Reportage Natürlicher Ruhepol Wenn zwei detailverliebte Menschen ein Haus umbauen, kann das für alle Beteiligten eine Herausforderung sein. Trotz oder gerade dank Umwegen, Kompromissen und Eingeständnissen entstand in einem ruhigen Quartier in Aarau eine Wohnoase mit viel Platz, Privatsphäre und Natur. Von Andrea Hurschler (Text) und Thomas Hämmerli (Fotos) Der Innenhof bildet das Herzstück des Hauses und gab auch den Ausschlag für den Kauf. 2_Häuser modernisieren 2/204 Häuser modernisieren 2/204_3
Foto gross) Der Wunsch nach dem Pool wuchs erst während der Planung. +4) Idyllisch in diesem Innenhof kann man die Seele baumeln lassen. 2) Auf dem Sitzplatz geniessen die Bauherren genauso wie im ganzen Innenhof viel Privatsphäre. 3) Von der Quartierstrasse her kommend, wirkt das Haus völlig unauffällig. 2 3 4 4_Häuser modernisieren 2/204 Häuser modernisieren 2/204_5
Foto gross) Esstisch und Parkett sind aus Holz. Diese Materialauswahl trägt dazu bei, dass die Natur auch im Innenbereich eine wichtige Rolle spielt. +2) Das Material Holz fand in der Küche ebenfalls Verwendung. Wie der restliche Innenausbau wurde die Küche von einer Appenzeller Schreinerei gefertigt. 2 6_Häuser modernisieren 2/204 Häuser modernisieren 2/204_7
) Wer im Wohnzimmer sitzt, hat stets einen herrlichen Ausblick nach draussen. 2) Das grosse Tunnelcheminée dient als Raumteiler zwischen Ess- und Wohnbereich. 3) Vom Wohnzimmer hat man direkten Zugang nach draussen. 2 3 > Um eines vorweg zu nehmen: Für die Hausbesichtigung sitzen Bauherrschaft und Architekt am selben Tisch und lachen. Sie haben sich trotz einigen schwierigen Entscheidungen immer wieder gefunden. «Wir mussten uns zusammenraufen», erzählt die Bau herrin mit einem Schmunzeln. Drehen wir die Zeit um einige Monate zurück, sass die Bauherrschaft ebenfalls im Wohnzimmer des damals noch nicht umgebauten Hauses aus den 970er Jahren. Die Hausbesitzerin, eine ältere Dame, meldete sich auf das Zeitungsinserat des Ehepaares, das ein altes Haus zum Kauf suchte. «Fast Sonntag für Sonntag tranken wir mit ihr Kaffee, bis sie schliesslich eines Tages den Verkauf übers Herz brachte.» Ohne auszuräumen, zog die Frau aus, die neuen Besitzer «erbten» ein Haus inklusive Einrichtung, vom Schrank bis hin zur Kaffeetasse. Planungsprozess mit Hürden Wie der Kaufprozess gestaltete sich auch der Planungsprozess langatmig. «Wir hatten eine lange Liste mit Wünschen», erzählen die Bauherren. «Meine Herausforderung war es, diese Liste zurückzustufen», sagt Architekt Daniel Giesser. Viel Platz, alles auf einer Fläche und Privatsphäre, das stand zuoberst auf der Liste. In einem ersten Projekt mit einem anderen Architekten umfasste das Haus, welches vom Quartiersträsschen her kommend kaum auffällt, 400 m 2. Daniel Giesser reduzierte es auf 250 m 2, was den Bewohnern heute mehr als aus reicht. Das einstöckige Bauen sei grundsätzlich eine Herausforderung. «Man denkt, es sei einfacher. Doch es bedeutet ein grosses Dach, eine grosse Fassade und somit auch hohe Kosten.» Das mussten auch die Bauherren zu verstehen lernen. Während einige Ideen während diesem Prozess begraben werden mussten, entstanden wieder neue. Herzstück Innenhof So beispielsweise die Aufteilung des Innenhofs, des Herzstücks des Hauses. Das Hofthema hat den Ausschlag für den Kaufentscheid gegeben, schliesslich bietet dieser Innenhof viel Privatsphäre. Der heute im Mittelpunkt stehende Pool war aber nicht von Anfang an geplant. Als während der Planung der Wunsch danach aufkam, wurde die Gartengestaltung nach ihm ausgerichtet. Der Hof ist von allen Zimmern des L-förmigen Hauses direkt zugänglich. Vom Schlafzimmer beispielsweise braucht es wortwörtlich nur einen Sprung aus dem Bett und schon ge niesst man das kühle Nass. Die Erholungsoase bedeutet dem Paar viel. «Der Innenhof ist wie ein Bild. Die Natur verändert sich jeden Tag», schwärmt die Bauherrin, «das schätzen wir sehr». Natürliche Materialien Die Natur ist im teilunterkellerten Haus mit raumhohen Fensterfronten genauso zu spüren wie draussen. Die ganze Etage ist mit rustikalem Holzparkett verlegt, die helle Holzküche hat wie der restliche Innenausbau eine Appenzeller Schreinerei gefertigt, ein grosses Tunnelcheminée trennt Wohnund Küchenbereich. Weiter trägt der massive Esstisch aus Holz zur Natürlichkeit bei, ebenso die Steinmosaike und die Holzabdeckungen im Bad. Obwohl das umgebaute Haus nicht wiederzuerkennen ist und organisch dem Altbau nicht mehr ähnelt, beliess Daniel Giesser einiges beim Alten. Da die Fenster in der Küche schon dreifach verglast waren, wurden sie lediglich reno- 8_Häuser modernisieren 2/204 Häuser modernisieren 2/204_9
3) Hinter der Steinwand der Badewanne befinden sich die Dusche und das WC. Auch im Bad wurden Elemente aus Holz eingebaut. viert. Die freitragende Wendeltreppe ins Untergeschoss blieb und wurde mit Parkett belegt. Grundsätzlich war die Bausubstanz gut, weshalb auch die Hülle aus Beton in Kombination mit Kupfer mehrheitlich intakt gelassen wurde. Ruheoase mit Sauna Das Bauherrenpaar wünschte sich in den eigenen vier Wänden viel Platz. So umfasst das Raumangebot neben der Küche mit Reduit ein grosses Wohn- und Esszimmer mit Ausblick und direktem Zugang in den Garten. Zwei Büros bieten genügend Platz zum Arbeiten. Das Büro am südwestlichen Teil des Hauses ist ein Anbau, respektive eine Umnutzung der früheren Garage und über eine zweistufige Treppe zugänglich. «Diese Umnutzung war der aufwändigste Eingriff», schildert Daniel Giesser. Im eher kleinen Schlafzimmer steht nicht viel mehr als ein Bett und ein antiker Schrank. Mehr braucht es auch nicht, schliesslich wird der Schlafraum durch eine grosszügige Ankleide ergänzt. Ein Gäste-WC und ein Gästebad kommen zum mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Bad der Hausbesitzer hinzu. Hinter einer Vorwand aus Steinmosaik geht s rechts zur Dusche und links zum WC. Im unterkellerten Teil des Hauses, welcher über die alte Wendeltreppe erreichbar ist, hat sich das Paar ein weiteres, kleines Bijou eingerichtet. Die schöne Sauna mit Dusche und ein Plätzchen für ruhige Yogastunden sorgen für die nötige Erholung. Ergänzt wird diese Ruheoase durch den direkt zugänglichen Saunagarten. 2 3 Liebe auf den ersten Blick Zurück am grossen Esstisch: Bauherren und Architekt sind begeistert vom Umbau und erzählen stets mit einem Augenzwinkern über die Strapazen während der Planungs- und Bauphase. Die Bauherrin äusserte sogar einmal den extremen Input, ob es nicht besser gewesen wäre, einfach alles abzureissen und einen Neubau zu planen. Diese Gedanken sind längst vergessen, das Paar hat das Haus ins Herz geschlossen. Bei der Wahl des Architekten war es übrigens Liebe auf den ersten Blick. Die Bauherren mieteten im Bündnerland das Ferienhaus von Daniel Giesser. «Der Architekt dieses Ferienhauses soll auch unser Haus bauen», sagte damals die vom Baustil angetane Frau. < 0_Häuser modernisieren 2/204 Häuser modernisieren 2/204_
Konstruktion Betonbau. Aufbau der Aussenwände: 2-schalige Wandkonstruktion, Aussenschale Beton sicht, Wand Innenhof U-Wert 0,2 W/m 2 K, Ständerkonstruktion, Dämmung, Fassadenbahn schwarz, Hinterlüftung, vertikale Holzverkleidung Thermo Fichte 32 x 28 mm. Fenster: Holzmetall, 3-fach Verglasung, UG 0,6 W/m 2 K. Bodenaufbau: Zementunterlagsboden. Dach: Flachdach. Innenausbau Bodenbeläge: Parkett Landhausdiele Eiche, geräuchert, naturgeölt, Plattenbelag Feinsteinzeug unglasiert, 30 x 60 cm. Wandbeläge: Weissputz Q4, gestrichen, Platten Feinsteinzeug unglasiert, 30 x 60 cm, Steinmosaik Schiefer 30 x 30 cm. Haustechnik Ölheizung, Bodenheizung. Baustandard SIA 380, konventionell. Allgemeine Angaben Gebäudevolumen 345 m 3 Bruttogeschossfläche 250 m 2 Baujahr 980er Jahre im Stil von «Beton brut», Umbau 202 Umbauzeit 6 Monate Architektur Giesser Architektur + Planung Daniel Giesser 8004 Zürich www.dgap.ch 2 Erdgeschoss Untergeschoss ) Ein Oblicht sorgt für genügend Helligkeit im Gang. 2) Alle Räume im L-förmigen Haus haben einen direkten Zugang zum Garten. Auszug aus der Zeitschrift 2_Häuser modernisieren 2/204 erschienen am 5. Juni 204 Etzel-Verlag AG