Pachtpreise: Was ist angemessen? Gestiegene Pachtpreise spiegeln die gute Ertragslage vieler Betriebe wider. Gleichzeitig verleitet die Konkurrenz um den Boden dazu, immer höhere Anteile der Grundrente für ein Pachtgebot zu verwenden. Haben sich die Bodenpreise dadurch von den Grundrenten entkoppelt? Die Pacht- und Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen sind seit 27 kräftig gestiegen, nachdem sie in den vorhergehenden 5 Jahren weitgehend stabil waren. Die Ursachen sind vielfältig, wobei verbesserte Gewinnerwartungen in der Landwirtschaft, neue Einkommensmöglichkeiten durch Energieerzeugung, sowie das große Interesse an krisensicheren Kapitalanlagen eine besondere Bedeutung haben. In den neuen Bundesländern sind zusätzlich ein Nachholeffekt gegenüber dem alten Bundesgebiet sowie die veränderte Privatisierungspraxis der BVVG und der Kaufdruck zur Flächensicherung hervorzuheben. Noch Luft nach oben? Das erreichte Bodenpreisniveau wird inzwischen von vielen Praktikern im Verhältnis zu den erzielbaren Grundrenten als zu hoch beurteilt. Einige Stimmen warnen schon vor dem Entstehen einer Spekulationsblase. IAMO-Direktor Prof. Alfons Balmann hat in der agrarmanager-ausgabe 9/24 (S. 3) festgestellt: Die Pachtpreise und die Neupachtpreise der Testbetriebe verglichen mit der Grundrente im gleichen Wirtschafts- jahr liegen deutlich unterhalb dem Wert der Grundrenten. Dies gilt vor allem für die neuen Bundesländer. Bei Grundrenten von 3 bis 6 /ha könnten laut Balmann bei Marktfruchtbetrieben in Ostdeutschland Kaufpreise bis zu 3. /ha ökonomisch durchaus vertretbar sein. An diesem Punkt stellt sich die Frage, wie Grundrenten errechnet werden und wer dieses Niveau der Grundrenten überhaupt erreicht. In diesem Beitrag berechnen wir Grundrenten anhand der Jahresabschlüsse der Testbetriebe des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Diese Testbetriebe stellen Foto: fotolia/viz4biz 2 agrarmanager März 25
einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Landwirtschaft dar; rund. Betriebe stellen hierfür jährlich ihre Buchführungsdaten zur Verfügung. Wir stellen die Grundrenten für verschiedene Regionen, Betriebstypen, Erfolgsgruppen und Größenklassen dar und diskutieren anschließend den Zusammenhang mit der Entwicklung der Bodenpreise. So errechnet sich die Grundrente Die Grundrente ist der Betrag, der vom ordentlichen (gewöhnlichen) Ergebnis im Jahresabschluss nach Abzug der Entlohnung der noch nicht entlohnten familieneigenen Faktoren Arbeit und Kapital (einschließlich Boden) und unter Hinzurechnung der gezahlten Flächenpacht übrig bleibt. Wenn man die Grundrente auf die Pachtfläche bezieht, erhält man den Betrag, der maximal als Pacht zahlbar wäre, ohne bei der Entlohnung von Arbeit und Kapital Abstriche zu machen. Dies gilt allerdings nur, wenn die marginale Grundrente einer zusätzlichen Flächeneinheit der durchschnittlichen Grundrente entspricht. Der Bezug auf die gepachteten Flächen erfolgt, weil die eigenen Flächen bereits über den Zinsansatz für Eigenkapital berücksichtigt werden. Wollte man stattdessen die durchschnittliche Grundrente aller Flächen ermitteln, dann müsste das Eigenkapital zunächst um den Buchwert des Bodens vermindert werden. Nun sind bei der Ermittlung der Grundrente kalkulatorische Ansätze für die nicht in der Buchführung enthaltenen Positionen Lohnund Zinsansatz erforderlich. Deren Höhe beeinflusst bei den meisten landwirtschaftlichen Unternehmen maßgeblich das Niveau der Grundrente. Bereits mit geringen Variationen resultieren hier oft große Effekte bei der Zielgröße. Bei den BMEL-Testbetrieben, die jährlich zur Darstellung der wirtschaftlichen Lage in der Landwirtschaft ausgewertet werden, werden standardmäßig, das heißt einheitlich für alle Betriebe, folgende kalkulatorische Ansätze gewählt: NN3,5 % Zinsansatz für Eigenkapital, NNEntlohnung für Familien-AK, differenziert nach Betriebsleitung und sonstigen AK. Für die Betriebsleitung werden ein höherer Grundlohn (zuletzt 29.374 pro Jahr) und ein Zuschlag in Abhängigkeit von der Betriebsgröße (32 je 5. Wirtschaftswert) angesetzt. Mitarbeitende Familienangehörige wurden zuletzt mit 22.98 je Voll-AK kalkuliert. Diese Werte werden im Zeitablauf entsprechend der Lohn entwicklung in vergleichbaren Branchen angepasst. In den neuen Bundesländern werden nur 9 % dieser Werte angesetzt. Mit den dargestellten Ansätzen berechnen wir im Folgenden Grundrenten der BMEL-Testbetriebe. Dabei werden Betriebe mit weniger als 5 ha Pachtfläche und solche mit extremen Grundrenten von über 3. /ha und unter -3. /ha Pachtfläche ausgeklammert. Den Berechnungen liegen daher nur noch Buchführungsdaten von gut 8. Betrieben in Deutschland zugrunde. Außerdem haben wir den Zinsansatz für Eigenkapital, abweichend von der Standardvorgabe, auf 2,5 % reduziert, da dies bei den aktuellen Kapitalmarktzinsen realitätsnäher ist. N März 25 agrarmanager 3
Auf einen Blick: So haben sich Einkommen und Grundrenten entwickelt 3 Entwicklung des Einkommens der landwirtschaftlichen Unternehmen (Testbetriebe) und der Grundrente Ordentliches Ergebnis (+ Personalaufwand) je AK Grundrente je Hektar Pachtfläche (LF) 2,5 % kalkulatorischer Zinssatz 2 Entwicklung der Grund renten nach Regionen Osten Nord-Westen Süden Süden: BY, BW, HE, RP, SL; Nord-West: NI, NW, SH; Osten: BB, MV, SN, ST, TH Grundrente ausgewählter Betriebstypen der landwirtschaftlichen Unternehmen (Testbetriebe) Durchschnitt der WJ 2/2 und 22/3 bzw. der KJ 2 und 22; 2,5 % kalk. Zinssatz Süden: BY, BW, HE, RP, SL; Nord-West: NI, NW, SH; Osten: BB, MV, SN, ST, TH Ordentliches Ergebnis ( /AK) 5. 5 45. 4. 35. 3. 25. 5 5 2. 5.. 5. 5 2 25 3 27/8 (n = 8.3) 28/9 (n = 8.64) 29/ (n = 8.59) 2/ (n = 8.85) 2/2 (n = 8.43) 22/3 (n = 8.253) 4 3 2 2 3 4 5 27/8 28/9 29/ 2/ 2/2 22/3 Wirtschaftsjahr 4 3 2 2 3 4 Ackerbau Milch sonstiger Futterbau Süden Nord-Westen Osten Veredlung gemischt Zu diesen Auswertungen: Die Buchführungsdaten der Testbetriebe erfassen nur den Ertrag und Aufwand der Landwirtschaft, einschließlich landwirtschaftsnaher Bereiche, sofern diese dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen und definierte steuerliche Grenzen nicht überschreiten. Dagegen werden gewerbliche Einkommensbereiche landwirtschaftlicher Unternehmen generell nicht erfasst. Hierzu gehören die gewerbliche Tierhaltung und die Energieerzeugung, die bei vielen Betrieben maßgeblich die Zahlungsbereitschaft für landwirtschaftliche Nutzflächen beeinflusst. Außerdem sind komplexere Unternehmen bislang im BMEL-Testbetriebsnetz kaum vertreten, da die Konsolidierung der Jahresabschlüsse mehrerer Betriebe sehr aufwändig wäre. Tendenziell sind also dynamische Unternehmen in der Testbetriebsbuchführung unterrepräsentiert, und wichtige Einkommensquellen vieler Landwirte fehlen. Daher dürfte das tatsächliche Niveau der Einkommen und Grundrenten höher liegen, als die Kalkulationsergebnisse dies anzeigen. 4 agrarmanager März 25
Die Abbildung im Kasten links zeigt zunächst Durchschnittswerte für die Grundrente aller BMEL-Testbetriebe im Zeitverlauf. In den Wirtschaftsjahren 28/9 bis 2/ (bzw. Kalenderjahren 28 bis 2) lagen die Grundrenten deutlich im Negativbereich. Da es sich um eine Residualgröße handelt, verändert sich die Grundrente von Jahr zu Jahr deutlich stärker als das ordentliche Ergebnis. Nachdem die Grundrenten von 27/8 bis 29/ stark rückläufig waren, nahmen sie seit 2 wieder zu und lagen zuletzt leicht im positiven Bereich. Differenziert man dieses Ergebnis nach Regionen (Abbildung 2), dann weisen die Betriebe im Süden Deutschlands im Betrachtungszeitraum WJ 27/8 bis WJ 22/3 im Durchschnitt in jedem Jahr negative Grundrenten auf, während die Betriebe im Nord- Westen in vier Jahren, die im Osten sogar jedes Jahr positive Grundrenten erzielten. Es ist offensichtlich, dass die kalkulatorischen Ansätze einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Grundrenten ausüben. Die Betriebe im Nord-Westen erwirtschafteten beispielsweise ein höheres ordentliches Ergebnis (plus Lohnaufwand) je Arbeitskraft als die Betriebe im Osten, aber aufgrund des höheren Eigenkapitals und Anteils der Familien-AK und der dafür kalkulierten Ansätze resultiert im Durchschnitt eine geringere Grundrente. Große Differenzen bei den Grundrenten Die kalkulierten Grundrenten unterscheiden sich nicht nur nach Region, sondern innerhalb der Regionen auch nach Betriebstyp. Abbildung 3 zeigt Grundrenten von fünf ausgewählten Betriebstypen im Durchschnitt der zwei letzten Wirtschaftsjahre 2/2 und 22/3 (beziehungsweise Kalenderjahre 2 und 22). Während im Nord-Westen Deutschlands mit Ausnahme der sonstigen Futterbaubetriebe die Betriebe aller Betriebstypen Grundrenten von mindestens 2 /ha erzielten und die Ackerbau- und Veredlungsbetriebe sogar Grundrenten von über 3 /ha erreichten, konnte im Süden keiner der Betriebstypen positive Grundrenten erwirtschaften. Im Osten weisen die Ackerbaubetriebe mit durchschnittlich 45 /ha die höchsten Grundrenten der Betriebstypen auf. Generell standen vor allem die sonstigen Futterbaubetriebe in den letzten Jahren unter starkem wirtschaftlichen Druck.Die durchschnittlichen Grundrenten sind jedoch von untergeordneter Bedeutung, wenn die Preisentwicklung am Pacht- und Kaufmarkt erklärt werden soll. Vielmehr bestimmt die Zahlungsbereitschaft der überdurchschnittlich erfolgreichen Unternehmen, welche Preise am möglich sind. Berechnet man die Grundrenten der jeweils 25 % erfolgreichsten und am wenigsten erfolgreichen Betriebe in den drei N
Regionen, so zeigt sich die große Spreizung der Erfolgskennzahlen zwischen den Betrieben. In der Region Nord-Westen belief sich die durchschnittliche Grundrente der 25 % erfolgreichsten Betriebe in den zwei zurückliegenden Jahren auf rund. /ha Pachtfläche, während das unterste Viertel im Durchschnitt negative Grundrenten von fast minus 9 /ha aufweist. Bei den Betrieben im Süden ist die Spannweite ähnlich (Oberes Viertel: 9 /ha, unteres Viertel: minus. /ha), während die Werte im Osten dichter beisammen liegen (Oberes Viertel: 7 /ha, unteres Viertel: minus 4 /ha). Ähnlich signifikante Unterschiede im Niveau der Grundrenten zeigen sich auch bezogen auf die Betriebsgröße; die größeren Betriebe erzielen im Durchschnitt höhere Grundrenten als die kleinen. Preise noch sachgerecht? Was also sagen uns somit die errechneten Werte bei der Frage, ob die derzeitigen Pachtund Kaufpreise noch sachgerecht sind? Die Grundrenten der Vergangenheit sind dafür zwar ein wichtiger Anhaltspunkt. Für einen Pacht- oder Kaufinteressenten sind weitere Argumente möglicherweise jedoch viel entscheidender, wobei insbesondere strategische Aspekte der Betriebsentwicklung oder die Erwartung zukünftiger Preise und Kosten zu nennen sind. Wer Boden pachten oder kaufen will, orientiert sich nicht an den eigenen Durchschnittswerten, sondern an einem Marginalkalkül, das sämtliche durch die zusätzliche Bewirtschaftung verursachten ökonomischen Effekte berücksichtigt. Zum Beispiel könnte er durch den Erwerb eines zusätzlichen Hektars die Gewerblichkeit der Tierhaltung vermeiden und die Pauschalierungsvorteile im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer aufrechterhalten. Er berücksichtigt also nicht nur die zusätzlichen Erträge aus der Bodenbewirtschaftung, sondern auch die anteiligen, von der zusätzlichen Fläche abhängigen Mehrerträge (z. B. steuerlicher Art) aus anderen Bereichen wie etwa der Veredlung durch Tierhaltung oder Biogaserzeugung. Die so definierte marginale Grundrente entspricht dem Grenzpachtpreis, also dem Pachtpreis, bei dem der Pächter keinerlei Mehrgewinn durch die Pachtung einer zusätzlichen Fläche erzielen würde. Ein landwirtschaftlicher Bodenkäufer, der Wertsteigerungen, Änderungsrisiken und Opportunitätskosten außer Acht ließe, würde seinen kapitalisierten Grenzpachtpreis als maximalen Kaufpreis für eine zusätzlich zu erwerbende Fläche ansetzen. Dieser ist somit von der individuellen betrieblichen Situation abhängig und nicht allgemein kalkulierbar. Die zuletzt stark gestiegenen Pachtpreise spiegeln sicherlich die gute Ertragslage vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Verbindung mit den zusätzlichen flächengebundenen Einkommensmöglichkeiten aus der Erzeugung erneuerbarere Energien wider. Gleichzeitig verleitet aber offensichtlich in einigen Regionen die zunehmende Konkurrenz zwischen den Betrieben um den Boden die Nachfrager dazu, immer höhere Anteile ihrer marginalen Grundrente für das Pachtgebot zu verwenden oder sogar eine Quersubvention aus anderen Betriebsteilen vorzunehmen, um im Bieterwettstreit vorn zu liegen. Strategische Überlegungen im Zusammenhang mit einer geringen Flächenverfügbarkeit können hierfür ausschlaggebend sein. Dies dürfte jedoch keine nachhaltig praktizierbare Strategie für landwirtschaftliche Unternehmen sein, da sie zu Lasten der notwendigen Eigenkapitalbildung des Unternehmens geht. Zudem setzen Höchstpreiszahlungen einen Maßstab für nachfolgende Pachtverhandlungen. Zu vermuten ist außerdem, dass der Anstieg der Pachtpreise mit einem Trend zu immer kürzeren Pachtvertragslaufzeiten einhergeht. Hierfür gibt es derzeit aber keinen empirischen Nachweis. Keine enge Kopplung an die Grundrenten Geht es um die Beurteilung der Kaufpreisentwicklung, so ist zunächst festzuhalten, dass die Kaufpreise noch nie sehr eng an Grundrenten gekoppelt waren, weil nichtlandwirtschaftliche Einflussfaktoren gerade in Regionen mit geringem Kaufangebot stets großen Einfluss haben. Momentan treiben die anhaltend niedrigen Marktzinsen die Zahlungsbereitschaft potenzieller Käufer an. Wenn alternative sichere Anlageformen mit weniger als % verzinst werden, ergibt sich daraus ein Kapitalisator, der die kapitalisierten Pachtpreise in groteske Höhen treibt. Wer mit der durchschnittlichen Grundrente als wesentlichem Maßstab von Bodenpreisen argumentiert, vernachlässigt die Tatsache, dass die Grundrente als Residualgröße unternehmensspezifisch enorme Variationsbreiten aufweist. Neben dem Unternehmenserfolg ist ihre Höhe abhängig von Annahmen über die Entlohnung familieneigener Produktionsfaktoren (Lohn- und Zinsansätzen), die jeder Unternehmer individuell einschätzen wird. Somit ist die Grundrente als Hilfsgröße zu verstehen, die in der konkreten Entscheidungssituation eines Pachtgebots von Marginalkalkulationen und strategischen Aspekten überlagert wird. nicht zwangsläufig überhitzt Die eingangs erwähnten Grundrenten von Ackerbaubetrieben in Höhe von 3 bis 6 /ha Pachtfläche sind als Durchschnittswerte angesichts der Testbetriebsauswertungen im Mittel der letzten Jahre nur von den erfolgreichen Unternehmen zu erreichen. Allerdings sind die Erfolgreichen auf funktionierenden Märkten in der Regel maßgeblich für die Preisfindung. Dies führt bei wachsender Konkurrenz, wie sie auf den Pacht- und Kaufmärkten zu beobachten ist, zu deutlichen Preissteigerungen, die nicht zwangsläufig auf eine Überhitzung hindeuten. Wenn jedoch Pachtpreise gezahlt werden, die die marginale Grundrente der Pachtfläche nachhaltig deutlich übersteigen und nur durch Quersubventionierung aus anderen Betriebsteilen dargestellt werden können, so ist dies ökonomisch unvernünftig. Der derzeit ungebrochene Trend wachsender Durchschnittspachtpreise wird daher mittelfristig voraussichtlich zumindest abflachen. Wenn Pachtverträge zunehmend kürzere Laufzeiten aufweisen, können Fehlentscheidungen auch kurzfristiger wieder behoben werden. (us) Bernhard Forstner vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft und Andreas Tietz vom Thünen-Institut für Ländliche Räume, Braunschweig 6 agrarmanager März 25