Projektdokumentation des Jungenprojektes MÄNNL(ICH) ein gewaltpräventives Jungenprojekt in Kooperation mit der Hochschule Koblenz und dem Jugendtreff Aegidienberg Projektleitung: Daniel Friehe Fachliche Betreuung: Prof. Dr. Marlene Jansen-Schulze Projektwerkstatt-Soziale Arbeit an der Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule, Hochschule Koblenz
Das Projekt MÄNNL(ICH) An dem im folgenden vorgestellten Projekt sind insgesamt mehrere Einrichtungen beteiligt. Die Hochschule Koblenz als wissenschaftliche Einrichtung stellt im Fachbereich Sozialwissenschaften innerhalb der Projektwerkstatt die kollegiale und fachliche Beratung durch die wöchentlich stattfindenden Seminare da. Durch diesen Theorie-Praxis Transfer soll eine qualitative Projektdurchführung gewährleistet werden. Der Stadtjugendring Bad Honnef als Träger des Jugendtreff Aegidienberg, stellt mit seiner Einrichtung die Räumlichkeiten sowie die pädagogische Leitung zur Verfügung. Die Finanzierung des Projekts wird durch das Aalkönigkomitee sichergestellt. Das Aalkönigkomitee unterstützt seit 2011 mit finanziellen Mitteln die Jugendarbeit in Bad Honnef. Hochschule Koblenz-Fachbereich Sozialwissenschaften, Studiengang Soziale Arbeit, Seminarleitung Frau Jansen-Schulze, Studierender Daniel Friehe Stadtjugendring Bad Honnef Ggmbh, Jugendtreff Aegidienberg, Herr Michael Neusel Aalkönigkomitee Bad Honnef, Fabian Ost Projektbeschreibung Bei dem Projekt MÄNNL(ICH) wurden Fragestellungen der Jungen aufgegriffen, die sich durch Aktivitäten innerhalb der Gruppe ergaben. Der Alltag im Jugendtreff ließ erkennen, dass Geschlechtsidentitäten, Sexualität und Fragen zu Geschlechterverhältnissen immer wieder unter den Jugendlichen oder auch im offenen Angebot mit dem Sozialpädagogen thematisiert wurden. Offenheit und Unverbindlichkeit in der offenen Arbeit erschweren einerseits die Umsetzung von Jungenarbeit, allein schon deshalb, weil die mangelnde Kontinuität den Aufbau stabiler Beziehungen erschwert. (Jähnigen 2010, S.158) In dem Projekt wurde die Lebenswelt der Jugendlichen aufgegriffen. Aktuelle Themen, Fragen und Probleme wurden mit den Jugendlichen zusammen behandelt. (vgl. Sturzenhecker/Winter 2010, S.11) Die Jungen trafen sich regelmäßig freitags zu den Gruppenstunden von jeweils 15-17 Uhr. Innerhalb des Projekts waren mehrere Aktionen angedacht. Die Jungen wurden bei der Entwicklung einer autonomen Geschlechtsidentität unterstützt. Hierzu wurden den Jungen Grundkompetenzen ermöglicht. (vgl.sturzenhecker 2010, S.41)
Die Jugendlichen haben ihre eigenen Ideen die zur Ausgestaltung der wöchentlichen Gruppenstunden dienten, eingebracht. Ausübungsort Die wöchentlichen Gruppenstunden fanden in den Räumlichkeiten des Jugendtreffs Aegidienberg statt. Bei auswertigen Aktionen war der Jugendtreff Start und Zielort der Gruppe. Der Transfer bei den Aktionen erfolgte entweder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder wenn es nicht anders praktikabel war-mit dem Kleinbus des Stadtjugendrings Bad Honnef e.v. Der Zeitraum Die Planung des Projektes begann im Oktober 2014. Das Projekt fand zunächst vom 1.3-30.7.2015 statt. Nach den Sommerferien in NRW einigte sich die Gruppe, sich weiterhin zu treffen. Die Treffen sind nach wie vor freitags, da sich herausgestellt hat, dass an diesem Wochentag kaum außerschulische Aktivitäten stattfinden und die Jugendlichen meist nur bis zum frühen Nachmittag Unterricht haben. Zielgruppe Das Projekt richtet sich an Jungen im Alter von 9-13 Jahren. Herkunft, Nationalität und besuchte Schulform der Jungs spielen keine Rolle. Insgesamt nahmen am Projekt 9 Jungen teil. Zugang zur Zielgruppe Der Zugang erfolgte über die Einrichtung sowie dem Haus der Jugend in Bad Honnef. In der lokalen Presse und über das soziale Netzwerk Facebook wurde das Projekt ebenfalls publik gemacht. Es wurden in Zusammenarbeit mit der Hochschule Koblenz, Fachbereich Sozialwissenschaften folgende Ziele erarbeitet: (Insgesamt wurden drei Grobziele erarbeitet. Unter jedem Grobziel gliedern sich noch einmal drei Feinziele. Bei der Erstellung der Ziele wurde darauf geachtet, dass sie überprüfbar und durchführbar sind.)
Richtziel Die Jungen setzen sich bewusst mit ihrer eigenen Identität auseinander Grobziele und Feinziele Grobziel 1: Der Junge nimmt aktiv am Projekt teil. Feinziele: Der Junge besucht das Projekt Der Junge zeigt Interesse an den angebotenen Aktionen Der Junge beteiligt sich an den angebotenen Aktionen Grobziel 2: Der Junge setzt sich mit männlichen Rollenbildern auseinander. Feinziele: Der Junge nimmt sich als eigenständige Person war
Der Junge kann zwei eigene Fähigkeiten benennen. Der Junge kennt die Rollenverteilung in seiner Familie Grobziel 3: Der Junge ist in der Lage mit alternativen Lebensentwürfen umzugehen Feinziele: Der Junge kennt tradierte Rollenbilder Der Junge setzt sich mit alternativen Lebensentwürfen auseinander. Der Junge setzt sich mit Homophobie auseinander Die gesteckten Ziele wurden überwiegend erreicht. Die Jungen nahmen regelmäßig an den Terminen teil. Zu Beginn der ersten Stunde wurden einige Regeln von der Gruppe erarbeitet. Alle Teilnehmer waren mit den Regeln, die durch Handschlag besiegelt wurden,
einverstanden. Eine der wichtigsten Regeln, die von den Jungen aktiv erarbeitet wurde, war die, dass man alles sagen darf und das, was in der Jungengruppe besprochen wird, auch in dieser bleibt. Die geplanten Aktionen wurden ebenfalls in der Gruppe besprochen und auf Durchführbarkeit geprüft. Insgesamt war es den Teilnehmern wichtig, dass die gesamte Gruppe an einer geplanten Aktion teilnehmen konnte. So war es z.b. schnell klar, dass wenn eine Person wegen Höhenangst nicht in den Kletterwald kann, die gesamte Gruppe diese Aktion wieder verwarf. Obwohl es sich um eine sehr heterogene Gruppe handelte, war keine spezielle Gruppenbildung zu erkennen. Das Gruppengefüge war gut durchmischt und sehr lebhaft. Jungen mit tendenziellem Verhalten eines Außenseiters wurden ebenso integriert wie der vermeintliche Raufbold. Die bewusst gewählte Geschlechtshomogenität förderte diesen Zusammenhalt. Wie in der Projektkonzeption beschrieben, hat es sich gezeigt, dass durch die Abwesenheit von weiblichen Personen ein Rivalisierendes Verhalten eher aus bleibt und die Jungen viel eher bereit sind, bestimmte Themen aufzugreifen und zu diskutieren. Die Jungen zeigten sich bei den Diskussionen allgemein sehr reflektiert. Dadurch, dass die Teilnehmer aus unterschiedlichsten familiären Konstellationen mit unterschiedlichem Bildungsgrad und voneinander abweichenden finanziellen Ressourcen kamen, waren die Diskussionen zu den Themengebieten sehr lebhaft und vielfältig. So wurde z.b. schnell klar, dass es verschiedene Vorstellungen vom typisch männlichen Vorbild gibt. Meist orientierten sich die Jungen an ihren Vätern-insofern diese präsent waren und ihr Verhalten als positiv empfunden wurde. Die Thematik Gewalt wurde in einer Gruppenstunde besonders angeregt diskutiert. Das Thema wurde zur Vorbereitung einer größeren Aktion, nämlich der Fahrt zum Lasertag Center nach Köln, aufgegriffen. Das Empfinden von Gewalt ist sehr subjektiv und abhängig von den Erfahrungen, die jeder Einzelne gemacht hat. So wurden Formen der Gewalt, die sehr häufig vorkommen, wie Machtspiele in der Schule, bagatellisiert und als normal empfunden. Die Diskussion war insgesamt sehr hitzig, blieb jedoch grundsätzlich fair. Für die Gruppe war klar, dass Lasertag keine Gewalt sei, da man es aus Spaß mit allen in der Gruppe machen kann und man dort niemanden verletzte, weder körperlich noch seelisch. Insgesamt war die Vorbereitung, Nachbereitung sowie die Aktion an sich eine gute Möglichkeit, über Gewalt, Krieg und damit verbundene Ängste zu sprechen.
Ein Spiel wie Cowboy und Indianer, man möchte niemanden verletzen oder töten, anders als im Krieg
Zum Abschluss des Projektes wurde vor Beginn der Sommerferien gemeinsam ein Kanutour-Zelt Wochenende geplant und durchgeführt. Besonders erwähnenswert ist die Idee eines Teilnehmers, als es um die Proviantfrage ging: Jeder bringt etwas mit, was er gerne isst, jedoch so viel das es für alle reicht. Diese Idee wurde von den Jungen als sehr gut empfunden und in die Tat umgesetzt. Das Buffet war sehr umfangreich, vor allem an Fleisch mangelte es nicht. Die Tour war insgesamt für die Teilnehmer und Betreuer sehr aufschlussreich. So wurden doch einigen schnell die Grenzen ihres eigenen Könnens klar, auch wenn der Anspruch an sich selbst ein anderer war. Der gerechte Umgang mit sich selbst, sowie mit anderen, wurde oft auf eine harte Probe gestellt, da durch die Anstrengungen auf dem Wasser und auch auf dem Land (wie z.b. abends beim Zeltaufbau) die Gemüter doch strapaziert waren. An dieser Stelle ruhig zu bleiben und gewaltfrei mit seinem Gegenüber zu kommunizieren, fällt dann nicht immer jedem so leicht.
Fazit: Nach den Sommerferien wurde die Gruppe aufgrund der hohen Nachfrage von den Jugendlichen weitergeführt. Insgesamt sind drei Jugendliche ausgestiegen und drei neue sind wieder hinzugekommen. Die heterogene Gruppe eignet sich sehr gut um Themen der Jungen aufzugreifen, die in dieser Gruppe ohne Störungen besprochen werden können. Es hat sich gezeigt, dass dieses Verhältnis zwischen Diskussionen und greifbaren Aktionen bzw. Spielen dem Alter entsprechen ausgewogen sein muss. Wenn dieses ausgewogene Verhältnis gehalten wird, ist es möglich nachhaltig mit dieser Gruppe Jungen geschlechtsbezogen zu arbeiten.
Das Erleben der Gruppe spiegelt andere Erfahrungen im Gegensatz zu den Erlebnissen der Jungen im freien Spiel auf der Straße wider. Der Stellenwert der Gruppendynamik wurde rückblickend nicht berücksichtigt. Folgende Zitate der Teilnehmer lassen jedoch den Rückschluss zu, dass nicht nur Vorhaben, Events und Unternehmungen Wirkung zeigten, sondern dass das Gruppengefüge als solches identitätsstiftend, sicherheitgebend und motivierend wirkte. Eins kannst du dir direkt merken, du kannst hier alles sagen, aber das bleibt auch hier unter uns. Ein Junge zu einem neuen Gruppenmitglied vor Beginn der Gruppenstunde Das ist voll cool, dass man hier in der Gruppe alles teilt, das kenne ich sonst so nicht. Kommentar während einer Snackpause bei der Aktion Lasertag in Köln Gez. Daniel Friehe Bad Honnef, den18.01.2016
Erschienen im Siebengebirgsbote am 4.November 2015, Ausgabe 547 Quellenangaben: Jähnigen, Roland (2010): Offene Jugendarbeit. Jungenarbeit in der offenen Arbeit mit Kindern und Teenies. In: Sturzenhecker, Benedikt; Winter, Reinhard (Hrsg.): Praxis der Jungenarbeit. Modelle, Methoden und Erfahrungen aus pädagogischen Arbeitsfeldern. 9. Auflage, Weinheim und München: Juventa 2010. Sturzenhecker, Benedikt (2010): Arbeitsprinzipien aus der Jungenarbeit. In: Sturzenhecker, Benedikt; Winter, Reinhard (Hrsg.): Praxis der Jungenarbeit. Modelle, Methoden und Erfahrungen aus pädagogischen Arbeitsfeldern. 9. Auflage, Weinheim und München: Juventa 2010.