Kreispflegekonferenz Leben und Wohnen im Alter - Praxisbeispiele für den Lahn-Dill-Kreis - Workshop 6 Hausgemeinschaften neue Wohn- und Pflegekonzepte in der stationären Altenhilfe Ute Großmann, BeneVit Lahnau Bruno Lehberger, DRK Kreisverband Dillkreis e. V. 1
Generationenabfolge und Leitbilder des Pflegeheimbaus Die fünf Generationen des Altenpflegeheimbaus nach dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) Anstalt, Verwahranstalt Krankenhaus, Station Wohnbereich Hausgemeinschaft KDA-Quartiershäuser Quelle: Peter Michell-Auli, Christine Sowinski: Die 5. Generation: KDA-Quartiershäuser Ansätze zur Neuausrichtung von Alten- und Pflegeheimen, Kuratorium Deutsche Altershilfe, Köln 2012 2
1. Generation 1940 bis 1960 Konzept: Leitbild: Ausstattung: Anstalt Insasse wird verwahrt und versorgt Mehrbettzimmer, minimale Ausstattung 2. Generation 1960 bis 1980 Konzept: Leitbild: Ausstattung: Krankenhaus, Station Patient wird behandelt Zweibettzimmer, bessere Ausstattung 3
3. Generation seit 1980 Konzept: Leitbild: Ausstattung: Wohnbereich, Wohngruppen Bewohner wird aktiviert mehr Einzelzimmer, Wohngruppenräume 4. Generation seit 1995 Konzept: Leitbild: Ausstattung: Hausgemeinschaft Familie, Geborgenheit und Normalität Loslösung von zentralen Versorgungseinheiten wie Großküche und Wäscherei; Kochen und Haushalt in der Wohngruppe; (fast) ausschließlich Einzelzimmer 4
5. Generation seit 2012 Konzept: Quartiershäuser Leitbild: Leben in Privatheit, Leben in Gemeinschaft und Leben in der Öffentlichkeit finden ein Gleichgewicht Ausstattung: ausschließlich Einzelzimmer Gemeinschaftsleben im Wohn-/Ess-/Kochbereich Hausgemeinschaftsübergreifende Aktivitäten im Haus und außerhalb des Hauses. Das Seniorenzentrum wird eine Institution des Gemeinwesens und fördert die Quartiersentwicklung. 5
Leben in Privatheit, Leben in Gemeinschaft und Leben in der Öffentlichkeit finden ein Gleichgewicht Leben in Privatheit Stärkung des persönlichen Rückzugsraums durch ein eigenes Einzelzimmer mit Appartementcharakter Persönliches Türschild und Klingel an der Appartementtür Briefkasten im Foyer oder am Bewohnerzimmer Persönliche Gestaltung des Einzelzimmers Pantryküche (abschließbar) Ein großer Teil der Pflege findet im privaten Appartement statt. Pflege erhält den Charakter der ambulanten Pflege (Normalität des Wohnens). 6
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Leben in Privatheit, Leben in Gemeinschaft und Leben in der Öffentlichkeit finden ein Gleichgewicht Leben in Gemeinschaft Die Hausgemeinschaft besteht aus einer überschaubaren Gruppe von 8 bis 12 Personen, die in einer großen Wohnung zusammenleben. Das Gemeinschaftsleben spielt sich im wohnungsinternen Wohn-/Ess- und Kochbereich ab. Eine Mitarbeiterin ist über den Tag permanent in Hausfrauen-Funktion Tätig (Präsenzmitarbeiterin, Alltagsbegleiterin): sie organisiert den Alltag, bestellt die Lebensmittel, kocht, wäscht die Oberbekleidung etc. Die Bewohner beteiligen sich ihren Fähigkeiten und Vorlieben entsprechend oder sind nur dabei und nehmen die alltäglichen Aktivitäten wahr. 9
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Leben in Privatheit, Leben in Gemeinschaft und Leben in der Öffentlichkeit finden ein Gleichgewicht Leben in der Öffentlichkeit Mehrzweckräume für Aktivitäten jenseits der eigenen Hausgemeinschaft Friseur, Fußpflege, Café, Außengelände, Garten Begegnung/gemeinsame Aktivitäten mit Bewohnern und Angehörigen der anderen Hausgemeinschaften Integration in das Gemeinwesen: Kooperation Vereine, Kirchgemeinden, Schulen, Kindergärten 11
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DRK Seniorenzentrum Dillenburg Erdgeschoss 14
DRK Seniorenzentrum Dillenburg Gemeinschaftsräume 15
Personalstellen in einem Altenpflegeheim mit 72 Plätzen Konventionelles Haus Heimleitung und Verwaltung (1:28,00) 2,5 Pflege- und Betreuungsdienst (1:2,58) 28,0 Zusätzliche Betreuungskräfte 2,0 Hauswirtschaftsdienst (1:5,90) 12,0 Summe Personalstellen 44,5 Haus nach dem Hausgemeinschaftsmodell Heimleitung und Verwaltung 2,5 Pflege 24,0 Alltagsbegleiter/Präsenzkräfte 13,5 Zusätzliche Betreuungskräfte 1,5 Hauswirtschaftsdienst 3,0 Summe Personalstellen 44,5 Konventionelles Haus: Hausgemeinschaftsmodell: Pflege- und Betreuung 30 Personalstellen Pflege- und Betreuung 39 Personalstellen 16
Pflege- und Betreuungspersonal in einem Altenpflegeheim mit 72 Plätzen in einer Schicht (Frühschicht oder Spätschicht) Konventionelles Haus 8 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für 72 Bewohner oder 1 Pflege- und Betreuungsmitarbeiterin für 9 Bewohner Haus nach dem Hausgemeinschaftsmodell 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für 72 Bewohner oder 1 Pflege- und Betreuungsmitarbeiterin für 6 Bewohner 17
Personalmodell für zwei Hausgemeinschaften mit je 12 Bewohnerinnen und Bewohnern auf einer Etage Pflege für Hausgemeinschaft 1 und 2: 1 Pflegefachkraft 1 Pflegehilfskraft Frühschicht: 6:45 Uhr bis 14:15 Uhr Spätschicht: 13:45 Uhr bis 21:15 Uhr 1 Alltagsbegleiterin / Präsenzkraft für Hausgemeinschaft 1 1 Alltagsbegleiterin / Präsenzkraft für Hausgemeinschaft 2 Dienstzeiten: Frühschicht: 07:30 bis 13:30 Uhr Spätschicht: 14:30 bis 19:00 Uhr 18
BeneVit Hessen Haus Auengarten Strukturdaten 6 Hausgemeinschaften 12-14 Bewohnern 62 Einzelzimmer, 7 Doppelzimmer Belegung: 78 Personal: 65 Dachgeschoss mit Lagerräumen, Personal- und Büroräumen Mehrzweckraum etc. mit BeneVit- Hausgemeinschaftskonzept Mehr Lebensqualität im Alter 19
Baulichkeit Mitten im Leben! kochen, waschen, einander helfen Wohn-/ Ess- und Kochbereich mit Balkon/Terrasse und Kamin Bewohnerzimmer Nebenräume EG Erschließung 20
Hausgemeinschaftskonzept Ziele 7. Keine Hospitalisierung 1. Normalitätsprinzip 2. Alltag als Therapie 3. Mehr Mitarbeiter am Bewohner 4. Einbindung Angehöriger 5. Pflege aller Stufen 8. Verbesserung der Lebensqualität 9. Förderung der Ressourcen 10. Verbesserung des Allgemeinzustandes 11. Förderung der Selbständigkeit und Eigenverantwortung für den letzten Lebensabschnitt 6. Bewohner fühlen sich gebraucht 12. Kosten neutral (sozialhilfefähig) 21
Betriebskonzept Qualitätskriterien Lokale Vernetzung 1. Einhaltung von Qualitätsstandards in Hauswirtschaft und Pflege (Krohwinkel, AEDL s, HACCP, ES-DNQP, ) 1. Zusammenarbeit mit Vereinen, Kirchen, Seniorenorganisationen usw. 2. Erfüllung aller gesetzlichen Anforderungen des SGB, Heimgesetz; HeimMindBauVO, HeimPersVO usw. 2. Einbindung der Kommune, Verwaltung, Lokalpolitik 3. Gültigkeit aller Kontrollmechanismen von Heimaufsicht, MDK 3. Integration ins Gemeinwesen 4. Einsatz modernster Techniken (Desorientierungssysteme, Notruf über Dectgeräte, EDV- Dokumentation) 4. Qualitative Ergänzung des vorhandenen Pflegeangebotes der Gemeinde/Quartier/Region 22
Präsenzkräfte Haushaltsführung und Mithilfe in der Grundpflege - Haushalt als Therapie - Wer kocht, bügelt, wäscht und backt macht Gedächtnistraining, Sturzprophylaxe, usw. - Stärkung der Ressourcen Ganz wichtig: KOMMUNIKATION STIMMUNG ATMOSPHÄRE 23
Aufgabenbereiche der Präsenzkräfte Wohnungsführung unter Leitung einer Wohnungsleitung Planung der individuellen Lebensmittelbeschaffung unter Berücksichtigung biografischer Daten Komplette Mahlzeitenzubereitung in jeder Wohnung einschl. tägl. Backen Bewohnerbezogene Wäscheversorgung und Waschen der gesamten Wohnungswäsche nach internem Hygienekonzept Reinigung der Wohnung einschl. Bewohnerzimmer Speisenplanung mit Bewohnern und Angehörigen, z.b.wunschessen, Geburtstagsessen, Trostessen, etc Förderung und Aktivierung der Bewohner mit und durch Haushaltstätigkeiten Individuelle Tagesgestaltung Übernahme und Unterstützung von Pflegehilfstätigkeiten Gestaltung Ihrer Wohnung 24
Das bisschen Haushalt Pflege- und Präsenzkräfte mit Bewohnern. Zu Hause ist das Bügeln so wichtig wie die Vitalzeichen. 25
Pflegekräfte - Grund- und Behandlungspflege - Steuerung des Pflegeprozesses - 24-Stunden Anwesenheit; - Ressourcenorientiert - Aktivierend - Bedürfnisorientiert -teamübergreifend Ganz wichtig: KOMMUNIKATION STIMMUNG ATMOSPHÄRE 26
Betreuungskräfte Aufgaben nach 87b SGB XI Soziale Betreuung, Abendgestaltung - Schnittstellenfunktion bei Planung von Ausflügen, hausinternen Veranstaltungen, Festen - Einzel- und Gruppenbetreuung - Freizeitangebote (Urlaub usw.) - Teamübergreifende Begleitung der haushaltsnahen Tätigkeiten und Gartenarbeit - Kontaktpflege zu Vereinen und Gemeindewesen 27
Auswirkungen des BeneVit- Hausgemeinschaftskonzeptes Schaffung von wohnortnahen, kleinere Einheiten (50-82 Plätze in 4-6 Wohngemeinschaften) Schaffung und Sicherung von dezentralen Arbeitsplätzen Attraktivere Arbeitsplätze durch Ganzheitlichkeit Rückgang der Pflegebedürftigkeit bei Bewohnern Geringere Kosten durch niedrigere Pflegeeinstufungen für Pflegekassen Mehr Lebensqualität für Bewohner Ermöglichung von bezahlten Eigenleistungen durch Angehörige Wandel ist eingeleitet und in der praktischen Umsetzung. 28
Alt werden ist wie auf einen Berg steigen. Je höher man kommt, um so mehr Kräfte sind verbraucht, aber um so weiter sieht man! (Ingmar Bergmann) 29
Aufteilung der Mitarbeiter im Haus Auengarten, BeneVit Lahnau, mit 6 Wohnungen Pflegestufenverteilung Pflegestufe 0 11,5% Pflegestufe 1 45% Pflegestufe 2 34,6% Pflegestufe 3 6,4% Fachkraftbesetzung 14 VK (variiert nach Pflegestufenverteilung ) Pflegehilfskraftbesetzung 5 VK Präsenzkraftbesetzung 20 VK 30
Mitarbeiterverteilung auf die Wohnungen im Haus Auengarten, BeneVit Lahnau Jedes Wohnungsteam besteht aus 4-5 Präsenz Mitarbeitern unter Leitung einer Wohnungsleitung in einer Kernarbeitszeit von 07:00h bis 20:30h in unterschiedlichen Dienstzeitmodellen. Diese Mitarbeiter stehen unter der Leitung der Hauswirtschaftsleitung. Das Etagenteam der Pflegekräfte besteht aus ca. 6 Mitarbeiter unter Leitung einer Etagenleitung mit 24 h Anwesenheitspflicht in unterschiedlichen Dienstzeitmodellen, übergeordnet ist die leitende Pflegefachkraft verantwortlich. Für die Pflegekräfte wird ein Gesamtdienstplan geführt. 31
Betreuungsteam im Haus Auengarten, BeneVit Lahnau Das Betreuungsteam besteht aus Ergotherapeuten und Betreuungsassistenten nach 87b mit derzeit ca. 2 VK. Zusätzliche Betreuungsleistung mit Einbindung der Bewohner in Haushaltstätigkeiten erfolgt täglich im Wohnungsalltag. 32
Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit Ute Großmann, BeneVit Lahnau Bruno Lehberger, DRK Kreisverband Dillkreis e. V. 33