Schutz der Minderheit in Aktiengesellschaften

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Transkript:

Schutz der Minderheit in Aktiengesellschaften Gesellschaftsrecht II FS13 Ulrika Lindström, Emelie Håkansson

Materialen Kraakman, s 89-99 BGE 88 II 98 BGE 99 II 55 BGE 105 II 114 BGer 4C.242/2001 vom 5. März 2005

Inhaltsverzeichnis 1. Warum gibt es ein Problem? 2. Schutz der Minderheit - wie? 3. Kategorien von Minderheitsschutz 4. Minderheitsschutz der Schweizer Praxis 1. Gleichbehandlungsprinzip 2. Sachlichkeitsgebot 3. Pflicht zu schonenden Rechtsausübung 4. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs 5. Beispiele gesetzlicher Minderheitsschutz 5. Diskussion

Warum gibt es ein Problem? Mehrheitsprinzip OR Art. 703 GV - absolute Mehrheit Funktionsfähigkeit Risiko im Vergleich zu Einfluss Interessegegensatz Mehrheit - Minderheit Konsequenzen: Minderheitsinteressen werden in der GV nicht berücksichtigt Minderheitsinteressen werden nicht in dem VR vertreten

Schutz der Minderheit - wie? Verschiedene Rechtssysteme - verschiedene Lösungen In Gesetze, in Statuten, Selbstregulierung Verschiedene Minderheitsinteressen

Kategorien von Minderheitsschutz (1/3) Minority shareholder appointment rights Vertretung der Minderheit im VR Reservierte Plätze für die Minderheit Übergewicht der Stimmrechte der Minderheit wenn die Mitglieder des VRs gewählt werden sollen Erweiterte Gerechtigkeiten für Minderheitsrepräsentanten in VR

Kategorien von Minderheitsschutz (2/3) Minority shareholder decision rights Gruppe von Minderheitsaktionären hat die Möglichkeit Entscheidungen für die Gesellschaft zu treffen Absolute- oder Qualifizierte Mehrheit Sperrminorität der Minderheitsgruppe

Kategorien von Minderheitsschutz (3/3) The incentive strategy Unabhängige Mitglieder des VRs Wer ist unabhängig? Gleichbehandlung Constraints and affiliation rights

Minderheitsschutz gemäss Schweizer Praxis Gleichbehandlungsprinzip Sachlichkeitsgebot Pflicht zu schonenden Rechtsausübung Das Verbot des Rechtsmissbrauchs Beispiele gesetzlicher Minderheitsschutz

Gleichbehandlungsprinzip (1/2) Die AG hat die Aktionäre alle gleich zu behandeln, soweit nicht Abweichungen unumgänglich nötig sind, um im Interesse aller den Gesellschaftszweck zu verfolgen. (BGE 69 II 248, BGE 88 II 105, BGE 91 II 300, BGE 93 II 406, BGE 95 II 162) GW (OR Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3) Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken. VR (OR Art. 717 Abs. 2) Sie [die Mitglieder des VRs und die mit der Geschäftsleistung befassten Personen] haben die Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln.

Gleichbehandlung (2/2) Formelle und materielle Gleichbehandlung BGer 4C.242/2001 vom 5. März 2003 Keine absolute Gleichbehandlung BGE 99 II 55 BGE 88 II 98 - Heute? Die Ungleichbehandlung muss konkret gegeben und nicht nur virtuell vorstellbar sein BGer 4C.242/2001 vom 5. März 2003 (BGE 117 II 290) Gleichbehandling unterscheidet sich in GV und VR BGer 4C.242/2001 vom 5. März 2003

Sachlichkeitsgebot GV (OR Art. 706 Abs. 2 Ziff. 2) Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken. Präzisierung des Prinzips der relativen Gleichbehandlung Wichtige Gründe z.b OR Art. 685b Abs. 1 (BGer 4C.242/2001 vom 5. März 2003)

Das Gebot des schonenden Rechtsausübung Stammt aus Sachenrecht Die Mehrheit soll zur Erreichung eines bestimmten Ziels jenen Weg wählen, der für die Minderheit die geringsten schädigen Wirkungen hat BGE 99 II 55 S. 62 Der Richter darf nur einschreiten, wenn die Mehrheitsaktionäre die Macht [ ] im Hinblick auf entgegensetzte Interessen der Minderheitsaktionäre offensichtlich missbraucht haben.

Das Verbot des Rechtsmissbrauchs (1/2) ZGB Art. 2 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. GV VR BGE 88 II 98 Sachlich gerechtfertigt BGE 99 II 55 Beschlüsse, die im Sinne der erwähnten Rechtsprechung den Rahmen vernünftiger Überlegungen nicht willkürlich sprengen, können inhaltlich nicht offenbar missbräuchlich sein.

Das Verbot des Rechtsmissbrauchs (2/2) BGer 4C.242/2001 vom 5. März 2003 offenbaren Missbrauch, wenn sie [die Ausübung der Mehrheitsmacht] sich nicht durch vernünftige wirtschaftliche Erwägungen rechtfertigen lässt, die Interessen der Minderheit offensichtlich beeinträchtigt und Sonderinteressen der Mehrheit ohne Grund bevorzugt.

Beispiele gesetzlicher Minderheitsschutz OR Art. 736 Ziff. 4 Die Gesellschaft wird aufgelöst durch Urteil des Richters, wenn Aktionäre, die zusammen mindestens zehn Prozent des Aktienkapitals vertreten, aus wichtigen Gründen die Auflösung verlangen. Statt derselben kann der Richter auf eine andere sachgemässe und den Beteiligten zumutbare Lösung erkennen BGE 105 II 114 Missachtung der Kontrollrechte des Minderheitsaktionärs Schwere finanzielle Benachteiligung Interessenabwägung ob wichtige Gründe vorliegen

Diskussion