Algebra und Zahlentheorie I (WS03/04), Lösungen zu Blatt 12 Aufgabe 1. (Division mit Rest in Polynomringen) Es sei R ein kommutativer Ring {0} und R[X] ein Polynomring in der Unbestimmten X über R. Ferner sei g = N b nx n R[X] ein Polynom vom Grad N 0, dessen Leitkoezient b N eine Einheit in R ist. 1a) Zeigen Sie: Für alle q R[X] gilt deg(qg) = deg q + deg g. Folgern Sie daraus: Zu jedem f R[X] gibt es höchstens ein Paar von Polynomen q, h R[X] mit den Eigenschaften f = qg + h und deg h < deg g. Insbesondere ist im Fall deg f < deg g notwendigerweise q = 0 und h = f. 1b) Beweisen Sie: Im Fall deg f deg g existiert ein Monom q 1 = cx k so, dass f 1 = f q 1 g kleineren Grad als f besitzt. Schliessen Sie daraus: Zu jedem f R[X] gibt es mindestens ein Paar von Polynomen q, h R[X] mit den Eigenschaften f = qg + h und deg h < deg g. Lösung zu Aufgabe 1 1b) Es wird zuerst der zweite Aufgabenteil gezeigt. Sei f R[X] mit D := deg f deg g = N. Dann hat f eine Darstellung f = D c n X n mit c n R für alle n = 0,..., D, wobei c D 0. Setze nun q 1 := c D b 1 N XD N. (Man beachte, dass b N eine Einheit ist, also existiert b 1 N.) Wegen D N 0 ist q 1 ein Monom, und es gilt ( ) D n 1 D 1 f q 1 g = c n X n c D X D + c D b 1 N b D 1 nx D N+n = c n X n (c D b 1 N b l D+N)X l, l=d N was oensichtlich ein Polynom vom Grad D 1 ist, insbesondere also echt kleineren Grad als f hat. Ist nun deg(f q 1 g) deg g, so ndet man mit derselben Vorgehensweise weitere Monome q 2, q 3,..., so dass deg f > deg(f q 1 g) > deg(f q 1 g q 2 g) >..., bis schlieÿlich der Grad echt kleiner als deg g wird, z. B. deg(f K l=1 q lg) < deg g. Mit q := K l=1 q l gilt dann deg(f qg) < deg g. Folgerung: Ist f R[X], so existieren q, h R[X] mit deg h < deg g, so dass f = qg + h. Im Falle deg f deg g, wählt man q wie oben und h = f qg. Im Falle deg f < deg g wählt man q = 0 und h = f. Das heiÿt, dass man f mit Rest durch g dividieren kann. Im Aufgabenteil a) wird nun die Eindeutigkeit dieser Division mit Rest gezeigt. 1a) Sei q R[X]. Falls q = 0 ist die Behauptung (deg(qg) = deg q + deg g) klar. Ohne Einschränkung sei also q 0. Setze M := deg q. Dann kann man q und g darstellen als q = M a m X m = m=0 m=0 a m X m und g = N b n X n = b n X n, wobei a m = 0 für m > M, sowie b n = 0 für n > N. Auÿerdem ist a M 0, da deg q = M ist. Mit dieser Darstellung kann das Produkt qg explizit geschrieben werden als ( M N l ) ( 1 l ) qg = a m b n X m+n = a i b l i X l = a M b N X + a i b l 1 X l. m=0 l=0 i=0 1 l=0 i=0
Weil a M 0 und b N eine Einheit ist, ist a M b N 0. Man sieht dann sofort, dass deg(qg) = M + N = deg q + deg g. Folgerung: Es ist entweder q = 0 oder deg(qg) deg g. Sei nun f R[X], und seien q 1, q 2, h 1, h 2 R[X] mit f = q 1 g + h 1 = q 2 g + h 2, wobei deg h 1 < deg g und deg h 2 < deg g. Polynome mit diesen Eigenschaften existieren nach Aufgabenteil b). Dann folgt (q 1 q 2 )g + (h 1 h 2 ) = 0. Die beiden Polynome q 1 q 2 und h 1 h 2 können nicht beide von Null verschieden sein, denn sonst ist der Grad der linken Seite in oben stehender Gleichung ungleich dem Grad der rechten Seite. Also ist wenigstens eines der beiden Polynome das Nullpolynom. Ist dies q 1 q 2, so folgt sofort q 1 = q 2 und (durch Einsetzen in der Gleichung oben) h 1 = h 2. Im anderen Fall ist h 1 h 2 = 0 und es folgt (q 1 q 2 )g = 0. Insbesondere ist deg((q 1 q 2 )g) = < deg g und somit (s. o.) notwendig q 1 q 2 = 0. Wieder folgt also q 1 = q 2 und h 1 = h 2. Damit ist gezeigt, dass es höchstens eine Darstellung f = qg + h mit deg h < deg g gibt. Falls deg f < deg g ist diese Darstellung durch q = 0 und h = f gegeben, denn dies liefert eine solche Darstellung und diese ist eindeutig. Im Teil b) dieser Aufgabe wurde gezeigt, dass es mindestens eine solche Darstellung gibt. Insgesamt gibt es also genau eine solche Darstellung, das heiÿt, man kann f R[X] eindeutig mit Rest durch g dividieren. Aufgabe 2. (Noethersche Ringe) Zu Ehren von Emmy Noether nennt man einen kommutativen Ring R noethersch, wenn er eine und damit jede der folgenden drei paarweise äquivalenten Eigenschaften besitzt: a) Jedes Ideal J von R ist Summe endlich vieler Hauptideale a i R, d. h. J ist endlich erzeugt. b) Jede aufsteigende Kette von Idealen J n J n+1 (n N) wird stationär, d. h. es existiert ein Index N, mit dem J n = J N gilt für alle n > N. c) Jede nicht leere Menge M von Idealen in R besitzt bzgl. Inklusion maximale Elemente. Prüfen Sie die Äquivalenz dieser Eigenschaften. Im Fall b) ist J = n=1 J n wieder ein Ideal. Lösung zu Aufgabe 2 a) = b): Es sei eine aufsteigende Kette von Idealen J n J n+1 (n N) gegeben. Dann ist J := n=1 ein Ideal, welches nach a) endlich erzeugt ist, zum Beispiel von a 1,..., a N. Also J = N j=1 a jr. Aufgrund der Denition von J existiert zu jedem a j ein n j N mit a j J nj. Da eine aufteigende (!) Kette von idealen vorliegt, gilt dann insbesondere a j J n0 für alle j = 1,..., N mit n 0 := max {n 1,..., n N }. J n Also ist N J = a n R J n0 J n für alle n n 0. j=1 2
Sicherlich gilt auch J n J für alle n n 0. Also hat man insgesamt J n = J für alle n n 0, das heiÿt, die aufsteigende Kette von Idealen wird stationär. b) = c): Sei M eine nichtleere Menge von Idealen in R. Angenommen c) sei falsch. Dann existiert wenigstens eine aufsteigende Kette von Idealen in M, die nicht stationär wird (sonst ist das Element, bei dem sie stationär wird, ein maximales Element). Dies widerspricht b), also ist die Annahme falsch und c) gilt, wenn b) gilt. c) = a): Angenommen, a) sei falsch, R enthalte also ein nicht endlich erzeugtes Ideal J. Dann gibt es zu jeder Menge {a 1,..., a n } J ein Element a n+1 J, welches a n+1 / n a l R l=1 erfüllt. Beginnt man mit einem beliebigen a 1 J, so liefert dies (rekursiv) eine Folge (a n ) n N in J, deren sämtliche Elemente die oben stehende Eigenschaft haben. Deniert man J n := n l=1 a lr für alle n N, so erhält man eine aufsteigende Kette von Idealen mit folgenden Eigenschaften: J n+1 J n für alle n N und J n+1 J n für alle n N. Setze nun M := {J n n N}. M ist eine nichtleere Menge von Idealen in R, enthält also nach c) (mindestens) ein maximales Element, welches notwendig von der Form J N mit einem N N ist. Die Maximalität bedeutet, dass insbesondere J N J N+1, es sei denn, dass J N = J N+1. Beides steht im Widerspruch zu den oben stehenden Eigenschaften der Ideale J n (n N). Also ist die Annahme falsch, und die Eigenschaft a) gilt: Jedes Ideal in R ist endlich erzeugt. Damit ist der Zirkelschluss zum Beweis der Äquivalenz abgeschlossen. Aufgabe 3. (Polynomringe K[X] über Körpern K sind Hauptidealringe) 3a) Es sei J ein von {0} verschiedenes Ideal des Polynomringes K[X] und f J ein von 0 verschiedenes Polynom minimalen Grades. Zeigen Sie durch Division mit Rest J = fk[x]. 3b) Beweisen Sie: Ein Polynom q K[X] \ K ist genau dann irreduzibel, wenn der Faktorring (nach dem von ihm erzeugten Ideal) K[X]/qK[X] ein Körper ist. 3c) Im Polynomring R = K[X] gilt die Maximalbedingung c) von Aufgabe 2 (Begründung!). Lösung zu Aufgabe 3 3a) Wegen f J ist sicherlich fk[x] J, denn J ist ein Ideal. Es bleibt also nur noch die Inklusion J fk[x] zu zeigen, dann folgt J = fk[x]. Sei g J. Dann existieren nach Aufgabe 1 Polynome q, h K[X] mit g = qf + h mit deg h < deg f. Es ist h = g qf J, da f, g J. Da aber der Grad von f in J \ {0} minimal ist, ist notwendig h = 0, denn deg h < deg f. Also ist g = qf = fq fk[x]. Da g J beliebig war, folgt J fk[x]. Zusammen mit der eingangs gezeigten Inklusion gilt also f K[X] = J. Folgerung: Jedes Ideal in K[X] wird von einem Element minimalen Grades erzeugt. K[X] ist ein Hauptidealring. 3b) = Sei q K[X] irreduzibel. Sei f K[X] kein Vielfaches von q, also f + qk[x] 0 in K[X]/qK[X]. Dann ist J := qk[x] + f K[X] ein von qk[x] verschiedenes Ideal. Dieses wird nach Aufgabenteil a) von einem Polynom g K[X] erzeugt. Insbesondere ist g ein Teiler von q. Da q aber irreduzibel 3
ist, ist entweder g qk[x], oder g ist eine Einheit in K[X]. Der erste Fall tritt nicht auf, denn dann waere f ein Vielfaches von q. Also ist g eine Einheit und somit J = gk[x] = K[X]. Also qk[x] + fk[x] = K[X], und es existieren s, t K[X], so dass qs + ft = 1. Hieraus folgt, dass in K[X]/qK[X] gilt: (f + qk[x]) (t + qk[x]) = ft + qk[x] = 1 + qk[x]. Also ist f + qk[x] invertierbar. Da f K[X] \ qk[x] beliebig war, folgt, dass jedes von 0 + qk[x] verschiedene Element von K[X]/qK[X] invertierbar ist. Dieser Restklassenring ist also ein Körper. = Der Umkehrschluss wird durch Kontraposition gezeigt. Sei q nicht irreduzibel. Dann existieren f, g K[X] mit f, g / qk[x] und q = fg. Hieraus folgt, dass in K[X]/qK[X] gilt: f +qk[x] 0+qK[X], g+qk[x] 0+qK[X] und (f +qk[x]) (g+qk[x]) = q+qk[x] = 0+qK[X]. Der Restklassenring ist also nicht Nullteilerfrei und somit kein Körper. (In Körpern gibt es keine Nullteiler.) 3c) Da K[X] ein Hauptidealring ist, gilt die Bedingung a) aus Aufgabe 2, welche zu c) äquivalent ist. Insbesondere ist K[X] ein noetherscher Ring. Aufgabe 4. Es sei p Z eine Primzahl und F p = Z/pZ sei der Körper mit p Elementen; ferner sei F p [X] Polynomring in der Unbestimmten X über F p. 4a) Begründen Sie, dass F p [X] zu jeder Gradschranke N nur endlich viele Polynome f mit deg f N enthält. 4b) Beweisen Sie, dass F p [X] unendlich viele normierte irreduzible Polynome q besitzt. (Der Gedanke von Euklid über die Existenz unendlich vieler Primzahlen lässt sich übertragen). 4c) Stellen Sie für den Fall p = 2 eine Tabelle aller Polynome vom Grad 4 zusammen, bei denen im Fall der Reduzibität auch ein irreduzibler Teiler kleinsten Grades angegeben ist. Lösung zu Aufgabe 4 4a) Jedes Polynom vom Grad N in F p [X] hat die Form N b n X n mit b n F p für alle n = 1,..., N. Da F p genau p Elemente hat, kann jedes der b n genau p Werte annehmen. Dies liefert p N Möglichkeiten für die Wahl von b 1,..., b N, welche ein Polynom vom Grad N eindeutig beschreibt. Mithin existieren genau p N < Polynome vom Grad N in F p [X]. 4b) Es sei an folgende Eigenschaft erinnert: Jedes g F p [X]\F p lässt sich (bis auf Einheiten eindeutig) schreiben als Produkt irreduzibler Elemente. Insbesondere hat jedes g F p [X] mit deg g 1 einen irreduziblen Teiler. Die Behauptung dieses Aufgabenteils wird indirekt bewiesen. Angenommen F p [X] enthielte nur endlich viele, nämlich M irreduzible Polynome g 1,..., g M. Betrachte nun das Polynom g := M g k + 1. k=1 g hat keinen irreduziblen Teiler, denn in F p [X] ist die Division mit Rest eindeutig (vgl. Aufgabe 1) und dann ist oensichtlich der Divisionsrest 1 für alle irreduziblen Elemente in F p [X]. Widerspruch! Also ist die Annahme falsch, und es gibt unendlich viele irreduzible Elemente in F p [X]. Insbesondere gibt es in F p [X] irreduzible Polynome von beliebig hohem Grad, da bis zu einem bestimmten Grad nur 4
endlich viele, also auch nur endlich viele irreduzible Polynome existieren (Aufgabenteil a)). c) In F 2 [X] ist die Zerlegung eines Polynoms in irreduzible Faktoren eindeutig, weil es nur eine Einheit (nämlich 1) gibt; vgl. die Einleitende Bemerkung zum Aufgabenteil b). Damit ist ein Polynom vom Grad 1 entweder selbst irreduzibel oder ein Produkt von mehreren irreduziblen Polynome kleineren Grades. Dies liefert eine einfache Möglichkeit, alle nicht irreduziblen Polynome eines bestimmten Grades zu nden, indem man alle Produkte von irreduziblen Polynomen kleineren Grades bildet, die ein Polynom des betrachteten Grades liefern. (Man kann auch analog wie beim Sieb des Eratosthenes vorgehen und Irreduzibilität Prüfen, indem man mit Rest durch alle irreduziblen Polynome kleineren Grades teilt. Im vorliegenden Fall ist dies allerdings aufwändiger.) Zum Beispiel sind X und X + 1 die einzigen irreduziblen Polynome vom Grad eins in F 2 [X]. Alle nicht irreduziblen Polynome vom Grad zwei in F 2 [X] sind dann gegeben durch X X = X 2, X (X + 1) = X 2 + X und (X + 1) (X + 1) = X 2 + 1. Alle weiteren Polynome vom Grad zwei, in diesem Fall nur X 2 + X + 1, sind irreduzibel. Damit sind alle irreduziblen Polynome bis zum Grad zwei bekannt, und man kann mit diesen nun alle nicht irreduziblen Polynome vom Grad drei konstruieren... Dies liefert für Polynome bis zum Grad vier in F 2 [X] die folgenden Ergebnisse. Grad Polynom Faktorisierung irr. Teiler min. Grades Kommentar 0 1 1 1 Einheit 1 X X X irreduzibel X + 1 X + 1 X + 1 irreduzibel 2 X 2 X 2 X X 2 + 1 (X + 1) 2 X + 1 X 2 + X X(X + 1) X, X + 1 X 2 + X + 1 X 2 + X + 1 X 2 + X + 1 irreduzibel 3 X 3 X 3 X X 3 + 1 (X + 1)(X 2 + X + 1) X + 1 X 3 + X X(X + 1) 2 X, X + 1 X 3 + X + 1 X 3 + X + 1 X 3 + X + 1 irreduzibel X 3 + X 2 X 2 (X + 1) X, X + 1 X 3 + X 2 + 1 X 3 + X 2 + 1 X 3 + X 2 + 1 irreduzibel X 3 + X 2 + X X(X 2 + X + 1) X X 3 + X 2 + X + 1 (X + 1) 3 X + 1 4 X 4 X 4 X X 4 + 1 (X + 1) 4 X + 1 X 4 + X X(X + 1)(X 2 + X + 1) X, X + 1 X 4 + X + 1 X 4 + X + 1 X 4 + X + 1 irreduzibel X 4 + X 2 X 2 (X + 1) 2 X, X + 1 X 4 + X 2 + 1 (X 2 + X + 1) 2 X 2 + X + 1 X 4 + X 2 + X X(X 3 + X + 1) X X 4 + X 2 + X + 1 (X + 1)(X 3 + X 2 + 1) X + 1 X 4 + X 3 X 3 (X + 1) X, X + 1 X 4 + X 3 + 1 X 4 + X 3 + 1 X 4 + X 3 + 1 irreduzibel X 4 + X 3 + X X(X 3 + X 2 + 1) X X 4 + X 3 + X + 1 (X + 1) 2 (X 2 + X + 1) X + 1 X 4 + X 3 + X 2 X 2 (X 2 + X + 1) X X 4 + X 3 + X 2 + 1 (X + 1)(X 3 + X + 1) X + 1 X 4 + X 3 + X 2 + X X(X + 1) 3 X, X + 1 X 4 + X 3 + X 2 + X + 1 X 4 + X 3 + X 2 + X + 1 X 4 + X 3 + X 2 + X + 1 irreduzibel N.B.: Man kann sich leicht überlegen, dass Polynome vom Grad zwei oder drei in F 2 [X] genau dann irreduzibel sind, wenn sie keine Nullstelle haben. 5