Unterbezirksparteitag "Migration" der SPD Remscheid am 19.05.2007 Beschluss: Remscheid. Stadt der 119 Nationen eine Stadt für alle! Antragsteller: SPD-Unterbezirkvorstand Remscheid Adressat: SPD-Unterbezirk Remscheid SPD-Ratsfraktion 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 Remscheid ist eine der von Migration geprägten Städte. Historisch gesehen, bildeten Arbeitssuchende aus dem Hessischen im 19. Jahrhundert bereits eine zahlenmäßig starke Gruppe an Zugewanderten. Hiervon legt ein Gedenkstein Zeugnis ab, der auf dem Markt in Remscheid an eine ehemals existierende Hesseninsel erinnert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Arbeitssuchende in großer Zahl aus südeuropäischen Ländern angeworben, um in der Industrie zu arbeiten und die deutsche Wirtschaft mit aufzubauen. Den Auftakt machten die Italiener. In kurzen Abständen folgten Spanier und Portugiesen, Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und Marokko. In den 1990er Jahren zogen Menschen aus Osteuropa insbesondere aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion in großer Zahl nach Remscheid. Heute stellen Migrantinnen und Migranten bzw. Menschen mit einem Migrationshintergrund rund 25% der Bevölkerung Remscheids. Jedes zweite Kind, das heute in Remscheid geboren wird, hat einen Migrationshintergrund. Hieraus ergibt sich, dass die Integration dieser Menschen eine der zentralen Herausforderungen kommunaler Politik in Remscheid darstellt. Für die Remscheider SPD ist die Integration der in Remscheid lebenden Migrantinnen und Migranten und der Menschen mit einem Migrationshintergrund das Ziel ihres kommunalpolitischen Handelns. Unter Integration verstehen wir die gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischem Leben unter Beibehaltung vielfältiger kultureller Identität in unserer Stadt. Wir verstehen Integrationspolitik als Querschnittspolitik, die alle Bereiche kommunalen Handelns erfasst mit dem Ziel, gesellschaftliche Bedingungen zu schaffen, die ein Zusammenleben aller Menschen in unserer Stadt fördern und ermöglichen. Mit diesem Antrag wollen wir uns als Remscheider SPD Schwerpunkte setzen, an denen wir unsere Integrationspolitik vor Ort in den kommenden Jahren orientieren wollen.
Seite 2 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 Bildung und Erziehung Sprache ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten der Schlüssel für schulische und berufliche Chancen. Daher kommt der Sprachförderung im Elementar-, Primar- und Sekundarbereich der Kindergärten und Schulen eine erhebliche Bedeutung zu. Sie ist erheblich auszuweiten. Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben die Einführung der Offenen Ganztagsgrundschule (OGGS) in Remscheid vorangetrieben. Wir setzen uns für eine adäquate finanzielle Ausstattung und den weiteren Ausbau dieses Modells ein. Unser Ziel ist eine flächendeckende wie beitragsfreie Betreuungskette bis zum zehnten Schuljahr. Wir wollen ein Bildungssystem, in dem jeder junge Mensch optimal gefördert wird. Finanzielle Hürden, die den Schulerfolg verhindern können, wollen wir einreißen. Wir wollen, dass jeder Ausbildungsabschluss gebührenfrei ist. Das gilt auch für die Hochschulen. Wir lehnen Studiengebühren daher ab und fordern deren Abschaffung. Eine gut funktionierende Elternarbeit in Kindergärten und Schulen ist eine wichtige Voraussetzung für den Schulerfolg von Kindern. Sie ist eine Möglichkeit, Eltern bei der Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu unterstützen. Wir unterstützen daher Maßnahmen, die eine Einbindung der Eltern in die Schularbeit zum Ziel haben. Die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit ist heute nahezu unbestritten. Wir setzen uns daher dafür ein, dass sie auf alle Schulen ausgeweitet wird. Ausbildung Die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen ist in den vergangenen Jahren zu einer schleichenden Gefahr für die berufliche und persönliche Zukunft vieler junger Menschen und damit für den sozialen Frieden in unserer Stadt geworden. Bereits seit mehreren Jahren werden weniger Ausbildungsplätze angeboten und Ausbildungsverträge abgeschlossen als es Bewerberinnen und Bewerber gibt. Viele Hunderte sind in Schule oder Maßnahmen von Arbeitsamt oder Träger von Weiterbildungsangeboten geparkt. Davon sind in Remscheid in überdurchschnittlichem Maße jugendliche Migrantinnen und Migranten und Jugendliche mit Migrationshintergrund betroffen. Es ist an der Zeit, vor dieser gesellschaftlichen Chancenungleichheit nicht weiter die Augen zu verschließen. Wir wollen, dass jeder junge Mensch eine seinen Möglichkeiten entsprechende qualifizierte Ausbildung erhält. Wir rufen daher alle Akteure angefangen bei den Unternehmen über deren Verbände wie Industrie - und Handelskammer, Kreishandwerkerschaft und
Seite 3 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 Arbeitgeberverband, die Gewerkschaften und die Schulen zu gemeinsamem Handeln auf. Wir sehen u. a. in der Schaffung von Ausbildungsberufen mit gestuften Ausbildungszeiten und gestuften Ausbildungsabschlüssen eine Möglichkeit, schwer qualifizierbaren Jugendlichen eine berufliche und damit persönliche Perspektive zu bieten. Wir setzen darauf, dass durch überbetriebliche Ausbildung mehr an Ausbildungsplätzen geschaffen werden kann. Die Stadt Remscheid soll sich hieran ebenfalls weiter beteiligen und mit gutem Beispiel vorangehen. Die Ausbildung junger Menschen über Bedarf in der Stadtverwaltung muss daher auch in Zukunft fortgesetzt werden. Für Jugendliche, die deutliche Defizite in ihrer Sprachkompetenz aufweisen, sind Sprachförderangebote im Rahmen der Ausbildung notwendig. Migrantinnen und Frauen mit Migrationshintergrund Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die uneingeschränkte Teilhabe an allen Bildungsangeboten und (Aus-) Bildungswegen für Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund sicherzustellen. Diese Angebote wollen wir so konzipiert wissen, dass Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund von Bildungsträgern gezielt angesprochen und bei der Teilnahme an den Angeboten unterstützt werden. Dazu bedarf es in Remscheid mehr Sozialarbeiterinnen und Lehrerinnen mit interkultureller Kompetenz. Wir setzen uns für die Schaffung von speziellen Angeboten für Migrantinnen ein, die sich in Notlagen befinden. Wir stellen uns eindeutig gegen jegliche Form von Gewalt und Bevormundung gegen Mädchen und Frauen, gleich welcher Nationalität. Alle Maßnahmen, die zu einem Rollen- und Paradigmenwechsel bei Männern führen, werden von uns unterstützt und gefördert. Wohnen Wir wollen die Stadtteilsozialarbeit verstärken, insbesondere in Stadtteilen mit einem hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten. Hierunter verstehen wir die Koordinierung von Angeboten sozialer und kultureller Art, von Beratung und Betreuung, vor Ort. Hierbei wollen wir auf bereits bestehende und gut funktionierende Infrastrukturen vor Ort (Vereine, Einrichtungen, Angebote) aufbauen. Wir wollen Menschen, die sich bereits für ihren Stadtteil engagieren, einbinden. In regelmäßigen Stadtteilkonferenzen wollen wir den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit geben, ihre Probleme und Ideen einzubringen. Wir möchten die Stadtteilkonferenzen als regelmäßige Beteiligungsform festschreiben.
Seite 4 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 Stadtteile brauchen eine umfassende Infrastruktur. Daher sind Möglichkeiten zum Einkaufen und zur Kommunikation dringend erforderlich. Die ärztliche Versorgung muss ebenfalls in den einzelnen Stadtteilen sichergestellt sein. Religiöse und kulturelle Bildungs- und Beratungsangebote müssen vor Ort angeboten werden. Frei- und Freizeitflächen erhöhen die Aufenthaltsqualität und stärken die Identität mit dem eigenen Stadtteil. Die Stadtteile leben von einer Vielfalt der Wohnformen (Eigentum, Mietwohnungen in allen Preislagen, Kategorien und Größen sowie Mehrgenerationenwohnen). Diese Vielfalt wollen wir fördern. Zur Wohnqualität gehört auch die Möglichkeit zur Mobilität, um am öffentlichen Leben teilhaben zu können. Familie mit Kindern, Migrantinnen und ältere Migranten sind dazu mehr auf den ÖPNV angewiesen. In den einzelnen Stadtteilen ist deshalb eine ausreichende Versorgung sicher zu stellen. Wir wenden uns gegen jede Form von Segregation und Stigmatisierung von Stadtteilen. Integrierte Stadtentwicklung umfasst für uns Wohnen, Arbeiten, Bildung und Freizeit und bezieht die Menschen aktiv in die Gestaltung ihres Lebensumfeldes mit ein. Wir wollen die Möglichkeiten des direkten Einflusses über öffentliche Wohnungsbaugesellschaften nutzen. Beispielhaft sind die Beteiligung der GEWAG beim Projekt Stadtumbau West für die Stadtteile Honsberg, Kremenholl und Stachelhausen sowie die Aktivitäten der LEG in den Stadtteilen Klausen und Hackenberg zu nennen. Hier zeigt sich, wie wichtig der Fortbestand öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften ist. Begegnung Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bieten Begegnungen in der Freizeit die beste Möglichkeit des gegenseitigen kennen lernen und sich - verstehen - lernen. Wir sehen es als kommunale Aufgabe an, vielfältige Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen. Der Sport bietet hierzu eine sehr gute Möglichkeit, über die unterschiedliche Herkunft hinweg über die gemeinsame Leidenschaft Vorurteile abzubauen und zu überwinden. Wir möchten, dass alle Vereine grundsätzlich allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern - gleich welcher Nationalität und Herkunft - offen stehen. Kulturelle Bildung bietet unserer Meinung nach ebenfalls vielfältige Möglichkeiten der Begegnung. Durch gemeinsame Feiern, durch (religiöse) Feste und Veranstaltungen kann das Verständnis und das Wissen übereinander gestärkt werden. Wir wollen religiöse Identitäten würdigen, z.b. durch die Einrichtung von Gebetsräumen in Krankenhäusern, durch einen Saal für größere Familienfeste und durch die Einrichtung öffentlicher Treffpunkte.
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