17 Bleiche von Faserstoffen

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17 Bleiche von Faserstoffen Als Medium zum Beschreiben und Bedrucken muss das Papier möglichst hell sein. Als die Lumpen aus feinem, gebleichtem Leinen als Rohstoff knapp wurden, mussten gröbere braune Sorten (z.b. Sackleinen) herangezogen werden, die man dann noch bleichen musste. Die für das feine Leinen übliche Rasenbleiche war dafür zu wenig wirksam. Hier half die aufkommende Chemie. Die bleichende Wirkung des Chlors wurde im Jahre 1774 von dem deutschen Chemiker K. W. Scheele entdeckt. Nach diesem Verfahren verwendete der französische Chemiker Graf C. L. Berthollet erstmalig im Jahre 1789 die Chlorbleiche für geringere Lumpensorten. 1. Allgemeine Prinzipien der Bleiche 17.1.1 xidation und Reduktion Der Hauptmechanismus einer Bleichreaktion besteht in einer xidation oder einer Reduktion eines Chromophors. Unter xidation verstand man ursprünglich eine Zufuhr von Sauerstoff-Atomen. Ein typisches xidationsmittel, das auf diese direkte Weise wirkt, ist Sauerstoff-Gas, oder auch Wasserstoffperoxid wirkt durch Übertragung von Sauerstoff. Alternativ spricht man auch bei einer Entfernung von Wasserstoff-Atomen aus einer Verbindung von xidation (die Wasserstoffatome werden dabei zu Wasser oxidiert). Allgemeines Charakteristikum einer xidationsreaktion ist, dass sie der zu oxidierenden Verbindung Elektronen entzieht. Ein typisches auf diese Weise wirkendes xidationsmittel ist Chlor. Die Reduktion steht in einem komplementären Verhältnis zur xidation. Ursprünglich verstand man darunter einen Entzug von Sauerstoff-Atomen. Ein typisches Reduktionsmittel ist Schwefeldioxid. Alternativ liegt auch bei einer Zufuhr von Wasserstoff-Atomen eine Reduktion vor. Ein typisches derartiges Reduktionsmittel ist Wasserstoff-Gas. Allgemein bedeutet Reduktion eine Zufuhr von Elektronen. Den xidationszustand eines Elements in einer Verbindung kann man mit Hilfe der xidationszahl beschreiben. Darunter versteht man die Zahl von Bindungen an Sauerstoff minus Zahl von Bindungen an Wasserstoff, die an dem betrachteten Atom angreifen. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 1

xidations- und Reduktionsvorgänge laufen immer gekoppelt ab ( REDX-System): 17.1.2 Wirkungen der Bleiche Die Bleiche kann unterschiedlich auf das Lignin wirken (siehe Tabelle 17-1). Tabelle 17-1: Wirkung der Bleiche Art der Bleiche ligninerhaltend ligninentfernend Mechanismus Die Chromophore des Lignins werden entweder aufoxidiert oder reduziert und dabei in farblosen Verbindungen verwandelt. Das Lignin wird (vorzugsweise oxidierend) gespalten und mit polaren Gruppen versehen, dadurch löslich gemacht und aus dem Zellstoff herausgelöst. Das Herauslösen geschieht häufig in einer Extraktionsstufe Als Doppelbindungen enthaltende phenolische Verbindung kann Lignin sowohl oxidiert als auch reduziert werden. Die meisten starken xidations- und Reduktionsmittel können dabei auch bleichend wirken. Es werden jedoch nur relativ wenige Verbindungen für die Ligninbleiche eingesetzt. Diese werden in Tabelle 17-2 zusammengestellt. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 2

Tabelle 17-2: Bleichmittel xidationsmittel Reduktionsmittel industriell Chlor Cl 2 Natriumdithionit Na 2 S 2 4 bedeutsam Natriumhypochlorit NaCl Zinkdithionit ZnS 2 4 Calciumhyochlorit Ca(Cl) 2 Natriumbisulfit NaHS 3 Chlordioxid Cl 2 Formamidinsulfinsäure FAS Wasserstoffperoxid H 2 2 Natriumperoxid Na 2 2 zon 3 weniger Natriumchlorit NaCl 2 Schwefeldioxid S 2 bedeutsam Peressigsäure CH 3 C 3 H Natriumborhydrid NaBH 4 Chlormonoxid Cl 2 Calciumdithionit CaS 2 4 Thioglykolsäure SHCH 2 CH Ammoniumdithionit (NH 4 ) 2 S 2 4 Kaliumpermanganat KMn 4 Wasserstoff H 2 Die Wirksamkeit der verschiedenen Bleichmittel ist sehr unterschiedlich. Eine der Ursachen dafür ist ihr verschiedenes xidations- (Reduktions-) Potenzial. Für oxidierende Verbindungen wird das xidationspotenzial technisch meistens in der Menge (kg) Aktivchlor, das in einem Kilogramm Bleichmittel enthalten ist, ausgedrückt. Um chlorfreie Bleichmittel mit den klassischen Chlor enthaltenden Produkten vergleichen zu können, wird deren xidationspotenzial ebenfalls in Chloräquivalente umgerechnet. Für die normalen Bleichmittel werden die umgerechneten Aktivgehalte in Tabelle 17-3 angegeben: Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 3

Tabelle 17-3: Gehalt von Aktivchlor und Aktivsauerstoff in Bleichmitteln xidationsmittel; 1 kg entspricht Aktivchlor [kg] entspricht Aktivsauers toff [kg] Cl 2 0,93 0,21 NaCl 1,57 0,35 NaCl 2 2,63 0,59 Cl 2 2,63 0,59 Na 2 2 0,91 0,20 H 2 2 2,09 0,47 KMn 4 1,11 0,25 Gemeinsam ist allen oxidierenden Bleichmitteln, dass sie auch die Polysaccharide abbauen können. xidierende Bleichmittel bauen Lignin ab und machen es besser alkali-löslich, wirken daher ligninentfernend. Der Hauptweg des oxidativen Abbaus der Cellulose setzt am reduzierenden Ende der Kette an. Abbildung 17-1 zeigt, dass der Abbau über die Schritte xidation zur - Hydroxysäure, Decarboxylierung und Dehydrierung zum Aldehyd, der wieder zu einer -Hydroxysäure aufoxidiert wird, verläuft. Daneben gibt es eine Reihe von xidationsreaktionen, die die Polysaccharide schädigen, ohne direkt die Ketten abzubauen. Abbildung 17-2 gibt einen Überblick über diese Reaktionen. Neben der schon genannten zum Abbau führenden Endoxidation treten noch xidation des C6- Hydroxyls zur Uronsäure und ringöffnende Reaktionen an C2 und C3 zum Dialdehyd oder Diketon auf. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 4

CH 2 H CH 2 H H H x H H CH R H R H R CH 2 H H H H CH - C 2 - H 2 R CH 2 H H H CH 2 H CH 2 H R H H x R H H CH Abbildung 17-1: xidativer Abbau der Cellulose, beginnend am reduzierenden Kettenende CH CH 2 H H H Uronsäure C 6 CH 2 H H Kettenspaltung H H C 1 H Aldonsäure C 2 C 3 H Ringspaltung CH 2 H CH 2 H CH 2 H C C Diketon CH HC Dialdehyd H C C Disäure H Abbildung 17-2: xidationsreaktionen an Polysacchariden durch Chlor Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 5

xidative Bleichmittel wirken nicht völlig selektiv und greifen auch Polysaccharide an. Um Lignin möglichst schonend zu lösen und zu bleichen, ohne die Polysaccharide stark zu schädigen, werden in der Regel verschiedene Bleichbehandlungen hintereinander angewandt (Bleichstufen). Zwischen den eigentlichen Bleichstufen werden je nach Bedarf noch weitere Behandlungsschritte vorgenommen. Dazu gehören z.b. eine Alkaliextraktion der löslichen Ligninbestandteile oder eine Komplexierung, um bei Peroxidstufen störende Schwermetalle unschädlich zu machen. Die Bleichstufen werden der Einfachheit halber mit Buchstaben bezeichnet (siehe Tabelle 17-4), so dass die Aufeinanderfolge mehrstufiger Bleichsequenzen leicht dargestellt werden kann. Tabelle 17-4: Bezeichnung von Bleich- und Hilfsstufen peration Chlorierung Chlorierung unter Zusatz von etwas Chlordioxid Alkaliextraktion Natrium- oder Calciumhypochloritbleiche Chlordioxidbleiche Bleiche mit einer Mischung von Chlor und Chlordioxid Komplexierung Sauerstoffbleiche Peroxidbleiche zonbleiche Dithionit- (Hydrosulfit-) Bleiche Bleiche mit Peressigsäure Bezeichnung C C D E H D C+D Q P Z Y A 2. Bleiche mit chlorhaltigen Mitteln Die wahrscheinlich ältesten oxidativen Bleichmittel sind das Eau de Javelle und das Eau de Labaraque, die durch Einleiten von Chlor in eine Lösung von Pottasche (K 2 C 3 ) bzw. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 6

Soda (Na 2 C 3 ) erhalten werden. Diese Haushaltsbleichlaugen wurden schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfunden. Seither entwickelte sich die Chlorchemie stürmisch, wobei die Bleichwirkung, die desinfizierende Wirkung und die hohe chemische Reaktivität der Chlorverbindungen genutzt wurden. Dazu hat auch wesentlich beigetragen, dass mit der Chlor-Alkali-Elektrolyse ein Produktionsverfahren entwickelt worden war, das neben Chlor auch die wichtigen Kuppelprodukte Natronlauge und Wasserstoff liefert. Die Schattenseite der Chlorchemie ist, dass die anorganischen oxidierenden Chlorverbindungen sehr aggressiv (auch physiologisch nicht unbedenklich) und die organischen Chlorverbindungen überwiegend stark giftig sind. Daher gerät diese Chemie aus ökologischen Gründen zunehmend in Bedrängnis. Elementares Chlor ist das preisgünstigste und effektivste technische Bleichmittel, allerdings ist es ökologisch gefährlich. 17.1.3 Chlorhaltige Bleichmittel 17.1.3.1 Elementares Chlor Alle chlorhaltigen Bleichmittel leiten sich technisch vom Chlorgas (Cl 2 ) ab. Dieses wird durch Elektrolyse von Kochsalz (NaCl) gewonnen. Führt man die Elektrolyse in wässriger Lösung durch (siehe Gleichung 17-1), entsteht an der Anode Chlorgas, an der Kathode Wasserstoffgas und in der Lösung des Kathodenraumes bildet sich zudem Natronlauge (NaH) Gleichung 17-1: Chlor - Alkali Elektrolyse Elektrolyse NaCl + H 2 Cl 2 + H 2 + NaH Die oxidierende Wirkung des Elements Chlor beruht auf seiner hohen Elektronegativität, durch Aufnahme eines Elektrons pro Atom wird das stabile Chloridion gebildet (Gleichung 17-2). Gleichung 17-2: Wirkung von elementarem Chlor als xidationsmittel Cl Cl +2 Cl + Cl In Wasser kann Chlor in gewissem Maße monomolekularen Sauerstoff bilden, der seinerseits stark bleichend wirkt Gleichung 17-3: Bildung von aktivem Sauerstoff durch Chlor in Wasser Cl 2 + H 2 2 HCl + Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 7

Durch Einleiten des Chlorgases in wässrige Laugen entstehen Salze der Chlorsauerstoffsäuren. Dabei entsteht jeweils eine Verbindung mit höherer xidationszahl und Chlorid (xidationszahl -1) Neben der oxidierenden Wirkung des Chlors ist auch dessen Fähigkeit von Bedeutung, sich an Doppelbindungen anzulagern (Additionsreaktion; Gleichung 17-4) und mit aromatischen Verbindungen zu reagieren (Substitution; Gleichung 17-5). Gleichung 17-4: Additionsreaktion von Chlor R R Cl 2 Cl R R Cl Gleichung 17-5: Substitutionsreaktion von Chlor Cl 2 Cl - HCl 17.1.3.2 Hypochlorite (Salze der Unterchlorigen Säure) Bildung durch Disproportionierung des elementaren Chlors nach Gleichung17-6 Gleichung17-6: Bildung von Natriumhypochlorit + Cl 2 2 NaH NaCl + NaCl + H 2 [0] [+1] [-1] 17.1.3.3 Chlorite (Salze der Chlorigen Säure) Bildung nach Gleichung 17-2 aus Hypochlorit Gleichung 7: Bildung von Natriumchlorit 2 NaCl NaCl 2 + NaCl [+1] [+3] [-1] Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 8

17.1.3.4 Chlorate (Salze der Chlorsäure) Diese entstehen durch Einwirken von unterchloriger Säure auf Hypochlorite (Gleichung 17-8) Gleichung 17-8: Bildung von Natriumchlorat 2 HCl + NaCl NaCl 3 + 2 HCl [+1] [+1] [+5] [-1] 17.1.3.5 Perchlorate (Salze der Perchlorsäure) Diese entstehen durch weitere Disproportionierung von Chloraten (Gleichung 17-9 Gleichung 17-9: Bildung von Natriumperchlorat 4 NaCl 3 3 NaCl 4 + NaCl [+5] [+7] [-1] Die Chlorsauerstoffverbindungen oxidieren noch stärker als Chlor selbst und sind daher sehr wirksame Bleichmittel. Allerdings ist die Reaktionsfähigkeit der Chlorate und Perchlorate so groß, dass sie leicht zu Explosionen führen können. Für die Zellstoffbleiche werden praktisch nur Hypochlorite (Natrium- oder Calcium-) verwendet. 17.1.3.6 Chlordioxid Als weiteres Bleichmittel auf Basis von Chlor ist das Gas Chlordioxid, das sich beim Einleiten von Chlor in Chloratlösungen bildet ( Gleichung 17-10) Gleichung 17-10: Bildung von Chlordioxid 2 Na Cl 2 + Cl 2 2 Cl 2 + 2 NaCl [+3] [0] [+4] [-1] Alle Chlorsauerstoffverbindungen lassen sich durch Redox- Disproportionierung aus Verbindungen mit niedriger xidationsstufe gewinnen und leiten sich letztendlich von elementarem Chlor ab. 17.1.4 Chlorbleiche Chlor ist ein billiges und leicht zu handhabendes Bleichmittel. Die Chlorstufe allein bleicht allerdings kaum, sondern es kann sogar zu einer Verdunklung der Faserstoffe kommen. Der wichtigste Effekt ist die Bildung alkalilöslicher Produkte. Das Chlor löst Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 9

sich in Wasser und dissoziiert dort wie durch Gleichung 17-11 beschrieben zu Chloridund Chloroniumionen (Cl + ) Gleichung 17-11: Bildung von Chloroniumionen Cl 2 Cl - + Cl + Im Bleichturm laufen dann folgende Hauptreaktionen ab: Der aromatische Ring wird durch ein Chloroniumion substituiert. Der Substitutionsort hängt dabei von den vorhandenen Substituenten ab. Lignin wird abgebaut: Es entstehen chlorierte und chinoide Spaltprodukte (letztere sind für die dunkle Färbung verantwortlich). Abbildung 17-3: Chlorierungsreaktion an der Phenylpropaneinheit des Lignins H + C l -H + C l + H R 2 R 3 R 1 + C l + C H 3 + C l + + C l + R 2 H C H 3 R 3 C l + R 1 H C H 3 -H + R 2 C l C H 3 R 3 H R 1 C H 3 R 2 R 3 R 1 + C l C H 3 + H 2 - l -M e H R 2 R 3 R 1 + + H 2 -H + -R 3 H R 2 R 1 Außer den beschriebenen Reaktionen gibt es noch eine Reihe von Nebenreaktionen, die z.t. auch toxische, umweltschädliche Produkte erzeugen. Während die eigentlichen Chlorierungsreaktionen weitgehend selektiv am Lignin angreifen, können xidationsreaktionen auch an den Polysacchariden verlaufen. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 10

Die Chlorbleiche erzeugt einen höheren Anteil an gut alkali - löslichen Ligninabbauprodukten. Diese können und müssen durch eine nachfolgende Alkaliextraktionsstufe entfernt werden. Die Chlorlignine als solche sind wohl schlecht wasserlöslich, sie können aber im alkalischen Milieu relativ leicht in Phenole umgewandelt werden, die alkalilöslich sind (Abbildung 17-4). Wenn die Hemicellulosen nicht ebenfalls aus dem Zellstoff herausgelöst sondern erhalten werden sollen, muss mit stark verdünnten Alkalien gearbeitet werden (1-1,5% für Sulfit- 3% für Sulfat-Zellstoff). Abbildung 17-4: Bildung von Phenolaten aus Chlorligninen R R +2 NaH R Cl -NaCl-H2 R - Na + R R Cl - Na + +2 NaH R R -NaCl-H2 R R R R Unter Umweltaspekten ist die Chlor - Bleichstufe der problematischste Schritt der Zellstoffbleiche. Die Abwässer dieser Stufe enthalten ca. 90% der sauerstoffzehrenden Substanzen und sind auch für die starke Färbung verantwortlich. Die chlorierten Verbindungen können toxisch, z.t. sogar cancerogen und mutagen wirken. Besonders kritisch ist, dass sie aufgrund ihrer gute Fett- und schlechteren Wasserlöslichkeit durch die Nahrungskette in Fettgeweben angereichert werden. Eine Bleichsequenz, die keine Chlorstufe enthält, ist daher schon wesentlich umweltfreundlicher. So hergestellte Zellstoff werden als ECF (Elementarchlor - freie)- Zellstoffe bezeichnet. 17.1.5 Hypochloritbleiche NaCl (früher auch Ca(Cl) 2 ) wird nach der Vorbleiche eingesetzt und wirkt vor allem als xidationsmittel und praktisch nicht chlorierend. Bei niedrigen ph - Werten liegt vor allem elementares Chlor in der Bleichlauge vor, während bei höheren ph - Werte vorwiegend Unterchlorige Säure und oberhalb von ph 9 das Hypochlorition wirkt (Gleichung 17-12). Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 11

Gleichung 17-12: Wirksame Verbindungen in der Hypochloritstufe Cl 2 + H - HCl + Cl - steigender ph HCl + H - Cl - + H 2 steigender ph Hypochlorit zerstört das Lignin durch xidation, wobei es im ersten Schritt vorwiegend das phenolische H angreift. Als Abbauprodukte entstehen vor allem organische Säuren und C 2 und nur wenig chlorierte Ligninabbauprodukte. Als starkes xidationsmittel greift Hypochlorit aber auch die Polysaccharide an. Dass die H - Stufe weniger chlorierend und stärker oxidierend wirkt als die Chlorbleiche sieht man daran, dass der Ligningehalt weniger schnell, die Viskosität dagegen schneller abnimmt als bei der Chloreinwirkung (siehe Abbildung 17-5). Nach Gleichung 17-12 ist die wirksame Konzentration des Chlorit - Ions stark vom ph abhängig. Diese Wirkung spiegelt sich auch in der ph - Wert - Abhängigkeit des Bleichergebnisses (siehe Abbildung17-6) Abbildung 17-5: Reaktionsgeschwindigkeit der Chlor- und Hypochloritbleiche, gemessen an der Ligninentfernung und dem Viskositätsabbau Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 12

Die Chlorsauerstoffverbindungen wirken fast ausschließlich als xidations- und nicht als Chlorierungsmittel. Abbildung17-6: Einfluss des ph - Wertes auf verschiedene Zellstoffeigenschaften 17.1.6 Chlordioxidbleiche Cl 2 ist ein sehr wirksames, lignin-abbauendes Bleichmittel von hoher Selektivität. Das Gas ist toxisch und explosiv und kann nicht über längere Strecken transportiert werden. Aus diesem Grund muss es an rt und Stelle erzeugt werden. Es ist dann immer noch relativ teuer, aber vor allem lohnt sich die Investition einer eigenen Chlordioxid - Erzeugungsanlage nur für große Bleichkapazitäten. Aus Kostengründen wurde es früher in der Regel erst nach der Vorbleiche und Extraktionsstufe eingesetzt, weil dort der Verbrauch durch Nebenreaktionen weniger stark ins Gewicht fiel. Da heute aus Umweltgründen häufig auf den Einsatz von elementarem Chlor verzichtet wird und außerdem mit der Entwicklung einer leistungsfähigeren Technologie und größeren Produktionskapazitäten Cl 2 kostengünstiger hergestellt werden kann, wird es heute oft schon in der ersten Bleichstufe verwendet. Die Hauptvorteile des Cl 2 sind seine hohe Wirksamkeit und damit geringer Verbrauch und die Tatsache, dass dadurch kaum chlorierte Lignane gebildet werden. Aus diesem Grund ist es bedeutend umweltfreundlicher als das elementare Chlor. Die wesentlichen Abbaureaktionen am Lignin werden in Abbildung 7 aufgezeigt. Hier zeigt sich die Besonderheit von xidationsmitteln, dass sie Lignin nicht nur oxidativ spalten, sondern auch bestimmte aromatische Strukturen zerstören können. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 13

R C H 3 R R R R C H 3 C H C H C H 3 Abbildung 7: Hauptsächliche Ligninreaktionen des Chlordioxids Chlordioxid ist das heute am meisten verwendete chlorhaltige Bleichmittel. Bei der Chlordioxidbleiche werden praktisch keine chlororganischen Produkte gebildet. 17.1.7 Chloritbleiche Chlorite wirken sehr ähnlich wie Chlordioxid. Allerdings sind sie in der Regel noch teurer und werden daher auch nur selten für Spezialzellstoffe verwendet, für die sich eine Chlordioxidanlage nicht lohnt. Der Hauptnachteil der chlorhaltigen Bleichmittel, liegt darin, dass organische Chlorverbindungen im Zellstoff verbleiben, die selbst toxisch sind und beim Verbrennen die besonders toxischen Dioxine bilden können. Ein wichtiger Wert für die ökologische Güte eines Zellstoffs stellt daher die Menge an organisch gebundenem Chlor (AX- Wert) dar. Tabelle 17-5 gibt einige Werte von AX für Zellstoffe an, die mit verschiedenen Sequenzen zu vergleichbaren Weißgraden gebleicht wurden. Man erkennt, dass der AX Wert fast ausschließlich aus der Chlorstufe herrührt. Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 14

Tabelle 17-5: Menge an organisch gebundenem Chlor in verschieden gebleichten Zellstoffen 17.1.7.1.1 AX [kg/t] Bleichsequenz Laubholzzellstoff Nadelholzzellstoff CEHDED 4-5 8-10 (C 85 /D 17 )EDED 2,5-5 4-5 (C 30 /D 70 ) (E) DED 1-2 1,5-2,5 3. Schädigung von Zellstoffen bei der oxidativen Bleiche Die Bleiche beansprucht die Fasern zusätzlich vor allem durch die Wirkung folgender Einflussfaktoren: Mechanische Beanspruchung Verlust von Festigkeit durch Faserkürzung Lockerung der Faserwand-Struktur Chemische Faktoren durch Molekularer Abbau der Cellulose Arten des chemischen Abbaus Hydrolytisch beim Aufschluss xidativ bei der Bleiche Hydrolytisch bei der Bleiche Hydrolyse beim Recycling Verhornung Verschlechterung der Mahlbarkeit; Brüchigwerden der Fasern Verlust von Festigkeit durch Scharfe Trocknung Intensive Satinage Alterung. Die Eigenschaften der Fasern verändern sich auch im Laufe der Zeit. Wir unterscheiden verschiedene Arten: Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 15

Thermische Alterung entspricht Langzeit-Dunkellagerung Fotochemische Alterung unter Licht-Einfluss (besonders wirksam UV-Anteil) Mechanismen der Alterung: xidativ-hydrolytischer Abbau Bildung von Chromophoren (Vergilbung und Vergrauung) xidation von Restlignin chinoide Chromophore Re-oxidation reduzierter Lignane (nach reduzierender Bleiche) Bildung furanoider Chromophore aus Pentosen xidation von Verunreinigungen (Huminstoffe, Gerbstoffe, Schwermetalle) Version 2011 Letzte Aktualisierung: 07.03.2011 18:57 V17 Seite 16