Proteinbestimmung in Latexhandschuhen Seit die Probleme mit Allergien gegen Naturkautschuklatex in den frühen 1980-iger Jahren stark zunahmen und man erkannt hatte, dass die Ursache für diese Typ-I-Allergien in den natürlichen Proteinen des Naturproduktes zu suchen ist, wurden viele Methoden zur Bestimmung von Proteinen in Latexmaterialien angewendet. Die Tatsache, dass man mit unterschiedlichen Methoden zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann, sorgte unter Anwendern und Herstellern zu Verwirrung und Unsicherheit. Deshalb wurde recht bald damit begonnen, Standardmethoden zu entwickeln. In den USA wurde 1995 der erste entsprechende Standard veröffentlicht (ASTM D5712-95). In Europa wurde zunächst ein wissenschaftliche Studie von der Europäischen Union finanziert, in der die damals verfügbaren Methoden miteinander verglichen wurden. Die Ergebnisse dieser Studie (Final report MAT1 CT 940060. European Commission, Directorate General XII Science, Research and Development. Brussels, Belgium 1998) gingen in den Europäischen Standard EN 455-3 ein. Der amerikanische Standard wurde inzwischen aktualisiert (D5712-00), während der Europäische Standard in der Form von 1999 zur Zeit noch gültig ist. Im Folgenden werden die Probleme bei der Messung von Proteinen kurz geschildert und die wichtigsten Bestimmungsmethoden besprochen. Proteine sind polymere Moleküle, die in ihrem Grundgerüst aus 20 verschiedenen Aminosäuren aufgebaut sind. Besteht eine solche Kette aus bis zu 10 Aminosäuren bezeichnet man sie als Peptid, längere Ketten werden als Proteine oder auch als Eiweiße bezeichnet. Neben den Aminosäuren können Proteine auch noch Zucker und Fettsäuremoleküle enthalten. Die Proteine sind die Grundsubstanz beim Aufbau von Zellen und sind die aktiven Moleküle (Enzyme), die den gesamten Stoffwechsel in lebenden Organismen steuern. Dementsprechend vielgestaltig und uneinheitlich sind diese Proteine aufgebaut. Alleine in der Latexmilch, dem Ausgangsprodukt zur Latexherstellung, wurden über 240 Proteine nachgewiesen. Es ist nachzuvollziehen, dass es sehr schwierig ist eine Methode zu finden, die alle diese unterschiedlichen Strukturen einheitlich bestimmen kann. Welche dieser Proteine sind allergen? Über diese Frage ist in den letzten Jahren sehr viel diskutiert worden, eine endgültige Antwort steht noch aus, trotzdem sollen einige der Aspekte hier kurz beleuchtet werden. Mit der modifizierten Lowry-Methode (ASTM 5712 und EN 455-3) wurden vor etwa zehn Jahren in einigen Handschuhen sehr hohe Proteinwerte gemessen, was mit den allergologischen Eigenschaften dieser Handschuhe nicht übereinstimmten. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass von den vielen Proteinen in der Latexmilch nur etwa 50 allergologisch relevant sind. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass es 'gute' und 'schlechte' Proteine gibt, nämlich solche, die Allergien auslösen können und solche die dies nicht tun. Obwohl diese Interpretation der Ergebnisse falsch ist, hält sich dieses Gerücht bis heute. Die erhöhten Proteinwerte der modifizierten Lowry-Methode in einigen Handschuhen wurden nicht durch 'gute' Proteine, sondern durch bestimmte Akzeleratoren (Beschleuniger der Polymerisationsreaktionen) hervorgerufen. Der Grund für die Feststellung, dass nur etwa 20 % der Proteine in der Latexmilch allergologisch wirksam ist, liegt vielmehr darin begründet, dass nur ganz wenige dieser Proteine auch in den Handschuhen nachzuweisen sind, da die wässrige Phase der Latexmilch, in der man die vielen Proteine findet, beim Herstellungsprozess als Abfall verworfen wird. Wir gehen deshalb heute davon aus, dass alle Proteine und Peptide, die in Latexhandschuhen vorkommen allergen sein können. Der Nachweis dafür ist nur sehr schwer zu führen, da durch den Herstellungsprozess viele Proteine abgebaut werden und deshalb in der Elektrophorese keine diskreten Banden (Proteine) nachweisbar sind. Man kann aber trotzdem zeigen, dass der gesamte Bereich der elektrophoretischen Trennung IgE-Antikörper von Patienten mit Typ-I-Allergie bindet.
Die Methoden zur Bestimmung von Proteinen in Latexhandschuhen 1 Modifizierte Lowry-Methode 1.1 Messprinzip Die Proteine werden mit Trichloressigsäure, Phosphorwolframsäure und Natriumdesoxycholat gefällt. Dabei werden sie konzentriert und von wasserlöslichen Störsubstanzen befreit. Die Proteine werden in Natriumhydroxidlösung gelöst und colorimetrisch quantifiziert. Dabei reagieren die Proteine mit Kupferionen und Folins Reagenz zu einer charakteristischen blauen Farbe. Gemessen werden dabei sowohl die Peptidbindungen als auch bestimmte Seitengruppen der Aminosäuren. 1.2 Grenzen der Methode Diese sehr alte Methode zur Proteinbestimmung ist bei vielen Biochemikern als schlecht reproduzierbar bekannt. Im Gegensatz zu selbst hergestellten Ansätzen sind kommerzielle Kits aber sehr stabil und reproduzierbar und auch gegen Detergentien weitestgehend unempfindlich. Dadurch, dass auch Seitengruppen der Aminosäuren mitbestimmt werden ist dieser Assay auch von der Aminosäurezusammensetzung der Proteine etwas abhängig. Die Methode wird durch eine Reihe von Chemikalien (oxidative und reduktive Substanzen) gestört. Einige Akzeleratoren lassen sich mit dieser Methode sogar direkt messen. Dies hat in der Vergangenheit oft zu falsch hohen Meßwerten geführt. Die Hersteller haben sich aber inzwischen darauf eingestellt und verwenden diese Akzeleratoren nicht mehr oder in sehr viel geringerer Konzentration, so dass die Meßwerte in den letzten Jahren sehr gut mit denen der Aminosäuremessung übereinstimmen, insbesondere bei puderfreien Handschuhen. 1.3 Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze wurden im Labor der Dermatologischen Klinik Erlangen mit 0,2 µg/ml und 1 µg/ml bestimmt. Da in der Bestimmungsmethode ganze Handschuhe mit unterschiedlichen Gewichten extrahiert werden schwankt die Bestimmungsgrenze zwischen 1,8 und 3,5 µg/ml. Um den Unterschieden zwischen verschiedenen Laboratorien Rechnung zu tragen, wurde die Bestimmungsgrenze im Standard mit 10 µg/ml festgesetzt. 1.4 Klinische Relevanz Die Klinische Relevanz der Meßwerte, die mit dieser Methode ermittelt werden, wurde in der erwähnten Europäischen Studie mit Hilfe des Prick Testes an latexallergischen Patienten bestimmt. Bis auf wenige Ausnahmen war die Übereinstimmung mit den klinischen Werten ausreichend gut. 1.5 Vorteile der Methode Die Methode ist einfach und in großen Serien durchführbar, was für die Eignung in der Prozesskontrolle sehr wichtig ist. Die Methode ist billig und ohne großen apparativen Aufwand durchführbar. Sie wurde deshalb zur Standardmethode bestimmt. 2 Aminosäureanalyse nach Säurehydrolyse 2.1 Messprinzip Die Proteine werden mit 6 M Salzsäure hydrolysiert, dabei werden die einzelnen Aminosäuren freigesetzt. Diese Aminosäuren werden anschließend mittels HPLC (Hochdruck-Flüssigkeitschromatographie) getrennt und quantitativ bestimmt. Nachdem die Aminosäuren, die vor der Hydrolyse schon im Extrakt vorhanden waren, abgezogen wurden, wird die Summe der Aminosäuren ermittelt, was der Menge an Proteinen entspricht. 2.2 Grenzen der Methode Diese sehr exakte Methode wird in der Biochemie häufig dort angewendet, wo nur sehr geringe Mengen an Protein zur Verfügung stehen. Sie ist die einzige Methode, mit der Proteine unab-
hängig von Struktur und Zusammensetzung exakt bestimmt werden können. Die Methode ist aber sehr aufwendig und zeitintensiv. Außerdem erfordern Durchführung und Auswertung sehr viel Erfahrung und ein relativ teures Equipment. Aus diesen Gründen wird diese Messung nur in sehr wenigen Laboratorien durchgeführt und ist für den Routinebetrieb nicht geeignet. 2.3 Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze Die Nachweisgrenzen der Methode liegt bei 0,1 µg/ml, die Bestimmungsgrenze bei 0,5 µg/ml. Die ist also empfindlicher als die modifizierte Lowry-Methode. Durch Änderung des Reaktionsvolumens kann sie aber noch um das 10-fache empfindlicher eingestellt werde. Um die Methode mit der modifizierten Lowry-Methode vergleichbar zu machen, werden in dem Labor der Dermatologischen Klinik in Erlangen auch hier Werte unter 10 µg/g nicht angegeben. 2.4 Klinische Relevanz Die Klinische Relevanz der Meßwerte, die mit dieser Methode ermittelt werden, wurde in der erwähnten Europäischen Studie mit Hilfe des Prick Testes an latexallergischen Patienten bestimmt. Sie zeigte in dieser Studie eine hervorragende Übereinstimmung mit der Klinik und schnitt in dieser Hinsicht mit Abstand am besten unter den getesteten Methoden ab. 2.5 Vorteile der Methode Die Methode ist die einzige, deren Ergebnisse unabhängig von der Proteinzusammensetzung ist. Sie korreliert in den meisten Fällen mit der Standardmethode und ist deshalb zur Überprüfung der Ergebnisse der modifizierten Lowry-Methode geeignet und könnte als Referenzmethode eingesetzt werden. 3 Latex ELISA für antigene Proteine (ASTM D6499-00) 3.1 Meßprinzip Diese Methode ist ein Sandwich-ELISA, der polyklonale Kaninchen-Antikörper gegen Proteine aus der Latexmilch zur Detektion von antigenen Proteinen verwendet. 3.2 Grenzen der Methode Diese Methode ist sehr stark abhängig von mehreren nicht standardisierbaren Komponenten, von den polyklonalen Antikörpern, von den Proteinen, die zur Produktion der Antikörper benutzt wurden sowie von den Proteinen, die als Standard verwendet werden. In einem Ringversuch der von der WG 3 des TC 205 des Europäischen Normungsausschusses durchgeführt wurde, zeigte sich, dass diese Methode noch nicht ausgereift ist, was unter anderem damit zusammen hängt, dass der optimale Messbereich sehr schmal ist und deshalb sehr unterschiedliche Messpunkte von den einzelnen Laboratorien zur Berechnung der Proteinkonzentration herangezogen wurden. Weiterhin zeigen Standardprotein und Handschuhextrakte sehr unterschiedliche Verdünnungscharakteristiken, weshalb eine quantitative Bestimmung nicht möglich ist. Schließlich sind die erzielten Proteinkonzentration 100 bis 1000-fach niedriger als mit den beiden oben beschriebenen Methoden, was unter anderem daran liegt, dass der verwendete Standard nicht die Verhältnisse in den Handschuhextrakten widerspiegelt. 3.3 Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze werden im Standard nicht angegeben, uns liegend auch keine entsprechenden Daten vor. 3.4 Klinische Relevanz Untersuchungen über die klinische Relevanz liegen nicht vor, nach unseren Erfahrungen korrelieren die Werte in keiner Weise mit den klinischen Daten.
3.5 Vorteile der Methode Keine, in dieser Form ist die Methode nicht zur Bestimmung von Proteinen geeignet 4 RAST-inhibition or ELISA inhibition 4.1 Messprinzip Diese Methode beruht auf der Bestimmung von spezifischen IgE-Antikörpern. Es können dazu kommerzielle Kits oder selbst zusammengestellte Verfahren verwendet werden. Latexproteine werden an einer Festphase (z.b. Zelluloseschwämme oder Polystyroloberflächen) gebunden. Die Antikörper aus dem Serum von Patienten mit bekannter Latexallergie binden anschließend an die passenden Proteine und können dann mit fluorezenz- oder enzymmarkierten Antikörpern quantifiziert werden. Zur Bestimmung von Latexproteinen werden die Patientenantikörper zuvor mit dem Latexextrakt inkubiert. Dabei bindet ein der Proteinkonzentration entsprechender Anteil der passenden Antikörper an die entsprechenden Proteine und steht für die anschließende Messung nicht mehr zur Verfügung. Mit Hilfe von Standardreihen kann die Abnahme der meßbaren IgE-Antikörper zur Berechnung der Proteinkonzentration verwendet werden. 4.2 Grenzen der Methode Mit dieser Methode werden zwar nur die allergenen Proteine gemessen, aber sie ist nicht standardisierbar. Sie ist abhängig von Serumpools von latexallergischen Patienten, die nicht in gleicher Qualität für alle Laboratorien der Welt zur Verfügung stehen. Sie ist abhängig vom Standardprotein, einem Extrakt aus einem Naturprodukt, das nicht standardisierbar ist. Weiterhin ist die Methode abhängig von dem Allergengemisch, dass an die Festphase gebunden wird, welches ebenfalls nicht standardisiert ist. Diese Methode kann von chemischen Zusätzen, vor allem von oberflächenaktiven Substanzen, stark beeinträchtigt werden. 4.3 Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze Die Methode ist recht empfindlich, genaue Untersuchungen über Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze liegen uns nicht vor. 4.4 Klinische Relevanz Die Ergebnisse dieser Methode korrelieren nicht so gut mit den Prick-Testresultaten, wie die beiden chemischen Methoden, vor allem wenn laborübergreifende Werte verglichen werden. 4.5 Vorteile der Methode Es werden Allergene gemessen. Da die Methode jedoch nicht standardisierbar ist, ist sie nicht geeignet, um Handschuhe welt- oder europaweit zu vergleichen. 5 ELISA für Latex-Einzelallergene, FitKit 5.1 Messprinzip Bei dieser Methode werden definierte Latexallergene mit monoklonalen Antikörpern in den Latexextrakten nachgewiesen. Dazu wird eine Sandwich-ELISA-Technik verwendet. 5.2 Grenzen der Methode Mit dieser Methode werden spezifische Latexproteine gemessen, von denen man weiß, dass sie allergologisch relevant sind und die Hauptallergene von Latexprodukten darstellen. Alle anderen allergologisch relevanten Proteine bleiben aber unberücksichtigt. Weil die Proteine mit monoklonalen Antikörpern gemessen werden, werden nur ganz spezifische Bindungsstellen (Epitope) erkannt. Da bei der Handschuhproduktion jedoch proteinspaltende, alkalische Bedingungen herrschen, die auch die spezifischen Bindungsstellen der monoklonalen Antikörper partiell zerstören, ist davon auszugehen, dass nur noch ein Bruchteil der ursprünglich vorhandenen Proteine gemessen wird. Die Bruchstücke der Proteine sind aber wie in der MAT1-Studie gezeigt werden konnte, genauso allergen wirksam, wie die Proteine selbst. Aus dieser Sicht wäre die Verwendung von polyklonalen Antikörpern besser.
5.3 Nachweisgrenze und Bestimmungsgrenze Nachweis und Bestimmungsgrenzen sind noch nicht richtig definiert und sind von dem Allergen abhängig. Die Ergebnisse eines Ringversuches des europäischen Normungsausschusses CEN TC 205 WG3 zeigten allerdings, dass die Grenzwerte noch nicht gut auf die vorkommenden Werte abgestimmt sind 5.4 Klinische Relevanz Die Ergebnisse dieser Methode korrelieren in einem Versuch nicht so gut mit den Prick- Testresultaten, wie die beiden chemischen Methoden. Genauere Untersuchungen liegen noch nicht vor. 5.5 Vorteile der Methode Es werden Allergene gemessen, aber es konnte noch nicht gezeigt werden, wie vollständig allergene Proteine und Peptide gemessen werden. Zusammenfassung Zurzeit sollte die Messung von Proteinen mit der im Standard EN 455-3 vorgeschriebenen Methode durchgeführt werden. Da die modifizierte Lowry-Methode durch einige Substanzen gestört werden kann, empfehlen wir die Ergebnisse in größeren Abständen oder bei Veränderungen im Herstellungsverfahren mit der Aminosäuremessung zu überprüfen. Deshalb haben wir in unsere Handschuhliste diese Werte mit aufgenommen.