Der vulnerable Urteilsunfähige

Ähnliche Dokumente
1. Begriffe Handlungs-, Urteilsfähigkeit

Das neue Erwachsenenschutzrecht

Wer vertritt die Interessen von demenzkranken Menschen am Ende des Lebens?

Das neue Erwachsenenschutzrecht. und seine Auswirkungen auf die unseren Alltag (im Nachgang zum Vortrag von Rot. Dr. Alois Knüsel betr.

Vom Vormundschaftsrecht zum revidierten Erwachsenenschutz

Das neue Erwachsenenschutzrecht (Art. 360 ff. ZGB)

Anhang 1: Vertretung der Patientinnen und Patienten

Neues Erwachsenenschutzrecht und Menschen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen März 2013

Neues Erwachsenenschutzrecht: Vertretungsverhältnisse neue Regelungen

Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Unterstützungsbedarf und rechtliche Handlungsfähigkeit aus Sicht der Schweiz

Unterstützungsbedarf und rechtliche Handlungsfähigkeit aus Sicht der Schweiz

Verbessert das neue Erwachsenenschutzrecht die Situation der Angehörigen?

Das neue Erwachsenenschutzrecht. Samuel Vögeli Pflegefachmann BScN Geschäftsleiter Alzheimervereinigung Aargau

Selbstbestimmte Vorsorge

Informationsveranstaltung

Stadtspital Waid Angehörigen-Forum für Menschen mit Demenz

Beurteilung der Urteilsfähigkeit als zentrales Element im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und Schutz

Erwachsenenschutzrecht

Inhalt. Das neue Erwachsenenschutzrecht. ein Überblick. Dokumentationspflichten. Ziel der Gesetzesrevision. Pflichten zum Schutz der Persönlichkeit

Das neue Erwachsenenschutzrecht

Herausforderungen des Neuen Erwachsenenschutzrechts für Alters- und Pflegeheime

Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag. von Prof. Dr. Stephanie Hrubesch-Millauer Ordinaria an der Universität Bern, Rechtsanwältin

Vom alten Vormundschaftsrecht zum neuen Kindes und Erwachsenenschutz

Behördliche Massnahmen: Die Beistandschaften und die Fürsorgerische Unterbringung

Das neue Erwachsenenschutzrecht

Ethische Fragen bei der Anwendung von Schrittmachern und Defibrillatoren

Patientenverfügung und Umgang mit schwierigen medizinischen Entscheidungen

Das Erwachsenenschutzrecht. Ein Leitfaden der Stiftung Loogarten zur Information der Gäste und Angehörigen

Folgen des neuen Rechts für die Patientenverfügung

Blick über die Grenzen: Patientenrechte in der Schweiz

Sandra Lauwerijssen-Hofmann. Übersicht über die wesentlichsten Veränderungen

Die Vollmacht für medizinische Entscheidungen im Gesetz

Das neue Erwachsenenschutzrecht

Inhalt. Das neue Erwachsenenschutzrecht ab Wichtigste Neuerungen (2) 1. Wichtigste Neuerungen (1) 8/17/2011

Patientenverfügung: Rechtliche Regelung, ethische Richtlinien, praktische Hilfen

Erwachsenenschutz Kommentar zu Art ZGB Dr. iur. Hermann Schmid

Vorsorgeauftrag / Patientenverfügung

Das neue Erwachsenenschutzrecht und insbesondere die neuen Rechtsinstitute Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung

Erwachsenenschutzrecht Ehe- und Erbrecht

NEUES ERWACHSENENSCHUTZRECHT

Vorsorgeauftrag + Testament

Übersicht. 1. Patientenverfügung. Berner Fachhochschule. Impulsveranstaltung. 30. Juni 2011

Rechtliche Planung von Lebensübergängen. Vorsorgeauftrag & Patientenverfügung. Prof. Dr. iur. Alexandra Rumo-Jungo Dr. iur.

Beratungsstelle

Vorbemerkungen. BFH Soziale Arbeit / Marco Zingaro 1. VORSORGEAUFTRAG / PATIENTENVERFÜGUNG Brauche ich das? Wie mache ich das?

Universitäts-Zentren für Medizinrecht

Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung aus ärztlicher Sicht

BFH Soziale Arbeit / Marco Zingaro 1

Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung. Einführung in das Thema. 2 Themen Vorsorgeauftrag (VA) Patientenverfügung (PV) Anschliessend Diskussion

Kindes- und Erwachsenenschutzrecht Mehr Selbstbestimmung oder unselige Bürokratisierung?

Vorsorgeauftrag Veranstaltung Palliativ Zug Burgbachsaal, Jörg Halter, Vize-Präsident Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)

DAS NEUE ERWACHSENENSCHUTZRECHT Überblick und ausgewählte Aspekte für Medizin und Pflege Aerztegesellschaft des Kantons Bern 28.

Neues Erwachsenenschutzrecht - Die neuen Bestimmungen im Erbrecht

Revidiertes Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Entscheidungsfindungsprozess

Das neue Erwachsenenschutzrecht. Erster Überblick über die Anwendung des neuen Gesetzes und seine Auswirkungen

Fürsorgerische Unterbringung und ambulante Nachbetreuung

Kinga M. Weiss / Martin Ruf Januar 2012

Erwachsenenschutzrecht

Die Tücken im Betreuungsalltag einer Spitex. MLaw Jasmin Sem, Projektleitung und Rechtsdienst bei Vitassist GmbH

Massnahmen von Gesetzes wegen für urteilsunfähige Personen

Recht haben Recht kriegen?! Neue gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen und ihre Auswirkungen auf psychisch kranke Menschen

wägelwiesen Erwachsenenschutzrecht Ein Leitfaden wohnen leben pflegen

Entscheidungen vor dem Hintergrund des Patientenrechtegesetzes

Rechtliche Betreuung, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Synopsis betreffend bisheriges Vormundschafts- und neues Erwachsenenschutzrecht gemäss Referendumsvorlage (BBl bzw.

WILLE ZUM LEBEN WILLE ZUM STERBEN

Die Rechte von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Angehörigen im Heim

Das Erwachsenenschutzrecht erhöht die Anforderungen an die Heime

Wahrung der Interessen durch Dritte im Alter

Wille und Wohl des Betroffenen in der rechtlichen Betreuung

Die Patientenverfügung: Medizinethischer Rahmen und praktische Überlegungen

Neues aus dem Recht. Zwangsbehandlung, Selbstbestimmung und Betreuung bei psychischer Erkrankung

Das neue Erwachsenenschutzrecht ab 1. Januar Schweizer Alzheimervereinigung Luzern 21. September 2012 Pia Zeder, Präsidentin KESB ab 2013

Damit mein Wille zählt. Patientenverfügung

Leitfaden zum neuen Kindesund Erwachsenenschutzrecht für Ärztinnen und Ärzte

Vollmacht für medizinische Entscheidungen

Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Kindes- und Erwachsenenschutz

«Eigene Vorsorge» (Vorsorgeauftrag, Vollmacht)

Einführung in die Medizinethik (4) Schweigepflicht (Fortsetzung) Paternalismus: von benevolenten Lügen und Zwangsbehandlungen

Patientenverfügung. Seminar Quadrimed. Montana Prof. Gregor Schubiger Co-Leitung Ethik-Forum Luzerner Kantonsspital Dialog Ethik Zürich

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Merkblatt Beistandschaften (Art ZGB)

Fürsorgerische Unterbringung

Alltagstauglichkeit von Patientenverfügungen

RA Dr. iur. Alexandra Zeiter Fachanwältin SAV Erbrecht Sticher Strazzer Zeiter Rechtsanwälte, Zürich.

von Christoph Lüthy, lic.iur., RA, Fachverantwortung Recht bei der Schweiz. Stiftung Pro Mente Sana.

Beratungsstelle

Aufgabenkreise, Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsvorbehalt, Einwilligungsfähigkeit, Genehmigungspflichten

Patientenverfügung und Trauma. Klaus Hellwagner

Rechtswissenschaftliches Institut III. Handlungsfähigkeit

Beispiele Neues Erwachsenenschutzrecht / freiheitsbeschränkende Massnahmen

DAS ERWACHSENEN- SCHUTZRECHT

Vorsorgeauftrag. und. Patientenverfügung. Referent: Peter Voser. Referentin: Dr. med. Eva Voser

Die Betreuung alter Menschen im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung, Schutzverantwortung und Zwang

Leitideen und Grundzüge des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts

Vorsorgevollmacht. ohne Zwang und aus freiem Willen gemäß 1896 Abs. 2 BGB folgende. Vorsorgevollmacht:

1. Übersicht über das neue Erwachsenenschutzrecht

Transkript:

Der vulnerable Urteilsunfähige ROGGO Antoine PD Dr. med. Dr. iur. FMH Chirurgie und FMH Intensivmedizin

Agenda Allgemeine Informationen Der vulnerable Urteilsunfähige Vorsorgeauftrag versus Patientenverfügung

Brainstorm: Vom Primat der Heilung Patientenwohl oberstes Gesetz Salus aegroti suprema lex Patientenwunsch oberstes Gesetz Voluntas aegroti suprema lex zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten

Wichtige Terminologie Handlungsfähigkeit Urteilsfähigkeit (Art. 12 ZGB) Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen. Voraussetzung (Art. 13 ZGB) Die Handlungsfähigkeit besitzt, wer volljährig [alt: mündig] und urteilsfähig ist. Volljährigkeit [alt: Mündigkeit] (Art. 14 ZGB) Volljährig ist, wer das 18. Lebensjahr zurückgelegt hat.. (Art. 16 ZGB) Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln. (Die Person muss in der Lage sein, Bedeutung und Folge einer Handlung oder Anordnung zu erkennen) A. ROGGO 2016

Inhalt des Behandlungsvertrags (Auftragsrecht) Relevante juristische und medizinische Terminologie: Hauptleistungspflichten Anamnese / Untersuchung / Diagnose bzw. Differentialdiagnose Therapie zielgerichtete Behandlung, KEINE Erfolgsgarantie! Nebenleistungspflichten Rechenschaft über Geschäftsgang Art. 400 OR Herausgabe von Akten Art. 8 DSG Sorgfalt Nebenpflichten Verletzung = Behandlungsfehler Diskretion und Geheimhaltung Art. 321 StGB / Berufsgeheimnis Aufklärung

Arztbehandlung Körperverletzung? 1. Arztbehandlung primär Körper- / Personenverletzung 2. Verletzung bedarf der Rechtfertigung des Arztes 3. Rechtfertigung Einwilligung des Urteilsfähigen 4. Urteilsfähiger ist durch Arzt aufzuklären 5. Information / Aufklärung hat umfassend zu sein DOKUMENTIEREN DOKUMENTATION der ärztlichen Aufklärung ist unerlässlich! vgl. Verteilung der Beweislast zur Aufklärung des Patienten (siehe Exkulpation bzw. der Entlastungsbeweis in Art. 97 Abs. 1 OR i.v.m. Auftragsrecht Art. 394 ff. OR)

Arztbehandlung Körperverletzung? 1. Arztbehandlung primär Körper- / Personenverletzung 2. Verletzung bedarf der Rechtfertigung des Arztes 3. Rechtfertigung Einwilligung des Urteilsfähigen 4. Urteilsfähiger ist durch Arzt aufzuklären 5. Information / Aufklärung hat umfassend zu sein DOKUMENTIEREN DOKUMENTATION der ärztlichen Aufklärung ist unerlässlich! vgl. Verteilung der Beweislast zur Aufklärung des Patienten (siehe Exkulpation bzw. der Entlastungsbeweis in Art. 97 Abs. 1 OR i.v.m. Auftragsrecht Art. 394 ff. OR)

Urteilsfähigkeit Frage der Perspektive? Mein gesunder Menschenverstand Wer sagt dir denn, dass du verrückt bist?

Urteilsfähigkeit? Urteilsunfähigkeit Merke Urteilsfähigkeit ist nach gängiger Lebenserfahrung die Regel Nichtvorhandensein muss Behauptender beweisen

Urteilsfähigkeit Wissen um? Urteilsfähigkeit (Einsichtsfähigkeit) KOGNITIVE ELEMENTE 1. Erkenntnisfähigkeit 2. Wertungsfähigkeit

Urteilsfähigkeit Wissen um und Wille für? Urteilsfähigkeit (Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit) KOGNITIVE ELEMENTE 1. Erkenntnisfähigkeit 2. Wertungsfähigkeit VOLUNTATIVE ELEMENTE 3. Willensbildung 4. Willenskraft zeigen

Ausprägungen einer Urteilsunfähigkeit habituell / dauernd (Kindesalter / Geisteskrankheit / -schwäche) umfassend teilweise kasuell / temporär (Koma / Rausch)

Erwachsenenschutz: Art. 360 456 ZGB Eigene Vorsorge und Massnahmen von Gesetzes wegen Vorsorgeauftrag (VA) Patientenverfügung (PV) Massnahmen von Gesetzes wegen für urteilsunfähige Personen Vertretung durch Ehegatten, eingetragenen Partner Vertretung bei medizinischen Massnahmen Aufenthalt in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen Behördliche Massnahmen Beistandschaften Begleitbeistandschaft Vertretungsbeistandschaft Mitwirkungsbeistandschaft Umfassende Beistandschaft Fürsorgerische Unterbringung in geeigneter Einrichtung (FU) Psychische Störung oder geistige Behinderung, schwere Verwahrlosung Freiheitsbeschränkung ohne Beschränkung der Handlungsfähigkeit

Erwachsenenschutz: Selbstbestimmung Erwachsenschutz-Gesetz regelt antizipierend die eigene Vorsorge für den Fall einer künftigen Urteilsunfähigkeit: Vorsorgeauftrag (Art. 360 ff. ZGB / Handlungsfähiger) Personensorge Vermögenssorge Vertretung im Rechtsverkehr (Entbindung vom Arztgeheimnis?) Patientenverfügung (Art. 370 ff. ZGB / Urteilsfähiger) Zustimmung / Ablehnung zu medizinischen Massnahmen bei künftiger Krankheits- / Unfallsituation Bezeichnung einer Stellvertretung mit Weisung Merke: Selbstbestimmungsrecht soll auch nach eingetretener Urteilsunfähigkeit gewahrt bleiben.

Vertretung?

Vulnerabler Patient Vertretungsfolge Nach Gesetz berechtigte Person(en) (Art. 378 ZGB Abs. 1): 1. Gemäss Patientenverfügung/ / Vorsorgeauftrag 2. Beistand (behördliche Anordnung) 3. Ehegatte / eingetragener Partner 4. Person in gemeinsam geführtem Haushalt 5. Nachkommen, sofern regelmässiger persönlicher Beistand 6. Eltern, sofern regelmässiger persönlicher Beistand 7. Geschwister, sofern regelmässiger persönlicher Beistand Merke: Patientenverfügung fehlt mutmasslicher Willen des Urteilsunfähigen (Art. 378 ZGB Abs. 3) Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Art. 419 ff. OR).

Ihre Fragen