Wir werden nur eine kurz- bis mittelfristige Scheinblüte genießen. Anschließend werden die Probleme in verschärfter Form erneut auftauchen.

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FRAGE Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch grünes Licht für den geplanten dauerhaften europäischen Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt gegeben, sein Urteil jedoch an klare Auflagen gebunden. Nach dem Urteil darf die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro nur nach Zustimmung des Bundestags angehoben werden. Liegt mit dem erwarteten Start des ESM und des Fiskalpakts das Schlimmste in der Eurokrise hinter uns? Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Forschungsbereich Internationaler Handel, ifo Institut und Ludwig-Maximilians-Universität München: Die Unsicherheit über die politischen Optionen ist durch das Urteil aber auch durch das Outing der EZB doch stark gesunken. Das ist positiv. Gleichzeitig bewirkt das Urteil einen weiteren Machtgewinn der EZB, weil es der deutschen Politik die Hände bindet. Dr. Alexander Schumann Chefvolkswirt, DIHK: Wie lang sich Europas Weg aus der Krise noch zieht, hängt in erster Linie davon ab, wie konsequent die einzelnen Länder bei ihren Reform- und Sparbemühungen sind. Diese Schritte sind richtig und zeigen erste Erfolge, der ESM flankiert ihn nicht mehr und nicht weniger. Prof. Dr. Mathias Erlei Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, TU Clausthal: Wir werden nur eine kurz- bis mittelfristige Scheinblüte genießen. Anschließend werden die Probleme in verschärfter Form erneut auftauchen. Prof. Dr. Dirk Sauerland Lehrstuhl für Institutionenökonomik und Gesundheitssystemmanagement, Universität Witten-Herdecke: Der ESM löst keines der strukturellen Probleme in den betroffenen Ländern. Dr. Boris Augurzky Kompetenzbereichsleiter Gesundheit, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.v.: Der Euro selbst und die unterschiedlich hohen Produktivitäten der Euro-Länder sind das Problem. Die Krise liegt erst hinter uns, wenn die Länder mit geringerer Produktivität aufgeholt haben oder der Euro aufgegeben wird. Prof. Dr. Bernd Genser Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Universität Konstanz: Damit wird nur die Refinanzierung der hoch verschuldetet Staaten gesichert, die wirtschaftliche Restrukturierung beginnt erst Dr. Dirk H. Ehnts Gastdozent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Der ESM kauft nur Zeit. Die realwirtschaftlichen Probleme müssen noch gelöst werden: in Deutschland ist das Preisniveau noch zu niedrig, in vielen Ländern noch zu hoch. Die Schuldner-Länder werden nicht zurückzahlen können, wenn sie nicht in die Position des Nettoexporteurs kommen. 1

Prof. Dr. Bruno Schönfelder Lehrstuhl für Allgemeine VWL, TU Bergakademie Freiberg: Das Schlimmste liegt erst dann hinter uns, wenn wir ein Erstarken des Handelsgütersektors in den Südländern und Frankreich beobachten können. Davon sehen wir bislang nicht mehr als die allerersten Anfänge. Dr. Manfred Schweren Vorstand, PRIVALOR Vermögens-Management AG: Die Gewährung weiterer Kredite kann eine Überschuldungssituation nicht lösen. Defizite müssen abgebaut werden Haushalte müssen konsolidiert werden. Wenn diese Vorgänge sichtbar werden, dann liegt das Schlimmste hinter uns. Prof. Dr. Ulrich van Suntum Lehrstuhl am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Die scheinbare Begrenzung der deutschen Haftung ist Schall und Rauch. Im Ernstfall wird der Bundestag noch weniger mit Nein stimmen können als bisher, da die Risiken eines totalen Zusammenbruchs der Eurozone immer größer werden. Wir bewegen uns unaufhaltsam auf eine Schuldenunion mit Weichwährung a la Lira zu. Prof. Stephan Klasen, Ph.D. Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Georg-August-Universität Göttingen: Erst wenn Spanien und Italien über den ESM auf die Unterstützung der EZB bauen können, ist das schlimmste der kurzfristigen Krise vorbei. Aber dazu müssen sie auch den Antrag stellen. Prof. Dr. André Schmidt Lehrstuhl für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft, Universität Witten-Herdecke: Die Krise im Euroland kann nicht durch Geld- und Fiskalpolitik gelöst werden. Hierfür braucht es Strukturreformen. Dr. Alexander Krüger Chefvolkswirt, Bankhaus Lampe KG: Mit ihren Staatsanleihekäufen stemmt sich die EZB unmissverständlich gegen eine Staatsinsolvenz und gegen den Zerfall der Währungsunion. Jedem Marktteilnehmer muss nun klar sein, dass es sich nicht lohnt, gegen die EZB zu spekulieren. Der Nachteil der höheren Brandschutzmauer ist, dass die Staatsschulden weiter vergemeinschaftet werden. Prof. Dr. Juergen von Hagen Lehrstuhl am Institut für International Wirtschaftspolitik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Der ESM löst keines der Probleme der Eurokrise, sondern überträgt sie auf die derzeit noch stabilen Staaten. PD Dr. Friedrich Heinemann Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim: Zum ersten Mal seit über zwei Jahren sind nun glaubwürdige Instrumente verfügbar, welche die Anleihemärkte wirklich beeindrucken. Jetzt entsteht ein Zeitfenster für Reformen. 2

Prof. Dr. Xenia Matschke Lehrstuhl für Internationale Wirtschaftspolitik, Universität Trier: Es ist weiterhin kein klares Lösungskonzept erkennbar. Prof. Dr. Peter Oberender ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie, Universität Bayreuth: Es handelt sich um eine bloße Symptombehandlung. Prof. Dr. Thomas Apolte Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik am Institut für Ökonomische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Auch die ESM-Grenze wird früher oder später ausgetestet werden. Ob die Aufkaufgarantie der EZB wirkt und ob sie verfassungsrechtlich Bestand hat, wird sich zeigen (eigentlich dürfte sie letzteres nicht). Wenn nicht, sind wir soweit wie vorher, bis die Bonität der Geberländer ernsthaft infrage steht. Prof. Dr. Horst Schellhaaß em. Professor, Universität zu Köln: Der Fiskalpakt ist zwar ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber er wird voraussichtlich wegen kreativer Buchführung vorerst wenig Wirkung zeigen. Der ESM löst überhaupt keine strukturellen Probleme, sondern erlaubt nur eine weitere Fortsetzung der bisherigen Politik. Prof. Dr. Juergen B. Donges Emeritus am Institut für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln: Die fundamentalen Haushalts- und Strukturprobleme in den südlichen Euro-Ländern bestehen fort. Prof. Dr. Siegfried F. Franke Professur für Wirtschaftspolitik, Andrássy Universität Budapest: Bislang ist noch jede Rechtsregel und jeder Richterspruch de facto unterlaufen worden. Und: Die Probleme werden durch den ESM und die EZB-Ankündigung sicher nicht gelöst. Prof. Dr. Fred Wagner Institut für Versicherungslehre, Universität Leipzig: Erst wenn sichtbare Zeichen existieren, dass die öffentlichen Haushalte nachhaltig konsolidiert werden, kann durchgeatmet werden. Prof. Dr. Horst Löchel German Centre of Banking and Finance, Frankfurt School of Finance & Management: Es wird eine weitere Umschuldung für Griechenland geben müssen. Außerdem müssen die beschlossenen Maßnahmen noch umgesetzt werden, um funktionsfähig zu sein, z. B. eine europäische Bankenaufsicht, die wiederum die Voraussetzung ist, dass der ESM Banken direkt herauskaufen kann. Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Peter Lang Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig: Das ESM ist nur eine Liquiditätshilfemaschine nach dem Muster des guten alten IWF. Entscheidend ist, ob es gelingt, in den Problemländern die notwendigen Reformen zu einer Verbesserung der fiskalischen Rahmenbedingungen zu erreichen. In den schwächsten Ländern (z. B. Griechenland) wird es ohne dauerhafte Einkommenstransfers nach dem Muster des deutschen Länderfinanzausgleichs nicht gehen. 3

Prof. Jürgen Kähler, Ph.D. Institut für Wirtschaftswissenschaft, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg: Das Schlimmste ist erst dann überwunden, wenn der wirtschaftliche Abschwung abgedämpft wird und die Konsolidierungsanstrengungen Früchte tragen. Prof. Dr. Carsten Hefeker Professur für Europäische Wirtschaftspolitik, Universität Siegen: Ob das Problem gelöst ist, ist nicht klar. Sicher ist aber, dass die Alternative die Krise verschärft hätte. Prof. Dr. Thomas Gries Lehrstuhl für Internationale Wachstums- und Konjunkturtheorie, Universität Paderborn: Die aktuellen Summen werden nicht ausreichen. Wir sind am Beginn einer globalen Konjunktureintrübung damit brechen weitere Steuereinnahmen ein und das Defizit und Verschuldungsproblem verschärft sich in den Krisenländern wie auch in Deutschland. Volker Hofmann Direktor Volkswirtschaft, EU-Politik und internationale Beziehungen, Bundesverband deutscher Banken: Der Instrumentenkasten zur Euro-Rettung ist inzwischen gut ausgestattet (EFSF/ESM + Ankaufprogramm der EZB). Zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise ist es jedoch entscheidend, dass der eingeschlagene Reformprozess in den einzelnen Euro-Staaten entschlossen und umfassend weitergeführt wird. Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, zur Stärkung des Wachstumspotenzials und zur Sanierung der öffentlichen Haushalte sind unverzichtbar. Frank Hübner Direktor Volkswirtschaft, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA: Es ist schwierig, die Frage grundsätzlich mit ja oder nein zu beantworten. Die Politik ist gefordert, die strukturellen Konstruktionsmängel der EWU perspektivisch zu beheben. Prof. Dr. Martin Kocher Lehrstuhlinhaber, Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München: Keines der Krisenländer ist schon über den Berg", obwohl die Steigung flacher zu werden scheint. Prof. Dr. Andreas Freytag Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Solange die Gemeinschaftshaftung fortbesteht, wird die Gemeinschaftswährung immer wieder unter Druck geraten. Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik, Universität Potsdam: Wir segeln mit unserem italienischen Euro in ein raueres internationales Wettbewerbsfeld. MS wird mit weiteren Krisenschüben kommen über EZB, Bundestags- und Bundesratsbeschlüsse, steigende EU-Zentralismus usw. Wir leben weiter mit MS! Prof. Dr. Volker Nitsch Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft, TU Darmstadt: Die der Währungsunion zugrunde liegenden Probleme bleiben dadurch ungelöst. 4

Prof. Dr. Ulrich Blum Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg: Die 190 Mrd. sind ja nur die Spitze des Eisbergs der Risiken, die Deutschland auf sich nimmt, weshalb die Debatte aufflammt, sobald diese weit höheren Risiken sichtbar werden. Der Bundestag täte gut daran, einen Beschluss zur Gesamthaftungsbegrenzung Deutschlands zu fassen. Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl VWL V Insb. Institutionenökonomik, Universität Bayreuth: Da die Strukturprobleme in den Krisenstaaten noch lange nicht gelöst sind, kann es durchaus noch zu einer Verschärfung der Krise kommen. Prof. Dr. Frank Bulthaupt Lehrstuhl für Kapitalmärkte und Volkswirtschaftslehre, Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe: Die strukturellen Probleme des Euro-Raums werden durch den ESM nicht gelöst. Das Wirtschaftswachstum der meisten Mitgliedsländer bleibt schwach, so dass die Schuldenquoten weiter ansteigen. Dies wird die Länderratings weiter belasten. Dr. Michael Stahl Geschäftsführer Volkswirtschaft/Bildung, Arbeitgeberverband Gesamtmetall: Auch wenn die Gefahr eines Zusammenbruchs des EURO-Systems kurzfristig gebannt scheint, bleibt doch die Hauptaufgabe zu erledigen, nämlich die Strukturreformen in den betroffenen Ländern und der Abbau der öffentlichen Verschuldung. Prof. Dr. Helmut Wagner Lehrstuhl für Makroökonomik, Fern-Universität Hagen: Kurzfristig ja, aber nicht mittelfristig Dr. Justina A.V. Fischer Vertretungsprofessur für Finanzwissenschaft, Universität Hamburg: Die Eurokrise ist eine Vertrauenskrise (Vertrauensverlust der Anleger auf den Finanzmärkten), die wiederum durch eine Strukturkrise hervorgerufen wurde. Der ESM erhöht zwar kurzfristig die Rückzahlwahrscheinlickeit für Staatsschulden und schafft somit Vertrauen (was die Zinsen sinken lässt), löst aber nicht die darunter liegende Strukturkrise. Der ESM verschafft den Eurostaaten nur Zeit für notwendige Reformen. Prof. Dr. Hans Jürgen Schlösser Zentrum für Ökonomische Bildung, Universität Siegen: Weil die Krise systemisch ist. FRAGE Der Sachverständigenrat hält die finanzielle Ausgestaltung des ESM von insgesamt 700 Milliarden Euro für nicht ausreichend. Teilen Sie diese Einschätzung? 5

Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Forschungsbereich Internationaler Handel, ifo Institut und Ludwig-Maximilians-Universität München: Die Summe ist für sich genommen nicht ausreichend. Wenn nun aber die EZB unbeschränkt Anleihen der Krisenländer kaufen kann, stellt sich die Frage der Ausstattung des ESM nur mehr sekundär. Prof. Dr. Christian Dreger Professur für VWL, insb. Makroökonomie, Europauniversität Viadrina Frankfurt/Oder: Der Beschluss der EZB, Staatspapiere am Sekundärmarkt aufzukaufen, hat die Situation stabilisiert. Dies kann dazu führen kann, dass die ESM Mittel nicht aufgestockt werden müssen Dr. Alexander Schumann Chefvolkswirt, DIHK: Wenn die Krisenländer ihre schmerzlichen Anpassungen vor Ort durchführen, wird auch das Vertrauen allmählich zurückkehren. Geduld ist hier wichtiger als der Umfang der Rettungsschirme, zumal auch die Geberländer nicht unbegrenzt belastbar sind. Prof. Dr. Mathias Erlei Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, TU Clausthal: Der ESM ist schon jetzt zu groß". Die Rettungsschirmpolitik in Verbindung mit der Staatsfinanzierung durch die EZB senken die Anreize, die strukturellen Probleme innerhalb der Euro-Zone zu lösen. Prof. Dr. Bernd Genser Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Universität Konstanz: Wenn Spanien und Italien, ev. auch Frankreich ihre Refinanzierungsprobleme nicht alleine lösen können. Dr. Dirk H. Ehnts Gastdozent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Spanien und Italien könnten den finanziellen Rahmen sprengen. Dies bietet Spekulanten einen Anreiz, dann doch gegen die Staatsanleihen der Krisenländer zu spekulieren. Prof. Dr. Bruno Schönfelder Lehrstuhl für Allgemeine VWL, TU Bergakademie Freiberg: Die Einschätzung des Sachverständigenrates scheint auf der Meinung zu beruhen, dass der Euro auf jeden Fall gerettet werden muss und kann. Für mich ist weder die eine noch die andere Annahme plausibel. Dr. Manfred Schweren Vorstand, PRIVALOR Vermögens-Management AG: Die Frage beantwortet sich durch die Ankündigung der EZB, Staatsanleihen im Sekundärmarkt zu kaufen, von selber. Der ESM alleine ist zu schwach. 6

Prof. Dr. Ulrich van Suntum Lehrstuhl am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Entweder die Schuldenstaaten reißen sich am Riemen, dann braucht man auch keinen ESM. Oder man hilft ihnen mit immer größeren Summen beim weiteren Schuldenmachen, dann wird die Konsolidierung auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben und es ist kein ESM auf Dauer groß genug. Prof. Stephan Klasen, Ph.D. Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Georg-August-Universität Göttingen: Die EZB macht jetzt den Rest. Wen der ESM ggf. auch im Primärmarkt einschreitet, kann das dann ausreichend sein. Prof. Dr. André Schmidt Lehrstuhl für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft, Universität Witten-Herdecke: Der Umfang der Risiken ist viel höher. Allerdings spielt die finanzielle Ausstattung des ESM nach der Entscheidung der EZB Staatsanleihen unbegrenzt anzukaufen, nur noch eine untergeordnete Rolle. PD Dr. Friedrich Heinemann Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim: Das EZB-Programm entlastet den ESM. Die Arbeitsteilung könnte nun sein: ESM stellt Bedingungen und überwacht die EZB finanziert. Prof. Dr. Martin Werding Lehrstuhl für Sozialpolitik, Ruhr-Universität Bochum: Jede Art von Limits lockt nur Spekulanten an, die Finanzmärkte mit heftigem Herding gegen den Stabilisierungsmechanismus antreten zu lassen. Leider bedeutet das nicht, dass unlimitierte Garantien eine Lösung versprechen. Prof. Dr. Thomas Apolte Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik am Institut für Ökonomische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Der ESM ist das falsche Instrument. Deshalb werden auch Aufstockungen nicht helfen. Prof. Dr. Horst Schellhaaß em. Professor, Universität zu Köln: Bereits bei diesem Volumen erlahmen die Reformanstrengungen in den wettbewerbsschwachen Ländern. Jede weitere Ausweitung würde das weiter so belohnen. Prof. Dr. Juergen B. Donges Emeritus am Institut für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln: Wenn Spanien und Italien ebenfalls unter den Rettungsschirm schlüpfen müssten, werden die Mittel nicht ausreichen Prof. Dr. Siegfried F. Franke Professur für Wirtschaftspolitik, Andrássy Universität Budapest: Eine Antwort nach ja oder nein ist kaum zu geben. Da der ESM nun mal installiert wird, ist wie bei jeder Behörde damit zu rechnen, dass er seine Notwendigkeit auch durch Budgetausweitungen nachweisen wird. 7

Prof. Dr. Fred Wagner Institut für Versicherungslehre, Universität Leipzig: Weil vermutlich der künftige ungedeckte Refinanzierungsbedarf der Schuldenstaaten mangels der Fähigkeit politisch, ökonomisch und sozialverträglich hinreichend schnell die Haushalte zu konsolidieren, ein höheres Volumen als die Staatseinnahmen aufweist. Prof. Dr. Horst Löchel German Centre of Banking and Finance, Frankfurt School of Finance & Management: Die EZB kann ja ebenfalls eingreifen. Der SVR setzt einseitig auf sein Konzept des Schuldentilgungsfonds. Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Peter Lang Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig: Ohne die notwendigen Reformen zu einer Verbesserung der fiskalischen Rahmenbedingungen wird keine Summe reichen. In den schwächsten Ländern (z. B. Griechenland) wird es (s. o. ) ohne dauerhafte Einkommenstransfers nach dem Muster des deutschen Länderfinanzausgleichs nicht gehen. Prof. Dr. Carsten Hefeker Professur für Europäische Wirtschaftspolitik, Universität Siegen: Gut möglich, dass die Reformbemühungen in den Krisenländern nicht so gut vorankommen und daher mehr Zeit und Geld nötig ist. Prof. Dr. Thomas Gries Lehrstuhl für Internationale Wachstums- und Konjunkturtheorie, Universität Paderborn: Die aktuellen Summen werden nicht ausreichen. Wir sind am Beginn einer globalen Konjunktureintrübung damit brechen weitere Steuereinnahmen ein und das Defizit und Verschuldungsproblem verschärft sich in den Krisenländern wie auch in Deutschland. Volker Hofmann Direktor Volkswirtschaft, EU-Politik und internationale Beziehungen, Bundesverband deutscher Banken: In der gegenwärtigen Situation ist es nicht sinnvoll, über eine Aufstockung der ESM-Mittel zu diskutieren. Außerdem muss stets berücksichtigt werden, dass ein höheres Volumen an Bürgschaften bzw. Hilfsgeldern die Bonität der Geberstaaten gefährden kann. Frank Hübner Direktor Volkswirtschaft, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA: Ob die 700 Mrd. des ESM ausreichen, hängt von der Aufgabenteilung zwischen Fiskal- und Geldpolitik ab. Ohne grundsätzliche politische Lösungsansätze sind Rettungsschirme egal mit welcher Ausstattung nicht ausreichend, um die Krise zu überwinden. Prof. Dr. Martin Kocher Lehrstuhlinhaber, Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München: Bei einer wenn auch nicht allzu wahrscheinlichen Verschärfung der Krise wäre die Summe zu gering. Allerdings springt ja jetzt ohnehin die EZB ein. 8

Prof. Dr. Andreas Freytag Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Die Notwendigkeit, den ESM zu nutzen, ist eine Funktion der Ausstattung. Gibt es den ESM., ist er immer zu klein (bis sämtliche Staatsanleihen bei der EZB parken), gibt es ihn nicht, wird er nicht gebraucht. Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik, Universität Potsdam: Er ist bereits zu groß! Die eigenen Bemühungen werden abnehmen, die Forderungen steigen. Es entsteht ein Persistenzeffekt der Krise! Prof. Dr. Volker Nitsch Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft, TU Darmstadt: Jede quantitative Begrenzung wird Marktspekulationen befeuern, diese Grenze auch zu testen. Prof. Dr. Ulrich Blum Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg: Das hängt davon ab, wie weit man bereits ist, gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen. Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl VWL V Insb. Institutionenökonomik, Universität Bayreuth: Wenn die Geldschleusen weiter geöffnet werden, sinkt der Reformdruck. Dr. Michael Stahl Geschäftsführer Volkswirtschaft/Bildung, Arbeitgeberverband Gesamtmetall: Nach der erklärten Bereitschaft der EZB, am Sekundärmarkt zu intervenieren, sollte in der Kombination ESM und EZB die Summe ausreichend sein. Prof. Dr. Hans Jürgen Schlösser Zentrum für Ökonomische Bildung, Universität Siegen: Wenn man schon einen solchen Mechanismus gründet, sollte er angemessen ausgestattet sein. FRAGE Falls Nein: Glauben Sie, dass der Bundestag auf Sicht von einem Jahr seine Zustimmung zu einer Ausweitung des ESM bzw. der Anhebung der Haftungsgrenze geben wird? Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Forschungsbereich Internationaler Handel, ifo Institut und Ludwig-Maximilians-Universität München: Es wird gar nicht notwendig sein, die EZB übernimmt die Rolle des ESM. Prof. Dr. Christian Dreger Professur für VWL, insb. Makroökonomie, Europauniversität Viadrina Frankfurt/Oder: Sofern sich die Eurokrise verschärfen sollte, wird der Bundestag eine Ausweitung der ESM Mittel nicht blockieren 9

Dr. Alexander Schumann Chefvolkswirt, DIHK: Deutschland ist nicht unbegrenzt belastbar. Zudem hängt der Weg aus der Krise in erster Linie von der Konsequenz der Reform- und Sparbemühungen in den Ländern ab und nicht von der Größe des Rettungsschirmes. Prof. Dr. Mathias Erlei Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, TU Clausthal: Mit dem Nichtlösen der strukturellen Probleme innerhalb der Euro-Zone werden immer größere Hilfsbeträge angefordert werden. Die jüngste Geschichte zeigt, dass Bundestag und Bundesregierung dies immer weiter mittragen werden. Prof. Dr. Bernd Genser Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Universität Konstanz: Wenn damit Spanien und Italien eine substanzielle Hilfe zur Lösung ihrer Staatsschuldenkrise geboten werden kann. Prof. Dr. Bruno Schönfelder Lehrstuhl für Allgemeine VWL, TU Bergakademie Freiberg: Ich halte das für nicht sonderlich wahrscheinlich, weil die Parlamentarier auch wissen, dass aus der Sicht des Wählers die Schmerzgrenze eigentlich erreicht ist. Dr. Manfred Schweren Vorstand, PRIVALOR Vermögens-Management AG: Die EZB hilft ohne Obergrenze und wird die benötigte Liquidität zur Verfügung stellen. Prof. Dr. Ulrich van Suntum Lehrstuhl am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Was soll er denn sonst tun, wenn ansonsten der Zusammenbruch des Euroraums droht? Wer ja zum ESM gesagt hat, muss auch Ja zur Schuldenunion bis zum bitteren Ende sagen. Prof. Stephan Klasen, Ph.D. Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Georg-August-Universität Göttingen: Die Frage wird sich nicht stellen. Prof. Dr. André Schmidt Lehrstuhl für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft, Universität Witten-Herdecke: Wenn es der Rettung des Euro dient, wird der Bundestag auch einer Anhebung zustimmen. Prof. Dr. Thomas Apolte Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik am Institut für Ökonomische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Wahrscheinlich ja, aber es kommt auf die Aufkaufgarantie der EZB an. Prof. Dr. Horst Schellhaaß em. Professor, Universität zu Köln: Mit Spanien, Italien und demnächst auch Frankreich sind große Länder wegen ihrer Wettbewerbsschwäche in Schwierigkeiten geraten. Da ist ein Antrag auf eine Ausweitung des ESM-Volumens zu 10

erwarten. Der Bundestag stimmt ja nach den bisherigen Erfahrungen allen Rettungsschirmen unbesehen zu. Prof. Dr. Juergen B. Donges Emeritus am Institut für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln: Die Abgeordneten werden sich der zu erwartenden Ermahnung der Bundesregierung, es gehe um Europa, nicht verweigern, wie bisher. Prof. Dr. Siegfried F. Franke Professur für Wirtschaftspolitik, Andrássy Universität Budapest: Wenn die großen Problemländer unter den Rettungsschirm schlüpfen werden, wird sich der Bundestag einer Ausweitung der Haftungsgrenze kaum entgegenstellen. Prof. Dr. Horst Löchel German Centre of Banking and Finance, Frankfurt School of Finance & Management: Jedenfalls nicht vor der Bundestagswahl. Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Peter Lang Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig: Der Druck der sozialistisch regierten Pleitestaaten (auch unter den deutschen Bundesländern) wird so groß sein, dass es keine andere praktikable Option geben dürfte. Prof. Jürgen Kähler, Ph.D. Institut für Wirtschaftswissenschaft, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg: In einem Wahljahr ist das nicht sehr wahrscheinlich. Prof. Dr. Carsten Hefeker Professur für Europäische Wirtschaftspolitik, Universität Siegen: Es wird ihm wohl nicht viel anderes übrigbleiben. Prof. Dr. Thomas Gries Lehrstuhl für Internationale Wachstums- und Konjunkturtheorie, Universität Paderborn: Der politische Prozess wird zeitpfadabhängig gestaltet. Die windfall losses steigen und das Zurück wird immer teurer. Volker Hofmann Direktor Volkswirtschaft, EU-Politik und internationale Beziehungen, Bundesverband deutscher Banken: Das kommt ganz entscheidend auf die konkreten Umstände an. Frank Hübner Direktor Volkswirtschaft, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA: Wenn es im Gesamtpaket sinnvoll ist, wird sich der Bundestag einer Aufstockung nicht verschließen können. Prof. Dr. Andreas Freytag Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Der politische Druck bleibt hoch. 11

Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik, Universität Potsdam: In dem Club der Politiker sorgen sich immer mehr um ihre Zukunft! Hat Herr Trichet den Ankauf von Anleihen begonnen, nachdem er lukrative Jobs bei EADS usw. sicher hatte? Prof. Dr. Volker Nitsch Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft, TU Darmstadt: Es ist mittlerweile nur noch schwer vorstellbar, dass sich weitere Ausweitungen der Haftungsrisiken der deutschen Bevölkerung plausibel vermitteln lassen. Prof. Dr. Ulrich Blum Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg: Dann bekommt er ein Problem mit dem BVerfG Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl VWL V Insb. Institutionenökonomik, Universität Bayreuth: Bisher wurde schließlich jeder Erhöhung zugestimmt immer mit dem Zusatz: alternativlos". Dr. Michael Stahl Geschäftsführer Volkswirtschaft/Bildung, Arbeitgeberverband Gesamtmetall: Eine solche Entscheidung wird u.u. auch nicht nötig sein. Dr. Justina A.V. Fischer Vertretungsprofessur für Finanzwissenschaft, Universität Hamburg: Das hängt von der Entwicklung der Eurokrise und der Weltwirtschaft ab FRAGE Die Verfassungshüter haben in ihrem Urteil deutlich gemacht, dass es beim Haftungsrisiko für Deutschland eine feste Größe geben muss, die derzeit bei 190 Milliarden Euro liegt. Die EZB hat unlängst ihre Bereitschaft zu unbegrenzten Stützungskäufe von Staatsanleihen von maroden Staaten angekündigt. Deutschland ist am Grundkapital der EZB mit 27,1 Prozent beteiligt. Sehen Sie hier einen Konflikt zur Forderung des Verfassungsgerichts nach klar definierten Haftungsgrenzen? Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Forschungsbereich Internationaler Handel, ifo Institut und Ludwig-Maximilians-Universität München: Ökonomisch limitiert das Urteil auch die indirekte Haftung Deutschlands über den Weg der EZB. Das wird aber realpolitisch keine Rolle spielen. Prof. Dr. Mathias Erlei Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, TU Clausthal: Die klar definierten Haftungsgrenzen beziehen sich auf den ESM, aber nicht auf die Politik der formal unabhängigen Zentralbank. 12

Dr. Boris Augurzky Kompetenzbereichsleiter Gesundheit, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.v.: Eine Haftungsgrenze muss auch auf EZB-Ankäufe angewendet werden. Prof. Dr. Bernd Genser Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Universität Konstanz: Sofern die EZB damit über ihre geldpolitische Zielsetzung hinaus Risiken übernimmt. Dr. Dirk H. Ehnts Gastdozent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Das Verfassungsgericht urteilte lediglich über den ESM. Dass die Zentralbank theoretisch unbegrenzt Verluste machen kann sollte allen bekannt sein. Prof. Dr. Bruno Schönfelder Lehrstuhl für Allgemeine VWL, TU Bergakademie Freiberg: Natürlich gibt es diesen Konflikt, weil über die EZB und damit über die Bundesbank das Haftungsrisiko wieder bei uns ankommt Dr. Manfred Schweren Vorstand, PRIVALOR Vermögens-Management AG: Das Gericht urteilt nur zu konkreten Fragestellungen. Diese Frage wurde nicht gestellt. Die EZB ist unabhängig und nicht unter dem Einfluss des Bundesverfassungsgerichts. Prof. Dr. Ulrich van Suntum Lehrstuhl am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Natürlich ist das miteinander unvereinbar. Auch die Bindung der EZB-Interventionen an ESM- Konditionen ist heiße Luft. Was wird die EZB denn tun, wenn die Konditionen nicht eingehalten werden? Wohl kaum die Interventionen aufgeben oder rückgängig machen. Sie sitzt genauso in der Falle der Schuldenstaaten wie die Gläubigerländer Prof. Stephan Klasen, Ph.D. Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Georg-August-Universität Göttingen: Entweder haben wir eine unabhängige Zentralbank, dann kann ein deutsches Verfassungsgericht dem keine Grenzen auferlegen, oder wir haben sie nicht. PD Dr. Friedrich Heinemann Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim: Ökonomisch ist der Konflikt sicher gegeben. Prof. Dr. Thomas Apolte Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik am Institut für Ökonomische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Das BVerfG hat eigentlich schon angedeutet, dass die Aufkaufgarantie der EZB Verfassungsrecht und Europarecht bricht. Insoweit (und nur insoweit) gibt es keinen Konflikt. 13

Prof. Dr. Horst Schellhaaß em. Professor, Universität zu Köln: Ob Deutschland über den ESM oder über die Bundesbank haftet, ist im Endergebnis gleich. Jedes Mal muss der deutsche Steuerzahler die Zeche bezahlen. Prof. Dr. Juergen B. Donges Emeritus am Institut für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln: Die EZB unterliegt keinerlei Kontrolle durch niemandem, also auch nicht durch den deutschen Gesetzgeber. Prof. Dr. Siegfried F. Franke Professur für Wirtschaftspolitik, Andrássy Universität Budapest: Das liegt ja auf der Hand. Wenn der Bundestag strikt bei 190 Milliarden Euro bleibt und die EZB durch Anleihekäufe die Haftung auch für Deutschland ausweitet, läuft die Grenze für den ESM ins Leere. Prof. Dr. Fred Wagner Institut für Versicherungslehre, Universität Leipzig: Der Konflikt liegt auf der Hand. Prof. Dr. Horst Löchel German Centre of Banking and Finance, Frankfurt School of Finance & Management: Die Rechtmäßigkeit der Politik der EZB fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des BVG. Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Peter Lang Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig: Formal ist die EZB ja vollkommen unabhängig. Prof. Jürgen Kähler, Ph.D. Institut für Wirtschaftswissenschaft, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg: Der Konflikt ist offensichtlich. Prof. Dr. Carsten Hefeker Professur für Europäische Wirtschaftspolitik, Universität Siegen: Die EZB ist unabhängig. Das Verfassungsgericht hat über die Politik der Regierung, nicht die der EZB geurteilt. Prof. Dr. Thomas Gries Lehrstuhl für Internationale Wachstums- und Konjunkturtheorie, Universität Paderborn: Die EZB überschreitet klar ihr Mandat. Sie ist mit ihrer Ankündigung nur glaubhaft wenn letztlich auch die Eigentümer (Euro Staaten) unbegrenzt haften. Sie verspricht etwas, das ohne das Versprechen der Eigentümer nicht eingehalten werden kann. Dies werden die Märkte irgendwann austesten. Wenn also die EZB unbegrenzt aufkauft haftet Deutschland entsprechend automatisch und wird in die Haftung dieses gambling gezogen. 14

Volker Hofmann Direktor Volkswirtschaft, EU-Politik und internationale Beziehungen, Bundesverband deutscher Banken: Das wird entscheidend darauf ankommen, wie gut sich die Maßnahmen der EZB geldpolitische begründen lassen bzw. begründet sind. Frank Hübner Direktor Volkswirtschaft, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA: Solange die EZB im Rahmen ihres Mandates handelt, besteht kein Konflikt. Prof. Dr. Martin Kocher Lehrstuhlinhaber, Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München: Das ist ein typischer rechtlicher Konflikt zwischen Nationalstaatlichkeit und Supranationalität. Solche Konflikte sind rechtlich nicht lösbar, sondern nur politisch. Prof. Dr. Andreas Freytag Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Die EZB kann mit der Gelddruckmaschine jede Grenze unterlaufen. Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik, Universität Potsdam: Die EZB hat keinen Konflikt mit dem Gericht! MS wird Tatsachen schaffen, Umgehungen und Tricksereien nutzen wollen. MS stützt die EZB-Politik und stellt die Mehrheits-Öffentlichkeit auf dem Niveau einer großen Boulevardzeitung ruhig. Prof. Dr. Volker Nitsch Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft, TU Darmstadt: Der Konflikt ist offensichtlich. Prof. Dr. Ulrich Blum Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg: Diese Risiken sind real, aber dem Parlament entzogen und damit nicht rechtlich abgesichert. Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl VWL V Insb. Institutionenökonomik, Universität Bayreuth: Natürlich sind die Staatsanleihekäufe und die weiteren Haftungsfragen noch ein ganz heißes Thema für die Hauptverhandlung. Prof. Dr. Frank Bulthaupt Lehrstuhl für Kapitalmärkte und Volkswirtschaftslehre, Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe: Im Falle eines Zusammenbruchs des Euro-Raums wird die Haftungsgrenze von 190 Mrd. Euro nicht halten. Dr. Michael Stahl Geschäftsführer Volkswirtschaft/Bildung, Arbeitgeberverband Gesamtmetall: Das BVG hat zum ESM geurteilt. 15

Dr. Justina A.V. Fischer Vertretungsprofessur für Finanzwissenschaft, Universität Hamburg: Falls eine Kapitalerhöhung der EZB notwendig werden sollte, stünde Deutschland in der Pflicht. FRAGE Erwarten Sie, dass das Bundesverfassungsgericht hier in seiner Entscheidung in der Hauptsache weitere Auflagen erteilt? Prof. Dr. Matthias Wrede Lehrstuhl für Sozialpolitik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg: Keine gravierenden Auflagen. Dr. Boris Augurzky Kompetenzbereichsleiter Gesundheit, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.v.: Eine unbegrenzte Haftung wäre nicht legitimiert. Prof. Dr. Bernd Genser Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Universität Konstanz: Es wird die Entscheidung eher dem EuGH überantworten. Dr. Dirk H. Ehnts Gastdozent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Das Bundesverfassungsgericht wird wohl kaum den Zentralbankern vorschreiben, wie man eine Währung verwaltet. Die Bundesbank hat übrigens im Bretton Woods System auch unbehelligt Milliardenverluste angesammelt. Dr. Manfred Schweren Vorstand, PRIVALOR Vermögens-Management AG: Hat es die Macht dazu, weitere Auflagen zu erteilen? Prof. Dr. Ulrich van Suntum Lehrstuhl am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Ja, aber das wird auch nichts nützen. Die Politik hat bisher immer Wege gefunden, eindeutige Vorschriften etwas des Maastrichter Vertrages einfach in ihrem Sinne umzudeuten oder kurzerhand durch Gesetzesänderungen zu eliminieren. Prof. Stephan Klasen, Ph.D. Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Georg-August-Universität Göttingen: Höchstens wird diese Sache an den Europäische Gerichtshof weiter verwiesen. Prof. Dr. André Schmidt Lehrstuhl für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft, Universität Witten-Herdecke: Das BVerfG wird sich nicht darauf einlassen, die EZB zu kontrollieren. 16

PD Dr. Friedrich Heinemann Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim: Wenn das Gericht die Hauptsache entscheidet, ist der ESM längst installiert. Das deutsche Verfassungsgericht kann arbeitende Institutionen (EZB, ESM) nicht stoppen. Prof. Dr. Thomas Apolte Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik am Institut für Ökonomische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Seiner Urteilsbegründung nach müsste es das jedenfalls. Prof. Dr. Horst Schellhaaß em. Professor, Universität zu Köln: Das Bundesverfassungsgericht sollte weitere Auflagen erteilen, weil die Eurozone sonst diesen Ausweg nutzen wird. Prof. Dr. Juergen B. Donges Emeritus am Institut für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln: Auflagen würden ins Leere stoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat keine europäischen Kompetenzen. Allenfalls könnte es die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Prof. Dr. Siegfried F. Franke Professur für Wirtschaftspolitik, Andrássy Universität Budapest: Es wird seine Aussagen im Eilverfahren wenn es denn tatsächlich noch eines war wortreich präzisieren, mehr nicht. Prof. Dr. Fred Wagner Institut für Versicherungslehre, Universität Leipzig: Formalrechtlich ist mit der reinen Ankündigung der EZB noch keine Lage geschaffen, die solche Auflagen erfordert. Prof. Dr. Karlhans Sauernheimer Lehrstuhl für Allgemeine und Außenwirtschaftstheorie, Johannes-Gutenberg-Universität: Wem soll das BVerfG denn Auflagen erteilen? Der EZB? Der Bundesregierung, über Tätigkeiten, die sie gar nicht ausübt? Letzterer könnte sie allerdings eine Rechtsbehelfbelehrung darüber zukommen lassen, dass die EZB eben nicht, anders als Kanzlerin und Finanzminister es darstellen, im Rahmen ihres Mandats handelt. Die Staatsfinanzierung ist ihr verboten, anders als bei nationalem Geld nicht primär deshalb, um Inflation zu vermeiden, sondern deshalb, weil in einer Währungsunion die mit asymmetrischem Ankauf von Staatschuldtiteln einhergehende Vermögensumverteilung einer Besteuerung einzelner Länder zugunsten anderer Länder gleichkommt. Dafür hatte und hat die EZB kein Mandat. Über die Wirkung einer solchen Rechtsbehelfbelehrung braucht man sich allerdings keine Illusionen zu machen. Der Bundesregierung ist die Ankaufpolitik der EZB tatsächlich ja hochwillkommen, entkommt sie doch so dem Zwang, im Bundestag weitere Belastungen des Steuerzahlers zur Rettung von Staaten und ihren Gläubigern beschließen zu müssen. Prof. Dr. Horst Löchel German Centre of Banking and Finance, Frankfurt School of Finance & Management: Das BVG ist nicht zuständig, sondern der Europäische Gerichtshof. Herr Gauweiler sieht sich offenbar gerne in der Presse. Außerdem stehen Wahlen in Bayern an. 17

Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Peter Lang Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig: Auf welche rechtliche Kompetenz sollte sich dies stützen? Prof. Jürgen Kähler, Ph.D. Institut für Wirtschaftswissenschaft, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg: Wäre das rechtlich überhaupt möglich? Prof. Dr. Carsten Hefeker Professur für Europäische Wirtschaftspolitik, Universität Siegen: Es würde das nur schwer rechtfertigen können, solange die Maßnahmen der EZB als geldpolitischen Maßnahmen begründet werden. Prof. Dr. Thomas Gries Lehrstuhl für Internationale Wachstums- und Konjunkturtheorie, Universität Paderborn: Die EZB überschreitet klar ihr Mandat. Sie ist mit ihrer Ankündigung nur glaubhaft wenn letztlich auch die Eigentümer (Euro Staaten) unbegrenzt haften. Sie verspricht etwas, das ohne das Versprechen der Eigentümer nicht eingehalten werden kann. Dies werden die Märkte irgendwann austesten. Wenn also die EZB unbegrenzt aufkauft haftet Deutschland entsprechend automatisch und wird in die Haftung dieses gambling gezogen. Frank Hübner Direktor Volkswirtschaft, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA: Die EZB ist eine unabhängige Institution. Auflagen durch das Bundesverfassungsgericht wären u.e. ein Eingriff in diese Autonomie. Denkbar ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage der Legalität der unbegrenzten Anleihekäufe an das EuGH weitergibt. Prof. Dr. Martin Kocher Lehrstuhlinhaber, Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München: Als Nicht-Jurist lässt sich das schwer einschätzen, aber es wäre sehr sonderbar. Man kann sich ja auch schwer vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht der UNO oder dem IMF Auflagen erteilt. Prof. Dr. Andreas Freytag Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Der politische Druck auf des Bundesverfassungsgericht wird sehr groß werden. Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik, Universität Potsdam: Der politische Druck auf das Verfassungsgericht und die Bundesbank ist sehr groß und steigt ständig. Prof. Dr. Volker Nitsch Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft, TU Darmstadt: Das Problem dabei ist, dass die EZB nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt. 18

Prof. Dr. Ulrich Blum Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg: Wenn es das nicht täte, wären die Auflagen zum ESM Makulatur. Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl VWL V Insb. Institutionenökonomik, Universität Bayreuth: Das hat das BverfG in seinem Urteil bereits zwischen den Zeilen angedeutet. Dr. Michael Stahl Geschäftsführer Volkswirtschaft/Bildung, Arbeitgeberverband Gesamtmetall: Hier gilt die Unabhängig der Notenbank! FRAGE Die EU plant eine bessere Regulierung des Bankensektors in der Eurozone. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen bis 2014 alle Banken der Eurozone von einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht überwacht werden. Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland lehnen die Pläne entschieden ab und drängen stattdessen darauf, dass kleine Institute weiterhin auf nationaler Ebene beaufsichtigt werden. Sollte es eine einheitliche europäische Bankenaufsicht für alle Kreditinstitute geben? Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Forschungsbereich Internationaler Handel, ifo Institut und Ludwig-Maximilians-Universität München: Wir brauchen (i) ganz klare Regeln, die für alle Banken, die in der EU tätig sein dürfen, gleich sein müssen; (ii) wenn die Bilanzsumme oder die Rechtsform an sich regulierungsrelevant wird, dann führt dies dazu, dass Banken sich so anpassen, wie es für sie optimal ist. Gesamtwirtschaftlich ist solches opportunistisches Verhalten typischerweise nicht optimal. Prof. Dr. Matthias Wrede Lehrstuhl für Sozialpolitik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg: Aber Sonderregelungen für kleine Institute Prof. Dr. Mathias Erlei Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, TU Clausthal: Es genügt, wenn einheitliche Regulierungsregeln existieren. Prof. Dr. Dirk Sauerland Lehrstuhl für Institutionenökonomik und Gesundheitssystemmanagement, Universität Witten-Herdecke: Einheitliche Mindestspielregeln, deren Einhaltung dezentral überwacht wird, können einen faireren Wettbewerb der Banken bewirken. 19

Prof. Dr. Bernd Genser Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, Universität Konstanz: Im Rahmen der generellen Regulierung sollen diese Aufsichtsagenden an die nationalen Aufsichtsorgane delegiert werden Dr. Dirk H. Ehnts Gastdozent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Lücken in der Regulierung führen traditionsgemäß zu Problemen, ebenso das Schließen dieser. So hatten sich die Landesbanken mit Krediten eingedeckt, bevor die staatliche Garantie wegfiel. Das Ergebnis WestLB, etc. sollte noch in Erinnerung sein. Prof. Dr. Bruno Schönfelder Lehrstuhl für Allgemeine VWL, TU Bergakademie Freiberg: Ich begrüße es sehr, dass die EU alle Kreditinstitute überwachen will. Gerade das spanische Beispiel hat sehr deutlich gezeugt, dass auch scheinbar kleine Institute wie die dortigen Sparkassen sich durch ähnliche Verhaltensweisen in der Summe zu einem enormen Risiko entwickeln können. Das Risiko für das Bankensystem geht keineswegs nur von den ganz großen aus. Der Sparkassensektor als ein besonderer Schützling der Politik könnte leicht in die Fußstapfen der Landesbanken treten. Die EU-Zuständigkeit bietet hier zumindest die Hoffnung auf gewisse Abwehrmöglichkeiten. Dr. Manfred Schweren Vorstand, PRIVALOR Vermögens-Management AG: Als Vorstand eines kleineren regulierten Institutes kann ich diese Frage klar verneinen. Prof. Dr. Ulrich van Suntum Lehrstuhl am Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Gemeinsame Aufsicht ja, gemeinsame Haftung nein. Alles andere liefe darauf hinaus, auch noch die deutschen Sparguthaben zu sozialisieren. Prof. Stephan Klasen, Ph.D. Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie und Entwicklungsökonomik, Georg-August-Universität Göttingen: Auch kleine Institute machen Probleme (siehe Spanien). In der Durchführung kann die nationale Bankenaufsicht wichtig bleiben, aber alle Banken müssen grundsätzlich unter die Oberaufsicht von Europa. Prof. Dr. André Schmidt Lehrstuhl für Makroökonomik und Internationale Wirtschaft, Universität Witten-Herdecke: Es sollten einheitlichen Kriterien existieren, es bedarf aber keiner einheitlichen europäischen Bankenaufsicht. PD Dr. Friedrich Heinemann Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim: Das Argument, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken gut durch die jüngsten Krisen gekommen sind, kann nicht überzeugen. Die Erfahrungen mit Bankenkrisen zeigen: Diese kommen immer aus der Ecke, aus der man sie am wenigsten vermutet. 20

Prof. Dr. Martin Werding Lehrstuhl für Sozialpolitik, Ruhr-Universität Bochum: Das System sollte aus einem Guss sein. Klar definierte Aufgreifschwellen könnten die faktische Zuständigkeit für kleine Institute trotzdem auf nationaler Ebene lassen. Prof. Dr. Thomas Apolte Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik am Institut für Ökonomische Bildung, Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Weil hierüber Regulierungsarbitrage verhindert wird. Allerdings ist die EZB der falsche Träger, weil ihre Unabhängigkeit damit (weiter) unterhöhlt wird. Prof. Dr. Horst Schellhaaß em. Professor, Universität zu Köln: Zentralisierung löst nicht alle Probleme. Auch in diesem Fall sollte das Subsidiaritätsprinzip der europäischen Verträge gelten. Prof. Dr. Juergen B. Donges Emeritus am Institut für Wirtschaftspolitik, Universität zu Köln: Ohne einheitliche Aufsicht droht eine Regulierungsarbitrage, die die Stabilität des Finanzsystems gefährdet. Prof. Dr. Siegfried F. Franke Professur für Wirtschaftspolitik, Andrássy Universität Budapest: Das ergibt sich nach dem guten Grundsatz, dass unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich zu beurteilen sind. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind ja nicht im großen Stil im Investmentbanking unterwegs. Ihre Überwachung sollte deshalb national hinzukriegen sein. Prof. Dr. Fred Wagner Institut für Versicherungslehre, Universität Leipzig: Einheitliche Regeln und Kriterien, die sodann von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht und durchgesetzt werden, erfüllen ebenfalls den Zweck, und dürften gerade bei Regionalbanken der operationalere Weg sein. Prof. Dr. Karlhans Sauernheimer Lehrstuhl für Allgemeine und Außenwirtschaftstheorie, Johannes-Gutenberg-Universität: Einheitlich ja, aber nur für systemrelevante Institute und Institutsgruppen. Prof. Dr. Horst Löchel German Centre of Banking and Finance, Frankfurt School of Finance & Management: Die Überwachung der systemisch relevanten Institute (26) ist zumindest für eine absehbare Zeit ausreichend. Ansonsten natürlich auch noch die Banken, die Mittel aus dem ESM erhalten haben. Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Peter Lang Institut für Volkswirtschaftslehre, TU Braunschweig: Das Subsidiaritätsprinzip muss eingehalten werden, denn die lokalen Rahmenbedingungen unterscheiden sich erheblich. 21

Prof. Jürgen Kähler, Ph.D. Institut für Wirtschaftswissenschaft, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg: Das würde das Subsidiaritätsprinzip unterlaufen. Prof. Dr. Carsten Hefeker Professur für Europäische Wirtschaftspolitik, Universität Siegen: Ein integrierter markt erfordert eine gemeinsame Aufsicht. Das schließt nicht aus, dass diese die Aufsicht kleinerer Institute an nationale Behörden nach gemeinsamen Richtlinien delegiert. Prof. Dr. Thomas Gries Lehrstuhl für Internationale Wachstums- und Konjunkturtheorie, Universität Paderborn: Einheitlich aber unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten. Frank Hübner Direktor Volkswirtschaft, Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. KGaA: Die unseres Erachtens notwendige Bankenunion bedarf einer möglichst breiten Aufsicht mit strengen Durchgriffsrechten, um effektiv zu sein. In einer Übergangsphase ist eine Delegieren der Aufgabe von der EZB an nationale Aufsichtsbehörden denkbar. Prof. Dr. Martin Kocher Lehrstuhlinhaber, Verhaltensökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, Ludwig-Maximilians-Universität München: Siehe die Stellungnahme des Plenums der Ökonomen zur Bankenaufsicht: http://www.wiso.unihamburg.de/lucke/ Prof. Dr. Andreas Freytag Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Friedrich-Schiller-Universität Jena: Man sollte nur die Institute, die in der EU Spillovers verursachen, in die Regulierung einbeziehen. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken gehören nicht dazu. Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie und Politik, Universität Potsdam: Der Genossenschaftssektor ist stabil durch die US- und die Euro-krise gekommen, er war nicht involviert. Sparkassen- und Genossenschaftsbanken sind ein (relativ) stabiles Netz. Die Politik zerstört diese Stabilität, um die sog. systemrelevanten Banken zu schützen. Diese einheitliche europäische. Bankenaufsicht ist wettbewerbsverzerrend! Prof. Dr. Ulrich Blum Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg: Zu komplex und zu leicht politisch zu korrumpieren. Es sind doch die dezentral aufgestellten Institutionen, die in der Krise das Schlimmste verhüteten, nicht die Zentralen! Prof. Dr. Martin Leschke Lehrstuhl VWL V Insb. Institutionenökonomik, Universität Bayreuth: Die größeren Institute beherbergen die systemischen Risiken, kleine Institute sollte man nationalstaatlich kontrollieren. 22