Der Risikostrukturausgleich in Deutschland - Was kann die Schweiz davon lernen?



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Transkript:

Der Risikostrukturausgleich in Deutschland - Was kann die Schweiz davon lernen? BARMER GEK Hauptverwaltung Lichtscheider Str. 89 42285 Wuppertal Datum: 07. April 2010 Ansprechpartner: Claudia Schulte claudia.schulte@barmer-gek.de Telefon 0202 5681 99 1569 Telefax 0202 5681 999 1521

Eckdaten zum deutschen Gesundheitswesen 82 Mio. Einwohner davon 70 Mio. gesetzlich versichert privat versichert sind Beamte, Besserverdienende, Selbständige es gibt 155 gesetzliche Krankenkassen die Barmer GEK ist die größte Kasse mit ca. 8,5 Mio. Versicherten es gibt auch Kassen mit 1.000 Versicherten Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 2

Gesundheitsfonds GKV einheitlicher Beitragssatz (15,5 %) Arbeitnehmeranteil (8,2 %) Arbeitgeberanteil (7,3 %) Steuerzuschuss 2010: 15,7 Mrd. 2011: 15,3 Mrd. Krankenkassen leiten Beiträge an Gesundheitsfonds Krankenkassen erhalten Pauschalen Gesundheitsfonds (beim BVA) 1. erhält alle KV-Beitragseinnahmen der Kassen 2. führt Morbi-RSA durch 3. zahlt Pauschalen je Versicherten nach Alter, Geschlecht und Krankheit ~179 Mrd. Prämienerstattung je Mitglied kassenindividueller Zusatzbeitrag* als prozentualer Beitrag oder Pauschale je Mitglied * bei pauschaler Erhebung über 8 erfolgt Begrenzung auf 1 % der BpE Ø Zusatzbeitrag in der GKV 2011: 0,00 Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 3

Morbi-RSA Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds M-RSA Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 4

Krankheitsauswahl Der wissenschaftliche Beirat hat die Krankheitsauswahl in regelmäßigen Abständen zu überprüfen ( 31 Abs. 2 Nr. 3 RSAV). Kriterien für die Krankheitsauswahl Schwellenwert-Prüfung (1,5-fache der Ø-Kosten aller GKV-Versicherten) Krankheitsschwere oder Chronizität Kostenintensität (d.h., Ausgaben müssen oberhalb eines festgelegten Perzentils der Ausgabenverteilung liegen) Das Bundesversicherungsamt legt auf Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats die 50 bis 80 zu berücksichtigenden Krankheiten fest ( 31 Abs. 4 RSAV). Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 5

Klassifikationsverfahren Nach der Krankheitsauswahl legt das Bundesversicherungsamt auf Basis der zu berücksichtigenden Krankheiten das Klassifikationsverfahren für das folgende Ausgleichsjahr nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen bis zum 30. September fest ( 31 Abs. 4 RSAV). Das Verfahren ist prospektiv. Es verwendet Diagnosen und Arzneimittelverordnungen. Die Arzneimittel dienen dabei nur dazu, ambulanten Diagnosen abzusichern oder zwischen leichteren und schweren Krankheitsgraden zu unterscheiden. Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 6

Diagnosen im Morbi-RSA: Zuschläge im Morbi-RSA gibt es nur aufgrund von ambulanten und stationären Diagnosen. Im stationären Bereich zählen sowohl die Haupt- als auch die Nebendiagnosen. Im ambulanten Bereich unterscheidet man seit 2006 zwischen: Gesicherten Diagnosen (G) Verdachtsdiagnosen (V) Ausschlussdiagnosen (A), d.h. Diagnosen die der Versicherte nicht hat Zustand nach - Diagnosen (Z) d.h., dass ein symptomloser Zustand nach einer Krankheit vorliegt Im Morbi-RSA werden nur die gesicherten ambulanten Diagnosen verwendet. Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 7

Aufgreifkriterium 1 Nur stationäre (Haupt- und Neben-) Diagnosen führen zu einer Zuordnung. Beispiel: Infarkt, Nierenversagen, Blutvergiftung u.ä. Beispiel: Sepsis (Blutvergiftung) stationäre Diagnose nur amb. Diagnosen Zuschlag X Zuschlag Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 8

Aufgreifkriterium 2 Stationäre (Haupt- und Neben-) Diagnose ODER ambulante Diagnose in mindestens 2 Quartalen (M2Q) Beispiel: Depression Stationäre Diagnose ODER Ambulante Diagnose in mehr als einem Quartal Zuschlag Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 9

Aufgreifkriterium 3 Stationäre Diagnose ODER ambulante Diagnose und eine Arzneimittelverordnung im gleichen Quartal (bei Nachweis bestimmter (obligater) Arzneimittel in Mindestmenge) Beispiel: Herzinsuffizienz Stationär ODER Ambulant Arzneimittel (obligat) UND 1 Quartal mind. 183 DDD Im gleichen Quartal! Zuschlag Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 10

Aufgreifkriterium 4 Stationäre Diagnose ODER ambulante Diagnose (M2Q) bei gleichzeitigem Nachweis bestimmter (klinisch relevanter) Arzneimittel in Mindestmenge Beispiel: Osteoarthrose der großen Gelenke Stationär ODER Ambulant Arzneimittel (klinische Relevanz) UND > 1 Quartal mind. 183 DDD Im gleichen Quartal! Zuschlag Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 11

Hierarchie - Diabetes HMG015 Diabetes mit renalen oder multiplen Manifestationen HMG020 Typ I Diabetes mellitus HMG016 Diabetes mit peripheren zirkulatorischen Manifestationen oder Ketoazidose HMG017 Diabetes mit sonstigen Komplikationen HMG019 Diabetes ohne Komplikationen Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 12

Kurzdarstellung: Klassifikationsverfahren 2011 ca. 15.000 ICD 3.912 ICD 336 Diagnosegruppen 80 Krankheiten 128 HMG zuschlagsfähige Morbiditätsgruppen Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 13

Ergebnisse im Bundesdurchschnitt haben 35,6% aller GKV-Versicherten mindestens eine der 80 Krankheiten bzw. einen Zuschlag das R² liegt bei ca. 23,3 % Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 14

Zahlen 2010 81,7 Mrd. werden nach Alter und Geschlecht verteilt. Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 15

Zahlen 2010 69,7 Mrd. werden über Morbiditätszuschläge bei Vorliegen der 80 Morbi-RSA Krankheiten verteilt. Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 16

Verwendung der KH-Tage im Vorjahr durchschnittliche Ausgaben im Folgejahre in Abhängigkeit von den KH- Tagen im Vorjahr Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 17

Verwendung der KH-Tage im Vorjahr Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 18

Back-UP * 2010, 5 Bekanntmachung Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 19

Interessante Eckdaten zum Morbi-RSA Die geringste Zuweisung in Höhe von 619 erhalten gesunde Männer zwischen 18 und 24 Jahren. Ca. 61% unserer Versicherten (~4,5 Mio.) haben keine der 80 Krankheiten (sind also gesund ); 39% unserer Versicherten haben eine oder mehrere der 80 Krankheiten (sind also krank ) ca. 10% unserer Versicherten haben mehr als 2 Krankheiten, 2% über 5 (und 3 Versicherte haben 20 oder mehr). Unser teuerster Versicherter hat 4,4 Mio. Leistungsausgaben. Unsere höchste Zuweisung beträgt 216.000. Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 20

Beispielhafte Morbiditätszuschläge* HMG136 Nierenfunktionsstörung 295,02 HMG091 Hypertonie 440,49 HMG019 Diabetes ohne oder mit nicht näher bezeichneten Komplikationen 632,28 HMG146 Schwangerschaft 1.017,10 HMG058 Depression 1.263,50 HMG017 Diabetes mit sonstigen Komplikationen 1.463,59 HMG184 HIV/AIDS (ohne Dauermedikation) 2.648,28 HMG072 Multiple Sklerose 7.402,98 HMG043 Hämophilie ohne Dauermedikation (Männer) 12.389,99 HMG001 HIV/AIDS (mit Dauermedikation) 18.455,18 HMG107 Mukoviszidose 19.121,40 HMG174 Transplantation von Lunge, Graft-versus-host-Krankheit, 21.308,30 HMG130 Dialysestatus 43.072,97 HMG035 Hämophilie mit Dauermedikation 183.693,32 * 2010, 5 Bekanntmachung Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 21

Die Aufgabe des Morbi-RSA ist die gerechte Verteilung der Mittel 97% 60% 3% 75% der Versicherten (Gesunde*) 25% der Versicherten (Kranke) ohne Ausgaben Ärzte /Zahnärzte u.a. wg. Vergütung Kopfpauschale *Gesunde: Leistungsausgaben unter 100 pro Quartal Morbi-RSA führt zur effizienteren Verteilung Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 22

Morbi-RSA: Absinken der Gutschrift bei Gesunden, Steigerung der Gutschrift bei Kranken Reduktion Beitragsbedarf für Gesunde Die Gutschriften für die Kranken steigen deutlich an. Beispiel Claudia Schulte 08.04.2011 Seite 23