Überhöhte Krankenstände sind auch nach der jüngsten Judikatur ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für eine Arbeitgeberkündigung



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Transkript:

Rauch in ASoK 2015, 16 Kündigung während und wegen Krankenständen Überhöhte Krankenstände sind auch nach der jüngsten Judikatur ein sachlicher Rechtfertigungsgrund für eine Arbeitgeberkündigung THOMAS RAUCH * Kündigungen des Arbeitgebers während eines Krankenstands sind grundsätzlich zulässig ( 5 EFZG; 9 AngG). Eine Kündigung des Arbeitgebers kann wegen eines verpönten Motivs nach 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, nämlich wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche durch den Arbeitnehmer, angefochten werden. Dieser Anfechtungstatbestand wird nur dann vorliegen können, wenn der Arbeitgeber sich weigert, das Krankenentgelt zu bezahlen oder das Vorliegen einer Krankheit ernsthaft bestreitet. Nach 7f BEinstG kann eine Kündigung, die wegen einer Behinderung des Arbeitnehmers ausgesprochen wurde, angefochten werden. Andererseits sind lange Krankenstände als sachlicher Kündigungsgrund anzusehen. 1 Im Folgenden soll die Rechtssituation bei Kündigungen während bzw wegen eines Krankenstands näher dargelegt werden. 1. Gesetzliche Regelungen zur Kündigung während eines Krankenstands Wird der Arbeitnehmer während eines Krankenstands gekündigt, so behält er seinen Anspruch auf die Fortzahlung des Krankenentgelts, wenngleich das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Kündigungsfrist endet ( 5 EFZG; 9 Abs 1 AngG). Aus diesen gesetzlichen Regelungen im EFZG und im AngG ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Arbeitgeberkündigung während eines Krankenstands für zulässig erachtet und lediglich eine weitere Entgeltfortzahlungspflicht auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vorsieht (wenn der Krankenstand auch nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch andauert und der Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber nicht erschöpft ist). Allfällige Ansprüche (wie die Urlaubsersatzleistung für den restlichen Urlaub sowie eine Abfertigung alt) sind mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzurechnen. Der Krankenstand kann daher das Arbeitsverhältnis nicht verlängern. 2 5 EFZG sowie 9 Abs 1 AngG sollen verhindern, dass sich der Arbeitgeber der Pflicht zur Entgeltfortzahlung dadurch entzieht, dass er während eines Krankenstands eine Kündigung ausspricht. 3 Das Kündigungsrecht des Arbeitgebers während eines Krankenstands wird hingegen vom Gesetzgeber nicht in Frage gestellt. 2. Verpöntes Kündigungsmotiv und Kündigung während eines Krankenstands Wird eine Kündigung aufgrund eines bestimmten im Gesetz geregelten verpönten Motivs ausgesprochen, so kann sie angefochten werden. Solche verpönten Kündigungsmotive sind insbesondere in 105 Abs 3 Z 1 lit a bis j ArbVG geregelt. 4 Der in der Praxis wichtigste Motivanfechtungstatbestand nach 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG lautet wie folgt:

Die Kündigung kann beim Gericht angefochten werden, wenn die Kündigung wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. In der Literatur 5 wird dazu die Auffassung vertreten, dass auch dann, wenn ein Arbeitgeber bei einem Krankenstand des Arbeitnehmers die Erkrankung bestreitet, ein In-Frage-Stellen von Ansprüchen des Arbeitnehmers und damit ein verpöntes Kündigungsmotiv vorliegen kann. Dies ist nach der Rechtsprechung des OGH aber nur dann denkbar, wenn der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck bringt, dass der Arbeitnehmer entgegen der ärztlichen Diagnose nicht krank gewesen sei 6 und diese (klar zum Ausdruck gebrachte) Meinung des Arbeitgebers der Kündigungsgrund war. Unmutsäußerungen des Arbeitgebers zum Krankenstand (wie zb schon wieder, typisch, was haben Sie jetzt schon wieder? bei gleichzeitiger ordnungsgemäßer Bezahlung des Krankenentgelts erfüllen den Motivkündigungstatbestand nach 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht. Ist davon auszugehen, dass eine Bestreitung durch den Arbeitgeber im Sinne des 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht gegeben ist, sondern nur die Krankenstände des Arbeitnehmers zum Anlass der Kündigung genommen wurden, so ist auf einen behaupteten Motivkündigungstatbestand im Verfahren nicht einzugehen. 7 3. Kündigungsanfechtung nach 7f BEinstG Wird ein Arbeitsverhältnis wegen einer Behinderung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber gekündigt, so kann sie bei Gericht angefochten werden, wenn die Kündigung wegen der Behinderung erfolgt ist (sofern zuvor ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministeriumservice nach den 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz durchgeführt wurde; 7k BEinstG). Als Behinderung ist hier eine solche nach 3 BEinstG anzusehen. Eine Behinderung im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn nicht nur vorübergehende körperliche, geistige oder psychische Funktionsbeeinträchtigungen oder Beeinträchtigungen der Sinnesfunktionen vorliegen, die geeignet sind, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Ebenso ist die Zuerkennung der Stellung als begünstigter Behinderter nach 2 BEinstG im Zusammenhang mit der Kündigungsanfechtung nach 7f BEinstG relevant, weil bei begünstigten Behinderten, die nach dem 31. 12. 2010 eingestellt wurden, der Kündigungsschutz erst nach vier Jahren wirksam wird ( 8 Abs 6 lit b BEinstG). 8 Wird demnach ein begünstigter Behinderter vor dem Erlangen des Kündigungsschutzes nach 8 Abs 6 lit b BEinstG gekündigt, so kann er die Kündigung nach 7f BEinstGanfechten, wenn er meint, dass der Arbeitgeber die Kündigung wegen seiner Behinderung ausgesprochen hat. Somit ist 7f BEinstG auf Behinderte nach 3 BEinstG und nach 2 BEinstG (wenn der Kündigungsschutz noch nicht begonnen hat) anwendbar und bezieht sich auf Kündigungen des Arbeitgebers, die deswegen ausgesprochen werden, weil der Arbeitgeber, der über die Behinderung informiert wurde, daher für die Zukunft häufige Krankenstände oder sonstige Leistungsbeschränkungen fürchtet. Es handelt sich also um Kündigungen, die zur Vermeidung möglicher bzw wahrscheinlicher künftiger Krankenentgeltansprüche und Leistungsmängel erklärt werden. Es geht also nicht um Kündigungen wegen bereits beanspruchter häufiger Krankenstände, sondern wegen einer Behinderung ( 7f Abs 1 BEinstG). Wird ein begünstigter Behinderter unfähig, die vereinbarten Arbeitsleistungen zu erbringen, und ist in absehbarer Zeit eine Wiederher-

stellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten, so wäre dies ein Grund für eine Zustimmung zur Kündigung durch den Behindertenausschuss ( 8 Abs 4 lit b BEinstG). Der Zustimmungstatbestand nach 8 Abs 4 lit b BEinstG kann aber nicht andererseits ein Anfechtungstatbestand nach 7f BEinstG sein. Erfolgt also eine Kündigung während bzw wegen eines längeren Krankenstands, bei dem in absehbarer Zeit die Arbeitsfähigkeit nicht wieder eintreten wird, so liegt kein Anfechtungstatbestand nach 7f BEinstG vor. Abgesehen davon ist aufgrund der Judikatur zum persönlichen Kündigungsgrund überdurchschnittlicher Krankenstände davon auszugehen, dass häufige bzw lange Krankenstände eine Kündigung sachlich rechtfertigen (siehe Punkt 4.). 9 4. Überhöhte Krankenstände als sachliche Rechtfertigung für eine angefochtene Arbeitgeberkündigung Ein Arbeitnehmer, der die Kündigung des Arbeitgebers nach 105 Abs 3 ArbVG wegen Sozialwidrigkeit oder wegen eines verpönten Motivs (oder nach einem sonstigen außerhalb des ArbVG geregelten Motivanfechtungstatbestand) anficht, muss die behaupteten verpönten Motive nicht nachweisen, sondern lediglich glaubhaft machen. Der Arbeitgeber seinerseits hat in diesen Fällen die Möglichkeit, ein nicht verpöntes Motiv für die Kündigung (Reduktion von Personalkosten aus betriebswirtschaftlichen Gründen, persönliche Gründe wie Unverträglichkeit, Unfreundlichkeit, grobe Leistungsmängel, wiederholte häufige Krankenstände etc) glaubhaft zu machen. Im Rahmen der Glaubhaftmachung ( 274 ZPO) ist lediglich die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorzurufen. Spricht eine höhere Wahrscheinlichkeit für das vom Arbeitgeber glaubhaft gemachte Motiv, so ist die Klage abzuweisen. 10 Ebenso kann der Arbeitgeber im Falle einer Anfechtung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit ( 105 Abs 3 Z 2 ArbVG) persönliche Kündigungsgründe belegen. Als persönliche Kündigungsgründe sind nach der ständigen Rechtsprechung auch häufige (bzw weit über dem Durchschnitt liegende) 11 Krankenstände anzusehen. 12 Daher ist im Rahmen der Interessenabwägung nicht nur die Dauer der bisherigen Krankenstände zu berücksichtigen, sondern es ist insbesondere die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung so weit einzubeziehen, als sie mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. 13 Ein ununterbrochener Krankenstand von acht Monaten wird üblicherweise auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr in Kauf genommen (auch wenn er auf einem Arbeitsunfall beruht). 14 Ebenso wurden 126 Kranktage als persönlicher Kündigungsgrund betrachtet. 15 Auch Krankenstände von 27 % der jährlichen Arbeitszeit haben zur Abweisung einer Kündigungsanfechtungsklage geführt, wobei hier eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben war, dass sich die Situation künftig nicht ändern wird. 16 Die Rechtfertigung der Kündigung wegen längerer Krankenstände wird darin gesehen, dass wegen des vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfalls und der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft der Betrieb beeinträchtigt wird. 17 Abgesehen davon erfüllt der Arbeitgeber seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag, nämlich die Pflicht zur Leistung des Arbeitsentgelts, um die vereinbarte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (Hauptpflicht des Arbeitnehmers) zu erhalten. Treten aber gehäuft Krankenstände (bzw ein Dauerkrankenstand) auf, so kann eine Seite ihre Hauptpflicht

nicht mehr bzw nur mehr eingeschränkt erfüllen und daher kann dem anderen Vertragsteil die Fortführung des Arbeitsvertrages nicht mehr zugemutet werden. Dieser bisherigen Judikatur entspricht auch eine Entscheidung aus dem Jahre 2014, 18 wonach überhöhte Krankenstände einen persönlichen Rechtfertigungsgrund einer Kündigung darstellen. Dazu wurde weiters festgehalten, dass eine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer jedoch nicht bestehe. Vielmehr sei das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der überhöhten Krankenstände nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. 19 Letztlich sei maßgeblich, dass die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Kündigungsgründe (wie etwa häufige Krankenstände) die betrieblichen Interessen so weit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtung einen verständigen Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen. 20 Hier könnte auch von Bedeutung sein, dass neben überhöhten Krankenständen noch zusätzliche persönliche Kündigungsgründe gegeben sind (wie zb Unpünktlichkeit, fehlende Teamfähigkeit, Unfreundlichkeit beim Kundenkontakt). Neben den bisherigen Krankenständen wird auch die wahrscheinliche künftige Entwicklung zu beachten sein. 21 Sind bereits überhöhte Krankenstände aufgetreten und es ist auch in Zukunft mit Krankenständen in ähnlichem Umfang zu rechnen, so liegt der persönliche Kündigungsgrund vor. 22 5. Überhöhte Krankenstände im Entlassungsrecht Für den Fall der dauernden Arbeitsunfähigkeit hat der Gesetzgeber dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer Entlassung zur Verfügung gestellt ( 82 lit b GewO 1859; 27 Z 2 AngG; 15 Abs 3 lit f BAG). Eine solche dauernde Arbeitsunfähigkeit ist bereits 23 gegeben, wenn die Verhinderung des Arbeitnehmers nicht nur kurzfristig und vorübergehend ist, sondern selbst wenn sie in ihrem zeitlichen Ausmaß vorhersehbar ist von so langer Dauer, dass dem Arbeitgeber nach den Umständen des Falles eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Vor der 24 Entlassung hat sich der Arbeitgeber über den zu erwartenden Heilungsverlauf entsprechend zu informieren, widrigenfalls er das Risiko eingeht, dass die Entlassung unberechtigt ist. 25 6. Überhöhte Krankenstände und besonderer Kündigungsschutz Im Bereich des besonderen Kündigungsschutzes ist die Arbeitsunfähigkeit jeweils als Grund für die Zustimmung des Gerichts (bzw des Behindertenausschusses bei begünstigten Behinderten) zur Kündigung geregelt. Dabei wird auf folgende Voraussetzungen verwiesen: Der besonders kündigungsgeschützte Arbeitnehmer wird unfähig, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, und in absehbarer Zeit ist eine Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten und dem Arbeitgeber ist die Weiterbeschäftigung oder die Erbringung einer anderen Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer, zu deren Leistung sich dieser bereit erklärt hat, nicht zumutbar ( 121 Abs 2 ArbVG; 14 Abs 1 Z 2 APSG; 8 Abs 4 lit b BEinstG).

Im Falle einer Karenz oder kündigungsgeschützten Elternteilzeit kann die Zustimmung ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes wegen persönlicher Gründe erteilt werden ( 10 Abs 3 MSchG; 7 Abs 3 VKG). 26 Auf den Punkt gebracht Die Kündigung wegen langer Krankenstände wird von der Judikatur wegen des vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfalles und der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft als Rechtfertigungsgrund für eine Arbeitgeberkündigung angesehen (dies wurde auch 2014 wieder bestätigt). Dem entspricht auch, dass bei besonders bestandgeschützten Arbeitnehmern die Zustimmung zur Kündigung bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit (wenn in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist) zu erteilen ist. Abgesehen davon ist eine Kündigung während eines Krankenstands nach den 9 AngG und 5 EFZG grundsätzlich zulässig. Als verpöntes Kündigungsmotiv ist eine Kündigung wegen eines Krankenstands dementsprechend allenfalls in den Spezialfällen nach 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG (wobei dies eine ausdrückliche Bestreitung des Rechts auf Inanspruchnahme eines Krankenstands erfordert) oder 7f BEinstG (wobei dies zunächst eine Behinderung nach dem BEinstG erfordert) denkbar. *

Dr. Thomas Rauch ist Mitarbeiter der Sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Wien, Fachbuchautor, Seminartrainer und Parteienvertreter in arbeitsgerichtlichen Verfahren. 1 ZB OGH 2. 9. 2008, 8 ObA 48/08d; Rauch, Kündigung wegen langer Krankenstände, ASoK 2010, 10; jüngstogh 26. 6. 2014, 8 ObA 37/14w. 2 OGH 22. 12. 2010, 9 ObA 123/10v. 3 OGH 28. 1. 1998, 9 ObA 396/97v; 27. 5. 2004, 8 ObA 13/04a. Eine einvernehmliche Auflösung während eines Krankenstands beendet hingegen den Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn kein Missbrauch vorliegt, wie dies bei der Wiedereinstellung nach Ende des Krankenstands der Fall wäre; vglvwgh 23. 1. 2008, 2006/08/0325; 14. 4. 2010, 2007/08/0040; Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber 13 (2014) 678. 4 Weitere verpönte Kündigungsmotive finden sich in 130 Abs 4 ArbVG, 8, 9 Abs 2, 15 Abs 1 AVRAG, 12 Abs 7, 26 Abs 7, 51 Abs 7 GlBG, 7f BEinstG, 15n Abs 2 MSchG und 8f Abs 2 VKG; Näheres dazu Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber 13, 588 ff. 5 Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III 4 (2009) 105 Erläuterung 31. 6 OGH 21. 12. 2011, 9 ObA 64/11v. 7 OGH 23. 2. 1994, 9 ObA 31/94. 8 Dies gilt aber nur dann, wenn der begünstigte Behinderte bereits bei der Einstellung den Behindertenstatus hat; dazu OGH 26. 11. 2013, 9 ObA 96/13b; 22. 7. 2014, 9 ObA 72/14z; Rauch, Arbeitsrecht 2012 (ASoK-Spezial, Jänner 2012) 15; derselbe, Arbeitsrecht für Arbeitgeber 13, 563 ff. 9 Rauch, ASoK 2010, 10 ff. 10 OGH 29. 8. 2002, 8 ObA 180/02g. 11 OGH 29. 6. 2009, 9 ObA 130/08w. 12 OGH 2. 9. 2008, 8 ObA 48/08d.

13 OGH 1. 6. 1988, 9 ObA 110/88. 14 OGH 19. 9. 2002, 8 ObA 25/02p. 15 OGH 23. 2. 1994, 9 ObA 31/94. 16 OGH 19. 6. 1991, 9 ObA 120/91. 17 OGH 11. 1. 2001, 8 ObA 178/00k; 30. 8. 2011, 8 ObA 53/11v. 18 OGH 26. 6. 2014, 8 ObA 37/14w. 19 So auch OGH 28. 2. 2008, 8 ObA 7/08z; 2. 9. 2008, 8 ObA 48/08d. 20 Ebenso OGH 29. 6. 2011, 8 ObA 45/11t. 21 OGH 2. 9. 2008, 8 ObA 48/08d. 22 OGH 26. 6. 2014, 8 ObA 37/14w. 23 Dabei handelt es sich um eine unverschuldete Entlassung, die nicht zum Entfall eines Anspruchs auf eine Abfertigung oder aliquote Sonderzahlungen führen kann. 24 OGH 17. 3. 1994, 8 ObA 218/94. 25 OGH 27. 3. 2002, 9 ObA 68/02v; zu weiteren Details siehe Rauch, Kommentar zum EFZG (2006) 5 Anmerkung 4.2. 26 Die Zustimmungsgründe, die ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes anwendbar sind, müssen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung vorliegen. Eine Klage auf Zustimmung zur Kündigung wegen persönlicher Gründe kann daher noch im ersten Lebensjahr des Kindes eingebracht werden ( OGH 13. 1. 1998, 8 ObA 408/97a). Rauch in ASoK 2015, 16