DIAGNOSTIK, VERLAUF, KOMORBIDITÄTEN PATHOLOGISCHEN GLÜCKSSPIELS



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Transkript:

DIAGNOSTIK, VERLAUF, KOMORBIDITÄTEN PATHOLOGISCHEN GLÜCKSSPIELS Roland Mader St. Pölten, 26.4.2012

GESCHICHTE Erste Zeugnisse etwa 3000 v. Chr. in Ägypten Würfeln aus Elfenbein 1573 v. Chr. Themistokles (525 v. Chr.) plädierte dafür, allen Staatsbeamten das Spiel zu verbieten Kaiser Justinian (482-527 n. Chr.)verbot sämtliche Glücksspiele Mohammed (632 n. Chr.) bezeichnet das Glücksspiel als Greuel von Satanswerk

GESCHICHTE II 14. Jhd. kam das Kartenspiel in Europa auf 1561 Paquier Joostens Über das Würfelspiel oder die Heilung der Leidenschaft, um Geld zu spielen 16. Jhd. Lotteriespiele 17. Jhd. Erfindung des Roulettes durch Blaise Pasqual 18 Jhd. Pferdewetten in England 1887 Einarmige Banditen 1889 Erster Geldspielautomat Black Cat 1921 Fußballwetten in England

Würfelautomat 1870 Deutsches Automatenmuseum, Sammlung Gauselmann, Espelkamp

Diagnostik ICD-10 F63.0 Pathologisches Glücksspiel Die Störung besteht in häufig wiederholten episodenhaftem Glücksspiel, das die Lebensführung der betroffenen Person beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt. F63 : Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (F63.1 pathologische Brandstiftung, F63.2 Kleptomanie, F63.3 Trichotillomanie)

DSM IV Andauerndes und wiederkehrendes fehlangepasstes Spielverhalten, was sich in min. 5 der folgenden Merkmale ausdrückt: Eingenommensein vom Glücksspiel Toleranzentwicklung Kontrollverlust Entzugserscheinungen (Unruhe, Gereiztheit) Spielen, um Problemen zu entkommen (Funktion) Chasing Lügen über das Ausmaß der Problematik Illegale Handlungen, um das Spielen zu finanzieren Gefährdung/Verlust wichtiger (beruflicher) Beziehungen Verlassen auf Geldbereitstellung durch Andere

Affektive Störungen: Komorbidität 51,5 % mit affektiven Störungen Angststörungen: 57,5 % mit Angststörungen Persönlichkeitsstörungen: 35,6 % mit Persönlichkeitsstörungen Substanzbezogene Störungen: 31, 7 % mit substanzbezogenen Störungen (Alkohol) 86,1 % mit substanzbezogenen Störungen (Nikotin) Premper, V. / Schulz, W. (2008): Komorbidität bei pathologischem Glücksspiel. In Zeitschrift Sucht, 54. Jahrgang 2008, Heft 3

Quelle: Poppe & Dillinger (2011) Komorbiditäten

Automaten 84% Wetten 19,5% Karten 17% Roulette 16% Glückspielarten (Mehrfachnennung) Casinoautomaten 15% Internetglücksspiel 14% Lotto, Toto, Rubbellose, Brieflose, Börsenspekulation 1 4%

Bevölkerungsbefragung 2011 42% der ÖsterreicherInnen (14 bis 65a) haben im letzten Jahr an Glücksspielen teilgenommen Männer (47,4%) häufiger als Frauen (36,5%) Am häufigsten werden Lotterieprodukte erworben Casinospiele, Wetten und Automaten: meist Männer, 18 bis 35 jährig, Pflichtschulabschluss oder arbeitslos

Einsatz Personen die mindestens einmal pro Monat spielen, setzen dafür 54 ein PflichtschulabbrecherInnen (geringster Anteil bei der Spielteilnahme) 125 Mittlerer Schulabschluss grösste Gruppe, 25% spielen mind. monatlich, Einsatz 54 Hochschulabschluss kleinste Gruppe, 27 Mit Migrationshintergrund: 103 /Mo Ohne Migrationshintergrund: 46 /Mo (An Automaten doppelt so viele mit Migrationshintergrund)

Einsatz II Zahlenlotto: 22,3 / Monat Sportwetten: 46,5 / Monat Klassische Casinospiele: 215 / Monat Automaten außerhalb Casinos: 317 / Monat

SPIELAUTOMAT

84%! Automatenspieler Bei 70% alleiniges Glücksspielmedium Mehr Männer als Frauen 4 von 5 Automatenspieler sind zw. 18 und 35 Jahre, jeder 20. Spieler (außerhalb von Casinos) ist minderjährig! Hohe Ereignisfrequenz (6 sec.!) Aktive Einbeziehung des Spielers durch Start, Stop-, und Risikotaste Häufiges Auftreten von Beinahe-Gewinnen Optische und akustische Signaleffekte Anonymes Setting, leichte Zugänglichkeit

CASINO

Casinospieler Bei 16% bevorzugtes Medium Mehr Männer als Frauen Unkorrigierbares Festhalten an Systemen (Permanenzen), Gewinne sind Bestätigung, Verluste ungünstige Umstände Selbstwertsteigerung, Gefühlsregulation Höheres Alter, gehobene Berufsposition, höhere Verschuldung

SPORTWETTEN

Sportwetter 19% der Spieler, Tendenz steigend Fast nur Männer Vermeintlicher Kompetenzanteil Zeitlich sehr intensive Imformationssuche Überzeugung Anderen überlegen zu sein Unmittelbarer Bezug zum Welt-,und Wettgeschehen 95% Verluste

KARTEN

Kartenspieler 17%, Tendenz steigend Mehr oder minder großer Kompetenzanteil, dadurch in diesem Bereich viele Berufsspieler Unmittelbare soziale Wettbewerbssituation Suboptimale Spielstrategien (Risiko..)

Strukturelle Merkmale von Glücksspielen Ereignisfrequenz Auszahlungsintervall Kompetenzanteile Variabilität der Einsätze Fast-Gewinne Ton-, Licht-, Farbeffekte

Demografische Daten Problematische Spieler: 0,4% der erwachsenen Österreicherinnen Pathologische Spieler: weitere 0,7% der erwachsenen ÖsterreicherInnen Unter den Spielern, die innerhalb der letzten 12 Monate spielten, sind dies 1,0 bzw. 1,6% 90% der SpielerInnen sind Männer Einstiegsalter bei 45% der Spielsüchtigen unter 18 Jahren Männer beginnen früher als Frauen Männer bevorzugen strategische Spiele (Poker und Black Jack) Frauen präferieren klassische Spielautomaten, beginnen in höherem Alter, aber raschere Progression Wien: ca. 12.000 pathologische Spieler

Verlauf Vulnerabilität als Vorraussetzung z.b. Selbstunsicherheit, familiäre Faktoren etc. Gewinnphase Bedeutung des Gewinns als Macht, Zuwendung, Erfolg, neue Sicherheit, magisches Denken

Verlauf Vulnerabilität als Vorraussetzung z.b. Selbstunsicherheit, familiäre Faktoren etc. Gewinnphase Bedeutung des Gewinns als Macht, Zuwendung, Erfolg, neue Sicherheit, magisches Denken

Verlauf Verlustphase Ärger, Angst, neuerliches Spielen zur Abwehr von Identitätsverlust, chasing Verzweiflungsphase Normenabbau, Kriminalität, Isolierung, Selbstmordversuche

Psychopathologie Bergler 1957: Ausgeprägte Selbstwertproblematik, der erlebte lustvoll-schmerzhafte Erregungszustand, Allmacht-, und Gewinnphantasien herausragende Bedeutung das Geldes für den Selbstwert, gleichzeitiges Auftreten affektiver und sexueller Störungen oder stoffgebundene Süchte Kagerer 1998: häufige Broken- Home- Situation, gestörte Vaterbeziehung, häufige Missbrauchserfahrungen

Verschuldung Spielverhalten auf Dauer nicht finanzierbar Ausgesprochene Kreativität in der Erschließung von Geldquellen Schulden bei Banken, Kreditinstituten, Angehörigen und anderen Zockern Ständiges Hin-, und Herschieben von Schulden bei gleichzeitiger Schuldenvermehrung bail out 89% mit durchschnittlich 35.000 Euro verschuldet

Verlauf Verlustphase Ärger, Angst, neuerliches Spielen zur Abwehr von Identitätsverlust, chasing Verzweiflungsphase Normenabbau, Kriminalität, Isolierung, Selbstmordversuche

Beschaffungskriminalität Daten variieren weltweit zwischen 35-90% bei Selbstdarstellung, zwischen 13-48% bei objektiven Kriterien (Inhaftierungen..) Das delinquente Verhalten ist typischerweise nicht gewalttätig und besteht in der Regel aus Eigentumsdelikten (Betrug, Fälschung, Unterschlagung, Diebstahl) Keine weiteren Verurteilung nach Besserung des Spielverhaltens

Probleme in der Behandlung Suchttypische Abwehr- und Verleugnungsmechanismen Ausgeprägte Familiendynamik (bail out) Versagensängste, Angst Verantwortung zu übernehmen Psychopathologie

Spielsuchtspezifische Prävention Kanada: 20 minütiges Video Lucky, - Steigerung von Wissen über Glücksspiel, Korrektur der falschen Vorstellungen über Gewinnmöglichkeiten (11 bis 15 Jährige) Interventionen sollen bei 12 bis 14 Jährigen beginnen, schulbasiert, Vermittlung von Wissen, Stärkung der Lebenskompetenzen

ICH DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT Prim. Dr. Roland Mader Anton Proksch Institut www.api.or.at mader@api.or.at