Handbuch Prozessmanagement. Version 3.0



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Transkript:

Handbuch Prozessmanagement Version 3.0

Handbuch Prozessmanagement Version 3.0

Inhaltsverzeichnis 0 Ziele und Aufbau des Handbuchs 07 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 10 1.1 Prozessmanagement in der Verwaltung 10 1.2 Definitionen 11 1.3 Nutzen des Prozessmanagements für die einzelne Behörde / Einrichtung 13 1.4 Ziele der Einführung des Prozessmanagements im Rahmen der Strategie für IT und E-Government im Freistaat Sachsen 15 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 17 2.1 Strategische und operative Sicht des Prozessmanagements 17 2.2 Grundsätzliches Vorgehen zur Einführung von Prozessmanagement in Sachsen 19 2.3 Beteiligte an der Einführung von Prozessmanagement 20 2.3.1 Behörde / Einrichtung 20 2.3.2 Referat 63 im Staatsministerium des Innern 20 2.4 Projektmanagement 21 2.5 Veränderungsmanagement 23 2.6 Werkzeuge und Methoden zur Dokumentation und Modellierung von Prozessen 27 2.6.1 Prozessplattform Sachsen 28 2.6.2 Beschreibungsmethoden 31 3 Teil III: Vorgehensmodell zur Einführung von Prozessmanagement in einer Behörde 35 3.1 Einführung von operativem Prozessmanagement 35 3.1.1 Vorphase: Voraussetzungen schaffen 37 3.1.2 Phase 1: Prozessbezogene Ziele festlegen 44 3.1.3 Phase 2: Ist-Situation erheben und analysieren 51 3.1.4 Phase 3: Abläufe und Strukturen optimieren 58 3.1.5 Phase 4: Soll-Prozesse und Strukturen einführen 63 3.1.6 Phase 5: Nachhaltigkeit sichern und evaluieren 68 3.2 Einführung von strategischem Prozessmanagement 72 3.2.1 Einführung prozessbezogener Rollen 73 3.2.2 Anpassung der Aufbauorganisation 76 3.2.3 Einführung von prozessübergreifenden Qualitätsstrukturen 78 Inhaltsverzeichnis 03

4 Erläuterung der Methoden 81 4.1 Aufwandsschätzung 81 4.2 ABC-Analyse 81 4.3 Aufgabenkritik 83 4.4 Benchmarking 83 4.5 Datenerhebung durch Dokumentenanalyse 84 4.6 Datenerhebung durch Laufzettelverfahren 84 4.7 Datenerhebung durch Multimomentverfahren 85 4.8 Datenerhebung durch schriftliche Befragung 87 4.9 Datenerhebung Selbstaufschreibung 87 4.10 Datenerhebung durch strukturierte Interviews oder Workshops 87 4.11 Dokumentation von Prozessen: Business Process Modelling Notation (BPMN) 88 4.12 Dokumentation von Prozessen: Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) 88 4.13 Dokumentation von Prozessen: Picture 89 4.14 Kapitalwertmethode 89 4.15 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 89 4.16 Kosten-Nutzen-Analyse 90 4.17 Kostenvergleichsrechnung 90 4.18 Moderation von Workshops 91 4.19 Nutzwertanalyse 92 4.20 Schulungen und Betreuung 93 4.21 Simulation (Wenn-Dann-Analyse) 93 4.22 Soll-Ist-Vergleich / Abweichungsanalyse 93 4.23 Stakeholder-Analyse 94 5 Checkliste für die Vorphase 95 6 Anlage: Checkliste Phase 1: Prozessbezogene Ziele festlegen 96 7 Anlage: Checkliste Phase 2: Ist-Situation erheben und analysieren 97 8 Anlage: Checkliste Phase 3: Abläufe und Strukturen optimieren 98 9 Anlage: Checkliste Phase 4: Soll-Prozess und Strukturen einführen 99 10 Anlage: Checkliste Phase 5: Nachhaltigkeit sichern und evaluieren 100 04 Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Operatives und strategisches Prozessmanagement im Zusammenhang zu Qualitätsmanagement 18 Abbildung 2: Vorgehen zur Einführung von Prozessmanagement (grob) 19 Abbildung 3: Emotionale Kurve bei Veränderungsprozessen 25 Abbildung 4: Prozessplattform Sachsen 30 Abbildung 5: Teilprozessdarstellung auf Bausteinebene (PICTURE-Methode) 33 Abbildung 6: Vorgehensmodell zur Umsetzung von Prozessmanagement 36 Abbildung 7: Prozesssteckbrief (Auszug) 40 Abbildung 8: Prozesslandkarte 41 Abbildung 9: Struktur des Prozesses Dienstreise bearbeiten (PICTURE-Methode) 46 Abbildung 10: Steckbrief für den Prozess Dienstreise bearbeiten (PICTURE-Methode) 47 Abbildung 11: Bausteinsicht auf relevante Prozessbereiche (PICTURE-Methode) 48 Abbildung 12: Darstellung der Schritte im Ist-Prozess Elektronischen Posteingang des Formularservices (BaK FS) registrieren (PICTURE-Methode) 53 Abbildung 13: Grundsätzliches Vorgehen zur Analyse der Ist-Situation 54 Abbildung 14: Verbesserungsmöglichkeiten bei Prozessen nach DIN FB 158 56 Abbildung 15: Soll-Prozess Modellierung Teilprozess Dienstreise initialisieren mit der Variante Dienstreise beantragen (PICTURE-Methode) 61 Abbildung 16: Soll-Ist-Vergleich Teilprozess Dienstreise initialisieren mit der Variante Dienstreise beantragen (PICTURE-Methode) 62 Abbildung 17: Produktivitätslücke nach der Umsetzung von Veränderungen (Quelle Projektleitfaden E-Verwaltungsarbeit des BMI) 66 Abbildung 18: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (nach DIN Fachbericht 158) 70 Abbildung 19: Funktionsorientierte Aufbauorganisation 76 Abbildung 20: Prozessorientierte Aufbauorganisation 77 Abbildung 21: Dimensionen des Reifegradmodells EDEN 79 Abbildung 22: Betrachtungsebenen des Reifegradmodells EDEN 79 Abbildung 23: Ergebnisdarstellung einer Reifegradanalyse nach dem Reifegradmodell EDEN 80 Abbildungsverzeichnis 05

0 Ziele und Aufbau des Handbuchs Ziele und Zielgruppe des Handbuchs Ziel von Prozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung ist es, Verwaltungsstrukturen so zu gestalten, dass Verwaltungsleistungen effektiv und effizient erbracht werden können. Dafür ist es notwendig, Verwaltungsprozesse zu identifizieren, zu dokumentieren, zu optimieren und kontinuierlich auf Verbesserungsmöglichkeiten zu prüfen. Das vorliegende Handbuch richtet sich an Mitarbeiter 1 der staatlichen Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen, die sich mit Prozessmanagement und Organisationsgestaltung befassen bzw. befassen sollen. Das Handbuch richtet sich gleichzeitig auch an die sächsischen Kommunalverwaltungen und kann für die dortige Organisationsgestaltung genutzt werden. Es bietet allen Mitarbeitern, die mit den Aufgaben Qualitätsoder Prozessmanagement betraut sind, eine Unterstützung für die eigene Arbeit in Form eines fachlichen Leitfadens. Dieser Leitfaden soll Projektleitern, die mit der Einführung von Prozessmanagement betraut sind, in den Bereichen Projektvorgehen und Veränderungsmanagement helfen. Das Handbuch bietet zudem Übersichten und Checklisten sowie Erläuterungen zu Begriffen und Methoden. Der fachliche Leitfaden und die Checklisten sind allgemein formuliert und weisen keine Behördenspezifik auf. Bei der Einführung von Prozessmanagement muss jede Behörde selbst entscheiden, ob und wie mit Blick auf eigene Besonderheiten der Leitfaden angewandt werden kann. In dieser zweiten aktualisierten Auflage wurde eine inhaltliche Straffung vorgenommen. Zudem wurden insbesondere die Themen Prozessplattform Sachsen und Praxisbeispiele im Vorgehensmodell überarbeitet bzw. ergänzt. 1 In diesem Handbuch wurde zugunsten einer guten Lesbarkeit auf die Benennung der jeweils weiblichen und männlichen Form verzichtet. Es sind Frauen und Männer gleichermaßen gemeint. 0 Ziele und Aufbau des Handbuchs 07

Aufbau des Handbuchs Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen Im ersten Teil des Handbuchs werden die Rahmenbedingungen von Prozessmanagement in der sächsischen Staatsverwaltung beschrieben. Es wird dargestellt, was Prozessmanagement ist und welchen Nutzen es für Behörden hat. Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen Im zweiten Teil des Handbuchs werden die Grundlagen zur Einführung von Prozessmanagement beschrieben. Es werden die Unterstützungsmöglichkeiten durch das Sächsische Staatsministerium des Innern dargestellt. Danach werden die notwendigen, organisatorischen Rahmenbedingungen in der einzelnen Behörde erläutert. Dabei wird auf die Schwerpunkte Projektmanagement und Veränderungsmanagement näher eingegangen. Für die Dokumentation von Prozessen werden Methoden und Werkzeuge bereitgestellt, die ebenfalls in Teil II vorgestellt werden. Teil III: Fachlicher Leitfaden Im dritten Teil des Handbuchs wird ein fachlicher Leitfaden zur Einführung von Prozessmanagement innerhalb von Behörden vorgestellt. Er basiert auf dem Vorgehensmodell des DIN-Fachberichts 158 (Geschäftsprozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung). Der Leitfaden enthält Hinweise zum Vorgehen und Vorschläge zur Gestaltung des Einführungsprozesses. Teil IV: Erläuterung Der Methoden Im fachlichen Leitfaden zur Einführung von Prozessmanagement werden bei der Erläuterung der Phasen des Vorgehens jeweils unterschiedliche Methoden genannt. Alle dort aufgeführten Methoden werden im fünften Teil des Handbuchs erläutert. Anhang In den Anlagen werden die im Dokument aufgeführten Checklisten zusammenfassend bereitgestellt. 08 0 Ziele und Aufbau des Handbuchs

Verwendete Quellen Bei der Erstellung des Handbuchs wurden folgende Quellen berücksichtigt: Deutsches Institut für Normung; Normenausschuss Informationstechnik und Anwendungen (NIA), Arbeitskreis Geschäftsprozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung, DIN Fachbericht 158: Geschäftsprozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung; Vorgehensmodell, Berlin 2009. Handbuch für Organisationsuntersuchungen und Personalbedarfsermittlung Organisationshandbuch des Bundes, Berlin 2007, www.orghandbuch.de. Prozessorientierte Verwaltungsmodernisierung: Prozessmanagement im Zeitalter von E-Government und New Public Management, Heidelberg 2007. Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit Baustein: Projektleitfaden, Bundesministerium des Innern, Berlin, April 2012 Schulungsangebote Zur Einarbeitung in das Thema Prozessmanagement bietet die Akademie für die öffentliche Verwaltung des Freistaates Sachsen (AVS) das Seminar: Prozessmanagement: Analyse und Optimierung von Verwaltungsprozessen als Mittel der Organisationsgestaltung an. Nähere Informationen finden sich unter www.avs.sachsen.de. 0 Ziele und Aufbau des Handbuchs 09

1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen Das Sächsische Staatsministerium des Innern gewährleistet bei der Einführung von Prozessmanagement in den Behörden und Einrichtungen fachliche Unterstützung, z. B. in Form der in diesem Handbuch definierten Standards zur konzeptionellen und technischen Umsetzung. 1.1 Prozessmanagement in der Verwaltung Prozessmanagement ist in der öffentlichen Verwaltung prinzipiell nichts Neues. Schon in der Vergangenheit wurden Verwaltungsprozesse durch Verwaltungsvorschriften, Geschäftsverteilungspläne oder formularbasierte Abläufe festgelegt. Die in diesem Handbuch beschriebene Vorgehensweise geht jedoch über die bisherigen Ansätze hinaus. Es wird ein ganzheitlicher, kontinuierlicher Ansatz beschrieben, in dessen Fokus die Verwaltungsleistung und der Abnehmer dieser Leistung stehen. Eine prozessorientierte Betrachtungsweise des Verwaltungshandelns bedeutet in den Behörden daher ein Umdenken. Nicht die Zuständigkeiten und hierarchischen Entscheidungsstrukturen sind Ausgangspunkt einer Prozessbetrachtung, sondern Anliegen und Bedürfnisse der Abnehmer bzw. die Leistung der Verwaltung, auf sie zu reagieren. Die herkömmliche funktionsbezogene Sicht auf die öffentliche Verwaltung, die hierarchie- und aufgabenorientiert ist, reicht für die Bewältigung zukünftiger Aufgaben nicht mehr aus. Die Abnehmer bzw. Zielgruppe von Verwaltungsleistungen sind in erster Linie Bürger und Unternehmen, manchmal aber auch andere Behörden. Für sie sind Durchlauf-, Liegeund Wartezeiten oder aber Bürokratiekosten von großer Bedeutung. Dies gilt sowohl für die Dienstleistungen und Produkte der Leistungsverwaltung als auch für die Eingriffs- 10 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

verwaltung. Dabei gibt es je nach Kunden- und Qualitätsanspruch, politischer Bedeutung oder Effizienzeinschätzung Prozesse, für deren Ablauf eine stärkere Verbindlichkeit hergestellt werden muss und andererseits Prozesse, für die dies weniger nötig ist. 1.2 Definitionen Was ist ein Prozess? Unter einem Prozess wird die Abfolge von Arbeitsschritten verstanden, die zur Erstellung einer definierten materiellen oder immateriellen Leistung (Produkt oder Dienstleistung) notwendig sind. Dabei können Tätigkeiten zeitgleich ablaufen als auch mehrere zuständige Bearbeiter, Organisationseinheiten oder Externe beteiligt sein. In einer Prozessbeschreibung werden diese Arbeitsschritte vom Auslöser (Prozessstart) bis zum Abnehmer der entsprechenden Leistung (Prozessende) unter der Nutzung von sachlichen, personellen und zeitlichen Ressourcen dargestellt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten Prozesse zu beschreiben, z. B. visuell, verbal oder in Mischformen. Die Beschreibung von IST-Prozessen erlaubt es, diese zu analysieren und Soll-Betrachtungen anzustellen. Was ist Prozessmanagement? Prozessmanagement wird häufig in Zusammenhang mit der Regelung von Standardabläufen, kombiniert mit detaillierten Verfahrensvorschriften, gebracht. Prozessmanagement umfasst aber mehr als das alleinige Regeln von Prozessen. Prozessmanagement beschäftigt sich mit der Identifikation, Gestaltung, Dokumentation, Implementierung, Steuerung und Verbesserung von Prozessen. 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 11

Es meint demnach ein ganzheitliches und kontinuierliches Hinterfragen und Verbessern von Prozessen. Im Prozessmanagement liegt die schwerpunktmäßige Betrachtung auf folgenden Fragen: Mache ich die richtigen Dinge? (Effektivität) Mache ich die Dinge richtig? (Effizienz) Bevor Prozesse verbessert werden, sollte immer eine Aufgabenkritik durchgeführt werden. Das heißt, es muss danach gefragt werden, ob bestimmte Aufgaben der Organisation, Prozesse oder Arbeitsschritte im Prozess zukünftig weiterhin notwendig sind bzw. aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen entfallen. Es muss auch gefragt werden, ob die Prozesse oder Arbeitsschritte im Prozess zur Zielerreichung der Organisation beitragen. Wenn diese Punkte positiv beantwortet werden, sollte geklärt werden, wie effizient Aufgaben, Prozesse oder Arbeitsschritte erledigt werden. Schließlich können Soll-Betrachtungen angestellt werden. Bei der Verarbeitung von Verbesserungsmöglichkeiten sollten immer auch die Ziele der Verwaltungsmodernisierung, z. B. ein verstärkter Einsatz von modernen Formen der Informationstechnologie, berücksichtigt und ihre Unterstützung geprüft werden (vgl. 1.4). Sollte eine Organisation bereits Maßnahmen des Qualitätsmanagement ergriffen haben, muss bei der Einführung von Prozessmanagement eine enge Verzahnung mit den bereits bestehenden Qualitätsmanagementmaßnahmen erfolgen. Was bedeutet operatives und strategisches Prozessmanagement? Die Verbesserung von einzelnen Prozessen oder Prozessbereichen wird im Folgenden als operatives Prozessmanagement bezeichnet. Dies stellt in der Regel den ersten Schritt bei der Einführung von Prozessmanagement in einer Or- 12 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

ganisation dar. Aufbauend auf der Optimierung einzelner Prozesse oder Prozessbereiche, kann auch ein strategisches Prozessmanagement etabliert werden. Das strategische Prozessmanagement setzt bei der Führung von Organisationen an, es ist das Fundament eines übergreifenden Qualitätsmanagements und umfasst alle Aufgaben, die mit dem Lebenszyklus von Prozessen verbunden sind: beginnend bei der Analyse, anschließenden Beschreibung und Modellierung über die Implementierung und Ausführung bis hin zur regelmäßigen Überwachung und Auswertung der Überwachungsergebnisse. Ziel des strategischen Prozessmanagements ist es, die kontinuierliche Verbesserung der verbesserten Prozesse und die Entwicklung einer prozessorientierten Organisationsstruktur zu ermöglichen. Zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit von Optimierungen werden Mechanismen zur kontinuierlichen Prüfung und Verbesserung der Abläufe entwickelt (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess KVP). Hierfür müssen Verantwortlichkeiten und strukturelle Rahmenbedingungen innerhalb der Organisation geschaffen werden. 1.3 Nutzen des Prozessmanagements für die einzelne Behörde / Einrichtung Prozessmanagement hat für die Führungskräfte und alle Mitarbeiter einer Behörde Vorteile. Der Nutzen ergibt sich aus einer konsequenten Orientierung am Abnehmer einer Verwaltungsleistung, einer Zielklarheit und damit auch verbesserten Möglichkeiten der Zielumsetzung und der Konzentration auf die wertschöpfenden Abläufe. Inhaltliche Klarheit Ein gutes Prozessmanagement zeichnet sich durch inhaltliche Klarheit aus und führt zu Vereinfachung und Informationsverdichtung. So erhält die Behörde durch die Prozessanalyse, Prozessbeschreibung und Visualisierung einen Überblick darüber, was sie in welcher Form mit welchen Ressourcen leistet und leisten kann. Sie kann ihr Optimierungspotenzial erkennen und professioneller arbeiten. Durch die Prozessdokumentation erhöht sich die Nachvollziehbarkeit 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 13

für alle Mitarbeiter in der Behörde. So werden fachgerechte Vertretungen einfacher realisierbar und Personal kann flexibel eingesetzt werden. Einfach wirkende Strukturen Ein gutes Prozessmanagement führt zu einfach umgesetzten und einfach wirkenden Strukturen innerhalb der Behörde. Prozesse werden reibungsloser, beinhalten weniger Barrieren, dies senkt im Arbeitsalltag der Behörden Konfliktpotential und führt zur Versachlichung im Umgang mit den teilweise komplexen Verwaltungsabläufen. Dadurch und durch die Möglichkeit, für die Abnehmer und Mitarbeiter kontinuierlich Verbesserungshinweise einzubringen, erhöht sich schließlich die Zufriedenheit, nicht nur der Abnehmer der Prozessergebnisse, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter, was zu höherer Leistungsbereitschaft führt. Verantwortung im Umgang mit Ressourcen Kostensenkung Durch die effizienten Abläufe sowie die ständige Aufmerksamkeit gegenüber dem Anliegen des Abnehmers und dem Optimierungspotenzial ist ein verantwortungsvoller und transparenter Umgang mit den sachlichen und finanziellen Ressourcen gegeben. Vernetztes Wissen Die Prozessdokumentation wird zudem über den Fokus auf Zuständigkeit und über Referats- oder Abteilungsgrenzen hinaus das vernetzte Denken verstärken, da für jeden Mitarbeiter sichtbar wird, über welches Wissen er verfügt und wer in der Behörde für welche Schritte zuständig ist. Das Wissen wird für andere Prozesse anschlussfähiger und die vorhandenen Kompetenzen können besser genutzt werden. Schnelle Anpassung Durch das kontinuierliche Prozessmanagement gelingt es, sich neuen Rahmenbedingungen schneller anzupassen, d. h. gesellschaftlicher Wandel, z. B. in Form veränderter politischer Rahmenbedingungen oder veränderter Nachfragen durch den Abnehmer, wird schnell erkannt und ist besser zu bewältigen. 14 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

1.4 Ziele der Einführung des Prozessmanagements im Rahmen der Strategie für IT und E-Government im Freistaat Sachsen Die Wirksamkeit von Modernisierungsmaßnahmen kann nur überprüft werden, wenn zuvor entsprechende Zielwerte formuliert wurden. Für die Einführung des Prozessmanagements sind insbesondere folgende Ziele maßgebend: Bürger und Unternehmen können bis Ende 2020 mindestens 80% aller relevanten Verwaltungsverfahren elektronisch abwickeln. Die Durchlaufzeiten relevanter Verwaltungsverfahren sollen um durchschnittlich 15-30 % und die Bearbeitungszeiten um durchschnittlich 15% reduziert werden. Mehr als 80% aller relevanten Verwaltungsverfahren werden bis Ende 2020 im Freistaat Sachsen elektronisch abgewickelt. Zur Erreichung dieser Zielwerte kann Prozessmanagement einen wesentlichen Beitrag leisten. Prozessmanagement darf jedoch nicht als einmalige, sondern muss als eine kontinuierliche Aufgabe verstanden und organisiert werden. Nur ein kontinuierliches Prozessmanagement wird es dem Freistaat ermöglichen, dem gesellschaftlichen Wandel und den damit verbundenen Aufgaben zukunftsfähig gegenüberzutreten. Neben den Zielwerten werden insbesondere folgende Aspekte mit der Einführung von Prozessmanagement verbunden: Erhöhung der Effektivität von Verwaltungsabläufen Die Frage, ob ein Verfahren oder Vorgehen zielorientiert und damit sinnvoll zur Aufgabenerfüllung einer Organisation beiträgt also effektiv ist ist wesentlich im Kontext von Prozessoptimierung: Müssen die derzeitigen Aufgaben wahrgenommen werden bzw. müssen sie von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden? Erhöhung der Effizienz von Verwaltungsabläufen Die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und Personalressourcen sind u. a. aufgrund des demografischen Wandels rückläufig. Daher bedarf es neben einer Aufgabenzweckkritik auch einer Steigerung der Effizienz im Verwaltungshandeln: Das Verhältnis von Inputfaktoren zur erstellten Leistung der 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 15

Verwaltung muss wirtschaftlicher werden. So können z. B. eine verbesserte IT Unterstützung und die Vermeidung von Doppelarbeiten Durchlaufzeiten senken und Prozesskosten reduzieren. Schaffung von Transparenz in Verwaltungsabläufen Prozessmanagement ermöglicht die Dokumentation von Prozesswissen. Prozessrelevante Informationen werden erhoben, dokumentiert und zugänglich gemacht und dadurch Leistungen und Zusammenhänge deutlich. Diese Transparenz ist nicht für die Bürger im Rahmen der Erledigung ihrer Anliegen nützlich. Sie ermöglicht innerhalb der Verwaltung eine Wissensbewahrung und die Flexibilisierung des Personaleinsatzes. Auch Führungsaufgaben werden unterstützt, indem die Transparenz die Erreichung entsprechender Prozessziele bzw. die Messung von Prozesskennzahlen, wie etwa Prozesskosten, Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten oder Qualitätsziele, ermöglicht. Bürokratieabbau Für die Steigerung von Effektivität und Effizienz müssen unnötige bzw. überflüssig gewordene Regelungen oder Prozessschritte ausgespart werden. Ziel muss es in diesem Zusammenhang auch sein, die Bürokratielasten für Bürger und Unternehmen zu reduzieren und dadurch ganzheitlich Bürokratiekosten abzubauen. 16 1 Teil I: Rahmenbedingungen für Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 2.1 Strategische und operative Sicht des Prozessmanagements Wie bereits im Teil I dargestellt, ist der Begriff Prozessmanagement vielschichtig und kann aus verschiedenen Blickwinkeln interpretiert werden. Für die Einführung von Prozessmanagement in Sachsen sind zwei Sichtweisen von besonderem Interesse. Dies ist zum einen die Optimierung und kontinuierliche Überwachung einzelner Prozesse (operatives Prozessmanagement) und zum anderen die systematische, umfassende und kontinuierliche Optimierung und Überwachung eines großen Teils der Prozesse der gesamten Organisation vor dem Hintergrund ihrer strategischen Ziele (strategisches Prozessmanagement). Startpunkt für die Einführung von operativem Prozessmanagement sollte ein konkretes Projekt zur Optimierung eines oder weniger Prozesse sein. In einem solchen Projekt geht es darum, einen Prozess zu analysieren, nach vorher festzulegenden Zielvorgaben zu optimieren und eine kontinuierliche, auf den einzelnen Prozess ausgerichtete Überwachung und Steuerung der Prozessaktivitäten einzuführen. Da die Optimierung einen wesentlichen Teil des operativen Prozessmanagements ausmacht, wird oft nur von Prozessoptimierung gesprochen. Die hierfür nötigen Schritte sind in Abschnitt 3.1 beschrieben. Die Einführung von Prozessmanagement sollte aber nicht nur auf der Ebene einzelner Prozesse erfolgen. Bei einer zunehmenden Anzahl von optimierten Prozessen bedarf es einer systematischen, organisationsweiten Planung, Überwachung und Steuerung der Prozesse. Hierfür ist festzulegen, welche strategischen Ziele mit Prozessmanagement verfolgt werden und in welchen Bereichen eine strukturierte Einführung stattfinden soll. Je nach Ausgestaltung der Ziele und Bereiche sind dann Verantwortlichkeiten festzulegen 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 17

sowie aufbau- und ablauforganisatorische Maßnahmen zur Einführung einer prozessorientierten Organisation (vgl. Abschnitt 1.2) zu definieren und umzusetzen. Ein solches strategisches Prozessmanagement kann nicht kurzfristig eingeführt werden. Es ist vielmehr ein systematisches Vorgehen nötig, bei dem die Organisation schrittweise an den strategischen Zielen ausgerichtet wird. Strategisches Prozessmanagement kann als Teil von Qualitätsmanagement definiert werden. Für diesen Fall ist die Einführung von strategischem Prozessmanagement eine wesentliche Komponente des Qualitätsmanagements. Für die sächsische Verwaltung bedeutet dies, dass strategisches Prozessmanagement und Qualitätsmanagement im Zusammenhang betrachtet, geplant und umgesetzt werden sollten. Abbildung 1: Operatives und strategisches Prozessmanagement im Zusammenhang zu Qualitätsmanagement Der Zusammenhang von operativem und strategischem Prozessmanagement sowie Qualitätsmanagement wird in der folgenden Abbildung verdeutlicht. Die wesentlichen Schritte zur Einführung von strategischem Prozessmanagement werden in Abschnitt 3.2 erläutert. 18 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

2.2 Grundsätzliches Vorgehen zur Einführung von Prozessmanagement in Sachsen Die Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen ist ein umfangreiches Vorhaben, welches ein strukturiertes Vorgehen verlangt. Daher wurden zunächst die Grundlagen für eine strukturierte Einführung von Prozessmanagement geschaffen. Dazu gehörten u. a. die Bereitstellung von Standards und Methoden sowie die Bereitstellung einer IT-gestützten Prozessplattform. In einem weiteren Schritt wurde ein sogenanntes Verfahrensscreening durchgeführt 2. Ziel des Verfahrensscreenings war es, relevante Verfahren mit Optimierungspotenzialen zu identifizieren. Abbildung 2: Vorgehen zur Einführung von Prozessmanagement (grob) Es werden erste operative Prozessmanagementprojekte unter Anwendung des in diesem Handbuch beschriebenen Vorgehensmodells durchgeführt. Dabei soll darauf geachtet werden, dass auch die Nachhaltigkeit der Optimierungsergebnisse gesichert wird. Nach Abschluss der ersten Projekte wird das Vorgehen überprüft und es werden weitere Projekte initiiert. Hierfür stellt Referat 63 im Sächsischen Staatsministerium des Innern entsprechende Unterstützungsleistungen bereitgestellt. Ziel ist es, Prozessmanagement als Kultur in möglichst vielen Behörden zu etablieren, um so dauerhaft eine hohe Effektivität und Effizienz bei der Erbringung von Verwaltungsleistungen zu erreichen. 2 Sichtung und Bewertung relevanter Verwaltungsverfahren 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 19

2.3 Beteiligte an der Einführung von Prozessmanagement 2.3.1 Behörde / Einrichtung Die Verantwortung zur Einführung von Prozessmanagement liegt grundsätzlich bei der jeweiligen Behörde / Einrichtung. Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung ist die Begleitung und die Unterstützung der Einführung von Prozessmanagement durch die Leitungsebene. Folgende Aufgaben sind durch die jeweilige Behörde / Einrichtung wahrzunehmen: Bereitstellung von Ressourcen Mit der Einführung von Prozessmanagement können wesentliche Optimierungspotenziale ausgeschöpft werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen durch die Behörde / Einrichtung Ressourcen (Personal und Sachmittel) eingeplant werden. Die Höhe dieser Aufwände ist erst nach der Bestimmung der Projektziele und des Projektumfangs erkennbar. Bildung einer Projektorganisation Nach der Bereitstellung der benötigten Ressourcen ist das Projektteam entsprechend der Projektaufgabe zu besetzen. Dabei sollten die Qualifikationen der potenziellen Projektmitarbeiter im Vordergrund stehen. Um ein einheitliches Vorgehen im Freistaat Sachsen bei der Einführung von Prozessmanagement zu gewährleisten, wird ein fachlicher Leitfaden bereitgestellt (vgl. Teil III des Handbuchs). Ausgehend von standardisierten Vorgaben (vgl. DIN Fachbericht 158) wurde das Vorgehen unter Berücksichtigung sächsischer Rahmenbedingungen weiterentwickelt. Bei der Einführung von Prozessmanagement sind die Behörden und Einrichtungen angehalten, diesen Leitfaden bei der Projektumsetzung und der dauerhaften Etablierung von Prozessmanagement zu berücksichtigen. Nur so können übertragbare Ergebnisse erzielt und somit die Ansätze eines landesweiten Prozessmanagements verfolgt werden. 2.3.2 Referat 63 im SMI Referat 63 im SMI stellt die zentrale Stelle für die Koordinierung und Moderation des Gesamtvorhabens zur strukturier- 20 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

2.4 Projektmanagement ten Einführung von Prozessmanagement dar und wird die Verwaltungen bei entsprechenden Vorhaben unterstützen. Konkret werden folgende Unterstützungsleistungen durch das SMI angeboten: Bereitstellung von Standards und Methoden in Form des vorliegenden Handbuchs zum Prozessmanagement Bereitstellung der Prozessplattform Sachsen mit Modellierungsfunktion für das Abbilden von Prozessen Schulungen zu Prozessmanagement und zur Modellierung von Prozessen Koordinierung übergreifender Prozessoptimierungen (z. B. zwischen Land und Kommunen) Bereitstellung von externer Beratung unter dem Vorbehalt der Mittelverfügbarkeit Die Umsetzung von Prozessmanagement in einer Behörde ist ein umfassendes Vorhaben, bei dem in der Regel mehrere Organisationseinheiten und Interessensvertretungen, z. B. die Personalvertretung, zu beteiligen sind. Es ist außerdem ein einmaliges, außergewöhnliches und zeitlich begrenztes Vorhaben. Die Aufgabe, Prozessmanagement in einer Behörde einzuführen, kann daher am besten durch ein speziell für diese Aufgabe eingerichtetes Projekt, außerhalb der Linienorganisation, umgesetzt werden. Die Durchführung eines Projektes zum Prozessmanagement sollte sich auf einer Projektskizze gründen, die die inhaltlichen, zeitlichen und personellen Eckpunkte für das Vorhaben beschreibt und damit den Handlungsrahmen absteckt. Der Inhalt einer Projektskizze sollte folgende Punkte umfassen: Ziel(e) des Projektes Zielgruppe der geplanten Veränderung Darstellung der Notwendigkeit (Begründung des Vorhabens) Hintergrundinformationen zum Projektgegenstand Ressourcenplanung für die Zielerreichung (Personal, Sachkosten, Kosten für Öffentlichkeitsarbeit, Gesamtzeitraum und Eckdaten zur Terminplanung) Darstellung erster grober Meilensteine, die zeitlich und 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 21

inhaltlich definiert werden müssen Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum für die Projektleitung und die Projektgruppe Struktur der Projektorganisation (inkl. Gremien) und Entscheidungswege Art und Weise der Einbeziehung von Externen Konzeption eines Veränderungsmanagements Parameter zur Dokumentation von Informationen und Projektergebnissen Es ist wichtig, dass das Ziel zur Einführung von Prozessmanagement klar dargestellt, Ressourcen bereitgestellt, Rollen, Verantwortung und Aufgaben klar geregelt und die Projektorganisation definiert werden. Die Projektskizze sollte durch Mitglieder der zukünftigen Projektgruppe erstellt werden und Grundlage für den konkreten Projektauftrag durch die Hausleitung sein. Es muss sichergestellt sein, dass das Projekt und insbesondere der Projektleiter durch die Behördenleitung unterstützt werden. Der Projektauftrag ist für den Projektleiter die Legitimation zur Durchführung und Leitung des Projektes, die Bestätigung der Zielstellung und er öffnet Türen für die Erhebung aktueller und die Darstellung zukünftiger Arbeitsprozesse. Wird das Projekt von der Leitung nicht aktiv unterstützt, fehlt es dem Projektleiter an der Legitimation seiner Aufgaben. Für innovative Vorhaben, die trotz eines strukturierten Veränderungsmanagements nicht bei allen Mitarbeitern auf Zuspruch stoßen, kann die fehlende Leitungsunterstützung zu Komplikationen im Projektverlauf führen. Folgende Parameter sollten in einem Projektauftrag dokumentiert werden: Projektbezeichnung Zielstellung des Projektes Projektinhalt Zeitraum Projektbeteiligte und ihre Aufgaben Art der Unterstützung der Hausleitung, z. B. Teilnahme an Informations- und Kommunikationsmaßnahmen, 22 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

wie Mitarbeiterversammlung Informationsfluss / Berichterstattung zur Hausleitung Für die Planung der weiteren Projektarbeit ist es sinnvoll, wenn ein genauer Meilensteinplan innerhalb der Projektgruppe erarbeitet wird. In diesem Plan werden auch die Arbeitspakete sichtbar und die notwendigen Schritte für die Kommunikation innerhalb der Abteilungen zeichnen sich ab. Zur Unterstützung der Aufgabenerledigung eignen sich Checklisten (vgl. ab Abschnitt 5). Die Ergebnisse der Projektarbeit sind in der Regel beispielhaft und auf das reguläre Tagesgeschäft übertragbar. Sie sollten daher in einer Abschlussdokumentation festgehalten und interessierten Zielgruppen bereitgestellt werden. Zwischenergebnisse und Teilerfolge sollten in regelmäßigen Projektgruppentreffen ausgetauscht und diskutiert werden. Die Prüfung der Einhaltung von Ressourcen-, Zeit-, Meilenstein- und Personalplanung muss kontinuierlich durch den Projektleiter erfolgen. Er kann Gegensteuerungsmaßnahmen ergreifen und ist ggf. der Hausleitung gegenüber berichtspflichtig. 2.5 Veränderungsmanagement Prozessmanagement muss nach der Einführung in einer Behörde, die in Form eines Projektes stattgefunden hat, als kontinuierliche Aufgabe in die Linienorganisation übernommen werden, um den Prozessmanagementansatz nachhaltig umzusetzen. Die Rollen des Prozesskoordinators und der Prozessverantwortlichen müssen daher spätestens zum Abschluss des Projektes verteilt und anschließend mit Leben gefüllt werden. Ziele und Inhalte des Veränderungsmanagement In der Regel bringt jedes Prozessmanagementprojekt mit der Umsetzung von Soll-Prozessen Veränderungen in den Arbeitsweisen der Mitarbeiter mit sich. Veränderungsmanagement ist in Prozessmanagementprojekten ein erfolgskritischer Steuerungsaspekt. Es soll die Zielerreichung, insbesondere durch die Schaffung einer hohen Akzeptanz der Mitarbeiter gegenüber der geplanten Veränderung, unterstützen. Das Veränderungsmanagement soll eine bestehen- 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 23

de Projektplanung nicht ersetzen oder verändern, sondern bestehende Konzepte und Werkzeuge um die Berücksichtigung des Faktors Mensch erweitern und diesen in den Mittelpunkt stellen. Es sind die Menschen, die am Wandel teilhaben, ihn zielorientiert gestalten können, ggf. aber auch behindern oder sogar verhindern können. Veränderungsmanagement soll die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten während der Einführung von Prozessmanagement erhalten und die Produktivitätseinbuße nach und während der Umsetzung der Soll-Prozesse minimieren, Ängste nehmen und Widerstände eingrenzen. Eine zeitige Einbindung der von der Veränderung Betroffenen ist wichtig. Bereits im Zuge der Abstimmung einer Projektskizze sollten ein konzeptioneller Ansatz zum Veränderungsmanagement entwickelt, ein Veränderungsmanager benannt und erste Überlegungen hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen angestellt werden. Anregungen hierzu können alle Landesbediensteten ohne vorherige Anmeldung auch aus dem Selbstlernprogramm zum Change Management der Virtuellen Akademie der AVS erhalten. 3 Phasen des Veränderungsmanagements Jeder Veränderungsprozess besteht aus mehreren Phasen. Bevor sich die neuen Einstellungen, Verhaltensweisen und Arbeitsvorgänge sowohl in Projektgruppen als auch bei einzelnen Mitarbeitern stabilisieren, durchleben die Betroffenen verschiedene emotionale Phasen. Die folgende Abbildung visualisiert den Veränderungsprozess, der von allen Betroffenen durchlaufen wird. 3 Das Selbstlernprogramm ist unter folgendem Link zu finden: http://avsweb.sachsen.de/content/wbt_changemanagement/content/index.html 24 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

Tour de Change Abbildung 3: Emotionale Kurve bei Veränderungsprozessen Im Rahmen des Veränderungsmanagements gilt es folgende Aspekte zu berücksichtigen: Die Phasen können grundsätzlich nicht übersprungen oder beliebig verkürzt werden. Das heißt allerdings nicht, dass sie bei allen Menschen gleichförmig verlaufen. Die Phasen können bei jeder Person unterschiedlich stark bzw. lange ausfallen. Bei Veränderungen handelt es sich um einen notwendigen Verarbeitungs- und Orientierungsprozess, der Zeit benötigt. Je nach wahrgenommener Schwere und Bedeutung der Veränderung ist der Zeitraum bis zur Akzeptanz unterschiedlich lang. Ziel der Maßnahmen im Bereich Veränderungsmanagement ist es, durch das systematische und bewusste Gestalten von Kommunikationsprozessen die Phasen Widerstand und Depression zu verkürzen bzw. zu mildern und schnell die angestrebte Akzeptanz und Überzeugung zu erlangen. Der Veränderungsprozess verläuft individuell. Die Mitarbeiter befinden sich nicht immer in den gleichen Phasen, sondern erleben diese in unterschiedlichem Ausmaß und Zeitverlauf. Dies erfordert von der Projektleitung und den Vorgesetzten ein sorgfältiges Monitoring, einen persönlichen Bezug zu den Betroffenen und ein differenziertes Eingreifen. Ein Stehenbleiben oder sogar Zurückfallen in den 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 25

Phasen ist ebenfalls denkbar, wenn z. B. beim Ausprobieren der neuen Situation Engpässe und Schwierigkeiten auftreten. Deshalb ist eine kontinuierliche Unterstützung der Projektleitung eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Prozessmanagementprojektes. Die Projektleitung muss z. B. dafür Sorge tragen, dass der Prozess aktiv am Leben erhalten bleibt, statt ihn z. B. nach einer gelungenen Auftaktveranstaltung sich selbst zu überlassen. Umsetzung von Maßnahmen des Veränderungsmanagements Zur Konkretisierung bzw. zur Dokumentation von Maßnahmen zur Förderung der Akzeptanz kann ein Aktionsplan erstellt werden. Mit Hilfe eines solchen Planes soll die geplante Umsetzung ausgewählter, passender und abgestimmter Maßnahmen festgehalten werden. Durch den Aktionsplan sollen folgende Fragen beantwortet werden: Welche Maßnahme wird mit welchen Ressourcen umgesetzt? Zu welchem Zeitpunkt bzw. bis wann wird die spezifische Maßnahme ergriffen und in welcher Reihenfolge sollen Maßnahmen ergriffen werden? Wer ist beteiligt und wer ist verantwortlich? Werden alle Zielgruppen der Veränderung erreicht? Wo können schnelle Erfolge erzielt und gemeinsam gewürdigt werden (Quick Wins)? Zusammengefasst müssen die folgenden Faktoren gegeben sein, um den Weg von Veränderungen, z. B. im Zusammenhang mit der Einführung Prozessmanagement oder Soll- Prozessen zu ebnen: 1. Zielstellung: Sowohl für die Projektgruppe als auch für die Beschäftigten müssen die notwendigen Veränderungen begreifbar und im Zusammenhang dargestellt werden. Das Ziel hinter dem Veränderungsvorhaben muss deutlich dargestellt und kommuniziert werden. Die Veränderungsbereitschaft bei den Betroffenen kann ohne das Kennen des Grundes und des Zieles nicht 26 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

gewährleistet werden. Es sollten den Betroffenen und Beteiligten Anreize gegeben werden, die Veränderung umzusetzen. Die Unterstützung der Zielstellung durch die Hausleitung ist unverzichtbar. 2. Ressourcenzuteilung: Für die Durchführung eines Wandels in der Organisation sind die geeigneten Personal- und Sachressourcen zur Verfügung zu stellen. Zum einen ist die Projektgruppe mit qualifiziertem Personal auszustatten, welches einen nicht zu unterschätzenden Anteil der Arbeitszeit für die Projekttätigkeit eingeräumt bekommen muss. Zum anderen sind die durch den Umstellungsprozess auf geänderte Arbeitsabläufe notwendigen Schulungsaufwände einzuplanen. Auch die zeitliche Dimension der Umsetzung von Veränderungen darf nicht unterschätzt werden. 3. Maßnahmen zur Erreichung von Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit: Die Maßnahmen zum Veränderungsmanagement sollen einem geplanten Ablauf folgen, der in einem Aktionsplan zusammengestellt wird. Nur durch aufeinander abgestimmte Kommunikations-, Beteiligungs- und Schulungsmaßnahmen lässt sich eine maximale Wirkung der Maßnahmen gewährleisten. Die Fähigkeiten zur Durchführung des Wandels müssen vorhanden sein. Die Beschäftigten sind entsprechend der neu modellierten bzw. angepassten Arbeitsabläufe zu schulen und in der ersten Zeit der Umsetzung soweit sinnvoll zu begleiten. 2.6 Werkzeuge und Methoden zur Dokumentation und Modellierung von Prozessen Wenn diese drei Punkte erfüllt werden, kann das Vorhaben durch die aktive Steuerung zum gewünschten Ergebnis führen. Vorhersehbare Misserfolge können zudem verhindert werden. Wichtige Grundlage für erfolgreiches Prozessmanagement sind gemeinsame Standards für Vorgehen und Dokumentation sowie möglichst einheitliche Werkzeuge. Da eine große Vielfalt von Vorgehensmodellen, Notationen zur Prozessdokumentation und auch an Werkzeugen existiert, stellt Referat 63 mit einem Vorgehensmodell und der Prozessplattform 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 27

eine geeignete Auswahl zur Verfügung. Dies ermöglicht sächsischen Behörden auf einer gemeinsamen Basis (Vorgehen, Werkzeug und Notation) Prozesse zu erheben, zu dokumentieren und zu optimieren. Durch diese gemeinsame Basis ist es auch möglich, Prozesse und Vorgehen verschiedener Behörden miteinander zu vergleichen, gute Ideen von anderen zu übernehmen und gegenseitig von den Erfahrungen zu profitieren. 2.6.1 Prozessplattform Sachsen Die Prozessplattform Sachsen ist das zentrale Werkzeug für Prozessmanagement in der Sächsischen Staatsverwaltung. Es ist ein Werkzeug, welches die Dokumentation, Modellierung und Optimierung von Prozessen einfach und webbasiert unterstützt. Dabei wird grundsätzlich die der Prozessplattform zu Grunde liegende PICTURE-Methode als Notation angeboten. Übersichtlicher Steckbrief Eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Einführung von Prozessmanagement ist die nachvollziehbare Dokumentation und Ablage der Prozesse. Notwendig ist dafür eine weitgehend einheitliche Struktur zur Beschreibung der Prozesse. Um schnell einen Überblick über einen Prozess zu erhalten, ist es sinnvoll die wesentlichen Informationen zusammenzufassen. Die Prozessplattform bietet hier die Möglichkeit, diese Kerninformationen in einem Steckbrief zu dokumentieren. Dies bietet dem Nutzer die Möglichkeit, wesentliche Prozessinformationen schnell und mit geringem Aufwand zu erfassen und z. B. im Rahmen eines Prozessscreenings zu bewerten. Eine solche Bewertung ist oft nötig, um bei knappen Ressourcen festzulegen, welche Prozesse zuerst einer Optimierung unterzogen werden sollen. Für eine solche Entscheidung eignet sich z. B. eine ABC-Analyse (vgl. Abschnitt 4) der per Steckbrief erfassten Prozesse. 28 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

Austausch von Prozessinformationen Die Prozessplattform Sachsen ermöglicht sowohl die zentrale Bereitstellung von Prozesswissen als auch den Austausch zwischen einzelnen Verwaltungen. Mit Hilfe von Prozesswerkstätten bzw. der Prozessbibliothek wird ein behördenübergreifender Austausch von Prozessinformationen ermöglicht. Durch die einzelnen Installationen werden die Verwaltungen in die Lage versetzt, schnell erste Erfolge zu erzielen. Jede Verwaltung erhält dabei eine eigene Instanz, die auf Wunsch mit zentralen Komponenten kommunizieren kann. Die Möglichkeit des gegenseitigen und gezielten Austausches in einem geschlossenen Kreis von einzelnen Verwaltungen fördert die überbehördliche Zusammenarbeit. Ein offener Bereich erlaubt den Zugriff auf vorhandene Prozesse, die als Modellierungsgrundlage zur effizienteren Prozessmodellierung oder als Vergleichsmodelle genutzt werden können. Die damit bereitgestellte Unterstützung von verwaltungsübergreifenden Projekten ermöglicht die Identifizierung von Best Practices und Shared-Service-Bereichen. Die Projekt- und Analyseziele werden durch individuelle Auswertungsmöglichkeiten unterstützt. Durch die Bereitstellung von unterschiedlichen Sichten wird die Basis geschaffen, bestehende Informationen wiederverwenden zu können, gezielt zusätzliche Informationen zu erheben und sich in der Darstellung auf die relevanten Prozessinformationen zu konzentrieren. Neben dem bereits geschilderten Austausch von Prozessinformationen in Prozesswerkstätten besteht auch die Möglichkeit, Daten mit der Nationalen Prozessbibliothek (NPB) auszutauschen. Mit der NPB soll eine umfangreiche Sammlung von Verwaltungsprozessen in Deutschland entstehen. Sie soll die Möglichkeit bieten, einen umfassenden Blick auf Prozessinformationen verschiedener Verwaltungen zu erhalten und zum Austausch von Informationen beizutragen sowie das gegenseitige Lernen im Sinne von Best Practice zu unterstützen. 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 29

Abbildung 4: Prozessplattform Sachsen Export von Prozessinformationen Um die mit der Prozessplattform verarbeiteten Prozessinformationen auch für Aufgaben der Prozessautomation verwenden zu können, gibt es die Möglichkeit, die mit der PICTURE-Methode erfassten Prozesse in verschiedene Notationen (BPMN, XPDL oder xprozess) zu übersetzen und für die Weiterverwendung in Drittsystemen zu exportieren. Nutzung durch die Behörden des Freistaates sowie Kommunen, Kammern, Verbände und Hochschulen Der Freistaat Sachsen hat für die Behörden des Freistaates einen Rahmenvertrag zur Lizenzbeschaffung abgeschlossen. Lizenzen aus diesem Vertrag können über das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa abgefordert werden. Anfragen richten Sie bitte per E-Mail an prozessplattform@smj.justiz.sachsen.de. Über eine Öffnungsklausel profitieren auch Kommunen, Kammern, Verbände und Hochschulen von günstigen Konditionen. Für eine erfolgreiche Einführung und Nutzung von Prozessmanagement in einer Behörde ist eine anfängliche Unterstützung für den reibungslosen Start ratsam. Daher werden im Kontext der Beschaffung und Systemeinführung zusätzliche Dienstleistungen angeboten. Diese beinhalten Schulungen sowie Coachings für die Mitarbeiter, die die ersten Projekte mit der Prozessplattform in der Behörde durchführen. Die Lizenzen und Dienstleistungen für staatliche Behörden werden zentral finanziert. 30 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

2.6.2 Beschreibungsmethoden Die Aufnahme und Beschreibung von Prozessen kann über verschiedene Methoden erfolgen (z. B. textliche oder tabellarische Beschreibung oder grafische Darstellung). Um Kommunikationsprobleme zu vermeiden, ist es bei der Durchführung von Prozessmanagementprojekten sinnvoll, sich auf einen gemeinsamen Standard zu verständigen. In der Prozessplattform Sachsen wird allen Benutzern, die der Prozessplattform zu Grunde liegende PICTURE-Methode angeboten. Die PICTURE-Methode Für die Belange und speziellen Anforderungen der öffentlichen Verwaltung zugeschnitten, ist die PICTURE-Methode ein Ansatz, mit dem die Prozesse und Aufgaben einfach handhabbar, verstehbar und nutzbar beschrieben werden können. Hierzu stellt die PICTURE-Methode drei Betrachtungsebenen bereit. Auf einer ersten Ebene wird das Untersuchungsfeld in Form einer Prozesslandkarte grob beschrieben. Es strukturiert den Untersuchungsbereich, zeigt Zusammenhänge auf und dient als Basis zur Diskussion des Untersuchungsbereichs und Visualisierung von Ergebnissen. Auf der zweiten Ebene werden die Prozesse anhand eines Steckbriefes beschrieben. Dieser beschreibt die Prozesse anhand ihrer wesentlichen Merkmale und ihrer für das Projekt relevanten Besonderheiten. Diese Ebene ermöglicht bereits eine Reihe von Analysen und Untersuchungen, wie die Durchführung einer Aufgaben/Zweckkritik, eine Klassifizierung von Aufgaben/Prozesse hinsichtlich ihrer Optimierungspotenziale sowie der Identifikation von Schnittstellen. Relevante Prozesse für eine Detailuntersuchung sofern sie noch nicht feststehen lassen sich so zielführend identifizieren. Auf der dritten Ebene erfolgt die Prozessbetrachtung im Detail. Ausgestattet mit 24 Prozessbausteinen können Verwaltungsprozesse schnell und vollständig beschrieben werden. Durch die fachliche Ausrichtung und Integration 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 31

der Fachsprache der öffentlichen Verwaltung in die Prozessbausteine sind die Modelle auch für nicht in der Prozessmodellierung geschulte Mitarbeiter und Führungskräfte einfach verständlich. Zudem grenzen sie die einzelnen Tätigkeiten im Prozess klar voneinander ab. Damit wird eine einheitliche und vergleichbare Darstellung ermöglicht, welche die Prozesse in der Prozessplattform Sachsen auch über Organisationen hinweg direkt nutzbar macht. Der Fokus wird damit auf eine konstruktive und fachliche Auseinandersetzung über die dargestellten Tätigkeiten gelenkt. Die PICTURE-Methode ist auf die Abbildung von fachlichen Prozessen für organisatorische Zwecke ausgerichtet. 32 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen

Abbildung 5: Beispiel einer Teilprozessdarstellung auf Bausteinebene mit der PICTURE-Methode Beispiel: Modellierung des Teilprozesses Posteingang bearbeiten 4 im Rahmen eines Anzeigeverfahrens mit der PIC- TURE-Methode. 4 Dieser Teilprozess wird hier in seiner Form vor der Optimierung dargestellt (Ist-Prozess). 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen 33

Weitere Notationen Neben der PICTURE-Methode ist es auch möglich, Prozesse mit anderen Notationsstandards zu beschreiben. Es sollte bei der Wahl der Notation jedoch darauf geachtet werden, dass Standards genutzt werden, z. B. Business Process Modeling Notation (BPMN) oder die Ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) 5. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass innerhalb einer Behörde eine einheitliche Notation genutzt wird, um eine Vergleichbarkeit der Prozesse und effektive Schulungsmöglichkeiten zu realisieren. Die Prozessplattform Sachsen stellt das methodenneutrale Prozessregister bereit. Hier können bei den Prozesssteckbriefen existierende Prozessmodelle anderer Notationsformen z. B. im PDF-Format oder auch andere Dateiformate hinterlegt werden. Sie sind damit einfach auffindbar. 5 Vgl. Abschnitt 4. 34 2 Teil II: Grundlagen der Einführung von Prozessmanagement im Freistaat Sachsen