Zehn Vorrausetzungen für eine erfolgreiche ITIL Implementierung, Torsten Purschke, EDS Business Solutions GmbH Zwischen den ersten Entwicklungen an der Information Technology Infrastructure Library, kurz ITIL, in den 90er Jahren und der kurz vor der Veröffentlichung stehenden Version 3 hat das europäische IT Framework weltweit erheblich an Bedeutung gewonnen. Forrester Research geht in einer Studie über die Marktdurchdringung von ITIL davon aus, dass im Jahr 2008 bis zu 80% der IT Unternehmen ITIL anwenden. Die Etablierung von ITIL Service Management als De-fakto IT Betrieb Standard durch die ISO Norm 20 000 wird diesen Effekt noch unterstützen. Mit der zunehmenden Verbreitung von ITIL steigen aber auch die Berichte über nicht erfüllte Erwartungen und gescheiterte Projekte. Im Folgenden werden die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche ITIL Implementierung vorgestellt. Sie werden einige der Voraussetzungen als Standard- Projektmanagementvorgehen oder schlichtweg als gesunden Menschenverstand bezeichnen, aber im Rahmen von ITIL Einführungsprojekten führt ein Fehlen dieser Voraussetzungen unweigerlich zum Scheitern. Andere Voraussetzungen gehen über die Möglichkeiten allgemeinen Projektmanagements deutlich hinaus. Sie erfordern spezifisches Implementierungs-Know-how. 1. ITIL entmystifizieren Bevor Sie ein ITIL Projekt initiieren, sollten Sie ITIL entmystifizieren. ITIL wird oft als die Lösung für jedes nur denkbare Problem betrachtet, das sich einem IT Service Provider stellt. Tatsächlich ist ITIL jedoch ein Framework, welches für jedes Unternehmen entsprechend den Bedürfnissen und Rahmenbedingungen instrumentiert und implementiert werden muss. Auch die Lösungen, die auf ITIL basieren, seien es IT Systeme oder Prozessmodelle, spiegeln immer nur eine spezielle Implementierung wider und können sich ganz erheblich voneinander unterscheiden. Eine Ursache liegt in dem grundsätzlichen Aufbau der Library und in der noch nicht vollständig vollzogenen Integration und Standardisierung der einzelnen Prozess Gruppen, die von verschiedenen Projektgruppen separat entwickelt wurden. Es gibt daher nicht eine ITIL Lösung, sondern beliebig viele und jeder Versuch ITIL 1- zu-1 zu übernehmen wird in der Sache scheitern. 1/5
2. Management Sponsorship and Commitment Die Signale, die von einer aktiven Unterstützung des Managements ausgehen, werden oft unterschätzt. Hier ist es wichtig zu zeigen und zu beweisen, dass dies nicht ein temporärer Modetrend ist, sondern etwas, das langfristig zur Optimierung und auch zur Erhaltung der IT Organisation dient. Aktivitäten wie ITIL Trainings und Zertifizierungen an denen das Top Management teilnimmt oder die Konsolidierung von laufenden Projekten in ein ITIL Programm helfen, den Mitarbeitern die Priorität zu verdeutlichen. Aktive Kommunikation und Commitment des Managements ist ein wesentlicher Bestandteil des Management of Change. 3. Klarer Projektumfang Der Umfang der Implementierungen und die daraus resultierende Komplexität variiert zwischen den einzelnen Implementierungstypen teilweise sehr stark. Wo einige Unternehmen lediglich einzelne Prozesse oder IT Systeme implementieren, nutzen andere ITIL um ganzheitlich ihre Organisation, Prozesslandschaft und die unterstützenden IT Systeme zu reorganisieren. Gerade in diesem Zusammenhang führt ein unklarer Projektumfang zu einer über die Projektlaufzeit ständig wechselnden Erwartungshaltung der verschiedenen Interessenvertreter und damit zu nicht unerheblichem Anpassungsaufwand und im schlimmsten Fall zu einem Scheitern des gesamten Projekts. Im Umfang sollte daher detailliert beschreiben werden, welche Elemente im Rahmen des Projektes verändert bzw. erstellt werden sollen. Ist der Umfang eines ITIL Projektes nicht klar definiert, wird das Projekt nicht erfolgreich sein. 4. Effektives Organizational Change Management Die Veränderungsbereitschaft und -kapazität einer Organisation wird häufig überschätzt und daher zu wenig getan um den Veränderungsprozess effektiv zu unterstützen. Gerade in Bezug auf die umfangreichen Veränderungen für die Mitarbeiter, die notwendig sind um ITIL Prozesse und die dazugehörigen IT Systemen und Organisationsmodifikationen durchzuführen, ist eine intensive Unterstützung notwendig. Die besten Prozesse, modernsten IT Systeme und schlanksten Organisationen werden keine Verbesserungen bringen, wenn Sie gegen den Widerstand der Mitarbeiter eingeführt werden. Die Mitarbeiter entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg der Einführung. Als wesentlicher Bestandteil sollte eine Umfeldanalyse identifizieren, welche Bereiche wie von den Veränderungen betroffenen sind, um dann auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen. Teilweise möchten Know-how-Träger in den Entwicklungsprozess beteiligt werden, was für den Projekterfolg wichtig ist, oder aber es bestehen Existenzängste, fehlt der Überblick über den Gesamtzusammenhang oder die Mitarbeiter haben keine Erfahrung mit Veränderungsprozessen. Auf alle diese Bedürfnisse muss im Rahmen des Projektes aktiv eingegangen werden. Hier können mit kleinen Maßnahmen große Erfolge erzielt werden. Gerade der IT Bereich, der für die wichtigsten Veränderungen in der gesamten Arbeitswelt verantwortlich ist, hat sich als besonders widerstandsfähig gegen 2/5
Veränderungen erwiesen. Des Weiteren hat sich eine Kopplung dieser Maßnahmen mit Personalmechanismen wie Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, sowie Entgelt, bzw. Bonusmodellen als besonders erfolgreich dargestellt. Aktives Organizational Change Management ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche und nachhaltige Einführung. 5. Klare und messbare Ziele Ziele untermauern den Projektumfang und müssen klar messbar sein. In Bezug auf eine ITIL Implementierung können diese Ziele sich auf Qualitätsverbesserungen, Kostensenkungen, Automatisierung oder auch auf das Erreichen von Zertifizierungen wie ISO 20 000 beziehen. Unabhängig von der Art der Ziele ist es wichtig die Ausgangslage zu ermitteln und auf dieser Basis den Erfolg zu definieren. Eine genaue Baseline- Ermittlung entscheidet dabei oft über Erfolg oder Misserfolg. Die Verringerung von fehlerhaften Changes durch die Einführung von ITIL Change- und Releasemanagement, kann trotz eindeutiger Verbesserungen dazu führen, dass die Zahlen der fehlerhaften Changes nach der Einführung ansteigt. Dies kann an einer Veränderung der Change Definition, der Dokumentation von in der Vergangenheit nicht dokumentierten Changes oder der Verschärfung der Kriterien für erfolgreiche Changes liegen. Alle diese Veränderungen mögen zu einer Verbesserung der Qualität des Change Managements führen. Wurde die Ausgangslage fehlerhaft ermittelt, können sie als Projektmisserfolg erscheinen und zu falschen Schlüssen und Entscheidungen führen. Zudem sollten die Verfahren und Metriken zur Baseline-Ermittlung den Verfahren und Metriken für die Messung der Zielerreichung entsprechen. Klare und messbare Ziele sind zusammen mit der Ausgangslage und nachvollziehbaren und akzeptierten Messverfahren wichtig für die Akzeptanz des Projektes und den Nachweis seines Erfolges. 6. Integration der Organisations-, Service-, Technologie- und Prozessarchitektur Der Zusammenhang von Organisations-, Technologie- und Prozesselementen wird bei ITIL Projekten oft unterschätzt. Vielfach wird in IT Organisationen der Schwerpunkt auf die Technologie gelegt, aber auch ein starker Fokus auf den Prozessteil aufgrund des ITIL Prozessframeworks ist erkennbar. Doch eine einseitige Fokussierung auf einen der Bereiche führt leicht zu ineffizienten Lösungen. IT Lösungen, die an den Prozessen vorbei oder auch gegen sie wirken, sind eben so ineffektiv wie Prozesslösungen, die keine adäquate Technologieunterstützung haben. Hier sollte eine ganzheitliche Vorgehensweise gewählt werden, die neben der Prozess- und Technologiearchitektur auch die Organisations- und Serviceseite betrachtet. Ganzheitliche Architekturen verringern die Gefahr ineffektiver Lösungen durch einseitige Entwicklungsschwerpunkte. 3/5
7. Vollständige Projektkostenbetrachtung Die Betrachtung der Kosten beschränkt sich bei vielen ITIL Projekten auf die Betrachtung der Entwicklungskosten. Kosten, die im Zusammenhang mit der Implementierung stehen, seien sie technischer Natur oder durch Trainingsmaßnahmen hervorgerufen, bzw. die Kosten im Betrieb, werden häufig nicht betrachtet. Für die Entwicklung und die erfolgreiche Einführung im Rahmen eines ITIL Projektes sind diese Kosten jedoch sehr kritisch. Eine nicht durchgeführte oder nur eingeschränkte Implementierung aus Gründen von nicht geplanten Einführungs- oder Betriebskosten führt dazu, dass das Projekt scheitert oder Projektziele nicht vollständig erreicht werden. Vollständige Kostenkalkulation ist wichtig um die Implementierung nicht zu gefährden. 8. Ganzheitliche Betrachtung des ITIL Frameworks Bei der Einführung von ITIL ist es wichtig den gesamten Kontext zu definieren, auch wenn nur die Einführung von Teilbereichen geplant ist. So kann eine phasenweise Einführung von ITIL Komponenten erhebliche Nacharbeiten erfordern, wenn nicht schon bei der Entwicklung der ersten Teilkomponenten der Gesamtumfang bekannt ist. Es hat sich daher bewährt, die gesamte Prozess- und Technologiearchitektur zu definieren, um dann die gewünschten Teilbereiche in ihrem Kontext zu entwickeln. Für die zeitlich zurückgestellten Bereiche bieten sich Workarounds an, die beschreiben, wie bis zu der Einführung mit dem Bereich verfahren werden soll. Ganzheitliche Betrachtung des ITIL Frameworks verringert den Aufwand von Nacharbeiten bei einer phasenweisen Entwicklung. 9. Richtige Ressourcen Beim Start eines ITIL Projektes sollten sie darauf achten, dass die Schlüsselpersonen der betreffenden Bereiche in das Projekt involviert sind. Häufig sind die richtigen Personen vollständig mit dem Tagesgeschäft der Serviceerbringung beschäftigt, sodass Sie für Verbesserungsprojekte nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Oftmals werden dann Mitarbeiter mit wenig Erfahrung zum Lernen dem Projekt zur Verfügung gestellt, was oftmals fatale Folgen für das Projekt hat. Ob die richtigen Ressourcen verfügbar gemacht werden, kann als Lackmus-Test für das Management Commitment dienen. Richtige Ressourcen entscheiden über die Qualität und Akzeptanz der ITIL Lösung. 4/5
10. Nutzenrealisierung und Business Case Die Nutzenrealisierung, die normalerweise im Rahmen eines Business Case zusammen mit den Projektkosten behandelt wird, ist eine Aktivität, die während der Projektinitialisierung begonnen werden sollte, die wesentlich die Projektentscheidung beeinflussen sollte und die meist weit über das offizielle Projektende hinaus fortgesetzt werden muss. Der Nutzen eines ITIL Projektes wird häufig anhand von Studien betrachtet und direkt auf das eigene Unternehmen übertragen. So wird z.b. von integrierten ITIL Prozessen, gestützt auf Studien namenhafter Beratungshäuser, eine Kostenreduzierung von 20% erwartet und damit die eigenen notwendigen Investitionen gerechtfertigt. Diese Studien stellen jedoch nur eine Richtgröße dar und jedes Unternehmen muss basierend auf der eigenen Situation (z.b. Kosten- und Organisationsstrukturen, Mengenvolumen und Verträgen) bestimmen, wie sich der Nutzen durch die Einführung von ITIL für sie darstellt. Bezieht sich der Nutzen auf Aufwands- und Kosten Reduzierung (Cost Reduction), so ist es wichtig, frühzeitig die betroffenen Kostenarten und -stellen zu identifizieren und, z.b. durch eine förmliche Unterzeichnung des Business Case durch die für die einzelnen Reduzierungen verantwortlichen Manager, eine aktive Beteiligung der betroffenen Unternehmensbereiche sicherzustellen. Die Nutzenrealisierung kann auch z.b. über erhöhte Absatzvolumen realisiert werden. So kann über die Qualitätsverbesserung oder die Erhöhung der Anzahl von IT Veränderungen (Change und Release Management) ein höherer Umsatz mit Kunden erwirtschaftet werden. Auch hier sollte die Realisierung im Rahmen des Business Case festgeschrieben und die Verantwortlichen festgelegt werden. Die notwendigen Nachweisverfahren müssen über klare und messbare Ziele etabliert werden und bis zur endgültigen Realisierung, i.d.r. weit über das offizielle Projektende hinaus, regelmäßig kontrolliert werden. Ein Business Case mit einer explizierten Nutzenbetrachtung, mit einer klaren Zuordnung von Verantwortlichen und einem etablierten Nachweisverfahren sichert die Projektinvestition durch Nutzenrealisierung. 5/5