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Transkript:

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 jura.freepage.de/rwg VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998, - 8 E 1385/97.Me - In dem Verwaltungsrechtsstreit... erläßt die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Meiningen durch... den Richter am VG..., den Richter am VG..., die Richterin... ohne mündliche Verhandlung am 14. Januar 1998 folgenden Beschluß: I. Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, die Antragsteller zu 2. und 3. nach Maßgabe seiner Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 zur "Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung an den Thüringer Schulen", die den Kultusministerkonferenzbeschluß vom 30. November/1. Dezember 1995 umsetzen soll, zu unterrichten. II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert wird auf 4.000,- DM festgesetzt. Gründe I. Die Antragstellerin zu 1., Alleinerziehungsberechtigte der Antragsteller zu 2. und 3., und ihre beiden schulpflichtigen minderjährigen Kinder, wenden sich gegen die Einführung der Rechtschreibreform im Schulunterricht. Die Antragsteller zu 2. und 3. besuchen im Schuljahr 1997/98 die 5. Klasse des... -Gymnasiums bzw. die 7. Klasse des Regionalen Förderzentrum, Kurs Hauptschule. Der deutschen Rechtschreibung liegt im wesentlichen folgende Entwicklung zugrunde: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es keine verbindliche Regelung der deutschen Orthographie. Als Richtschnur dienten vielfach Werke einflußreicher Grammatiker und Lexikographen. Ab 1854 bestanden stark voneinander abweichende orthographische Regelhefte der Schulverwaltungen der einzelnen deutschen Länder. 1876 fand die erste Orthographiekonferenz in Berlin statt mit dem Ziel einer sowohl vereinheitlichten als auch systematisierten Rechtschreibung. Bei den Reformern siegte das "phonetische" Prinzip (deutsch soll so geschrieben werden, wie es gesprochen wird) über das "historische" (die Schreibung soll die Wortgeschichte berücksichtigen). Die Konferenz konnte sich jedoch nicht über die Kennzeichnung gedehnter Vokale einigen, so daß es auch wegen heftiger öffentlicher Polemik zu einer mehrheitlichen Ablehnung des Konferenzergebnisses durch die Länder kam. 1901 fand die zweite orthographische Konferenz in Berlin statt, mit dem einzigen Ziel der Vereinheitlichung. Im gleichen Jahr wurde ein (bis heute) verbindliches amtliches Regelwerk für Deutschland und Österreich verabschiedet, dem sich 1902 auch die Schweiz anschloß. 1902 erfolgte die Neubearbeitung von Dudens Rechtschreibwörterbuch im Lichte des in Kraft getretenen Regelwerkes. Für den Bereich der Schule wurden die damals beschlossenen orthographischen Regeln auf dem Erlaßwege verbindlich gemacht. Die Redaktion des Dudens paßte die in ihm verzeichnete Rechtschreibung in der Folgezeit dort dem tatsächlichen Gebrauch an, wo sich Abweichungen von den Regeln aus dem Jahre 1901 ergaben. Im Jahre 1955 beschloß die Kultusministerkonferenz der Länder der Bundesrepublik Deutschland, daß die in der Rechtschreibreform von 1901 und den späteren Verfügungen festgelegten Schreibweisen und Regeln auch heute noch verbindlich für die deutsche Rechtschreibung seien. Bis zu einer Neuregelung seien diese Regeln die Grundlage für den Unterricht in allen Schulen. In Zweifelsfällen seien die im Duden gebrauchten Schreibweisen und Regeln verbindlich. Bereits seit den 50er Jahren gibt es in den deutschen Ländern Bestrebungen zu einer Rechtschreibreform. Dabei wurden verschiedene Reformvorschläge mit zum Teil weitgehenden Änderungen der Rechtschreibung gemacht und auch wieder verworfen (vgl. zum historischen Abriß "Die Zeit" Nr. 47 vom 14. November 1997, "150 Jahre Ringen um Worte", "Die Geschichte der deutschen Rechtschreibung").

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 2 Die Rechtschreibreform, gegen die sich die Antragsteller mit ihrem vorliegenden Eilverfahren wenden, beruht auf den Beschlüssen einer Orthographiekonferenz, die vom 22. bis 24. November 1994 in Wien stattfand (3. Wiener Gespräche). An dieser Konferenz nahmen Fachleute und Vertreter staatlicher Stellen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Die Kultusministerkonferenz faßte am 30. November/1. Dezember 1995 in Mainz folgenden Beschluß: 1. Die Kultusministerkonferenz nimmt den Bericht der Amtschefskommission zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zustimmend zur Kenntnis. 2. Die Kultusminister verständigen sich darauf, den überarbeiteten Neuregelungsvorschlag "Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis" (RS Nr. 322/95 vom 12.06.1995) mit den Änderungen der Beilage 1 unter Voraussetzung, daß die Ministerpräsidenten dem Neuregelungsvorschlag zustimmen, daß der Bund dem Neuregelungsvorschlag zustimmt und daß die angestrebte zwischenstaatliche Erklärung von Deutschland, Österreich, der Schweiz und gegebenenfalls weiteren interessierten Staaten rechtzeitig unterzeichnet wird, als verbindliche Grundlage für den Unterricht in allen Schulen einzuführen. 3. Die Kultusministerkonferenz ermächtigt die Präsidentin - vorbehaltlich der Zustimmung durch die Ministerpräsidenten -, die zwischen den deutschsprachigen Ländern abzustimmende gemeinsame Erklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zu unterzeichnen. 4. Die Neuregelung tritt am 1. August 1998 mit folgenden Maßgaben in Kraft: a) Schulbücher, die das neue Regelwerk beachten, können im Vorgriff auf die Neuregelung bereits vor dem 1. August 1998 genehmigt werden, b) weitere Übergangsregelungen für die Zeit bis zum 1. August 1998 - einschließlich der für die Schulbuchgenehmigung zu treffenden Entscheidung - treffen die Länder in eigener Zuständigkeit. c) Bis zum 31. Juli 2005 werden bisherige Schreibweisen nicht als falsch, sondern als überholt gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen ergänzt. Zu diesem Zeitpunkt sollten auch alle Schulbücher in der neuen Schreibung vorliegen. Sollte sich herausstellen, daß die Übergangszeit zu großzügig oder zu eng bemessen ist, wird eine Veränderung der Frist durch die Kultusministerkonferenz in Aussicht genommen. 5. In Zweifelsfällen der Rechtschreibung werden ab dem 1. August 1998 Wörterbücher zugrunde gelegt, die nach Erklärung des jeweiligen Verlages der Neuregelung in der jeweils gültigen Fassung in vollem Umfang entsprechen. (...) 9. Bisherige Festlegungen zur Rechtschreibung, insbesondere der Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 18./19. November 1955 "Regeln für die deutsche Rechtschreibung" werden mit Wirkung vom 1. August 1998 aufgehoben. Die Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder stimmte diesem Beschluß in der Sitzung vom 14. Dezember 1995 in Bonn zu und bestätigte diese Zustimmung in einem Umlaufbeschluß vom 5. März 1996. Das Bundeskabinett befaßte sich in seiner Sitzung am 17. April 1996 mit der Rechtschreibreform und nahm die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und der Ministerpräsidenten zur Kenntnis. Am 1. Juli 1996 unterzeichneten in Wien Vertreter von sechs Staaten, von deutscher Seite der Präsident der Kultusministerkonferenz und ein parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, eine gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung - Wiener Absichtserklärung -.

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 3 Nach dieser Erklärung nehmen die Unterzeichner das auf der Grundlage der "3. Wiener Gespräche" vom 22. bis 24. November 1994 entstandene Regelwerk "Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis" zustimmend zur Kenntnis. Sie erklären ihre Absicht, sich innerhalb ihres Wirkungsbereiches für die Umsetzung dieses Regelwerkes einzusetzen, wobei folgender Zeitplan in Aussicht genommen wurde: 1. Die Neuregelung der Rechtschreibung soll am 1. August 1998 wirksam werden. 2. Für ihre Umsetzung ist eine Übergangszeit bis zum 31. Juli 2005 vorgesehen. Weiter soll eine Rechtschreibkommission auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hinwirken, die Einführung der Neuregelung begleiten, die künftige Sprachentwicklung beobachten sowie - soweit erforderlich - Vorschläge zur Anpassung des Regelwerkes erarbeiten. Die Wiener Absichtserklärung einschließlich ihrer Anlage wurde am 31. Oktober 1996 im Bundesanzeiger (Nr. 205 a) veröffentlicht (vgl. zum historischen Abriß "Die Zeit" Nr. 47 vom 14. November 1997, "150 Jahre Ringen um Worte", "Die Geschichte der deutschen Rechtschreibung" sowie VG Berlin, Urteil vom 14.11.1997, VG 3 EÜ 122.97). Bereits durch Rundschreiben des Thüringer Kultusministeriums (Az.: 23/51301/30(1)) vom 2. Mai 1996 wurde folgende Einführung des neuen Regelwerkes an Schulen geplant: Im Anfangsunterricht soll die Schreibung konsequent nach den neuen Regeln eingeführt werden. Aus diesem Grund werden bereits die Schulanfänger des Schuljahres 1996/97 nach den neuen Regeln unterrichtet. (...) Ab dem 1. August 1998 wird in allen Klassen das neue Regelwerk im Deutschunterricht eingeführt. Der Schulbuchkatalog enthält dann bereits zugelassene orthographisch umgestellte Deutschbücher. Alle Lehrer sind ab dem Schuljahr 1998/99 verpflichtet, die Neuregelung zu beachten, diese selbst anzuwenden und die Beachtung durch die Schüler sicherzustellen. (...) Über die Schulaufsicht sowie die Schulleitung ist die Umsetzung im Schulamtsbereich sowie an jeder einzelnen Schule sicherzustellen. (...) Mit Rundschreiben vom 14. Dezember 1996 (Az.: 2 A 3/51301/30(1)) wies das Thüringer Kultusministerium darauf hin, daß eine Verwaltungsvorschrift, die den Umgang mit der Neuregelung der Rechtschreibung über das Rundschreiben vom 2. Mai 1996 hinaus regele, im gemeinsamen Amtsblatt veröffentlicht werde. Die Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 zur Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung an den Thüringer Schulen (Amtsblatt des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur 1/1997) enthält unter anderem folgende Regelungen: Für die Umsetzung der Neuregelung an den Thüringer Schulen in der Einführungsphase bis zum 1. August 1998 gilt: Im Anfangsunterricht wird die Schreibung konsequent nach den neuen Regelungen eingeführt (vgl. Rundschreiben des Thüringer Kultusministeriums Az.: 23/51301/30(1) vom 2. Mai 1996). Jede Schule kann schon vor dem 1. August 1998 die Neuregelung einführen und damit den gesamten Unterricht zugrunde legen, wenn die Schulkonferenz der Schule zustimmt. Bei Leistungskontrollen dürfen dann nur solche Schreibweisen als Fehler gewertet werden, die auch nach der Neuregelung, unzulässig sind. Die alten Schreibweisen werden nicht als falsch, sondern als überholt gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen ergänzt. An allen Thüringer Schulen sind ab sofort mit der Neuregelung überholte Regeln und Schreibweisen weder zu lehren noch zu üben. Bei Leistungskontrollen dürfen ab sofort nur noch solche Schreibweisen als Fehler gewertet werden, die auch nach der Neuregelung unzulässig sind. Die neue Schreibung ist neben der alten in allen Fächern als korrekt zu akzeptieren. Die Schulen stellen sicher, daß die Schüler aller Abschlußklassen des Schuljahres 1996/97 und 1997/98 über das neue Regelwerk ausführlich informiert werden. Für die Übergangszeit vom 1. August 1998 bis 31. Juli 2005 gilt:

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 4 Bei Leistungskontrollen dürfen nur solche Schreibweisen als Fehler gewertet werden, die auch nach der Neuregelung unzulässig sind. Die alten Schreibweisen werden nicht als falsch, sondern als überholt gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen ergänzt. Die Verwaltungsvorschrift tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Die Antragsteller haben am 26. November 1997 Klage erhoben und am 9. Dezember 1997 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Rechtschreibreform gestellt. Zur Begründung führen die Antragsteller im wesentlichen aus, daß eine einfache Verwaltungsvorschrift zur Einführung der Reform nicht ausreiche. Es gebe keine gesetzliche Grundlage dafür. Die Einführung der Rechtschreibreform stelle einen Eingriff in die Grundrechte der Kinder und der Erziehungsberechtigten dar. Die Antragsteller beantragen sinngemäß, dem Antragsgegner zu untersagen, die Antragsteller zu 2. und 3. nach der Verwaltungsvorschrift des Antragsgegners vom 14. Dezember 1996 zur Umsetzung der von der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland beschlossenen Neuregelung der deutschen Rechtschreibung (Beschluß vom 30. November/1. Dezember 1995) zu unterrichten. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzuweisen. Er vertritt die Auffassung, daß die. Antragsteller weder einen Anordnungsgrund für die Eilbedürftigkeit noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben. Die Verwaltungsvorschrift des Thüringer Kultusministeriums vom 14.12.1996, die die Anwendung der Rechtschreibreform an Thüringer Schulen regele, betreffe allein die Rechtschreibung in den Schulen. Davon unberührt bleibe, nach welchen Regeln die Eltern ihren Kindern die deutsche Schreibweise nahebringen. Im übrigen reiche 43 Abs. 1 ThürSchulG als Rechtsgrundlage für die Einführung der Rechtschreibreform an Thüringer Schulen aus. Dafür bedürfe es weder einer eigenen Rechtsverordnung noch eines weiteren eigenen parlamentarischen Gesetzes. Die neuen Orthographieregeln seien lediglich eine Modifizierung eines bestehenden Unterrichtsfaches. Die Überarbeitung der deutschen Rechtschreibung sei notwendig, um die Schreibweise logischer und damit benutzerfreundlicher zu gestalten. Weil die Orthographie jedoch dicht auf den veränderten Sprachgebrauch reagieren könne und daher auch nicht selbst gewachsen sei, müsse die Rechtschreibung als Teil der deutschen Sprache durch Regelungen für die Sprachbenutzer festgelegt werden. Dies gehöre zur Kulturhoheit der Länder, die unter anderem in 43 ThürSchulG den gesetzlichen Niederschlag gefunden habe. Diese Vorschrift schaffe die Rahmenbedingung für die Gestaltung des Schulwesens im Freistaat. Art und Umfang des Unterrichtsangebotes würden in Lehrplänen, die auch die anzuwendende Rechtschreibung beinhalten können, festgelegt. Der Beschluß der Kultusminister zur Umsetzung der Rechtschreibreform werde schon jetzt in den ersten Schuljahren konsequent angewandt, um der nachwachsenden Schülergeneration jegliche Umstellung zu ersparen. Dieses Vorgehen stehe auch nicht im Widerspruch zur Wesentlichkeits- Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Da die Rechtschreibreform nicht als Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern zu qualifizieren sei, könne diese auch nicht an den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemessen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die eingereichten Unterlagen des Antragsgegners Bezug genommen. II. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist zulässig (1.) und begründet (2.). 1.) Dabei geht die Kammer hinsichtlich des Begehrens der nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin zu 1. davon aus, daß diese nicht nur in ihrem eigenen Namen als erziehungsberechtigter Elternteil sich gegen die

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 5 Rechtschreibreform wendet, sondern auch für ihre minderjährigen Kinder deren Rechte im gerichtlichen Verfahren stellvertretend wahrzunehmen beabsichtigt. Im Rahmen dieses vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist das Begehren der Antragsteller, das nicht auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sein darf, sinngemäß dahingehend auszulegen, daß sie vorläufig, d.h. nämlich für die durch die Verwaltungsvorschrift vorgezogene Übergangszeit bis zum 31.07.1998 ein Unterlassen des Antragsgegners begehren, nämlich den Rechtschreibunterricht nicht nach den reformierten Rechtschreibregeln, sondern in der bisherigen Schreibweise weiter durchzuführen. Das Begehren der Antragsteller zielt damit auf die Unterlassung eines schlicht hoheitlichen Handelns. Die Antragsteller verfügen für diesen allgemeinen Leistungsantrag in Form der Unterlassung über das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Ihr Begehren richtet sich gegen eine behauptete, andauernde Beeinträchtigung, denn die Antragsteller können durch die ab dem 1. August 1998 vorgesehene Einführung der von der Kultusministerkonferenz beschlossenen neuen Rechtschreibregeln, die im Vorgriff auf die Neuregelung bereits seit Beginn des Schuljahres 1996/1997 an Thüringer Schulen unterrichtet werden, nicht nur gegenwärtig, sondern auch künftig betroffen sein. Eine einfachere Möglichkeit als die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung der Rechte besteht für die Antragsteller nicht. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis erfordert insbesondere nicht, daß sich die Antragsteller vor der Inanspruchnahme des Gerichtes mit ihrem Anliegen an die zuständige Behörde gewendet haben (Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 1997, vor 40 Rdnr. 82, Kopp, VwGO, 10. Auflage, vor 40 Rdnr. 32 b). Im übrigen bestehen nach den bisherigen Erfahrungen und dem chronologischen Ablauf des Verfahrens über die Rechtschreibreform Zweifel, ob ein bei der Schule, dem Schulverwaltungsamt oder dem Kultusministerium gestellter Antrag Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. 2.) Das Unterlassungsbegehren ist auch begründet. Nach 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor einer Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnisse, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint ( 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Nach 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit 920 Abs. 2, 294 ZPO sind sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und ausreichenden summarischen Prüfung haben die Antragsteller sowohl den erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft machen können. Durch die Verwaltungsvorschrift zur vorgezogenen Einführung der Neuregelung der Rechtschreibung vom 14. Dezember 1996 mit der der Kultusministerkonferenzbeschluß vom 1. Dezember 1995 schon vor dem 01.08.1998 umgesetzt werden soll, wird sowohl in die Rechte der Antragstellerin zu 1. (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 21 ThürVerfassung) sowie die Rechte der Antragsteller zu 2. und 3. (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 22 ThürVerfassung) eingegriffen. Die Unterlassungsverpflichtung des Antragstellers folgt daraus, daß die vorgezogene Einführung der geänderten Rechtschreibung nach der gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Die vorgezogene Einführung der neuen Rechtschreibung durch die Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 dürfte aller Voraussicht nach rechtswidrig sein, weil diese nicht mit Ziffer 2. des Kultusministerkonferenzbeschlusses vom 1. Dezember 1995 zu vereinbaren ist. Voraussetzung ist danach für die Einführung der neuen Rechtschreibung als verbindliche Grundlage für den Unterricht in allen Schulen, daß unter anderem auch der Bund dem Neuregelungsvorschlag zustimmt. Diese Zustimmung liegt jedoch bislang nicht vor, da das Bundeskabinett die Neuregelung der Rechtschreibung am 17. April 1996 (lediglich) "zur Kenntnis genommen" hat. Eine schlichte Kenntnisnahme unterscheidet sich jedoch rechtlich von einer Zustimmung und kann einer solchen inhaltlichen Zustimmung nicht gleichgesetzt werden. Es erscheint auch frag-

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 6 lich, ob die Meinungsbildung auf Bundesebene immer noch als abgeschlossen angesehen werden kann. Auf Antrag des Rechtsausschusses, der auf eine Ablehnung der von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Neuregelung der deutschen Rechtschreibung gerichtet war, fand am 2. Juni 1997 eine öffentliche Anhörung statt. Zwar wurde der ursprüngliche Antrag nicht aufrecht erhalten, im Rechtsausschuß aber ein neuer Entschließungsentwurf vom 12.06.1997 vorgelegt, der unter anderem die Kultusministerkonferenz dazu aufruft, "innezuhalten und auf die sofortige Umsetzung der Rechtschreibreform zu Beginn des nächsten Schuljahres zu verzichten" (OVG Nds., Beschluß vom 17.10.1997, 13 M 4160/97; VG Hamburg, Beschluß vom 26.08.1997). Damit steht jedoch eine zustimmende Beschlußfassung des Rechtsausschusses und des Bundestages noch aus. Eine solche erscheint auch mehr denn je als fraglich. In Ermangelung der Zustimmung des Bundes dürfte die Einführung der Rechtschreibreform - zum 1. August 1998 - zur Zeit bereits nach den eigenen Vorgaben der Kultusministerkonferenz danach nicht zulässig sein. Ein solcher Mangel berührt zwangsläufig erst recht die vorgezogene Einführung für die Schuljahre 1996/1997. Ein Verstoß gegen den Kultusministerkonferenzbeschluß liegt auch insofern vor, als der Antragsgegner in seinem Zuständigkeitsbereich die neue Rechtschreibung schon vor dem 1. August 1998 für den Schulunterricht verbindlich geregelt hat. In der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 verfügte er, daß bereits im Anfangsunterricht die Schreibung konsequent nach den neuen Regeln eingeführt wird (Rundschreiben des Thüringer Kultusministeriums vom 2. Mai 1996, worin es u.a. heißt, daß aus diesem Grund bereits die Schulanfänger des Schuljahres 1996/97 nach den neuen Regeln unterrichtet werden). An allen Thüringer Schulen seien ab sofort mit der Neuregelung überholte Regeln und Schreibweisen weder zu lehren noch zu üben. Die neue Schreibung sei neben der alten in allen Fächern als korrekt zu akzeptieren. Bei Leistungskontrollen dürften ab sofort nur noch solche Schreibweisen als Fehler gewertet werden, die auch nach der Neuregelung unzulässig seien. Ferner hätten die Schulen sicherzustellen, daß die Schüler aller Abschlußklassen der Schuljahre 1996/97 und 1997/98 über das neue Regelwerk ausführlich informiert werden. Schließlich könne jede Schule schon vor dem 1. August 1998 die Neuregelung einführen und damit dem gesamten Unterricht zugrunde legen, wenn die Schulkonferenz der Schule zustimme (Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 zur Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung an den Thüringer Schulen, Amtsblatt des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur Nr. 1/97). Mit dieser Verwaltungsvorschrift des Antragsgegners erfolgte praktisch schon zum Schuljahr 1996/97 die verbindliche Einführung der Rechtschreibreform. Insoweit unterscheidet sich der konkrete Fall hier von den Sachverhalten, die der Entscheidung des HessVGH vom 05.09.1997 (7 TG 3133/97) sowie dem Beschluß des OVG NRW vom 11.11.1997 (19 B 2436/97, S. 16) zugrunde lagen, da dort die Schüler jeweils auch noch in der herkömmlichen Rechtschreibung im Unterricht unterwiesen wurden. Der vom Antragsgegner durchgeführte "Vorgriff" auf den Zeitpunkt der Einführung der reformierten Rechtschreibung dürfte sich nicht mit dem Kultusministerkonferenzbeschluß vom 1. Dezember 1995 vereinbaren lassen, da dies nicht als "weitere Übergangsregelung" im Sinne von Ziffer 4 b des Beschlusses anzusehen sein dürfte. Der Einführungszeitpunkt zum 1. August 1998 steht nach dem Kultusministerkonferenzbeschluß fest und dürfte als solcher einer Übergangsregelung der einzelnen Länder nicht zugänglich sein. Die den Kultusministerkonferenzbeschluß vom 1. Dezember 1995 widersprechende unzulässige Verbindlichkeitserklärung der Rechtschreibreform verletzt auch die Rechte der Antragsteller, da diese einen Anspruch haben, daß die Antragsteller zu 2. und 3. in der Schule gemäß der geltenden Rechtslage unterrichtet werden (Art. 20 Abs. 3 GG). Gerade dies dürfte jedoch im Fall des Vorziehens der Rechtschreibreform nicht vorliegen, da der Vorgriff von dem Kultusministerkonferenzbeschluß nicht gedeckt ist. Dieser sieht vor, daß die Rechtschreibreform im gesamten Bundesgebiet einheitlich zum 01.08.1998 in Kraft gesetzt wird. Dies dürfte auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie aufgrund der Natur der Sache geboten sein, denn eine geänderte Rechtschreibung kann nur insgesamt, d.h. bundesweit, dem. Schulunterricht zugrunde gelegt werden und nicht in den Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Die (Schrift--) Sprache ist eine überregionale Angelegenheit, weshalb über die Notwendigkeit der Bundeseinheitlichkeit Übereinstimmung besteht (OVG Nds. Beschluß vom 17.10.1997, 13 M 4160/97 m.w.n.). Eine unterschiedliche Einführung der Rechtschreibreform durch das Vorziehen in einzelnen Ländern, wie hier in Thüringen, würde für die Antragsteller zu 2. und 3. und die übrigen Schüler in Thüringen ein erhöhtes Risiko nach sich ziehen, falls die Rechtschreibreform geändert oder für nicht zulässig erklärt werden sollte. Da jedoch Schüler in anderen Bundesländern dieses Risiko nicht in gleichem Maße zu tragen haben, wie die Entscheidungen des OVG NRW und des HessVGH zeigen, dürften die Antragsteller zu 2. und 3. damit gegenüber Schülern aus anderen Bundesländern benachteiligt sein (zur Unterschiedlich-

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 7 keit der länderweise getroffenen "Übergangsregelung" vgl. FAZ vom 13.08.1997 S. 2). Das Unterlassen einer solchen ungleichen Behandlung kann die Antragstellerin aufgrund ihres Erziehungsrechtes (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und die Antragsteller zu 2. und 3. unmittelbar geltend machen. Die Antragsteller zu 2. und 3. werden zumindest seit dem Schuljahr 1997/1998 (nur) nach den neuen Rechtschreibregeln unterrichtet, da der Antragsgegner mit seiner Verwaltungsvorschrift ein Üben nach den überholten Regeln und Schreibweisen untersagt hat und (nur) die neue Rechtschreibung in allen Fächern als korrekt akzeptiert, die herkömmliche aber nicht als fehlerhaft angesehen werden darf. Dem Widerspruch der Verwaltungsvorschrift des Antragsgegners vom 14. Dezember 1996 gegenüber dem Kultusministerkonferenzbeschluß vom 1. Dezember 1995 dürfte eine rechtliche Relevanz auch nicht unter dem Aspekt der beschränkten Bindung solcher Beschlüsse abgesprochen werden können. Zwar haben Beschlüsse der Kultusministerkonferenz keine Gesetzeskraft, diese stellen aber auch nicht in allen Fällen nur politische Versprechen oder gar Empfehlungen dar. Es soll diesen Beschlüssen nach ganz überwiegender Auffassung vielmehr je nach Gegenstand und Inhalt durchaus ein Rechtsfolgewillen zukommen, der dem Beschluß als Koordinierungsabsprache eine rechtliche Bindung wie ein Verwaltungsabkommen verleiht (OVG Nds., Beschluß vom 17.10. 1997, 13 M 4160/97, S. 25). Im Rahmen der summarischen Prüfung dürfte daher Überwiegendes dafür sprechen, daß auch eine rechtliche Bindung aller Kultusminister an den Beschluß zur Rechtschreibreform vom 1. Dezember 1995 eingetreten ist. Der Gegenstand des Beschlusses, der auf eine bundeseinheitliche Umsetzung letztendlich angewiesen ist, begründet nach dem Verfassungsprinzip der Bundestreue der Länder eine Rechtspflicht zur Kooperation und übereinstimmenden Regelung, da die Auswirkungen dieser Regelung nicht auf den Raum eines Bundeslandes begrenzt werden können. Insofern besteht eine verfassungsrechtliche Unterlassungspflicht, von dem Kultusministerkonferenzbeschluß durch eine Vorverlagerung der Reform abzuweichen (vgl. auch OVG Nds., Beschluß vom 17.10.1997, 13 M 4160/97). Bereits danach dürfte das Unterlassungsbegehren der Antragsteller gegen das (unzulässige) Vorziehen des Zeitpunktes des Inkrafttretens der Rechtschreibreform begründet sein, so daß zur Zeit offenbleiben kann, inwieweit ein vorläufiges Rechtsschutzbegehren schon jetzt gegen die Zulässigkeit der endgültigen Einführung zum 1. August 1998 geltend gemacht werden könnte. Im übrigen haben die Antragsteller die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung auch glaubhaft gemacht, da nach der gebotenen summarischen Prüfung nach Auffassung der Kammer überwiegendes dafür spricht, daß die Anweisung zur vorzeitigen Einführung der Rechtschreibreform in den Thüringer Schulen durch die Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 gravierend in die Grundrechte der Antragsteller eingreift. Da es sich bei der Rechtschreibreform um eine wesentliche Entscheidung handeln dürfte, kann sie - sofern insoweit eine Regelungsbefugnis überhaupt besteht - nicht allein auf einen Beschluß der Kultusministerkonferenz bzw. auf einen Erlaß des Thüringer Kultusministeriums, die lediglich Verwaltungsvorschriften darstellen, gestützt werden. Die Antragsteller zu 2. und 3. werden durch die vorgezogene Rechtschreibreform gezwungen, sich bereits ab dem Schuljahr -1996/1997 (nur) nach der neuen Rechtschreibung zu richten und in einer veränderten Weise zu schreiben, die nicht bereits mit einer größtenteils praktizierten Sprech- bzw. Schreibentwicklung in der deutschen Sprache übereinstimmt. Dadurch wird das Erlernen und Benutzen der deutschen Schriftsprache sowie der Zugang zum Lesen deutscher Literatur erschwert. Die als Bezugspersonen der Antragsteller zu 2. und 3. in Betracht kommenden Erwachsenen verfügen und benutzen noch die traditionelle Rechtschreibung. Darüber hinaus sind viele Bücher ebenfalls in der traditionellen Rechtschreibung' gedruckt. Sofern die Antragsteller zu 2. und 3. ihre erworbenen Lese-- und Schreibkenntnisse in der Praxis anzuwenden haben, müssen sie sich ständig auf eine andere Schreibweise umstellen. Dies dürfte zwangsläufig zu negativen Einflüssen auf den Lernprozeß der deutschen Rechtschreibung Auswirkungen haben, da eine Verunsicherung in der deutschen Schriftsprache eintreten dürfte. Ein Eingriff in das in dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht enthaltene Recht auf sprachliche Integrität (Kopke, NJW 1996, 1081, 1082), zu dem die Sprech- und Schreibfreiheit von Menschen, die die deutsche Sprache in der allgemein praktizierten Weise sprechen, dürfte deshalb nicht zu verneinen sein. Die sprachliche Integrität umfaßt das Recht zur Anpassung der Schriftsprache an den gegenwärtigen schriftlichen Sprachgebrauch, nicht jedoch die planmäßige Änderung der Rechtschreibung. Eingriffe in dieses Recht bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, da diese als wesentlich anzusehen sind (vgl. OVG Nds., Beschluß vom 17.10.1997, OVG NRW, Beschluß vom 11.11.1997, OVG Sachsen, Beschluß vom 28.10.1997, 2 S 610/97, VG Wiesbaden, Beschluß vom 28.07.1997, 6 G 715/97(1), VG Hannover, Beschluß vom 07.08.1997, 6 B 4318/97, VG Gel-

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 8 senkirchen, Beschluß vom 17.09.1997, 4.L 2999/97, VG Hamburg, Beschluß vom 26.08.1997, a.a. OVG Schleswig-Holstein, Beschluß vom 13.08.1997, 3 M 17/97, OVG Hamburg, Beschluß vom 16.10.1997, OVG Bs 111 71.97; VG Weimar, Beschluß vom 24.07.1997, 2 E 1355/97.We; VG Mainz, Beschluß vom 04.08.1997, 7 L 1423/97.Mz; HessVGH, Beschluß vom 05.09.1997, 7 TG 3133/97; OVG Mecklenburg- Vorpommern, Beschluß vom 08.10.1997, 2 M 129/97). Für den Bereich des Schulrechts wurde durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 21.12.1977. sowie vom 20.10.1981 (BVerfG, Urteil vom, 21.12.1977, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 79; BVerfG, Beschluß vom 20.10.1981, 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257 [268]) die Wesentlichkeitstheorie entwickelt, da die Grundrechte des Erziehungsberechtigten und des einzelnen Kindes an einer möglichst ungehinderten Entfaltung seiner Persönlichkeit und damit einem seiner Anlagen und Befähigungen entsprechenden Lernen mit dem staatlichen Erziehungsauftrag des Schulwesens kollidieren können und die Grenzen zwischen dem staatlichen Erziehungsauftrag einerseits und dem Elternrecht sowie dem Persönlichkeitsrecht des Kindes andererseits oft fließend und nur schwer zuzuordnen sind. Daher ist bereits die Bestimmung der Grenzen für die Ausübung der vorgenannten Grundrechte von maßgebender Bedeutung, weshalb das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber verpflichten, die für die Grenzziehung wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Schulverwaltung zu überlassen. Unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Eingriff oder eine Begünstigung in Betracht kommt, muß der Gesetzgeber im grundrechtsrelevanten Bereich daher bereits die Grenze zwischen dem staatlichen Erziehungsauftrag einerseits und dem Elternrecht sowie dem Persönlichkeitsrechten des Kindes andererseits selbst festlegen, sofern es sich um eine für die Ausübung dieser Grundrechte wesentliche Entscheidung handelt. Was in diesem Sinne im einzelnen als wesentlich angesehen werden muß, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Eine Entscheidung durch den (formellen) Gesetzgeber wurde bisher in den folgenden Fällen für notwendig erachtet: Festlegungen der wesentlichen Merkmale einer als Pflichtschule eingeführten Förderstufe, Grundentscheidung für die Neuordnung der gymnasialen Oberstufe, Maßnahme des Schulausschlusses, der zum Abbruch des Schulverhältnisses im zweiten Bildungsweg bzw. im Gymnasium führt, Entscheidung über die Einführung von Sexualerziehung in der Schule, Grundsätze zur Versetzung eines Schülers, Festlegung der Pflichtfremdsprache in der Orientierungsstufe. Dagegen greift die Regelungsbefugnis der Schulverwaltung zugunsten der pädagogischen Freiheit dort voll durch, wo es um pädagogische Fragen der Lehrmethoden geht Entscheidungen jedoch, durch die grundlegende Bildungs- und Erziehungsziele neu bestimmt werden, unterliegen dem Vorbehalt des Gesetzes (BVerwG, Urteil vom 22.3.1979, VII C 8.73, BVerwGE 57, 361, 363; BVerfG, Urteil vom 21.12.1977, 1 BvR 147,75, BVerfGE 47, 46, 83). Eine gesetzliche Leitentscheidung ist auch dann erforderlich, wenn Schulinhalte gegenüber dem herkömmlichen staatlichen Bildungsangebot in ihren Grundzügen geändert werden sollen, oder bei Regelungen, die eine schul- und bildungspolitische Grundentscheidung von allgemeiner Bedeutung zum Inhalt haben (BVerwG, Urteil vom 13.1.1982, 7 C 95/80, BVerwGE 64, 308, 313, 315). Diesen Fallgruppen ist gemeinsam, daß ein allgemeiner Konsens über bisherige Ziele und Gegenstände des Schulunterrichts, die mit ihm angestrebte Qualifikation oder über sonstige schulpolitische Grundfragen verlassen wird. Da hierdurch die Grenzen zwischen staatlichem Bildungsauftrag und Grundrechten von Schülern und Eltern neu abgesteckt werden, bedarf es - sofern eine staatliche Regelungsbefugnis überhaupt besteht - einer dies legitimierenden Entscheidung des hierzu allein berufenen Gesetzgebers. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe dürfte sich die vorgezogene Einführung der Rechtschreibreform als wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte der Antragsteller erweisen, da hierdurch herkömmliche Lernziele und Inhalte in ihren Grundzügen verändert werden. Die Rechtschreibung hat in der Gesellschaft eine weitreichende Bedeutung, weshalb das Erlernen der Orthographie als grundlegendes Bildungsziel angesehen wird. Die Beherrschung der Schriftsprache ist für die sprachliche Verständigung, für den Erwerb von Wissen und Information, für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben wichtig. Innerhalb der Schule stellt Deutsch das Kernstück des gesamten deutschsprachig abgehaltenen Unterrichts dar. Die (korrekte) Rechtschreibung ist fächerübergreifend überall dort relevant, wo schriftliche Leistungskontrollen erfolgen. Im Beruf ist die richtige Rechtschreibung insbesondere Voraussetzung für die Bereiche, in denen die Schriftsprache als Kommunikationsmedium erforderlich ist. Schließlich darf nicht verkannt werden, daß die Beherrschung der Rechtschreibung allgemein als ein Maßstab für Bildung angesehen wird. Mangelnde Rechtschreibkenntnisse können die Grundlage von Diskriminierungen sein. Wegen dieser grundlegenden Bedeutung der (korrekten) Rechtschreibung für die Persönlichkeitsentwicklung der Antragsteller zu 2. und 3. gelangt die Kammer nach der nur möglichen summarischen Prüfung und Abwägung aller hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte zu der Überzeugung, daß die vorgezogene Einführung der Rechtschreibreform eine Entscheidung von bildungs- und schulpolitischer Grundsätzlichkeit beinhaltet und darüber hinaus von allgemei-

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 9 ner Bedeutung ist. Dadurch soll eine Veränderung der Grundsätze und des herkömmlichen Inhalts gegenüber der bisherigen Rechtschreibung, wie sie in der Schule gelehrt wurde, die traditionell auf einem allgemeinen gesellschaftlichen Konsens beruht, erfolgen. Die Veränderungen der Schreibweisen von Wörtern, der Trennungs- und Zeichensetzungsregeln, vollzog sich seit der ersten allgemeinen Festschreibung der Regeln im Jahre 1901 allein durch Veränderungen des Sprachgebrauchs. Danach überholte Regeln paßte die Redaktion des Dudens, der neben den 1901 festgelegten Schreibweisen und Regeln in Zweifelsfällen verbindlich ist, dem tatsächlichen Gebrauch an. Diese Entwicklung zeigt, daß sie historisch gewachsen und primär das Ergebnis gesellschaftlicher Konventionen ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluß vom 16.10.1997, OVG Bs 111 71.97, OVG Nds., Beschluß vom 17.10.1997, 13 M 4160/97; OVG NRW, Beschluß vom 11.11.1997, 19 B 2436/97; OVG Sachsen, Beschluß vom 28.10.1997, 2 S 610/97). Daher werden in der Gesellschaft akzeptierte und verbreitete Schreibweisen bisher als richtig bzw. gültig oder korrekt angesehen, weshalb es dem staatlichen Bildungsauftrag entspricht, die Schüler mit dem jeweils herrschenden allgemeinen Sprach- und Schreibgebrauch vertraut zu machen. Aufgrund dieses Bildungszieles dürfte es der staatliche Erziehungsauftrag deshalb auch ohne weiteres gestatten, im Schulunterricht neue Rechtschreibregeln einzubringen, die sich in der Gesellschaft bereits praktisch durchgesetzt haben. Entsprechendes dürfte gelten, sofern ein gesellschaftlicher Konsens über die inhaltlichen Regelungen der Rechtschreibreform in absehbarer Zeit mit Sicherheit erwartet werden könnten. Im Gegensatz dazu würde mit der Einführung einer von diesem anerkannten Schreibregeln abweichenden gesonderten Rechtschreibung in der Schule der bisherige Konsens über Grundsätze, Ziele und Inhalt des Rechtschreibunterrichts aufgegeben. Dies ist jedoch eine wesentliche Entscheidung, denn mit der (vorgezogenen) Rechtschreibreform werden nicht nachvollziehend (anerkannte) Schreibregeln eingeführt, die sich bereits im Sprachraum durchgesetzt haben oder in der Gesellschaft allgemein anerkannt sind, sondern es werden neue Rechtschreibregeln, von denen ungewiß ist, ob sie allgemeine Anerkennung erlangen, eingebracht. Die Kultusministerkonferenz hielt eine Bereinigung der Rechtschreibregeln wegen zu vieler Ausnahmen, Widersprüchen und Unübersichtlichkeit für notwendig und verfolgt mit der Reform eine bessere Systematisierung der Regeln. Aus Sicht der Schule zielt die Reform auf eine leichtere Erlernbarkeit und Handhabung der Rechtschreibregeln für Schüler ab. Die Reform erweist sich damit als Ergebnis wissenschaftlicher und pädagogischer Erkenntnisse über die Vereinfachung der deutschen Schriftsprache, nicht jedoch als Festschreibung eines sich in der Sprachgemeinschaft entwickelten Prozesses. Daher kann keine Rede davon sein, daß die Schule mit den neuen Regeln nachvollziehend eine Rechtschreibung vermittelt, die sich bereits in der Bevölkerung durchgesetzt hat. Ganz im Gegenteil dazu ist in der Gesellschaft derzeit die herkömmliche Schreibweise nahezu ausschließlich verbreitet. Wegen der anhaltenden Diskussionen über den Reformstop oder eine Überarbeitung des neuen Regelwerks durch Bundestag und Landesparlamente, der in einigen Bundesländern angestrengten Verfahren über, einen Volksentscheid zur Rechtschreibreform, der als Konsequenz aus der Entscheidung des OVG Niedersachsen erfolgten Rücknahme der neuen Rechtschreibregeln im Bundesland Niedersachsen und auch nach den in den Medien zum Ausdruck gebrachten allgemein gegen die Reform bestehenden Kritik dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach davon auszugehen sein, daß die neuen Rechtschreibregeln in der Bevölkerung zumindest derzeit keine hinreichende Akzeptanz finden. Gegenwärtig kann nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden, daß sich die neue Rechtschreibung zukünftig in der Allgemeinheit durchsetzen wird. Unter Würdigung der genannten Umstände lassen sich zur Zeit keine Anhaltspunkte für einen in der Allgemeinheit vorhandenen Konsens darüber feststellen, sich künftig an dem neuen Regelwerk zu orientieren. Vielmehr haben sich einzelne Autoren und Verlage gegen die Rechtschreibreform ausgesprochen und untersagt, daß ihre Literatur in der neuen deutschen Schreibweise gedruckt wird. Bei der insoweit im summarischen Verfahren anzustellenden Prognoseentscheidung kann das Gericht eine zukünftige Akzeptanz der neuen Rechtschreibregeln zur Zeit nicht feststellen. Mit der in der Verwaltungsvorschrift vom 14. Dezember 1996 enthaltenen Anweisung des Antragsgegners an die Schulen, nunmehr die in der Rechtschreibreform festgelegten neuen Schreibweisen und Regeln zu lehren, werden die bisherigen Grundsätze und das traditionelle Ziel des Rechtschreibunterrichts zu einem großen Teil aufgegeben und ins Gegenteil verkehrt. Die Schule paßt sich nicht einer mit Wirkung für die Zukunft normierten und allgemein zu erwartenden Rechtschreibung an, sie ist vielmehr deren faktische Initiatorin. Durch die zur Anwendung der neuen Rechtschreibregeln erzogenen Schüler werden die Änderungen in die Bevölkerung getragen, die sich dann den neuen Gegebenheiten anpassen soll. Diese Neuregelung ist Ergebnis einer bisher weitestgehend in der Sprachwissenschaft geführten Diskussion über die Vereinfachung der deutschen Schriftsprache. Damit ist sie gerade nicht die Manifestation eines (natürlichen) Entwicklungsprozesses, der sich in der Schriftsprache über Jahre bzw. Jahrzehnte entwickelt hat. Die Änderung

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 10 sowohl der Schreibweise als auch der Interpunktion und der Trennungsregelungen stellen eine weitreichende Veränderung dar, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so ohne weiteres erkennbar wird. Dabei sollen bereits derzeit ca. 8.000 Zweifelsfälle über die Anwendung der Neuregelung bestehen, mit der sich eine Expertenkommission zu beschäftigen haben wird, wobei eine Wörterliste veröffentlicht werden soll, die den neuen Wörter- und Schulbüchern nachgereicht werden soll. Darin soll dann die künftige Rechtschreibung festgelegt werden. Dies zeigt sehr deutlich, worauf das VG Hannover schon mit Beschluß vom 07.08.1987 hingewiesen hat, daß die Neuregelung der Schriftsprache als "Reform am Reißbrett der Linguisten" geschaffen wurde. Von daher kann es nicht entscheidungserheblich darauf ankommen, in welchem prozentualen Umfang sich die Schreibweisen ändern, denn das ist lediglich ein formaler Gesichtspunkt, der der Tragweite der Auswirkungen der Rechtschreibreform nicht gerecht wird, da nicht nur die Anzahl der geänderten Wörter, sondern auch die Häufigkeit ihres Gebrauchs in der Schriftsprache zu beachten ist. Es kann auch kaum ernsthaft bezweifelt werden, daß die Neuregelungen weit über den schulischen Bereich hinaus reichen und die Schreibweise der deutschen Sprache insgesamt verändern soll. Beispielhaft läßt sich eine solche Zielsetzung dem Vorwort des sächsischen Staatsministers für Kultus aus dem Heft "Deutsche Rechtschreibung - Regeln und Wörterverzeichnis amtliche Regelung" des Freistaates Sachsen entnehmen, worin es wörtlich heißt: "Sachsen und Thüringen beginnen nun mit der Anwendung der neuen Regelung im Unterricht der ersten Klassen. Während die ganz jungen in das Neue hineinwachsen, müssen sich die älteren langsam daran gewöhnen." In diese Richtung zielt auch eine Äußerung des bayerischen Kultusministers, der gesagt hat, daß es bei der Rechtschreibreform um einen Beschluß gehe, der für viele Jahre regele, wie das deutsche Volk schreibe (vgl. Kopke, NJW 1996, 1081, 1082; VG Dresden, Beschluß vom 14.08.1997, 5 K 2192/97). Die Rechtschreibreform zielt nicht nur auf eine Änderung der Schreibweise im Unterricht und in der Amtssprache (vgl. Pressemitteilung der Kultusministerkonferenz vom 18.04.1996; Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland/Schreiben an die Mitglieder der Kultusministerkonferenz), sondern auf eine Reform der deutschen Sprache im deutschen Sprachraum insgesamt. Dabei wird deutlich, daß die Schule zur Neuregelung als Instrument benutzt wird und es sich auf Dauer nicht wird vermeiden lassen, daß auf die Allgemeinheit der deutsch schreibenden Bevölkerung ein Anpassungsdruck ausgeübt wird. Während einer Übergangsphase mag es zwar durchaus nebeneinander beide Schreibweisen geben, es läßt sich jedoch gerade nicht ausschließen, daß nach nicht allzu langer Zeit die bisherige Schreibweise als falsch gilt und Menschen, die diese herkömmliche Schreibweise weiterhin benutzen, als der deutschen Schriftsprache nicht mächtig angesehen werden können oder gar als minder gebildet eingestuft werden. Aus alledem wird hinreichend deutlich, daß die Neuregelung der Rechtschreibung eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit ist, die weit über den schulischen Bereich hinausgeht. Die Veränderung der Schreibweisen stellt auch keine wertneutrale Vermittlung von Sachwissen dar, die ohne Einfluß auf das Lernverhalten der Schüler, welche nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet werden, bleibt. Bei der Anwendung der erlernten Rechtschreibung außerhalb der Schule werden sie feststellen, daß das ihnen gelehrte Wissen sich nicht mit der in weiten Teilen der Bevölkerung und Literatur praktizierten Schreibweise deckt. Insbesondere durch die veränderten Kommaregeln zwischen der traditionellen und der neuen Schreibweise können auch Sinnveränderungen erfolgen, die zu Verständigungsschwierigkeiten führen. Diese Änderungen können nicht durch die Schulverwaltung im Wege von Verwaltungsvorschriften getroffen werden, denn diese veränderten Schreibregeln beziehen sich nicht nur auf verfassungsrechtlich irrelevante Randbereiche der Rechtschreibung (so auch OVG Nds., Beschluß vom 17.10.1997, 13 M 4160/97; VG Dresden, Beschluß vom 14.08.1997, 5 K 2192/97; VG Berlin, Urteil vom 27.11.1997, VG 3 EÜ 122.97). Unabhängig von der Frage, ob der Staat überhaupt berechtigt ist, die Rechtschreibung durch eigene Regelungstätigkeit zu verändern, was zum Teil in der Rechtsprechung und Literatur mit unterschiedlichen rechtlichen Erwägungen verneint wird (OVG Hamburg a.a.o.; OVG Nds. a.a.o. und OVG Sachsen a.a.o.; Löwer, Verfassungsrechtliche Thesen zur Rechtschreibreform, RdJB l997, 226) spricht aus den vorgenannten Gründen vieles dafür, daß die Rechtschreibreform als "wesentliche" Entscheidung jedenfalls einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Auf eine solche gesetzliche Grundlage dürfte auch nicht deshalb verzichtet werden können, weil Rechtschreibung im deutschen Sprachraum bisher auf außerrechtlichen Regelungen beruht, deren Geltung wie bei Naturgesetzen auf anderer als auf positiv-rechtlicher Grundlage basiert, denn hier geht es gerade nicht mehr um die Übernahme von Sprachänderungen, die sich selbst außerrechtlich entwickelt haben, sondern um eine von oben herab vorgegebene Reform. Dies ließe auch unberücksichtigt, daß die Einführung der Rechtschreibreform im Schulwesen durch einen Regelungsakt (Verwaltungsvorschrift) erfolgt

VG Meiningen, Beschluß vom 14. Januar 1998 Seite 11 ist, was gegen ihre Außerrechtsqualität spricht. Weder der Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 1. Dezember 1995 noch die Verwaltungsvorschrift des Thüringer Kultusministeriums vom 14. Dezember 1996 kann jedoch ein solches Gesetz ersetzen. Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß eine gesetzliche Regelung insoweit keinerlei "rechtstaatlichen Gewinn" bringen könne, weil sie notwendig ebenso pauschal und blanquettartig sein müßte, wie der Kultusministerkonferenzbeschluß und ein darauf beruhender Erlaß. Der im Grundgesetz festgelegte Steuerungsanspruch des formellen Gesetzes ist durchaus Abstufungen zugänglich und reicht in seiner Intensität vom Gesetzesbefehl bis zur Handlungsermächtigung oder gesetzlichen Schrankenziehung. Von daher wäre eine formelle, gesetzliche Regelung im Bereich der Rechtschreibreform als eine parlamentarische Leitentscheidung jedenfalls hinsichtlich der Reichweite und Richtung einer über den Nachvollzug (sprach)gesellschaftlicher Wandlungen hinausgehenden Reform und der von ihr gegebenenfalls anzulegenden linguistischen Kriterien möglich (vgl. auch OVG Nds., Beschluß vom 17.10.1997, 13 M 4160/97). Diese Neuregelung der Rechtschreibung ist auch nicht von 43 ThürSchulG gedeckt. Grundlage für Unterricht und Erziehung bilden die Lehrpläne und die Stundentafeln, in denen Art und Umfang des Unterrichtsangebotes einer Schulart festgelegt werden. Über diesen Regelungsbereich geht die Einführung der Neuregelung der Rechtschreibung jedoch hinaus. Nach alldem haben die Antragsteller zu 2. und 3. und insbesondere auch die Antragstellerin zu 1. den Anordnungsanspruch gegenüber der vorzeitigen Umsetzung der Rechtschreibreform durch die Verwaltungsvorschrift glaubhaft gemacht, denn bei Maßnahmen, die zugleich den außerschulischen Bereich betreffen, hat das Elternrecht Vorrang vor dem staatlichen Erziehungsauftrag, so daß es bei Eingriffen hierin einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Die Antragsteller haben auch den erforderlichen Anordnungsgrund für die Dringlichkeit einer Entscheidung, soweit sich diese gegen die vorzeitige Umsetzung der Rechtschreibreform richtet, glaubhaft gemacht. Die in der 5. und 7. Klasse befindlichen Antragsteller zu 2. und 3. werden zumindest seit dem Schuljahr 1997/98 (lediglich) mit der neuen Rechtschreibung konfrontiert, wie der Antragsgegner auf Nachfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 12.01.1998 bestätigte. Bis zu einer möglichen Entscheidung in der Hauptsache würden die Antragsteller durch das weitere Erlernen des neuen Rechtschreibregelwerkes weiter in der deutschen Rechtschreibung verunsichert, da die neuen Regelungen mit zunehmender Dauer weiter verinnerlicht würden und ein möglicher Erfolg der Klage nicht mehr rechtzeitig käme. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Antragsteller erneut umlernen müßten, wenn auf politischer Ebene von der Durchführung der Rechtschreibreform abgesehen werden würde. Dies ist nach der derzeitigen Erkenntnislage, insbesondere auch nach der Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein sowie der Sprungrevision gegen das Urteil des VG Berlin zumindest als offen einzuschätzen. Dem gegenüber ist es dem Antragsgegner durchaus zuzumuten, mit einer Umsetzung der Rechtschreibreform vor dem 1. August 1998 zu warten, bis eine juristische bzw. politische Lösung erfolgt ist. Insoweit stellt der von der Kammer ausgelegte einstweilige Anordnungsantrag auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Das Unterlassungsbegehren ist lediglich darauf gerichtet, die vorzeitige Umsetzung vor dem 1. August 1998 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu suspendieren. Dem Erlaß einer einstweiligen Anordnung steht auch nicht der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundsatz zum Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen entgegen. Danach kann eine für verfassungswidrig gehaltener Zustand für einen 10bergangszeitraum weiterhin als gültig zu behandeln sein, wenn ansonsten durch eine Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen ein Zustand eintreten würde, der der verfassungsgemäßen Ordnung noch ferner stünde als der bisherige Zustand (BVerfG, Beschluß vom 20.10.1981, 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257, 280). Eine solche übergangsweise Fortgeltung der Verwaltungsvorschrift bzw. des Kultusministerkonferenzbeschlusses als Rechtsgrundlage für die vorgezogene Einführung der Rechtschreibreform ist hier jedoch nicht geboten, da eine Funktionsunfähigkeit der staatlichen Einrichtung Schule nicht zu befürchten wäre. Nach summarischer Prüfung dürfte es dem Antragsgegner ohne größere Schwierigkeiten und ohne Verlust der Funktionsfähigkeit möglich sein, die Antragsteller zu 2. und 3. und auch die übrigen Schüler wieder nach den herkömmlichen Rechtschreibregeln zu unterrichten. Dies dürfte auch keine Frage des Vorhandenseins von Schulbüchern sein, da nach wie vor noch genügend Schulbücher mit der herkömmlichen Rechtschreibung vorhanden sein müßten bzw. sofern dies nicht der Fall sein sollte, wäre es für den Antragsgegner durchaus möglich, entsprechend der Regelung in seinem Verfügungsschreiben vom 2. Mai 1996 anstelle vorhandener alter Fibeln, die handschriftlich mit der neuen Recht-