Beiträge zur angewandten Wirtschaftsforschung



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Transkript:

Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik No. 587-00 Was für die Kapitaldeckung und was für das Umlageverfahren spricht Axel Börsch-Supan Beiträge zur angewandten Wirtschaftsforschung Universität Mannheim A5, 6 D-68131 Mannheim

Was für die Kapitaldeckung und was für das Umlageverfahren spricht. von Prof. Axel Börsch-Supan, Ph.D., Institut für Volkswirtschaftslehre und Statistik der Universität Mannheim [8. Januar 2000: Überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Fassung eines Artikels für die Sonderbeilage des Rheinischen Merkur am 2. Oktober 1998] Trotz der Rentenreform 1992, der vielen anschließenden Nachbesserungen, und der neuerlichen Anläufe für eine Rentenreform in den Jahren 1998 und 1999 hat die rentenpolitische Debatte in Deutschland nicht aufgehört. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die tief liegenden Probleme unseres jetzigen Systems konnten durch die bisherigen Reformansätze nur höchst partiell gelöst werden, während die Konsequenzen der immer wieder verschobenen Strukturreform laufend spürbarer werden. Die Debatte spitzt sich meist schnell auf die Systemfrage zu, d.h., ob und wieviel des jetzigen Umlageverfahrens wieder durch ein Kapitaldeckungsverfahren ersetzt werden soll (das ursprüngliche Bismarcksche Finanzierungsverfahren, was immer wieder bei Anspielungen auf unser bewährtes Rentensystem vergessen wird), obwohl es noch viele andere Designprobleme unseres heutigen Rentensystems gibt, die der Lösung bedürfen, so zum Beispiel die anachronistische Rentenabsicherung von Frauen. Die Zuspitzung der Debatte auf eine Abkehr vom Generationenvertrag ist dabei allerdings inhaltlich falsch und in ihrer Schärfe bedauerlich, weil sie das Verhältnis zwischen den Generationen trübt, etwa wenn die ältere Generation der jüngeren Undank oder die jüngere der älteren Ausbeutung vorwirft. Andererseits hilft aber eine Zuspitzung, Grundpositionen klar zu sehen. Dies ist für eine so komplexe Materie wie der zukünftigen Gestaltung unseres Rentensystems und der Diskussion, ob wir uns von unserem jetzigen Rentensystem prinzipiell abkehren oder dieses nur durch neue Elemente ergänzen wollen, durchaus auch hilfreich. Im folgenden will ich daher zunächst einmal in zugespitzter Deutlichkeit Unterschiede und 1

Gemeinsamkeiten sowie Vorteile und Nachteile der alternativen Rentensysteme aufzeichnen. Daraus wird schnell erkenntlich um das Ergebnis vorwegzunehmen daß es nicht darum gehen kann, sich vollständig vom heutigen System abzukehren, daß es aber für alle Beteiligten besser ist, wenn die Gewichte zwischen umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Rente deutlich verschoben werden. Altersvorsorgesysteme Im Umlageverfahren finanziert die jüngere Generation die Rente der älteren Generation durch die Beiträge aus ihrem Arbeitseinkommen. Die Beiträge zur Rentenversicherung sind in jedem Monat gleich den ausgezahlten Renten. Die Renten können steigen, wenn es mehr Arbeitnehmer gibt, wenn diese mehr verdienen, oder wenn diese mit höheren Beitragssätzen belastet werden. Ganz anders das Kapitaldeckungsverfahren. Hier wird die Rente durch die eigene Ersparnis während des Erwerbslebens finanziert. Diese muß nicht Monat für Monat gleich sein; in guten Jahren läßt sich leichter sparen als in schlechten. Die Rente fällt um so höher aus, je mehr angespart wurde und je höher die Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, Wertsteigerungen) ausfallen. Die beiden Verfahren unterscheiden sich in drei Dimensionen fundamental: Zum einen wird im Umlageverfahren monatsweise sozusagen von der Hand in den Mund gelebt, während das Kapitaldeckungsverfahren einen Ausgleich über die Zeit zwischen mageren und fetten Jahren zuläßt. Zum zweiten unterscheidet sich die Rendite, d.h. das Verhältnis der insgesamt ausbezahlten Rente zu den insgesamt eingezahlten Beiträgen, die im Umlageverfahren vom Wachstum des Lohns und der Anzahl der Arbeitnehmer pro Rentner abhängt, während sie im Kapitaldeckungsverfahren von den Kapitalerträgen bestimmt wird. Drittens arbeitet das Umlageverfahren national, da es aus den Beiträgen der in Deutschland sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern finanziert wird, während das Kapitaldeckungsverfahren eine internationale Komponente erhalten kann, wenn ein Teil der Ersparnisse im Ausland angelegt wird. Über diese fundamentalen Unterschiede geraten die Gemeinsamkeiten übrigens oft in Vergessenheit. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist, daß beide Verfahren auf unseren Kindern aufbauen. Im Umlageverfahren ist dies sofort klar, da die Beiträge der Kinder die Renten der Eltern bezahlen. Aber auch das Kapitaldeckungsverfahren beruht darauf, 2

daß die Kinder die Zinsen, Dividenden und Wertzuwächse zahlen, aus denen die Renten des Kapitaldeckungsverfahren stammen. Ohne Kinder kann es in keiner Welt Renten geben. Das Umlageverfahren hat also den Generationenvertrag keineswegs gepachtet. Damit teilen auch beide Verfahren den großen Nachteil, daß man auf Kosten anderer leben kann, wenn man es anderen überläßt, in vieler Hinsicht teuer Kinder zu bekommen und aufzuziehen. In der Tat argumentieren viele Demographen, daß der Geburtenrückgang der letzten Jahrzehnte nicht zuletzt dadurch zustande gekommen ist, daß im Gegensatz zu archaischen Zeiten Kinder nicht mehr als für die Altersversorgung nötig erachtet werden. Aus der Perspektive des einzelnen mag dies richtig erscheinen, für die Gemeinschaft als Ganzes ist diese Ansicht aber grundfalsch, und zwar sowohl im Kapitaldeckungs- wie im Umlageverfahren. Eine Reform des Familienlastenausgleichs ist daher vonnöten, ganz gleich, ob wir beim Umlageverfahren bleiben oder es evtl. nur komponentenweise durch ein Kapitaldeckungsverfahren ersetzen. Aber zurück zu den fundamentalen Unterschieden zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren. Aus ihnen folgen gravierende Vor- und Nachteile beider Verfahren, die für ein Mischsystem sprechen. Im Umlageverfahren muß der Arbeitnehmer in Zeiten der Anspannung etwa bei großer Arbeitslosigkeit hohe Beiträge entrichten, in besseren Zeiten geringe. Hinzu kommen politische Spielereien mit dem Rentensystem, nicht zuletzt in Wahljahren. Beides führt zu häufigen Schwankungen des Beitragssatzes, etwa dem häufigen Auf- und selteneren Ab, das wir in den letzten Jahren in Deutschland erlebt haben. Noch gefährlicher ist die Abhängigkeit der umlagefinanzierten Rente von der Demographie, speziell dem zahlenmäßigen Verhältnis von Rentnern zu Arbeitnehmern, das sich innerhalb der nächsten 25-30 Jahre etwa verdoppeln wird ohne einschneidende Maßnahmen und deutlichen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt müßte sich also der Beitragssatz verdoppeln oder die Rente halbieren. Selbst nach der ursprünglich geplanten Rentenreform 1999 hätte der Beitragssatz nach den sehr optimistischen Annahmen der damaligen Bundesregierung auf etwa 25 Prozent ansteigen müssen, obwohl sowohl das Rentenniveau kräftig gesenkt, das Renteneintrittsalter deutlich angehoben und die Möglichkeiten der Frühverrentung signifikant eingeschränkt werden sollten. (Bezüglich der zunehmenden Lebenserwartung realistischere Berechnungen erwarteten sogar einen Anstieg auf 27-28 Prozent). 3

Diesen gravierenden Nachteilen des Umlageverfahrens steht der Vorteil gegenüber, daß die Rente im Umlageverfahrens an das Arbeitseinkommen gekoppelt ist, das recht gleichmäßig, wenn auch oft nur sehr langsam wächst. Im Gegensatz dazu ist die Rendite im Kapitaldeckungsverfahren den Schwankungen des Kapitalmarktes ausgesetzt, die unsere Nerven strapazieren können. Dramatische Beispiele waren die Asienkrise oder der Einbruch Mexikos, weitere werden folgen. Dies ist ein vielen fatal erscheinender Nachteil des Kapitaldeckungsverfahrens. Allerdings ist ein genauerer Blick vonnöten, oder besser gleich zwei. Denn zum einen ist die stetige und verläßliche Rendite des Umlageverfahrens leider sehr gering und nach den gängigen versicherungsmathematischen Berechnungen sogar negativ für die junge Generation, die derzeit in das Arbeitsleben eintritt: Sie wird mehr Beiträge einzahlen müssen als Rente beziehen können, da zukünftige Zuwächse des Arbeitseinkommens durch den demographische Wandel überkompensiert werden. Der demographische Wandel macht die Vorteile des Umlageverfahrens, die zur seiner Einführung durch den Bundestag im Jahre 1957 geführt haben und die Generation derer, die derzeit in Rente gehen, noch genießen können, zunichte. Adenauer berühmtes Diktum Kinder bekommen sie immer hat sich als falsch erwiesen. Schon bei einer bescheidenen Rendite auf dem Kapitalmarkt erscheint für den jungen Arbeitnehmer daher das Kapitaldeckungsverfahren attraktiver. Zum zweiten sind die oft hektischen Schwankungen der Tageskurse nicht relevant für die Sicherheit einer kapitalgedeckten Rente. Dies wird am deutlichsten am Beispiel der übervorsichtigen Pessimisten, die nur festverzinsliche Anleihen halten und sich von Aktien fernhalten sie können immer noch von einer soliden dreiprozentigen Kapitalrendite (real) ausgehen. Der gesamte deutsche Kapitalmarkt, also Anleihen, Beteiligungen und Aktien zusammengenommen, hat im Schnitt der letzten 25 Jahre sogar eine reale Rendite von über 7 Prozent erwirtschaftet, und dies trotz niedriger Renditen in den siebziger Jahren und mehrerer dramatischer Einbrüche, nicht zuletzt dem der Asienkrise. Diese hohe Kapitalmarktrendite erlaubt es den Lebensversicherungen und Pensionsfonds, langfristige Anlageinstrumente zu entwickeln, die die heftigen kurz- und 4

mittelfristigen Schwankungen der Kapitalerträge kompensieren: Solche Fonds können über die Zeit ausgleichen. Das betrifft nicht nur die kurzfristigen Schwankungen der Börse und die mittelfristigen der Demographie, sondern auch die verschiedenen Ansprüche der Anleger während ihres eigenen Lebens. Anleger, die bald in Rente gehen, sind gut beraten, sich von den Unwägbarkeiten des Aktienmarktes völlig abzukoppeln, während es für junge Anleger, die am Anfang ihres Erwerbslebens stehen, wichtiger ist, hohe Renditen zu erzielen, selbst wenn diese ein hohes Risiko tragen. Fonds können kontinuierlich zwischen diesen Anlegern umschichten und jedem einzelnen eine Anlage bieten, die mit zunehmendem Alter immer sicherer wird. Solche Fonds haben niedrigere Renditen als der Kapitalmarkt. Diese Renditen können aber garantiert werden und liegen in jedem Fall deutlich über denen des Umlageverfahrens. Die Volatilität des Kapitalmarktes ist daher keineswegs ein Gegengrund für eine weitgehende Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren. Um diese Gelassenheit gegenüber Kapitalmarktschwankungen zu verstehen, hilft es, sich klarzumachen, daß die Kapitalmarktrendite im langfristigen Durchschnitt und nur dieser ist relevant, wenn es um Renten geht, wo keine schnelle Mark verdient, sondern ein ausreichendes Renteneinkommen angesammelt werden muß nichts anderes widerspiegelt als die Einschätzung, inwieweit die Maschinen und Gebäude, aber auch das Know-how der Unternehmen eines Landes zum Bruttosozialprodukt beitragen. Wer das Kapitaldeckungsverfahren für verantwortungslos hält und solche scharfen Worte fallen hat das Basisvertrauen in unsere ganze Volkswirtschaft verloren. Wenn man aber dieses Basisvertrauen verloren hat, wie kann man dann davon ausgehen, daß die Maschinen, die Gebäude und das Know-how der Unternehmen den Arbeitnehmern noch hohe Löhne verschaffen kann, aus denen das Umlageverfahren finanziert werden soll? Kapital und Arbeit bedingen sich in einer modernen Volkswirtschaft: Entweder sind beide produktiv, oder wir haben in beiderlei Hinsicht eine tiefe Krise. Zum Punkt Risiko sei schließlich daran erinnert, daß die Renten im Umlageverfahren ja auch keineswegs sicher sind, sondern zusätzlich zu den demographischen Bedrohung auch den Risiken und Unwägbarkeiten des politischen Prozesses unterliegen. Aktuelle Beispiele sind die recht willkürliche Aussetzung der Nettolohnanpassung und deren 5

Ersatz durch einen reinen Inflationsausgleich in folgenden beiden Jahren, und die verschiedenen Rentenformeln und demographischen Faktoren, die im politischen Geschäft derzeit gehandelt werden. Hier sei eine Grundsatzbemerkung erlaubt: Kein System, das dreißig bis vierzig Jahre im voraus die Rente absichert, kann je sicher sein; jedes Alterssicherungssystem überläßt ein Restrisiko auch dem Einzelnen, und es geht darum, dies in den verschiedenen Alternativen abzuschätzen und gegen die entsprechenden Rentenleistungen abzuwägen. Für ein Mischsystem mit deutlich mehr Kapitaldeckung Damit wären wir wieder am ursprünglichen Thema angelangt. Angesichts der langfristig höheren Rendite des Kapitaldeckungsverfahren und der fatalen Abhängigkeit des Umlageverfahrens von der demographischen Entwicklung, plädiere ich daher für eine deutliche Verschiebung der Gewichte vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren. Schon jetzt haben wir ja keineswegs ein reines Umlageverfahren. Die Gesetzliche Rentenversicherung und ihre Parallelinstitutionen decken etwa 80-85% des Einkommens älterer Mitbürger ab, der Rest sind Ersparnisse, Betriebs- und Leibrenten, die auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruhen. Jede neuerliche Rentenreform, in welcher Form sie nun letztendlich realisiert wird, wird diesen Anteil des Kapitaldeckungsverfahrens noch stärken, wenn das Rentenniveau weiter abgesenkt wird. Ironischerweise hat gerade der langjährige ehemalige Bundesarbeitsminister, der das Kapitaldeckungsverfahren als alternatives Rentenkonzept stets vehement abgelehnt hat, selbst einen schleichenden Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren eingeläutet, in dem er eine mehr oder weniger stille Leistungskürzung noch vor den letzten Bundestagswahlen begonnen hat. Denn auch ohne den sogenannten demographischen Faktor liegen die Rentenansprüche der Arbeitnehmer, die in zehn Jahren in Rente gehen werden, um mehr als 10% niedriger als die Renten der Arbeitnehmer, die heute in Rente gehen. Dies liegt größtenteils an den verschiedenen Anrechnungszeiten für Berufsausbildung und Beginn. Viele Erwerbstätige haben bereits begonnen, darauf zu reagieren. So beobachtet man ein Anwachsen der Einzahlungen in Lebensversicherungen unter den jüngeren Arbeitnehmern, sowie eine deutliche Ausweitung der bisher in Deutschland weitgehend unbekannten Pensionsfonds 6

eben ein schleichender Übergang zu einem stärker kapitalgedeckten Mischverfahren, aber sozusagen im Wildwuchs. Eine weitergehende und systematischere Umschichtung von Beiträgen zur Gesetzlichen Rentenversicherung in Pensionsfonds, Lebensversicherungen etc., wäre jedoch deutlich vorteilhafter. Zum einen ist jede Mark Umschichtung im doppelten Sinne profitabel. Dank der großen Renditeunterschiede läßt sich für eine Mark Beitragssenkung des Umlageverfahrens eine Leibrente anlegen, die etwa dreimal so hoch ist wie der durch die Beitragssenkung entstandene Rückgang des Rentenniveaus im Umlageverfahren. Zum zweiten entlastet eine solche Umschichtung die deutsche Wirtschaft von Lohnnebenkosten, da eigene Ersparnisse nicht als verlorene Steuern angesehen werden so wie dies die meisten jüngeren Arbeitnehmer von ihren Sozialbeiträgen empfinden. Drittens schließlich ist ein geordneter Übergang schon deswegen vonnöten, da es ansonsten schnell zu Geschäften mit unredlichen Kapitalanlagegesellschaften kommt, wie es das Beispiel Großbritanniens gezeigt hat. Eine völlige Abkehr vom bestehenden System ist jedoch nicht sinnvoll. Zunächst muß das bestehende System natürlich noch die jetzigen Rentner finanzieren, ein Übergang ist also nur allmählich möglich: Er dauert mindestens eine Generation, da die Beiträge eines ganzen Arbeitslebens umgestellt werden müssen. Entsprechende Übergangsmodelle sind mehrfach ausgearbeitet worden. Sie zeigen, daß die finanziellen Zusatzbelastungen dadurch, daß eine Zeitlang jüngere Arbeitnehmer sowohl für sich selbst ansparen als auch noch die Rente der Eltern zahlen müssen, sich in engen Grenzen halten oder ganz vermeiden lassen. Für noch jüngere Arbeitnehmer, etwa ab dem Geburtsjahrgang 1970, ist eine Umstellung in jedem Fall profitabel. Wiederum folgt dies aus den großen Renditeunterschieden. Aber auch abgesehen von dieser Übergangsphase ist ein Nebeneinander von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren sinnvoll. Der wichtigste Grund ist, daß ein Alterssicherungssystem in einer zivilisierten Gesellschaft auch immer diejenigen Rentner finanzieren muß, die im Arbeitsleben keine ausreichende Rente erwirtschaften konnten. Eine Grundsicherung im Alter, so wie sie derzeit eine komplizierte Mischung aus Rente nach Mindesteinkommen und Sozialhilfe garantiert, ist wichtig und kann nur durch eine Umlage von den Reichen zu den Armen finanziert 7

werden. Auch die Integration der Renten in den neuen Bundesländern war nur durch eine Umlage vom Westen in den Osten möglich. Will man den Familienlastenausgleich stärker in der Rente verankern, geht auch dies nur mit einer Umlage von den kinderarmen zu den kinderreichen Familien. Schließlich zwingen die allzu bekannten menschlichen Schwächen auch dazu, einen großen Teil der Altersvorsorge verpflichtend zu machen. Eine völlige Abkehr zu einem Rentenmodell, indem die gesamte Vorsorge der freiwilligen privaten Ersparnis in Pensionsfonds und Lebensversicherungen überlassen wird, ist schon deswegen unmöglich, da die Versuchung, das leidvolle Sparen auf später zu verschieben, viel zu groß ist. So bietet sich in meinen Augen ein Mehrsäulenmodell an, in dem erste Hälfte der Absicherung im Alter weiterhin im Umlageverfahren finanziert wird. Ebenfalls im Umlageverfahren muß die Sozialkomponente finanziert werden. Ob eine für alle gleiche Grundabsicherung im Alter unter, bei, oder über dem heutigen Sozialhilfesatz liegen soll, muß der Bundestag entscheiden. Altersarmut ist derzeit zwar selten von Armut sind viel häufiger Kinder betroffen aber ein Absenken der umlagefinanzierten Rente darf nicht zu mehr Altersarmut führen. Eine üppige Grundsicherung ist allerdings schwer finanzierbar und hat starke negative Wirkungen auf den Arbeitsmarkt, da dadurch der Beitragsbezug der Rente unterhöhlt wird. Auf dieser umlagefinanzierten Basis baut eine verpflichtende kapitalgedeckte Rente auf. In wie weit diese verpflichtend sein soll, hängt vom Niveau der Basisabsicherung im Umlageverfahren ab. Bleibt man hier bei einem Niveau um die 64 %, wie es in der so genannten Rentenreform 1999 avisiert war, erscheint mir ein Obligatorium überflüssig, ja sogar schädlich, da jegliche Zwangsabgaben negative Arbeitsanreize ausüben, weil sie wie Steuern bzw. Lohnnebenkosten wirken, während freiwillige Ersparnis für das Alter wie jede andere private Ersparnis frei vom Steuercharakter der Sozialbeiträge ist und die Identifikation mit dem Alterssicherungssystem fördert ( meine Rente, deren Mindestdeckungskapital im Gegensatz zum Umlageverfahren in der Höhe verbrieft werden kann). 8

Wird ein deutlich niedrigeres Niveau der Basisabsicherung angestrebt, etwa wie in der Schweiz oder in den Niederlanden, wo das Umlageverfahren nur noch knapp die Hälfte der Gesamteinkünfte im Alter sichert, ist dagegen auch im kapitalgedeckten Teil der Alterssicherung eine Pflichtkomponente unausweichlich, da die Versuchung, das eigene Sparen aufzuschieben, groß ist und die Gefahr, dann bei einer sehr niedrigen Rente zu enden, die oben genannten psychologischen Vorteile überwiegt. Eine darüber hinausgehende Absicherung, die sicher ein Großteil der Arbeitnehmer anstrebt, kann aber weiterhin der Initiative des Einzelnen überlassen werden. Weiterhin verbleibt also die Basisabsicherung einschließlich einer stärkeren Sozialkomponente umlagefinanziert, und weiterhin werden die Besserverdienenden sich schon wie bisher zusätzlich absichern wollen. Eine Systemumstellung ist also nur für die mittlere Komponente nötig ein Unterfangen, das überschaubar und finanzierbar ist und dennoch unsere Kinder von den bedrohlichen Beitragssteigerungen entlasten wird, die nach weiteren Stückwerkreformen unumgänglich wären, wenn diese wie die Ansätze der Jahre 1992 und 1998 rein im Umlageverfahren verhaftet blieben. 9