Stellungnahme der IG Bauen-Agrar-Umwelt zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement)

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Transkript:

1 Stellungnahme der IG Bauen-Agrar-Umwelt zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) vertritt die Interessen der Beschäftigten in der Bauwirtschaft, dem Gebäudereiniger-Handwerk, der Baustoffindustrie, der Forst- und Landwirtschaft, den industriellen Dienstleistungen und zahlreichen weiteren Branchen. Sie ist dem Ziel verpflichtet, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verbessern. Damit werden die Voraussetzungen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den von ihr vertretenen Branchen geschaffen. Die IG BAU setzt sich für fairen Handel ein, der faire Arbeit schafft. Die Integration von Märkten und der Abbau der Zollschranken haben nur dann positive Effekte, wenn sie mit effektiven Schutzrechten für Beschäftigte einhergehen. Freihandel und die Integration von Märkten kann zu großen Verwerfungen auf den Arbeitsmärkten führen. Die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA hat dazu geführt, dass viele industrielle Arbeitsplätze aus den USA nach Mexiko abgewandert sind. Die Öffnung der Dienstleistungsmärkte im europäischen Binnenmarkt hat zu massiven Problemen auf dem Bauarbeitsmarkt in Deutschland geführt. Die IG BAU hat sich deshalb mit den anderen DGB-Gewerkschaften zu Fragen der Handelspolitik umfangreich und klar positioniert. - Der DGB-Bundeskongress hat im Mai 2014 den Antrag Freihandelsverhandlungen mit den USA aussetzen kein Abkommen zu Lasten von Beschäftigten, Verbrauchern oder der Umwelt beschlossen. - Der DGB hat mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsame Anforderungen an ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA formuliert:

2 Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP): Anforderungen an Freihandelsgespräche zwischen der EU und den USA unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeit, Arbeitnehmerrechten und der Gewährleistung der Daseinsvorsorge - Der DGB-Bundesvorstand hat im Dezember 2014 ein Positionspapier Zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) beschlossen. Auf Grundlage dieser Beschlüsse nimmt die IG BAU zum CETA- Vertragstext, den die EU-Kommission veröffentlicht hat, Stellung 1. Die im Zusammenhang mit TTIP formulierten Positionen gelten auch für CETA, insbesondere deshalb, weil US-amerikanische Unternehmen in der nordamerikanischen Freihandelszone sehr mobil sind und damit, falls für sie günstiger, aus Kanada ihre wirtschaftlichen Interessen durchsetzen werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Vertragstext von CETA erfüllt die von der IG BAU formulierten Anforderungen bei weitem nicht und muss deshalb substanziell geändert werden. Sollten die Schwachstellen auch weiterhin existieren, so fordert die IG BAU, dass CETA nicht ratifiziert wird. Die IG BAU wendet sich entschieden gegen den propagandistischen Versuch der Verhandler und Befürworter des derzeit vorliegenden Textes, aus einer substanziellen Änderung oder Ablehnung von CETA Endzeitstimmung abzuleiten. Die EU hat zwischen 2003 und 2013 2 durchgehend Handelsbilanzüberschüsse (außer im Jahr 2011) mit Kanada erwirtschaftet. Die Importe und Exporte von und nach Kanada sind zwischen 2009 und 2013 jährlich um durchschnittlich etwa 9 Prozent gestiegen, obwohl es noch kein CETA gibt. 1 Die Seitenangaben und Zitate beziehen sich auf den von der EU-Kommission veröffentlichten Text von CETA: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf 2 Vgl. http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2006/september/tradoc_113363.pdf

3 Zur Kritik im Einzelnen: 1. Transparenzgebot verletzt Die Öffentlichkeit konnte Ziele und Inhalte von CETA während der Verhandlungen nicht diskutieren. Die IG BAU wurde bei der Formulierung des geheimen Verhandlungsmandates nicht gefragt. Sie wurde auch nicht zu Zwischenergebnissen befragt. Dabei sind die Beschäftigten in den von der IG BAU vertretenen Branchen stark von CETA betroffen, etwa durch den Zollabbau und die Erhöhung von Importquoten bei landwirtschaftlichen Produkten oder bei Regelungen zu Entsendearbeit bzw. befristeter Arbeitsmigration. Ebenso sind die Mitglieder der IG BAU als Nutzer öffentlicher Dienstleistungen oder als Steuerzahler betroffen, wenn sich beispielsweise durch Investorenschutzklagen und drohende Entschädigungszahlungen erhebliche Risiken für die öffentlichen Haushalte ergeben. Die Geheimniskrämerei hat CETA massiv geschadet, weil wichtige Impulse aus der Bevölkerung für die Verhandlungen nicht aufgenommen wurden. 2. Keine effektiven Regelungen zum Schutz und zur Verbesserung von Arbeitnehmerrechten Das Kapitel Trade and Labour (Seite 376 fff) ist in weiten Teilen unverbindlich formuliert. Es enthält zumindest einige gute Bestimmungen im Bereich der Arbeitsrechte. Die Vertragsparteien verpflichten sich zum Beispiel, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durch ihre Arbeitsgesetzgebung zu schützen (Artikel 3, Seite 376f). Die Vertragsparteien bekennen sich zum Schutz und Durchsetzung folgender Rechte:

4 die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen, - die Abschaffung aller Formen von Zwangsarbeit, - das effektive Verbot von Kinderarbeit, - die Abschaffung von jeglicher Form von Diskriminierung im Beruf und bei der Arbeit. Allerdings enthält das Kapitel keine robusten Mechanismen, um die Bestimmungen dieses Kapitels durchzusetzen. Es ist vom Streitbeilegungsmechanismus von CETA ausgeschlossen. Stattdessen wird im Streitfall ein Konsultationsverfahren initiiert, an dessen Ende weiche Empfehlungen stehen können. Das Recht jeder Vertragspartei zur Regulierung im Bereich der Arbeitsgesetzgebung (Artikel 2, Seite 376) wird zwar festgehalten, allerdings gibt es keinen Hinweis auf eine vorrangige Anwendung der Bestimmungen dieses Kapitels, wenn es zu einem Streitfall mit anderen Vertragsbestimmungen kommen sollte. 3. Investitionsschutz Investitionsschutzvorschriften sind in einem Abkommen zwischen der EU und Kanada grundsätzlich nicht erforderlich. In jedem Fall sind Investor-Staat-Schiedsverfahren und unklare Rechtsbegriffe wie faire und gerechte Behandlung oder indirekte Enteignung abzulehnen. CETA sieht nun exklusive Klagerechte für Unternehmen vor (Kapitel 10, Seite 146 fff). Damit erhalten Unternehmen aus Kanada und der EU einen weiteren Hebel, um gegen ungewollte staatliche Entscheidungen vorzugehen. Somit sitzt auch die demokratische Gesetzgebung auf der Anklagebank. Unternehmen können dann klagen, wenn sie sich unfair und ungerecht behandelt oder indirekt enteignet sehen. Der Investitionsbegriff ist sehr weit definiert und umfasst every kind of asset that an investor owns or controls, directly or indirectly, that has the characteristics of an investment, which includes a certain duration (Artikel X.3, Seite 149).

5 Finanzinvestoren, die sich unter Umständen nur an einem Unternehmen beteiligen, um Zugang zum Klageverfahren zu erhalten, wird damit ein wirkungsmächtiges Instrument gegeben. Die Klageverfahren sind intransparent und das Schiedsgericht ist nicht unabhängig. Darüberhinaus gibt es keine Berufungsmöglichkeit. Dies alles widerspricht grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien. In jedem Fall verursachen die Klageverfahren hohe Prozesskosten bei Staaten und sind somit eine Gefahr für die öffentlichen Haushalte, ohne dass sie einen Nutzen bringen. Zudem wird an diesem Kapitel deutlich, dass der Investorenschutz und der Schutz von Arbeitsrechten vollkommen unterschiedliche Stellenwerte in CETA haben. Während Verstöße gegen den Investorenschutz hohe Entschädigungszahlungen nach sich ziehen können, werden Verstöße gegen grundlegende Arbeitsrechte nur mit weichen Empfehlungen geahndet. Die Investitionsschutzbestimmungen wären auch nach einer potenziellen Kündigung von CETA 20 Jahre lang gültig (vgl. Artikel X.08 Absatz 2, Seite 490), was einer weiteren ungerechtfertigte Bevorzugung von Investoren entspricht. 4. Negativlisten Bisher hat sich die EU mit ihren Vertragspartnern darüber verständigt, welche Branchen sie für Investitionen öffnen wollte oder in welchen Branchen sie den Dienstleistungshandel liberalisieren wollte. Diese Branchen waren dann mit jeweiligen Ausnahmen in einer Positivliste erfasst. Bei CETA arbeitet die EU zum ersten Mal überhaupt mit Negativlisten. Mit der Negativliste werden grundsätzlich alle Branchen für Investitionen geöffnet und der Dienstleistungshandel in allen Branchen liberalisiert. Das betrifft grundsätzlich auch so sensible Bereiche wie die Internetwirtschaft, die öffentlichen Dienste, Bildung, die Medienwirtschaft

6 etc.. Während der Verhandlungen mussten die EU Kommission und die Mitgliedsstaaten alle für sie relevanten Ausnahmen von einer vollständigen Liberalisierung in den Negativlisten aufzählen. Diese Ausnahmen sind in zwei Annexen von Liberalisierungsverpflichtungen im Bereich Dienstleistungen (Artikel X.06, Seite 190f) und Investitionen (Artikel X.14, Seite 162) definiert. Die Negativlisten beziehen sich nicht nur auf einzelne Branchen, sondern umfassen auch einzelne Gesetze, die für einzelne Branchen relevant sind (z.b. die Landespressegesetze (Seite 1327f), die Bundesärzteordnung (Seite 1335), etc.). Es ist nun einmal so, dass der Gesetzgeber für sensible Bereiche jetzt und in Zukunft Anforderungen an Investoren und ausländische Anbieter von Dienstleistungen stellt. CETA darf aus Sicht der IG BAU diese Regulierungsmöglichkeit nicht einschränken. Deshalb ist aus Sicht der IG BAU der Negativlistenansatz falsch. Denn Gesetze dürfen nicht als Handelshemmnisse angesehen werden. Die Arbeit mit der Negativliste ist zudem für die Parlamente wie auch für die Regierungen und die EU-Kommission neu. Damit besteht die Gefahr, dass ein Gesetz vergessen wurde und die Regierungen und Parlamente im Nachhinein in Rechtfertigungsdruck geraten. Die Negativlisten sind mehrere hundert Seiten lang. Kein Abgeordneter ist in der Lage, einem so komplizierten Ansatz mit potenziell weitreichenden Folgen guten Gewissens zuzustimmen. Statt der Negativlisten brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Branchen mit welchen Ausnahmen geöffnet werden können (Positivlistenansatz). Mit diesem Verfahren haben die EU und die WTO bisher gearbeitet, so dass es keine Begründung dafür gibt, die etablierte Herangehensweise zu ändern.

7 5. Entsendung/ befristete Arbeitsmigration Fragen von grenzüberschreitender Entsendung und befristeter Arbeitsmigration dürfen grundsätzlich nicht in einem Handelsabkommen behandelt werden. Sie berühren Fragen der Arbeitsmarktregulierung, die nicht unter dem Gesichtspunkt mehr Freihandel schaffen behandelt werden dürfen. Deutschland und die EU haben bereits umfassende Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme für Fachkräfte aus Drittstaaten geschaffen. Im Mai 2014 wurde die Richtlinie zur konzerninternen Entsendung 3 beschlossen. CETA enthält ein Kapitel zu Befristete Einreise und Aufenthalt von natürlichen Personen zu geschäftlichen Zwecken (Seite 197 fff). Die Öffnung des Arbeitsmarktes in der EU führt zu einer Vergrößerung des Arbeitskräfteangebots in der EU. Der Wettbewerb zwischen Beschäftigten steigt. Eingenommen sind auch so sensible Bereiche wie Architekturdienstleistungen, die von hoher Arbeitslosigkeit in der EU betroffen sind. Artikel X.01 Absatz 5 ist zudem zu schwach formuliert. Er sieht zwar vor, dass jede Vertragspartei weiterhin die Möglichkeit hat, Gesetze zur Regulierung von Arbeitsbedingungen zu erlassen. Die IG BAU fordert einen Passus, der festschreibt, dass Konditionen aus branchenüblichen Tarifverträgen und die Arbeitsgesetze am Arbeitsort für Entsandte und Arbeitsmigranten ohne Ausnahme und von Anfang an gelten, sofern sie dadurch nicht schlechter gestellt werden (Arbeitsortsprinzip). Der Bezug auf branchenübliche Tarifverträge am Arbeitsort ist erforderlich. Denn Gesetze schreiben oft nur Mindestarbeitsbedingungen vor. So sind die Arbeitsstandards in Kanada und der EU in einigen Bereichen signifikant unterschiedlich, zum Beispiel beim Urlaubsanspruch. Dieser ist in Kanada nur sehr niedrig. 3 Directive 2014/66/EU on the conditions of entry and residence of third-country nationals in the framework of an intra-corporate transfer.

8 6. Öffentliche Dienstleistungen Öffentliche Dienstleistungen sind ein hohes Gut. Sie müssen deshalb wirksam von Liberalisierungsverpflichtungen durch CETA ausgenommen sein. Das gilt insbesondere für kommunal selbstverwaltete Dienstleistungen. Öffentliche Dienstleistungen stehen durch CETA unter Privatisierungsund Liberalisierungsdruck. Ebenso greift CETA in die im Unionsrecht und im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung unverhältnismäßig ein 4. Aus Sicht der IG BAU sind die Schutzklauseln für öffentliche Dienstleistungen in CETA unzureichend. 7. Regulierung CETA sieht Mechanismen zur regulatorischen Kooperation vor (Seite 396 fff). Gegen einen Austausch von Informationen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings stellt sich die IG BAU entschieden dagegen, dass Diskussionen über Gesetzgebungsprozesse immer weiter in Hinterzimmer von Räten gedrängt werden. Wer sich über Gesetzgebung in der EU informieren möchte und dazu Stellung beziehen will, kann bereits bestehende etablierte Institutionen, Internetseiten, etc. kontaktieren. Die regulatorische Kooperation geht zudem weit über den reinen Austausch von Informationen hinaus. Sie hat explizite Ziele, wie zum Beispiel: Examining opportunities to minimize unnecessary divergences in regulations (Artikel X.4, Absatz 7, Seite 399) minimize unnecessary differences in new regulatory proposals (Artikel X.4, Absatz 14 (f), Seite 400) 4 Vgl. Fischer-Lescano, A./ Horst, J. (Oktober 2014): Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA), Bremen, Juristisches Kurzgutachten im Auftrag von attac/münchen

9 Ziel ist also die Einflussnahme auf Gesetzgebungsprozesse. Damit stärkt CETA einen intergouvernamentalen Ansatz, der bei den Bürgerinnen und Bürgern der EU in der Vergangenheit das Misstrauen gegenüber den EU-Institutionen verstärkt hat. Dies widerspricht dem Ansatz der Europapolitiker, die in jeder Rede betonen, dass die EU wieder bürgernäher gemacht werden muss. Der vorgesehene Regulierungsrat besteht aus Beamten der EU- Kommission und der kanadischen Regierung. Artikel X.8 (Seite 402) eröffnet die Möglichkeit auch weitere Gruppen zu den Konsultationen hinzuzuziehen. Unternehmen und sogar think-tanks werden explizit genannt. CETA nennt Gewerkschaften, die in Deutschland Verfassungsrang haben, nicht. Die Erfahrung zeigen, dass Gewerkschaften bei solchen Räten meistens außen vor gehalten werden und Artikel X.8 unterstreicht, dass dies auch so gewollt ist. Zusammenfassung CETA weist aus Sicht der IG BAU erhebliche inhaltliche Mängel auf. CETA ist kein Beitrag zu mehr fairer Arbeit. Die Vertragsparteien haben es unterlassen, in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Beschäftigten eine umfassende Debatte über Zweck und Inhalt von CETA zu führen. CETA fehlt der Rückhalt und die Legitimation bei Beschäftigten. Die IG BAU fordert die Parlamente und Regierungen in Europa deshalb auf, CETA abzulehnen. Die Verhandlungen müssen nach einem umfassenden Konsultationsprozess neu begonnen werden. Im Mittelpunkt von CETA muss die Frage stehen, wie es in der EU und Kanada langfristig gelingen kann, Voraussetzungen für gute Arbeit und nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen. Der Rechtsstaat und die Demokratie müssen gestärkt werden und dürfen nicht ausgehöhlt werden.

CETA wird als Vorlage für die Verhandlungen zu TTIP zwischen der EU und den USA dienen. Deshalb schaut die IG BAU genau hin und setzt sich entschieden dafür ein, dass die Interessen der Beschäftigten in CETA eingehend berücksichtigt werden. 10