Taktik bei Sozialplan-Verhandlungen von Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht



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Transkript:

Taktik bei Sozialplan-Verhandlungen von Wolfgang Steen, Fachanwalt für Arbeitsrecht Hamburg - Kurzfassung Verhandlungen über einen Sozialplan sind für jeden Betriebsrat eine Herausforderungen, selbst dann, wenn schon in der Vergangenheit ähnliche Anlässe bestanden haben und Erfahrungen gesammelt wurden. Jeder dritte Betriebsrat musste sich schon vor der Wirtschaftskrise mit einem Sozialplan auseinandersetzen. Anmerkung Es soll hier nicht vorrangig um rechtliche Aspekte (Betriebsänderung, ja - nein?) oder diverse Fragen rund um Anerkennung von Nachteilen (Zumutbarkeit etc.) gehen. Anspruch dieses Aufsatz ist vielmehr, das praktische Herangehen eines Betriebsrates zu erläutern. Verbindung Interessenausgleich und Sozialplan Eine Binsenweisheit ist, dass jeder Interessenausgleich - aus Anlass einer Betriebsänderung - zu einem Sozialplan führen muss. Ob tatsächlich ausgleichspflichtige Nachteile vorliegen, der Betriebsrat diese einfach behauptet oder letztlich auch ein Einigungsstellenvorsitzender davon überzeugt werden kann, ist zweitrangig. Bei jeder Änderung (organisatorisch, neue Technik, Personalabbau oder Versetzungen) kann der Sozialplan verlangt werden. Es ist schlimmer, hier den Satz zu unterschreiben "Ausgleichspflichtige Nachteile liegen nicht vor", als - besser! - auszuführen: "Über den Ausgleich eventueller (weiterer) Nachteile nehmen die Betriebsparteien Verhandlungen auf, wenn solche von einer Seite behauptet werden." Der Vorteil: Sollte sich erst im Zuge der Umsetzung herausstellen, dass tatsächlich negative Auswirkungen eingetreten sind (z.b. Verlust von Schichtzulagen etc.), enthält der Sozialplan (oder Interessenausgleich) immer noch die notwendige Öffnung. Gegen die Formulierung "Nachteile liegen nicht vor", kann schließlich weder der Betriebsrat noch ein Einzelner Ansprüche durchsetzen. Das Arbeitsgericht wird entgegenhalten: "Ihr Betriebsrat hat keine Notwendigkeit gesehen." (siehe hierzu auch unten: "Kein Interessenausgleich ohne Sozialplan") Personalabbau und Namensliste Häufig genug verlangen die Arbeitgeber in Sozialplan-Verhandlungen den Abschluss einer sog. Namensliste. Damit soll definitiv festgeschrieben werden, wer seinen Arbeitsplatz verliert und gleichzeitig Anspruch auf vereinbarte Sozialplanleistungen haben soll. Ein solches Vorgehen ist nicht empfehlenswert, es ist auch - aus rechtlicher Sicht - nicht notwendig. In jedem Sozialplan kann festgeschrieben werden, dass bei einer (betriebsbedingten) Beendigungskündigung Anspruch auf die entsprechende Sozialplan-Abfindung besteht. Kurz gesagt: Jeder Gekündigte hat diesen Rechtsanspruch (übrigens unabhängig davon, ob die Kündigung später noch gerichtlich angegriffen wird). Gleichzeitig eine Namensliste der zu Kündigenden aufzustellen, macht die Überprüfung der Kündigung durch das Arbeitsgericht unmöglich. Also: ausschließlich ein Vorteil für den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer selbst hat keinerlei Vorteile. Auch nicht etwa dadurch, gegenüber der Arbeitsagentur 'eindeutig' die Betroffenheit von der Kündigung nachzuweisen. Kündigung - aus betriebsbedingten Gründen - ist Kündigung. Der Nachweis, ein Betroffener gewesen zu sein, kann bei der Arbeitsagentur ebenso Seminarhinweis Aktuelles Arbeitsrecht 2015 und Handlungstraining neueste Rechtsprechung für den Betriebsrat - das neue Arbeitsrecht der Großen Koalition - Betriebsänderungen und Sozialplan - Seminar aus Sicht des Arbeitsrechts und der Kommunikation im Hotel "StrandGut" in St. Peter Ording (Nordsee) Mo.- Mi. 11. - 13. Mai 2015 Veranstalter: www.seminare37absatz6.de

2 durch Vorlage des Interessenausgleichs geführt werden (in dem die Abbauzahlen und die betroffenen Bereiche/Abteilungen in der Regel genannt sind). (vgl. hierzu unten: "Sicherung der Ansprüche gegenüber der Arbeitsagentur") Vorbereitung der Verhandlungen Soll der Arbeitgeber finanzielle Mittel bereitstellen, wird oft die "Rechtssicherheit" angemahnt. Sprich: Man will als Arbeitgeber vor anschließenden Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht 'geschützt' sein. Soweit so gut. Verhindern lässt sich die Kündigungsschutzklage aber allenfalls dadurch, dass die Betroffenen objektiv abgesichert sind und subjektiv den Eindruck gewinnen, dass a) der Betriebsrat alles "herausgeholt" hat und b) die Abfindung (und andere Zahlungen) so bemessen sind, dass auch ein Gerichtsverfahren zu keiner Verbesserung/Aufstockung führt. (Natürlich von den Ausnahmen abgesehen, dass schlicht "der Falsche" gekündigt wurde.) Unerlässlich in der Vorbereitung ist also, alle erdenklichen Auswirkungen - nicht nur die für den Arbeitsplatzverlust - abzuklopfen bzw. zu ermitteln. Natürlich steht es dabei jedem Betriebsrat frei, auch durch intensive Befragungen der Betroffenen (Fragebogen- Aktion) die möglichen Nachteile und finanziellen Auswirkungen zu ermitteln. Dies kann und muss nicht etwa allein dem Arbeitgeber überlassen bleiben. Kurz gesagt: Der Betriebsrat ist in den SP- Verhandlungen nur so gut, wie er alle Details ermittelt hat und in die Verhandlungen einbringt. Die Dauer solcher Verhandlungen ist nicht eingeschränkt. Es braucht eben die Zeit, die erforderlich ist. Kein Interessenausgleich ohne Sozialplan Rechtsgrundlage für Interessenausgleichund Sozialplanverhandlungen ist stets, dass eine Betriebsänderung (im Sinne 111 BetrVG) vorliegt. Das heißt, es müssen durch den Arbeitgeber solche Maßnahmen geplant sein, die im Beispielkatalog des 111 ge- nannt sind - z.b. Teil-Schließung von Abteilungen, Rationalisierungsmaßnahmen, Umorganisation der betrieblichen Abläufe. Wie es dann weitergeht, ist aus dem Folgeparagrafen 112 BetrVG nicht so einfach 'herauszulesen'. Im Grundsatz will der Arbeitgeber (möglichst) die geplanten Maßnahmen zügig umsetzen, während der Betriebsrat noch Nachfragen hat und insbesondere darauf drängt, die finanziellen Folge für die Betroffenen zu regeln (also die entstehenden Nachteile auszugleichen). Da eine Umsetzung der Maßnahmen aber voraussetzt, hierüber einen Interessenausgleich geschlossen zu haben (der notfalls erst in der Einigungsstelle 'scheitert'), hat es der Betriebsrat in der Hand, den notwendigen 'Zusammenhang' herzustellen - sprich: einen Interessenausgleich nur zusammen mit dem Sozialplan abzuschließen. Die Erfahrung lehrt, dass sonst die Maßnahmen zwar umgesetzt werden, die Verhandlungen über den Sozialplan aber 'ins Stocken' geraten, weil auf der Arbeitgeberseite plötzlich keine Eile mehr besteht. Der finanzielle Rahmen Es gibt grundsätzlich keinen vorgegebenen finanziellen Rahmen für Abfindungen etc. Auch etwa schon vom Unternehmen gebildete Rückstellungen sind natürlich kein (Gegen-)Argument. Aufgabe der Betriebsparteien ist - wie schon das Gesetz richtig formuliert -: der "Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen, Verlust von Anwartschaften, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten". Für all dies sollen Leistungen vorgesehen werden, die "den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen" (siehe 112 Abs. 5 Ziff. 1 BetrVG - dort formuliert als 'Auftrag' an eine Einigungsstelle, also gleichfalls als 'Substanz eines Sozialplans"). Überhaupt: Dass es keinen vorgegebenen finanziellen Rahmen gibt, zeigt schon die Formulierung, dass nach 'billigem

3 Ermessen' zu entscheiden ist. Und Ermessensspielräume gibt es bekanntlich bei allen Verhandlungen. Ein Tipp noch: In Zeiten von Laptops und Excel-Programmen sollte der Betriebsrat stets 'mitrechnen', was welche Zahlungen / Abfindungen in der Summe ausmachen. Oft genügen schon kleine Veränderungen in den Formeln, dass plötzlich weniger ausgeschüttet wird, als noch im Vorschlag davor. Vorsicht ist auch geboten bei (rechtlich allerdings zulässigen) "Kappungsgrenzen" je Einzelfall. Die schönsten Berechnungen nützen nichts, wenn anschließend der 'Cap' eingreift. Abfindungsformeln In der Sozialplan-Praxis finden sich unterschiedliche Modelle, wie z.b. Abfindungen bei Verlust des Arbeitsplatzes berechnet werden. Die einfachste Formel ist natürlich, pro Jahr der Beschäftigung einen bestimmten Faktor des Brutto-Monatseinkommens (z.b. 50 oder 75 %) zu zahlen. In diesen Fällen ist zu beachten, natürlich das durchschnittliche Monatseinkommen anzusetzen, also inkl. Weihnachts- und Urlaubsgeld. Andere Modelle versuchen, das Monatseinkommen (ME), das Lebensalter (LA) und die Betriebszugehörigkeit (BZ) einzubeziehen. Die Formel lautet dann zum Beispiel: ME x LA x BZ_ 50 (Divisor) Auf den Divisor kommt es natürlich hierbei an, weil ein Wert z.b. von 100 in der Regel "nur" eine Abfindung in Höhe eines halben Monatseinkommens beschert. Ansonsten gilt: es ist alles möglich und als Rechenmodell zulässig. Jedenfalls solange die 'Standards' (Berücksichtigung der Zugehörigkeit) eingehalten werden und eine Altersdiskriminierung nicht stattfindet (das Alter darf nach AGG nicht unberücksichtigt bleiben). Zuschläge zur Abfindung Auch hier gibt es eine durchaus "übliche" Praxis. So ist etwa bei bestehender Schwer- behinderung (siehe unten) ein Zuschlag zu gewähren. Für Kinder lässt sich stets ein besonderer Zuschlag pro Kind (z.b. 1.000 oder 5.000) argumentieren. Diese Zuschläge sind im Verhältnis zu der Grund-Abfindung zu kalkulieren. Muster-Werte oder -Vorgaben gibt es auch hierfür nicht. besondere Betroffenen-Gruppen (Schwerbehinderte, Erziehungsurlauber, BR-Mitglieder) Natürlich können von einem Arbeitsplatzverlust oder anderen Nachteilen einer Betriebsänderung auch Mitarbeiter betroffen sein, die einen besonderen Kündigungsschutz genießen. Hier ist zu differenzieren: Betriebsratsmitglieder sind nicht fristgerecht kündbar, können sich also vor dem Arbeitsplatzverlust durch Hinweis auf 15 KSchG retten. Anders sieht es aus, wenn etwa alle Mitarbeiter einen 'finanziellen Beitrag' zur Erholung des Unternehmens leisten (sollen). Hier ist auch ein BR-Mitglied nicht gesondert geschützt, sondern im Nachteil gleich zu behandeln. Für Schwerbehinderte und Erziehungsurlauber gilt, dass eine Kündigung nur nach vorherigen Zustimmung der zuständigen Behörde (Integrationsamt etc.) erfolgen kann. Leider zeigt die Erfahrung, dass Integrationsämter auch dann einer Kündigung zustimmen, wenn eben 'zufällig' in dem Kreis der Betroffenen auch ein Schwerbehinderter dabei ist (Unterschied: 'betriebsbedingte', nicht 'schwerbehinderten-bedingte' Kündigung). Im Sozialplan sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden, dass a) Erziehungsurlauber erst nach Ende des Erziehungsurlaubs ausscheiden müssen und b) für Schwerbehinderte ein finanzieller Zuschlag (in der Regel 15.000 bis 20.000 ) zu zahlen ist. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Zur Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, also dem Sozialplanvolumen insgesamt, gibt es inzwischen einschlägige Rechtsprechung. - bitte die Langfassung anfordern -

4 Transfer-Sozialplan und Gruppen-Outplacement - hierzu die Langfassung anfordern - Rahmen-Sozialplan - sinnvoll? Häufig werden sog. "Rahmen-Sozialpläne" (etwa für die nächsten 3 Jahre) deshalb abgeschlossen, um alle denkbaren Betriebsänderungen damit zu erfassen. Der Vorteil ist natürlich, nicht jedes Mal neu über Abfindungshöhen etc. verhandeln zu müssen. Der Nachteil ist gleichzeitig, ein bestimmtes Niveau (aus der Krise?) fortzuschreiben. Vorteile hätte eine solcher "Rahmen" allerdings dann, wenn sich der Arbeitgeber darauf einlässt, alle denkbaren Auswirkungen (auch unterhalb der Schwelle der notwendigen Anzahl von Betroffenen) zu erfassen. besondere Formen der Betriebsänderung (Betriebsübergang, Zusammenschluss mit anderen Betrieben etc.) - bitte die Langfassung anfordern - Berücksichtigung "neuer Job"? Auch wenn die Formulierung im Gesetz (u.a. in 112 Abs. 5 Ziff. 2) darauf hindeutet: es ist nicht Aufgabe eines Sozialplans diejenigen von Leistungen (Abfindungen) auszuschließen, die einen neuen Job haben oder hierfür eine gute Aussicht besteht. Verlust des Arbeitsplatzes ist Verlust des Arbeitsplatzes und niemand kann vorhersagen, ob es im neuen Job klappt; sprich: die Probezeit überstanden wird. Auswirkungen im Sozialrecht - ALG, Sperrzeiten Leider besteht immer noch der weit verbreitete Irrtum, dass Abfindungen auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden. Gerade wenn ein Sozialplan vorliegt, wird nicht 'angerechnet'. Auch die Arbeitsagentur ist daran gebunden festzustellen, dass hier ein Arbeitsplatz nicht mehr zu retten war. Und dass es dann zu Abfindungszahlungen (nach Sozialplan) kommt, ist allgemein üblich. Wenn überhaupt sind Sanktionen (Sperrfrist, Anrechnung) denkbar, falls jemand voreilig gehandelt und nicht einmal die persönliche Kündigungsfrist eingehalten hat (weil möglicherweise ein interessanter neuer Job 'gewunken' hat, der dann doch nicht zustande kam). Sich dann trotzdem arbeitslos zu melden führt mit Sicherheit zur Anrechnung der Abfindung, weil eben der Arbeitsplatz (ohne Einhaltung der Kündigungsfrist) 'leichtfertig' aufgegeben wuirde. Sozialplan in der Insolvenz In diesem Abschnitt können wir uns kurz fassen. Der Abfindungsanspruch in der Insolvenz ist gesetzlich begrenzt auf drei Monatseinkommen je Beschäftigtem. Wenn ein Insolvenzfall vorliegt, kommt es vielmehr darauf an, den Anspruch auf KUG "Konkursausfallgeld" (maximal für 3 Monate) von der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten. Die Zahlung des KuG darf allerdings nicht auf den Abfindungsanspruch angerechnet werden. Zusammenfassung Für die "Taktik bei Sozialplan-Verhandlungen" kommt es in erster Linie darauf an, sich nicht auf den frühzeitigen Abschluss eines Interessenausgleiches einzulassen (die geplante Maßnahme würde dann bereits umgesetzt werden). Hat es die Arbeitgeber-Seite dagegen eilig, wird sie erkennen, dass der Betriebsrat bei Zugeständnissen in der Abfindungshöhe mit sich reden lassen wird ("Zeit gegen Geld"). Ungewöhnlich sind diese Verquickungen schon deshalb nicht, weil der Zeitfaktor auch eine Rolle spielt bei der Frage, wann und mit welcher Ablauffrist Kündigungen ausgesprochen werden können. Ansonsten gilt: Finanziell gibt es keine Vorgaben, sondern es kommt darauf an, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens (evtl. auch des Konzerns) genau zu durchleuchten und einen angemessenen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorzusehen. Einen entscheidenden Satz zur 'wirtschaftlichen Belastung' des Unternehmens durch einen Sozialplan hat übrigens das Bundesarbeitsgericht schon

5 2003 aufgestellt: "Auch bei einem wirtschaftlich wenig leistungsstarken Unternehmen sieht das Gesetz im Falle der Entlassung eines großen Teils der Belegschaft auch einschneidende Belastungen bis an den Rand der Bestandsgefährdung für vertretbar an." Dort stand ein Sozialplanvolumen von insg. DM 3,2 Mio. an, das durch Einsparungen von Personalkosten (in Folge der Kündigungen) innerhalb von zwei Jahren wieder ausgeglichen werden konnte. Die 'einfache' Rechnung lautet also: Was sich in zwei Jahre durch Kosteneinsparungen amortisieren lässt, macht in etwa die Gesamtsumme des Sozialplans aus. * * * * Selbstverständlich stehen wir für die Beantwortung weiterer Fragen jederzeit zur Verfügung. Bitte Mail an: steen@gsp.de Wolfgang Steen Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hamburg www.gsp.de Betriebs Rat bestellen Unser regelmäßiger Newsletter Neues aus dem Arbeitsrecht für Betriebsräte erscheint regelmäßig ca. sechs Mal im Jahr bitte bestellen unter www.steenrae.de