Darf es noch eine Pille mehr sein? - Multimedikation im Alter. Geriatrie Verbund Dortmund 7. Juni 2017

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Transkript:

Darf es noch eine Pille mehr sein? - Multimedikation im Alter Geriatrie Verbund Dortmund 7. Juni 2017 Wirken, Handeln, Begegnen, von Mensch zu Mensch, Gemeinsam in christlicher Gesinnung.

Geriatrische Pharmakotherapie - ein wachsendes Problem zahlreiche neue Medikamente pro Jahr Zunahme der frei verkäuflichen Medikamente (Ibuprofen, Omeprazol ) zunehmendes Wissen über Interaktionen Ausweitung der Indikation durch off-label - Gebrauch

Geriatrische Pharmakotherapie Morbidität und Medikation der 70+ 35 % nehmen 5 8 verschiedene Medikamente / Tag 15 % mehr als 13 verschiedene Medikamente / Tag 20 % aller Todesfälle im Krankenhaus durch UAW 5 % der KH-Aufnahmen wg. UAW Medikamenteninteraktionen unüberschaubar

Geriatrische Pharmakotherapie - ein wachsendes Problem

Das Altersparadox der Pharmakotherapie Population mit dem höchsten Verbrauch aber mit der niedrigsten wissenschaftlichen Erfahrung hinsichtlich Wirkung und Nutzen- Risiko-Relation die meisten Studien schließen Personen > 75 Jahre von Studien aus nicht aber von der Verordnung!

Der 6. Altenbericht der Bundesregierung zu viele Medikamente, aber dafür die falschen! BILD aus Dezember 2010: Alte kriegen keine Reha und die falschen Pillen... es fehlt an Abstimmung unter den behandelnden (Fach-) Ärzten das Wissen um Wechselwirkungen und Nebenwirkungen ist oft mangelhaft sorgloser Umgang der Patienten mit ihrer Medikation

Der Barmer GEK Arzneimittelreport 2016 TOP 10 nach Häufigkeit Defined Daily Dose Rang Wirkstoff Verordnungen DDD 1 Ramipril (Herz, Blutdruck) 450.600.000 2 Pantoprazol (Magensäure) 281.800.000 3 Amlodipin (Blutdruck) 173.300.000 4 L-Thyroxin (Schilddrüse) 162.100.000 5 Simvastatin (Cholesterin) 154.200.000 6 Candesartan (Herz, Blutdruck) 125.400.000 7 Metoprolol (Herz, Blutdruck) 109.000.000 8 Omeprazol (Magensäure) 97.800.000 9 Bisoprolol (Herz, Blutdruck) 95.100.000 10 Valsartan (Herz, Blutdruck) 86.700.000

Der Barmer GEK Arzneimittelreport 2016 TOP 10 nach Umsatz in Rang Wirkstoff Umsatz in 1 Rivaroxaban (Blutverdünnung) 72.300.000 2 Pantoprazol (Magensäure) 56.200.000 3 L-Thyroxin (Schilddrüse) 41.050.000 4 Metoprolol (Herz, Blutdruck) 33.130.000 5 Simvastatin (Cholesterin) 32.560.000 6 Insulin glargin (Diabetes) 30.590.000 7 Metformin/Sitagliptin (Diabetes) 30.200.000 8 Ramipril (Herz, Blutdruck) 28.960.000 9 Metamizol (Schmerzmittel) 28.250.000 10 Bisoprolol (Herz, Blutdruck) 27.040.000

Ursachen der Überbehandlung auf Patientenseite hohe Erwartungen an die moderne Medizin obligate Nachverordnung ohne Arztkontakt Medienberichte und Werbung Arztwechsel, doctor-hopping direkter Kauf ohne Arztkontakt Medikation durch Familie oder Freunde

Ursachen der Überbehandlung auf Arztseite Verschreibungsdruck keine Therapiedauer festgelegt fehlende Patientenschulung bzgl. Selbstbeobachtung mangelnde Dokumentation

Arzneimittel mit erhöhter Gefahr Verwirrtheit / geistiger Leistungsminderung Benzodiazepine ( Bromazenil, Rohypnol, Adumbran, Valium ) Antidepressiva Kortisonpräparate Neuroleptika (Neurocil, Haldol, Melneurin, Dipiperon, Risperdal) Parkinsonmedikamente (Madopar, Nacom) Schmerzmittel vom Morphintyp Krampf lösende Schmerzmittel Antidiabetika freiverkäufliche Schlafmittel

Potenziell inadäquate Medikation für alte Menschen (PIM) Aufgrund eines erhöhten Risiko an unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) gilt die Gabe verschiedener Medikamente im Alter als potenziell inadäquate Medikation (PIM) Ziel: Erstellung einer auf Deutschland übertragbaren Liste Die PRISCUS -Liste (www.priscus.net) Enthält 83 Wirkstoffe aus 18 Wirkstoffklassen Im Ergebnis wertvolle Hilfe für Ärzte und Apotheker

Potenziell inadäquate Medikation für alte Menschen (PIM) Arzneimittel Bedenken Alternative Arcoxia, Celebrex, Ibuprofen, Voltaren, Amuno Gastrointestinale Blutungen, kardiale Ischämien Paracetamol, Tramadol, Valoron Novodigal, Digimerck Erhöhte Vergiftungsgefahr ß-Blocker, ACE-Hemmer Saroten, Aponal, Tolvin, Mianserin (TZA) Valium, Rohypnol, Adumbran, Tavor Mundtrockenheit, Schwindel, Müdigkeit Sturzgefahr, Depression, kognitive Einschränkung Cipramil, Trevilor, Remergil (SSRI, SNRI) Niedrigst mögliche Dosierung oder Zopiclon, Zolpidem Normabrain, Trental, Kein erwiesener Nutzen! Reminyl, Aricept, Tebonin Exelon

Fit for The Aged Unterteilung in A D In Erweiterung zur PRISCUS-Liste auch positive Bewertungen 273 Medikamente für 29 Indikationen, Liste durch Valforta-Studie überprüft Nach kurzer ärztlicher Schulung dramatische Verbesserung der Medikamentenversorgung Pflichtlektüre für geriatrisch tätige Ärzte

Nutzlose Medikamente im Alter Nootrop, Piracetam, Trental, Normabrain, Tebonin, Gingkobil Vita-Gerin-Geistlich, Vitamin B-12-Vitasprint, Buerlecithin, Multivitaminpräparate, Kräuterblut Johanniskraut

Pharmakoanalyse des älteren Patienten Gibt es eine klare Indikation für das eingesetzte Medikament? Ist die Dosis korrekt? Ist die Einnahmevorschrift aktualisiert? Ist die Therapievorschrift verständlich und lesbar? Gibt es klinische relevante Medikamenteninteraktionen? Sind unnötige Verdoppelungen vorhanden? Behandelt das Medikament nur die Nebenwirkung eines anderen Arzneimittels?

Medikamenten-Check 1. Erfasse alle Medikamente, auch die der mitbehandelnden Fachärzte und die frei verkäuflichen 2. Überprüfe Indikation 3. Gewichtung nach Prognoseverbesserung und Wunsch des Patienten 4. Erstelle neuen Medikamentenplan mit einfachen Anweisungen 5. Vereinbare Kontrolltermin und überprüfe, ob Ergänzungen notwendig sind