13 Einführung in die Methodik von Online-Untersuchungen



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Transkript:

13 Einführung in die Methodik von Online-Untersuchungen Ein Großteil der nun folgenden Untersuchungen wird online im World Wide Web durchgeführt. Es soll an dieser Stelle auf zentrale Merkmale von Online-Untersuchungen eingegangen werden, da diese (relativ neue) Methode der Datensammlung noch nicht allgemein bekannt ist und zudem einige Besonderheiten in Datenerhebung und -auswertung nach sich zieht. Die Entscheidung für Online-Untersuchungen ist in dieser Arbeit nahe liegend, da die Methode in engem Bezug zum Forschungsfeld steht. Darüber hinaus bietet diese Erhebungsform eine Reihe von Vorteilen, die im Folgenden dargestellt werden. In der psychologischen Forschung haben sich Online-Befragungen und Online-Experimente längst etabliert, was durch eine Vielzahl von Kongressbeiträgen und Publikationen belegt werden kann (siehe z. B. Batinic, 2000; Batinic, Reips & Bošnjak, 2002; Reips & Bošnjak, 2001; Welker, Werner & Scholz, 2005). Auch haben einige der Berufsfachverbände Standards für die Durchführung von Online-Untersuchungen formuliert (ADM Arbeitskreis Deutscher Marktund Sozialforschungsinstitute e. V., ASI Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e. V., BVM Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. & DGOF Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung e. V., 2001). Es soll hier ein kurzer Abriss über zentrale Merkmale von Online-Untersuchungen, vor allem hinsichtlich Stichprobengewinnung und Untersuchungsdurchführung, gegeben werden. 13.1 Stichprobenziehung Bei der Ziehung der Untersuchungsstichprobe ergeben sich online Vor- und Nachteile. Einer der größten Nachteile: Eine wirklich echte zufallsgesteuerte Stichprobenauswahl ist im World Wide Web schwer. Da kein Verzeichnis aller E-Mail-Adressen (ähnlich einem Telefonbuch) existiert und eine Person mehrere E-Mail-Adressen besitzen kann, ist eine komplett zufallsgesteuerte Auswahl von Personen unmöglich. Denkbar wäre dies lediglich bei eng umgrenzten Zielgruppen, die vollständig per E-Mail oder über andere Wege, wie z. B. in einem Forum, erreichbar sind. 13.1.1 Aktive und passive Auswahl von Probanden Um sich auch bei webbasierten Untersuchungen einer Zufallsstichprobe anzunähern, wird auf eine aktive Auswahl der Probanden zurückgegriffen. Das heißt, es wird versucht, durch entsprechend aussagekräftig formulierte Einladungen in E-Mails Personen zur Teilnahme zu bewegen. Eine weitere Möglichkeit ist hierbei die so genannte Snowball-Technique: In den 95

96 13 Einführung in die Methodik von Online-Untersuchungen versendeten Einladungs-E-Mails werden die Angeschriebenen zusätzlich gebeten, diese Nachricht an andere Personen weiterzuleiten. Bei einer passiven Auswahl der Versuchsteilnehmer wird lediglich ein Einladungstext mit einem Link auf eine Webseite oder in ein Webforum gestellt; die Entscheidung zur Teilnahme liegt beim Leser der jeweiligen Webseite. In der Praxis werden manchmal aktive und passive Auswahl kombiniert. Auch eine Offline-Ansprache der Zielpersonen für eine Online-Studie (z. B. mittels Handzetteln) kann erfolgreich sein. 13.1.2 Online-Panels Um online annähernd repräsentative Stichproben ziehen zu können, wurden so genannte Online-Panels eingeführt. Diese werden auch als Access-Pools oder Online-Access-Pools bezeichnet (Welker et al., 2005). Bezeichnungen und Definition werden jedoch nicht ganz einheitlich gebraucht (eine andere Einteilung als Welker nimmt z. B. Leopold [2004] vor). Gemeinsam ist den verschiedenen Definitionen die Grundeigenschaft eines Online-Panels: Ein Online-Panel stellt eine große Sammlung von E-Mail-Adressen von Personen dar, die bereit sind, an Untersuchungen teilzunehmen. Der Betreiber des Panels stellt sicher, dass jede Person nur einmal im Panel angemeldet sein kann und erhebt bestimmte demographische Basisvariablen der so genannten Panelisten. Einige Autoren unterschieden folgende zwei Formen von Panels, bei der die Form der Teilnehmer-Rekrutierung ausschlaggebend ist (ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. et al., 2001; Welker et al., 2005): 1. Aktiv rekrutierte Panels: Die Teilnehmer des Panels werden gezielt durch den Panel- Betreiber angesprochen und für das Panel rekrutiert. Es können bestimmte Quotenvorgaben (demographische und/oder geographische Verteilungen) beachtet und die Teilnehmer entsprechend eingeladen werden. So kann beispielsweise die Verteilung der deutschen Bevölkerung in zentralen demographischen Merkmalen abgebildet werden. 2. Passiv rekrutierte Panels: Hier können sich die Teilnehmer selber eintragen, eine Steuerung seitens des Panel-Betreibers erfolgt nicht. Derartige Panels ähneln großen E-Mail- Verteilern für befragungswillige Personen. Mischformen in der Vorgehensweise beim Aufbau eines Panels sind denkbar, beispielsweise können auch bei einem passiv rekrutierten Panel bestimmte Quotierungen verfolgt werden. Laut Auslegung der Berufsverbände (ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. et al., 2001) können nur bei einer aktiven Rekrutierung der Panel- Teilnehmer diese als repräsentativ für die Gesamtheit oder Teilgruppen der Internetnutzer angesehen werden; aktiv rekrutierte Panels sind entsprechend positiver zu bewerten. Nicht zu unterschätzen ist aber insbesondere der Aspekt der Panel-Pflege: Je mehr Zeit ein Panel- Betreiber neben der Rekrutierung auch in die Pflege des Panels investiert beispielsweise in

13.2 Besonderheiten der Datenerhebung online 97 die Überprüfung der Aktualität der E-Mail-Adressen, Ausschluss von fehlerhaften oder unechten Profilen sowie der Kontrolle mutwilliger Falschangaben oder Nichtbeantwortung in Befragungen desto besser ist das Panel zu bewerten. 13.1.3 Fazit zur Stichprobenziehung Für eine möglichst gute Datenqualität in Online-Untersuchungen empfiehlt sich die Nutzung eines aktiv rekrutierten und/oder sehr gut gepflegten Online-Panels. Da dies aus Kostengründen in der Forschung oftmals nicht möglich ist, müssen stattdessen die Methoden der aktiven oder passiven Auswahl von Probanden verwendet werden. Um Stichprobeneffekte zu reduzieren, empfiehlt sich bei aktiver und passiver Auswahl die Einladung zur Untersuchung möglichst breit zu streuen (siehe auch Reips, 2002) und große Stichproben zu erheben. Letzteres gestaltet sich im World Wide Web bei kurzen Untersuchungen relativ leicht. Im Vergleich mit den traditionellen Untersuchungen in der Psychologie zeigt sich zudem empirisch, dass online erhobene Stichproben eine deutlich größere Diversität (beispielsweise was Alter, Beruf und ähnliche Variablen anbelangt), als offline erhobene Stichproben aufweisen. Eindrucksvoll zeigen dies Gosling, Vazire, Srivastava und John (2004) in einer Untersuchung von n = 361.703 Befragten bezogen auf die Variablen Geschlecht, Alter, sozioökonomischer Status, Nationalität und geographische Herkunft. Diese vergleichsweise höhere Heterogenität bietet so sehr gute Grundlagen für Datenerhebungen, deren Ergebnisse mindestens ebenso belastbar sind wie die offline erhobener Studien. 13.2 Besonderheiten der Datenerhebung online 13.2.1 Identität und Kontrolle der Befragten Eine Online-Datenerhebung bringt den großen Nachteil mit sich, dass die Teilnehmer nicht der Kontrolle des Versuchsleiters unterliegen. Die Identität der Befragten kann somit nicht endgültig geklärt werden. Daher wird in anonym erhobenen Online-Stichproben korrekterweise der Stichprobenumfang auch nicht mit N = x Personen sondern nur mit n = x Datensätzen angegeben. Zwar wird in den folgenden Untersuchungen von Probanden gesprochen, die Stichprobenumfänge von anonymen Online-Untersuchungen aber jeweils korrekterweise durch das kleine n gekennzeichnet. Denn theoretisch könnte eine Person mehrere Datensätze erzeugen in der Praxis ist dies eher unwahrscheinlich und kommt selten vor (Birnbaum, 2004). Es besteht die Möglichkeit seitens des Versuchsleiters Mehrfachteilnahmen über verschiedene Maßnahmen zu kontrollieren (siehe Gosling et al., 2004, S. 101). Die geringe Relevanz dieses Problems zeigen beispielsweise Srivastava, John, Gosling und Potter (2003): Die Autoren kontrollierten Mehrfachteilnahmen in einer Studie zu Persönlichkeitsmerkmalen (n = 132.515), hierbei zeigte sich keine Verzerrung der Ergebnisse durch Personen, die mehrfach an der Studie teilnahmen.

98 13 Einführung in die Methodik von Online-Untersuchungen Zudem kann dieses Problem durch die Befragung über ein Online-Panel gelöst werden: Hier kann der Panel-Betreiber gewährleisten, dass eine Befragung von einer Person nur einmal ausgeführt wird, beispielsweise über die Vergabe individueller Zugangscodes zur Untersuchung. Die Anonymität der Befragten wird hierbei durch die Trennung von Datenerhebung durch den Forscher und Einladung zur Teilnahme durch den Panel-Betreiber gewährleistet. Die Umstände, unter denen die Online-Untersuchung beim jeweiligen Teilnehmer durchgeführt wird, sind allerdings von Seiten des Versuchsleiters in keiner Weise kontrollierbar. Diese Tatsache führt oft zu Bedenken über die Qualität der erhobenen Daten. Deren Güte ist jedoch vergleichbar mit offline durchgeführten Untersuchungen und als gut zu bezeichnen (Döring, 2003; Reips, 2000, 2002), auch empirische Ergebnisse sprechen für eine Übereinstimmung der Ergebnisse mit offline Studien und einer Unabhängigkeit vom Präsentationsformat (Gosling et al., 2004). Zudem lässt sich die Datenqualität durch verschiedene Kontrolltechniken weiter verbessern. Eine dieser Kontrolltechniken, die auch in den weiteren Untersuchungen der vorliegenden Arbeit zum Einsatz kommt, ist die high hurdle technique (Reips, 2002). Hier werden zu Beginn der Befragung verschiedene Mittel eingesetzt, um die Ernsthaftigkeit der Teilnahme zu begünstigen und die Motivation eines Probanden zu überprüfen. So werden die Befragten umfassend aufgeklärt, es erfolgen reale Zeitangaben über die Dauer des Versuchs und Aussagen zur Wichtigkeit und wissenschaftlichen Relevanz. Zudem sollten entsprechend der high hurdle technique die ersten Instruktionsseiten so gestaltet sein, dass sich auf ihnen deutlich mehr Texte, Items oder Informationen befinden als auf den späteren Befragungsseiten. Mit diesen verschiedenen Maßnahmen soll vermieden werden, dass die Probanden die Befragung während des eigentlichen Untersuchungsteils abbrechen. 13.2.2 Drop-out Die oftmals hohen Abbrecherquoten in Online-Untersuchungen (so genannter Drop-out, siehe Birnbaum, 2004) mögen auf den ersten Blick erschrecken. Dies stellt aber nur dann ein Problem dar, wenn der Abbruch selektiv erfolgt. Weiterhin ist es wichtig zu betrachten, wo der Abbruch stattgefunden hat viele Befragte sehen sich nur die Startseite einer Befragung an und verlassen diese dann wieder. Ein solches Verhalten wäre vergleichbar mit einer Person, die einen Aushang zu einem Experiment anschaut, sich dann aber nicht in die Probandenliste einträgt. Kritischer sind die Abbrecher zu betrachten, die während der eigentlichen Befragung aussteigen. Bei diesen sind Analysen notwendig, um mögliche inhaltlich bedingte Abbruchursachen zu identifizieren. Einen sehr guten Überblick über mögliche Probleme und Stichprobenfehler aufgrund von Abbrechern bietet Bošnjak (2002).

13.3 Ethische Aspekte von Online-Untersuchungen 99 13.2.3 Technisch bedingte Vor- und Nachteile Ein klarer Vorteil von Online-Untersuchungen, der bei Papier-Fragebögen in dieser Form gar nicht umzusetzen ist, liegt in der Möglichkeit einer umfangreichen technischen Kontrolle: So kann über JavaScript geprüft werden, ob ein Proband alle Fragen beantwortet hat oder es wird automatisch kontrolliert, dass Textfelder nur Text und Zahlenfelder nur Zahlen enthalten. Eine itemgenaue Messung der Beantwortungszeit eröffnet eine wichtige Option zur Filterung von Datensätzen mangelnder Qualität, so können beispielsweise Durchklicker identifiziert werden. Auch die Möglichkeit, Items oder Itemblöcke teilweise oder vollständig zu randomisieren oder einzelne Items nur entsprechend bestimmter Filterregeln darzubieten, sind besondere Kennzeichen und große Vorteile dieses Erhebungswegs. Das Medium World Wide Web selber bietet die Möglichkeit, eine dort stattfindende Untersuchung mit multimedialen Elementen wie Bildern, Audiodateien oder Filmen anzureichern. Eine kontinuierliche Feldstatistik über Rücklauf und Untersuchungsabbrecher ist technisch leicht umsetzbar. Zudem ist es möglich, nonreaktive Daten der Probanden zu erheben. Einige dieser Daten (z. B. Angaben zum verwendeten Browser oder Betriebssystem) werden automatisch übertragen, die Erhebung weiterer Daten in dieser Richtung stößt aber schnell an ethische Grenzen. An technische Grenzen stößt man bei Online-Untersuchungen bei der Umsetzung von experimentellen Versuchsplänen, die zum Beispiel eine millisekundengenaue Speicherung von Reaktionszeiten verlangen. Hier limitieren die Verbindungsgeschwindigkeit und Antwortzeit der Hardware-Komponenten die Erhebung. Bei streng experimentellen Versuchsanordnungen ist aber ohnehin eine Online-Durchführung aufgrund der sehr eingeschränkten Kontrolle über die Probanden zu überdenken. 13.3 Ethische Aspekte von Online-Untersuchungen An Online-Untersuchungen werden die in der Wissenschaft üblichen ethischen Anforderungen gestellt. Diese müssen allerdings zu den Besonderheiten und technischen Möglichkeiten des Mediums in Bezug gesetzt werden (Batinic & Bošnjak, 2000; Döring, 2003; Dzeyk, 2001). In einer Ethik-Checkliste für die Online-Forschung nennt Dzeyk (2001) drei Normbereiche für die Online-Forschung: 1. Die juristischen Normen: Dazu gehören Datenschutz und Anonymisierung. 2. Die konsensfähigen Normen: Dazu gehören unter anderem Freiwilligkeit, Gabe von Informationen zu Untersuchungszielen und Zweck, Informationen zum Versuchsleiter und zur durchführenden Institution, genaue Instruktionen, Dankesformel am Ende. 3. Kontroverse Normen: Dazu gehören unter anderem Hinweis auf die Erhebung nonreaktiver Daten, Einholen einer expliziten Einverständniserklärung, weitergehende Informationen zur Untersuchung nach Abschluss dieser.

100 13 Einführung in die Methodik von Online-Untersuchungen Dzeyk (2001) diskutiert in seinem Beitrag diese verschiedenen Normen und legt eine strikte Beachtung zumindest der juristischen und konsensfähigen Normen nahe. Bei den kontroversen Normen bedarf es weiterer Diskussion in der Forschergemeinschaft. Auf Seiten der Befragten zeigt sich eine große Akzeptanz von Online-Untersuchungen, bedingt durch Aspekte wie Zeit- und Ortsunabhängigkeit aber auch durch eine hohe erlebte Anonymität. Aus ethischer Sicht garantieren Online-Fragebögen einen weiteren Vorteil in Hinblick auf eine mögliche Selbstkontrolle der Forschung: Die kompletten Befragungsinstrumente und Versuchsaufbauten sind online zumeist offen zugänglich und können so potentiell auch von anderen Wissenschaftlern eingesehen, überprüft und gegebenenfalls kritisiert werden. 13.4 Fazit: Vor- und Nachteile von Online-Untersuchungen Seit dem ersten Einsatz von Online-Fragebögen und den ersten Online-Experimenten in der Psychologie hat die Diskussion der Fachvertreter über diese Erhebungsform nicht nachgelassen. Insbesondere die Äquivalenz zwischen offline und online erhobenen Daten steht oft im Mittelpunkt der Debatte und muss je nach Erhebungsform und -ziel in der jeweiligen Untersuchung einzeln betrachtet werden. Für die vorliegende Arbeit ist diese Diskussion nur von untergeordneter Bedeutung, da der untersuchte Gegenstand selber Teil eines Online- Mediums ist und Online-Untersuchungen hier einen angemessenen und sehr konstruktnahen Weg darstellen. Die nachfolgende Tabelle 13.1 (basierend auf Batinic & Bošnjak, 2000; Döring, 2003; Dzeyk, 2001; Reips, 2002) gibt noch einmal einen zusammenfassenden Überblick über zentrale Vorund Nachteile der Online-Erhebungsmethodik. Zusammengefasst, unter besonderer Berücksichtigung praktischer Geschichtspunkte, liegen die Vorteile von Online-Untersuchungen vor allem in der hohen Ökonomie, der großen Reichweite, der relativ einfachen Erhebung großer Stichproben in kurzer Zeit und der hohen Akzeptanz dieser Methodik bei den Befragten. Nachteile sind in der unklaren Identität der Probanden, der geringen Kontrolle und möglicher technischer Schwierigkeiten vor allem von Befragungsteilnehmern mit veralteter Software und älteren Anzeigegeräten begründet. So kann die hohe technische Varianz von Softund Hardware-Ausstattung der von den Probanden verwendeten Computer ein nicht unbedeutendes Problem für eine fehlerfreie Datenerhebung darstellen. Insgesamt aber werden für Online-Untersuchungen vergleichbare oder sogar bessere Datenqualitäten festgestellt, unter anderen bedingt durch ehrlicheres Antwortverhalten, weniger

13.4 Fazit: Vor- und Nachteile von Online-Untersuchungen 101 soziale Erwünschtheit, hohe empfundene Anonymität, höhere ökologische Validität und höhere Stichprobenvarianz (Döring, 2003; Gosling et al., 2004; Reips, 2000, 2002; Welker et al., 2005). Online-Untersuchungen sind also bei methodisch sachgerechtem Vorgehen als vollkommen gleichwertige und wertvolle Methodik in der psychologischen Forschung zu sehen. Tabelle 13.1: Methodische Vor- und Nachteile von Online-Untersuchungen Vorteile Große Zeitgewinne bei Erhebung, Auswertung und Präsentation der Daten Aufwand und Kosten für Druck, Austeilung und Kodierung von Fragebögen, Interviewer und Dateneingaben entfallen Automatisierbarkeit und Objektivität: keine Fehlerquellen durch Dateneingaben per Hand, keine Versuchsleiter-Effekte, keine Gruppeneffekte Wesentlich heterogenere Stichprobenzusammensetzung als bei typischen offline durchgeführten Studien Alokalität des Mediums: Es sind auch schwer erreichbare Personenkreise ansprechbar Hohe Datenqualität; Kontrollskripte verhindern missing data ; Konsistenzprüfungen der Daten anhand von Zeitprotokollen u. ä. möglich Hohe Akzeptanz aufgrund von Freiwilligkeit, Flexibilität und Anonymität Verfahrenstransparenz, Ethik: Die Untersuchungen sind kontrollierbar, da diese öffentlich zugänglich sind Nachteile Die Programmierung kann einen gewissen zeitlichen Vorlauf beanspruchen Gegebenenfalls Aufwand für Einarbeitung in Fragebogen- oder Experimentalsoftware Nicht alle Personen sind online; nicht alle Computer sind in Soft- und Hardware auf einem für die Untersuchung ausreichenden Stand Keine Repräsentativität für die Gesamtbevölkerung erreichbar Ort und Zeit der Datenerhebung können nicht kontrolliert werden Mehrfachteilnahmen von Probanden sind technisch nur bedingt kontrollierbar Antwort auf Fragen eines Probanden kann nur asynchron und auf dessen Initiative hin erfolgen Daten(banken) der Online-Untersuchung müssen gegen unberechtigten Zugriff geschützt werden Dieser Text stammt aus: Thielsch, M. T. (2008). Ästhetik von Websites. Wahrnehmung von Ästhetik und deren Beziehung zu Inhalt, Usability und Persönlichkeitsmerkmalen. Münster: MV Wissenschaft. Meinald T. Thielsch; alle Rechte vorbehalten.