Bilanzierung selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter nach deutschen Rechnungslegungsstandards Referenten: WP/StB Rainer Weichhaus und RA Konstantin Maretis, LL.M.
Kernfragen Was sind selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter? Wie werden selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter handelsbilanziell behandelt? Wie wirkt sich der etwaige Bilanzansatz selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter im handelsrechtlichen Jahresabschluss aus? Welche Vor- und Nachteile hat die Ausübung des Ansatzwahlrechts für selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter? 2
Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses 242 Abs. 1 Satz 1 HGB: Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen. Frage: Was ist unter Vermögen in diesem Sinne zu verstehen? 3
Überblick Vermögensgegenstände Vermögensgegenstände materiell immateriell erworben selbst geschaffen erworben selbst geschaffen Umlaufvermögen Anlagevermögen Umlaufvermögen Anlagevermögen Umlaufvermögen Anlagevermögen Umlaufvermögen Anlagevermögen Thema der Präsentation 4
Definition selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter Selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter sind grundsätzlich alle selbstgeschaffenen Vermögensgegenstände, die körperlich nicht fassbar sind, die nicht den Sach- und Finanzanlagen zuzuordnen sind und die dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb auf Dauer zu dienen. 5
Bilanzielle Erfassung selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter früher (vor dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz - BilMoG) heute (nach dem BilMoG) selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter Aktivierungsverbot (Argument: Gläubigerschutz) selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter grds. Aktivierungswahlrecht* (Argument Informationsfunktion) * hierdurch Annäherung an internationale Rechnungslegungsstandards 6
Begrenzung des Aktivierungswahlrechts nicht aktivierungsfähige Ausnahmen selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter selbst geschaffene Marken selbst geschaffene Drucktitel selbst geschaffene Verlagsrechte selbst geschaffene Kundenlisten vergleichbare immaterielle Anlagegüter* * z.b. Aufwendungen zur Verbesserung bestehender oder zum Aufbau neuer Kundenbeziehungen 7
Voraussetzung für die Ausübung des Aktivierungswahlrechts selbständige Be- bzw. Verwertbarkeit des selbst geschaffenen immateriellen Anlageguts Gesellschaftsvermögen selbst geschaffenes immaterielles Anlagegut Das Vorliegen eines selbst geschaffenen immateriellen Anlageguts setzt voraus, dass es vom übrigen Gesellschaftsvermögen dadurch abgrenzbar ist, dass es einzeln bewertbar bzw. einzeln verwertbar ist. Ist dies nicht der Fall, liegt bereits kein bilanzierungsfähiger Vermögensgegenstand vor und eine Aktivierung ist in jedem Fall ausgeschlossen. Selbständig verwertbar heißt: Transformation in Geld, möglich durch Veräußerung, Einräumung eines Nutzungsrechts oder Zwangsvollstreckung 8
Beispiele einzeln verwertbarer immaterieller Anlagegüter Bereich Vertriebsbezug Kundenbezug Künstlerischer Bereich Vertragsbezug Technologiebezug Beispiel Domain-Name, Wettbewerbsverbote Auftragsbestände, ggf. Geschäftsbeziehung Filmrechte, Tonträger Konzessionen, Nutzungsrechte Software, Patente 9
Exkurs: Filmrechte als aktivierungsfähiges selbst geschaffenes immaterielles Anlagegut Voraussetzung: Filmrechte sollen dauernd dem Geschäftsbetrieb dienen (also z.b. keine Auftragsproduktion) Verwertung von Filmrechten möglich in Form von: Urheberrechten Leistungsrechten Nutzungsrechten Lizenzen Alle diese Verwertungsrechte berechtigen zur Nutzung des Aktivierungswahlrechts bei dem Rechteinhaber. 10
Zeitpunkt der Aktivierbarkeit selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter Frage: Ab welchem Zeitpunkt darf ein selbst geschaffenes immaterielles Anlagegut aktiviert werden? Hier ist eine Abgrenzung zwischen der Forschungsphase und der Entwicklungsphase erforderlich. Nur Herstellungskosten in der Entwicklungsphase sind aktivierungsfähig. Ist eine klare Abgrenzung der Forschungs- und Entwicklungsphase nicht möglich, ist eine Aktivierung ausgeschlossen, und zwar sowohl für die entstandenen Forschungs- als auch für die Entwicklungsaufwendungen. 11
Definition von Forschung und Entwicklung Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Kurzformel: Suche nach neuen Wegen/Verfahren Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Kurzformel: Anwendung neuer Wege/Verfahren In der Praxis ist es häufig schwierig, Forschung und Entwicklung voneinander abzugrenzen. 12
Umfang der aktivierungsfähigen Herstellungskosten selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter Mindestumfang (Pflichtbestandteile) Material- und Fertigungskosten ( = einzeln zuordenbar) fertigungsbezogener Vollkostenansatz angemessene Material- und Fertigungsgemeinkosten Wahlrechte allgemeine Verwaltungskosten Kosten für freiwillige soziale Leistungen Fremdkapitalzinsen (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) Verbote Vertriebskosten Forschungskosten 13
Zeitlicher Umfang der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter Bei Entscheidung für Aktivierung sind die Herstellungskosten für das selbst geschaffene immaterielle Anlagegut während der gesamten Entwicklungsphase zu aktivieren. Entwicklungsprozess beginnt in dem Zeitpunkt, ab dem mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein einzeln verwertbarer immaterieller Vermögensgegenstand entsteht. Auch hier bestehen Abgrenzungsprobleme und damit Gestaltungsmöglichkeiten. Wichtig ist eine nachvollziehbare Dokumentation. 14
Folgebewertung selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter planmäßige Abschreibungen erforderlich bei zeitlich begrenzter Nutzung bzw. Abnutzung Beispiel Filmrechte: erforderlich ist die Festlegung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer und der Art der Abnutzung nach Maßgabe des Entwertungsverlaufs (i.d.r. degressive Abschreibung). Daneben sind außerplanmäßige Abschreibungen erforderlich, falls eine Wertminderung, die über die planmäßige Abschreibung hinausgeht, eingetreten ist. 15
Auswirkungen des Bilanzansatzes selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter Die entsprechenden Erträge bzw. Aufwandsminderungen sind ausschüttungsgesperrt In künftigen Perioden ist das bilanzierende Unternehmen an die getroffene Entscheidung zum bilanziellen Ansatz grds. gebunden (Stetigkeitsgrundsatz) Das steuerliche Ansatzverbot bleibt bestehen mit der Folge, dass der Ansatz in der Handelsbilanz von dem Ansatz in der Steuerbilanz abweicht (Folge: Passivierung einer sog. latenten Steuerabgrenzung) 16
Case Study Beispiel: In 2012 wird ein selbst geschaffenes Filmrecht fertiggestellt und aktiviert. Die Herstellungskosten belaufen sich auf 100. Die Nutzungsdauer des Filmrechts beträgt fünf Jahre und der unternehmensindividuelle Steuersatz liegt bei 30%. Während der Vermögensgegenstand in der Handelsbilanz aktiviert und sukzessive (hier unterstellt: linear) abgeschrieben wird, werden Aufwendungen in der Steuerbilanz direkt erfolgswirksam verrechnet. Der zum Aktivierungszeitpunkt gebildete Posten für passive latente Steuern wird über die Nutzungsdauer des Filmrechts parallel zu den Abschreibungen aufgelöst und die Höhe der Ausschüttungssperre angepasst. Zeitpunkt Wertansatz Filmrechte Handelsbilanz Steuerbilanz Ausschüttungssperre gemäß 268 Abs. 8 HGB passive latente Steuerabgrenzung GuV-Belastung Wertansatz Filmrechte GuV-Belastung 31.12.2012 100 30./. 30 0 /. 100 70 31.12.2013 80 24./. 14 0 0 56 31.12.2014 60 18./. 14 0 0 42 31.12.2015 40 12./. 14 0 0 28 31.12.2016 20 6./. 14 0 0 14 31.12.2017 0 0./. 14 0 0 0 17
Argumente pro und contra Bilanzansatz selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter pro contra Verbesserung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses Erhöhung des handelsrechtlichen Eigenkapitals (anteilig verpufft diese Wirkung jedoch durch die anzusetzenden passiven latenten Steuern, die das bilanzielle Eigenkapital vermindern) Unternehmensadressaten könnten die Aktivierung als Krisensignal fehlinterpretieren. Eine solche Sichtweise wird durch die gesetzliche Ausschüttungssperre, welche ein Misstrauen gegenüber dieser unsicheren Bilanzposition fördert, verdeutlicht. Für Kreditvergabe neutralisieren Banken in der Strukturbilanz angesetzte selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter. Erhöhte Controlling-Anforderungen (für die Abgrenzung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen) und Dokumentationspflichten zur Ermittlung und Verfolgung der Herstellungskosten in den Folgejahren (Festlegung des Abschreibungsmodus und Impairment-Test) Wegen steuerlicher Nichtanerkennung von selbst geschaffenen immateriellen Anlagegütern ist eine Einheitsbilanz ausgeschlossen Es besteht die Notwendigkeit der Erfassung von passiven latenten Steuern in der Handelsbilanz (u.u. Wahlrecht für kleine Kapitalgesellschaften/KapGes & Co. KG) 18
Standorte Berlin Auguste-Viktoria-Straße 118 14193 Berlin T +49 30 208 88-0 F +49 30 208 88-1999 Hamburg Rothenbaumchaussee 114 20149 Hamburg T +49 40 800 08-0 F +49 40 800 08-3150 Dresden Bautzner Straße 17 01099 Dresden T +49 351 45 15-0 F +49 351 45 15-2250 Berlin Kurfürstendamm 190/192 10707 Berlin T +49 30 59 00 21-300 F +49 30 59 00 21-311 Frankfurt/Main Gervinusstraße 15 60322 Frankfurt am Main T +49 69 500 60-0 F +49 69 500 60-2050 Potsdam Hebbelstraße 27 14469 Potsdam T +49 331 73 04 07-70 F +49 331 73 04 07-79 Berlin Rankestraße 21 10789 Berlin T +49 30 208 88-0 F +49 30 208 88-1999 Köln Aachener Straße 75 50931 Köln T +49 221 912 84-50 F +49 221 912 84-56 München Widenmayerstraße 16 80538 München T +49 89 350 00-0 F +49 89 350 00-2350 Hamburg Domstraße 15 20095 Hamburg T +49 40 415 22-0 F +49 40 415 22-111 Leipzig Petersstraße 1-13 04109 Leipzig T +49 341 339 70-600 F +49 341 339 70-611 Greifswald Steinbeckerstraße 10 17489 Greifswald T +49 3834 885 33-40 F +49 3834 885 33-44 19
Berlin Hamburg Frankfurt/Main Köln Leipzig Dresden Potsdam München Greifswald www.rbs-partner.de 20