in unseren Gesellschaften deutlich verbessert. Denn die Frage, ob ein Bildungs- und Berufsabschluss in einem anderen Land anerkannt wird als in dem, in dem ich ihn erworben habe, ist zutiefst eine Frage auch des Respektes, der Chance zu Integration und damit der Chance zur guten Entwicklung moderne Gesellschaften in einer globalen Welt. Vielen Dank.