REPORT. Prüfpflicht, Interpretation und Umsetzung: Der Umgang mit dem CSR-Richtlinie- Umsetzungsgesetz in deutschen Aufsichtsräten

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Transkript:

STATUS- REPORT Prüfpflicht, Interpretation und Umsetzung: Der Umgang mit dem CSR-Richtlinie- Umsetzungsgesetz in deutschen Aufsichtsräten

EINFÜHRUNG IMPRESSUM Herausgeber: Deutsches Global Compact Netzwerk Der vorliegende Status-Report des Deutschen Netzwerks des UN Global Compact beschreibt die aktuelle Auseinandersetzung von Aufsichtsräten mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG). Inwieweit sind Aufsichtsräte über ihre Prüfpflicht informiert, wie interpretieren sie diese und wie sieht die Umsetzung aus? Die Studie vermittelt erstmals ein Bild von dem Umgang mit dem neuen Gesetz in deutschen Aufsichtsräten. Autoren: Sophie von Gagern Deutsches Global Compact Netzwerk Kai Michael Beckmann Mazars GmbH & Co. KG Danksagung: Wir möchten uns bei dem Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat e. V. (AdAR) für die gute Zusammenarbeit und die Unterstützung in der Durchführung der Interviews bedanken. Ein großer Dank geht auch an unsere Interviewpartner, welche hier nicht namentlich aufgeführt werden können. Außerdem bedanken wir uns sehr bei Mazars GmbH & Co. KG für die redaktionelle und grafische Überarbeitung. In Kraft getreten ist das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten am 19. April 2017. Die Bundesregierung hat mit Einführung des CSR-RUG die EU-Richtlinie 2014/95/ EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen vom 22. Oktober 2014 die sogenannte CSR-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Im Rahmen der Studie hat das Deutsche Netzwerk des UN Global Compact in Zusammenarbeit mit AdAR und Mazars zwischen August und Oktober 2017 qualitative, strukturierte Interviews mit ausgewählten Aufsichtsräten von zwölf Unternehmen geführt. Bei den Teilnehmern handelt es sich um Aufsichtsräte von zehn börsennotierten Unternehmen, darunter ein DAX-Unternehmen und zwei mittelständische Unternehmen. Die Interviews wurden anonymisiert ausgewertet. Im Folgenden wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung nur die männliche Form verwendet. Es sind jedoch stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint. Im Fokus der Studienergebnisse steht die Einschätzung der Aufsichtsräte zur Relevanz des CSR-RUG für Unternehmen sowie zur Reichweite ihrer Prüfpflicht, zu Auswirkungen auf Governance-Systeme in Unternehmen und den größten Herausforderungen bei der Umsetzung. Deutsches Global Compact Netzwerk November 2017 2 3

1. KENNTNISSTAND DER AUFSICHTSRÄTE ÜBER DAS CSR-RUG Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz ist den an der Studie teilnehmenden Aufsichtsräten grundsätzlich bekannt. Die Mehrzahl der Gesprächspartner hat sich das relevante Wissen nach Inkrafttreten des CSR-RUG angeeignet, größtenteils aber mit fast einem halben Jahr Verzug. Nur ein Interviewpartner gab an, dass der Prüfungsausschussvorsitzende den Aufsichtsrat sogar noch bevor die Richtlinie in deutsches Recht überführt wurde informierte. Er betonte, dass eine frühzeitige Auseinandersetzung zentral gewesen sei, damit sich das Unternehmen auf die veränderten Anforderungen vorbereiten konnte. Erläuterung CSR-RUG: Kernelement der Richtlinie ist die Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung. Für die betroffenen Unternehmen sind damit umfangreiche neue Berichtspflichten zu nichtfinanziellen Aspekten wie Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruption verbunden. Zu den geforderten Aspekten sind dabei jeweils jene Angaben zu machen, die für das Verständnis ihres Geschäfts (Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage der Kapitalgesellschaft) sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die aufgeführten Aspekte als wesentlich erachtet werden. Eine inhaltliche Prüfpflicht durch den Abschlussprüfer besteht nicht. Dieser muss ausschließlich das Vorhandensein der nichtfinanziellen Erklärung prüfen. Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, die nichtfinanzielle Erklärung auf Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen. Die Aufsichtsratsgremien sind nur selten in Gänze informiert worden. Vielmehr haben sich einzelne Aufsichtsräte auf Eigeninitiative über die Einzelheiten informiert. Operativ tätige Aufsichtsräte stecken dabei besonders tief in der Materie. Drei Interviewpartner gaben an, das Thema selbst in die Aufsichtsratsgremien getragen zu haben, da sie durch ihre operative Tätigkeit bereits informiert waren. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als Informationsgeber wurden nicht genannt. Unklarheit besteht bei vielen Befragten insbesondere bei der Interpretation der Prüfpflicht der nichtfinanziellen Erklärung durch den Aufsichtsrat. Nicht zuletzt, da der Gesetzgeber hier einiges offengelassen hat. So gibt das Gesetz nicht vor, mit welcher Intensität und in welchem Umfang der Aufsichtsrat die nichtfinanzielle Erklärung prüfen muss. Auch der Wesentlichkeitsbegriff der Richtlinie stellt eine Herausforderung für die Aufsichtsräte dar, da der Adressatenkreis sich in einigen Fällen von dem der klassischen Finanzberichterstattung unterscheidet. Darüber hinaus fehlt es der Mehrheit der Aufsichtsräte an den notwendigen CSR-Kenntnissen, um die Reichweite ihrer Prüfpflicht einschätzen zu können. 4 5

2. AUSWIRKUNG DES CSR-RUG AUF RELEVANZ VON CSR IN UNTERNEHMEN Die Verabschiedung der Richtlinie hat zu einer stärkeren strategischen Relevanz und Gewichtung von CSR in Unternehmen geführt. Das Unternehmen muss nun über konkrete Konzepte, Maßnahmen und Ergebnisse berichten und sich damit nun intensiver befassen. Zitat eines Interviewpartners Die befragten Gesprächsteilnehmer stimmen darin überein, dass ein differenzierteres Bild zur unternehmerischen Verantwortung in Unternehmen entsteht, das Thema CSR in Unternehmen an Relevanz gewinnt und zunehmend wichtig für Strategie und Risikomanagement wird. Nur ein Aufsichtsrat betont, dass sich die Relevanz seit dem Gesetz nicht verändert habe, da CSR-Konzepte schon vorher wichtiger Bestandteil im Unternehmen gewesen seien. Die Bedeutung hat sich grundsätzlich erhöht. Es besteht ein Bewusstsein darüber, dass die Auseinandersetzung mit CSR unausweichlich ist. Zitat eines Interviewpartners Die Diskussion um das CSR-RUG führt laut unserer Ansprechpartner dazu, dass sich die Unternehmen verstärkt und intensiver mit nichtfinanziellen Aspekten auseinandersetzen. STEIGT DIE RELEVANZ VON 8 % CSR IM UNTERNEHMEN DURCH DAS CSR-RICHTLINIE- UMSETZUNGSGESETZ? Ja, Relevanz und Gewichtung 92 % Nein, bestand schon zuvor Nach Einschätzung einiger Gesprächspartner sollte sich auch das Topmanagement in Zukunft verstärkt mit CSR-Aspekten auseinandersetzen, schließlich müsse sich auch die Geschäftsleitung zukünftig an nichtfinanziellen Kennzahlen orientieren. Gefragt sei dabei vor allem eine Systematisierung des Themas. Durchaus selbstkritisch merken drei Teilnehmer der Befragung an, dass die Chance, das Thema CSR über die gesetzliche Pflicht hinaus im Unternehmen strategisch zu verankern, noch nicht wahrgenommen werde. Vielmehr seien die Aktivitäten derzeit noch stark ad hoc getrieben. Die Untersuchung zeigt auch, dass Aufsichtsräte trotz steigender Relevanz nur vereinzelt die zukünftige Bedeutung von CSR vollumfassend antizipiert haben. Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie Menschenrechte und Korruption spielen gegenüber anderen Themen in den Gremien immer noch eine nachgeordnete Rolle. Die zukünftige strategische Relevanz der genannten Aspekte hängt deshalb auch davon ab, wie der Aufsichtsrat seiner Überwachungspflicht nachkommt. Abbildung 1: Relevanz CSR seit Einführung des CSR-RUG 6 7

3. REICHWEITE DER PRÜFPFLICHT DES AUFSICHTSRATS Die Ausgestaltung ihrer Prüfpflicht beschreiben die befragten Aufsichtsräte allerdings unterschiedlich, was darauf schließen lässt, dass die Überwachungsintensität des Aufsichtsrats bei Unternehmen derzeit noch stark variiert. Hier einige der genannten Aufgaben des Aufsichtsrats: Erläuterung Prüfpflicht Aufsichtsrat: Eine inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung ist im CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) nicht explizit vorgesehen. Der Abschlussprüfer hat gemäß 317 Abs. 2 Satz 4 HGB n. F. nur zu überprüfen, ob die nichtfinanzielle Erklärung vorgelegt wurde. Hingegen legt 171 AktG dem Aufsichtsrat eine Prüfpflicht bezogen auf die CSR-Inhalte auf. Diese Prüfung durch den Aufsichtsrat umfasst sowohl die Zweckmäßigkeitskontrolle als auch die Rechtmäßigkeitskontrolle. Der Aufsichtsrat hat somit selbst zu prüfen, ob die vorgelegten Unterlagen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Er kann dafür einen externen Prüfer hinzuziehen ( 11 Abs. 2 Satz 4 AktG n. F.), ist dazu aber nicht verpflichtet. a) Informationen zur Berichterstattung: Der Aufsichtsrat bittet den Vorstand, dem Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss vorzustellen, welches Format der Berichterstattung gewählt wird und bis wann berichtet wird. Die nichtfinanzielle Erklärung dient dabei als Grundlage, um die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu bewerten. Der Aufsichtsrat initiiert die zunehmende Gleichstellung in Daten- und Prüfqualität. b) Überprüfung der Wirksamkeit des Systems: Der Aufsichtsrat hat die Verpflichtung, sich einen Überblick über die Umsetzung von CSR im Unternehmen zu verschaffen und sicherzustellen, dass das System in der Lage ist, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Er lässt sich berichten, wie das interne Kontrollsystem ausgerichtet ist und wie der Fortschritt überwacht wird. Die Prüfung darf nicht vollständig auf den Prüfungsausschuss übertragen werden. Dieser kann eine vorbereitende Prüfung durchführen, die tatsächliche Prüfung der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit muss aber durch den Gesamtaufsichtsrat erfolgen. Aus den Gesprächen mit den Aufsichtsräten geht hervor, dass die Prüfpflicht in den Aufsichtsratgremien grundsätzlich ernst genommen wird. Die Hauptaufgabe darin waren sich alle Gesprächspartner einig sei es, die Geschäftsführung dahingehend zu überwachen, dass diese das Thema angemessen behandelt. Die nichtfinanzielle Erklärung diene dabei als Grundlage, um die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu bewerten. c) Überprüfung Kontrollsystem: Der Vorstand präsentiert dem Prüfungsausschuss die Ergebnisse der internen Revision. Dadurch kann sich der Aufsichtsrat ein Bild über die Funktionsfähigkeit des Kontrollsystems machen. d) Inhaltliche Prüfung: Der Aufsichtsrat empfiehlt dem Vorstand eine externe Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung durchzuführen oder beauftragt diese selbst. Darüber hinaus äußerten zwei Aufsichtsräte, dass sie durch ihre Kenntnisse im Bereich CSR im engen Austausch mit operativen Einheiten stünden und an dem Aufbau von entsprechenden Strukturen im Unternehmen aktiv beteiligt seien. 8 9

Auch wenn nach CSR-RUG eine externe Prüfung nicht verpflichtend ist, bestätigten fast alle Gesprächspartner, dass eine externe Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung beauftragt wurde oder noch beauftragt wird, um sich einen Überblick zu verschaffen und Schwachstellen zu identifizieren. 4. CSR UND CORPORATE GOVERNANCE WIRD EINE EXTERNE PRÜFUNG BEAUFTRAGT? Nein, zunächst nicht Ja, eine prüferische Durchsicht Diskutiert wird eine Prüfung nach reasonable assurance 2 0 1 2 3 4 5 6 4 6 CSR wird zukünftig zu einem wichtigen Bestandteil der Corporate Governance. Das Kontrollsystem hat sich evolutionär entwickelt und in Silos formalisiert. Nachhaltigkeit wird nun oftmals nur danebengestellt und die Berichterstattung zeigt die Zusammenhänge nicht adäquat auf. Dies muss sich zukünftig ändern, um die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten und mit Trade-offs angemessen umzugehen. Zitat eines Interviewpartners Abbildung 2: Beauftragung einer externen Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung Unsicherheit besteht teilweise noch dahingehend, ob die Prüfung nach limited oder reasonable assurance durchgeführt und ob dies jährlich oder nur alle zwei bis fünf Jahre beauftragt werden sollte. Ein Aufsichtsrat betonte, dass die nichtfinanzielle Erklärung mit Sicherheit nach reasonable assurance geprüft werden solle. Der Gesetzgeber hat im Gesetzestext keine Unterscheidung oder Spezifizierung der Art der Prüfung vorgenommen, weshalb auch der Prüfungsausschuss dies nicht tun sollte. Zitat eines Interviewpartners Die Integration von CSR und dies zu einem Bestandteil der Corporate Governance zu machen, nennt die Mehrheit als notwendig, um Ansprüchen sämtlicher Stakeholder und Anteilseigner gerecht zu werden, Sanktionen und Risiken zu vermeiden und Chancen frühzeitig zu identifizieren. CSR sei dabei als Querschnittsfunktion zu sehen, die stärker formalisiert werden müsse. Durch die Prüfpflicht des Aufsichtsrats liegt die Verantwortung für die nichtfinanzielle Berichterstattung beim Finanzvorstand und gewinnt somit an strategischer Relevanz. Die nichtfinanzielle Berichterstattung muss nicht nur auf ein höheres Niveau gebracht, sondern auch in bestehende Kontrollsysteme integriert werden. Nach Meinung einiger Befragten sollten auch finanzielle Anreizsysteme bestehen, um die Wirkung und Bewusstseinsbildung hin zu CSR in Unternehmen zu stärken. Indikatoren sollten dabei auch unmittelbar auf Vergütungsebene festgelegt werden. 10 11

5. HERAUSFORDERUNGEN Die Qualität der nichtfinanziellen Daten hinkt hinterher: Per Gesetz ist der Aufsichtsrat zur Prüfung und Überwachung einer nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet. Unternehmen wie Aufsichtsräte stellt dies vor Herausforderungen, die es anzugehen und zu meistern gilt. Vielen Aufsichtsräten fehlt das erforderliche Wissen und der Sachverstand beim Thema CSR: Die Qualität nichtfinanzieller Informationen ist nicht mit der Qualität finanzieller Informationen vergleichbar. Es fehlen Standards, weshalb jedes Unternehmen für sich beurteilen muss, ob die nichtfinanzielle Erklärung sachgerecht ist. Dazu kommt, dass betroffene Unternehmen unterschiedliche Strukturen aufweisen eine Richtschnur wäre daher sehr hilfreich. Aufsichtsräte haben sich größtenteils nicht frühzeitig mit dem CSR-RUG auseinandergesetzt, weshalb die Umsetzung für das laufende Geschäftsjahr eine große Herausforderung darstellt. Kompetenz im Aufsichtsrat reicht meist nicht aus, um das Management- System und die Konsequenzen hinreichend beurteilen zu können. Die perspektivische Bedeutung sowie die Komplexität des Themas deuten sich an, sind aber für die meisten Aufsichtsräte noch nicht greifbar. AUSBLICK Zur effizienten Überprüfung bedarf es des Aufbaus eines angemessenen Kontrollsystems: Das Bewusstsein besteht, relevante Prozesse müssen aber noch umgesetzt werden. CSR ist sehr komplex und umfassend. Das Verständnis über die Reichweite unternehmerischer Verantwortung variiert daher stark. Lieferketten: Bis zu welcher Tiefe muss Transparenz geschaffen werden, um Änderungen voranzutreiben? Was steckt ganz konkret hinter den theoretischen Werken und wie kann dies in Unternehmen hineinwirken? Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass Aufsichtsräte grundsätzlich die hohe Bedeutung des Themas CSR erkennen, die Konsequenzen für das eigene Unternehmen aber nur schwer abschätzen können. Erforderlich ist daher ein konsequenter Kompetenzaufbau zum Thema. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die zukünftige strategische Relevanz von CSR im Unternehmen auch davon abhängt, wie der Aufsichtsrat seiner Überwachungspflicht zukünftig nachkommen wird. Für die gesetzeskonforme Umsetzung der Überwachungspflicht durch Aufsichtsräte sind außerdem klare Orientierungshilfen im Sinne von Lösungsansätzen und Standards erforderlich, an denen eine Orientierung möglich ist. 12 13

DER UN GLOBAL COMPACT UND DAS DEUTSCHE GLOBAL COMPACT NETZWERK FACHGESPRÄCH CSR-RICHTLINIE-UMSETZUNGSGESETZ Der Global Compact wurde im Jahre 2000 von den Vereinten Nationen als strategische Initiative und internationale Lern- und Dialogplattform für nachhaltige und verantwortungsvolle Unternehmensführung unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen, Unternehmen und Regierungen ins Leben gerufen. Zusammen mit seinen Partnern prägt der Global Compact seither auf internationaler Ebene die Diskussion über Nachhaltigkeitsziele und die Entwicklung von Strategien und Instrumenten für deren Umsetzung in Unternehmen. Als Lern- und Dialogplattform entfaltet der Global Compact seine Aktivitäten über Formate wie Webinare, Workshops, Coachings sowie Konferenzen und Fachgespräche. In den nationalen Netzwerken, die viele dieser Veranstaltungen organisieren und durchführen, können Unternehmen selbst Nachhaltigkeitsthemen einbringen und den Dialog aktiv mitgestalten. Das Deutsche Global Compact Netzwerk ist eines der weltweit aktivsten Netzwerke und hat mittlerweile rund 450 Teilnehmer. Der vorliegende Status-Report entstand im Rahmen des Fachgesprächs CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) des Deutschen Global Compact Netzwerks (DGCN). Mit dem Fachgespräch bietet das DGCN Führungskräften von der Richtlinie betroffener Unternehmen aus Finanzkommunikation, Investor Relations und Risikomanagement eine Plattform, um sich zu informieren und auszutauschen. Das Fachgespräch wurde im März 2017 initiiert mit dem Ziel, Unternehmen zum CSR-RUG zu informieren und einen Austausch zwischen Unternehmen, Wirtschaftsprüfern und Politik zur Umsetzung der Richtlinie zu ermöglichen. Neben rechtlichen Angelegenheiten werden im Rahmen der Fachgespräche insbesondere Fragen zur Prüfpflicht der Aufsichtsräte, zur Interpretation des Risiko- und Wesentlichkeitsbegriffs sowie zur Integration nichtfinanzieller Aspekte in Governance und Risikomanagement diskutiert. Darüber hinaus bietet der Austausch zwischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Unternehmen die Möglichkeit, sich über neue Entwicklungen in der Interpretation der Richtlinie zu informieren. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des DGCN: Deutsches Global Compact Netzwerk Tel.: +49 30 72614-321 globalcompact@giz.de www.globalcompact.de 14 15

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